28 April 2016

Ein neues Wahlverfahren für den UN-Generalsekretär

Das neue Verfahren bei der Wahl des UN-Generalsekretärs zeigt: Reformen der Vereinten Nationen sind, trotz allem, möglich. In einer Serie von Gastartikeln antworten hier Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf die Frage: Wenn Sie eines an der Funktionsweise der UN ändern könnten, was wäre es? Heute: Stephen Browne. (Zum Anfang der Serie.)

„Heute ist mehr denn je eine starke und besonders befähigte Person notwendig, um die UNO zu führen.“
Irgendwann in der zweiten Hälfte dieses Jahres wird der nächste Generalsekretär – oder Generalsekretärin – der Vereinten Nationen gewählt werden, um im Januar 2017 das Amt von Ban Ki-moon zu übernehmen. Warum ist die Wahl dieses neunten Generalsekretärs so bedeutend?

Der Generalsekretär ist der ranghöchste Diplomat der Welt und nach Artikel 97 der Charta der „höchste Verwaltungsbeamte“ der UN. Seine einzige Funktion, die explizit in der Charta beschrieben wird, ist es, „die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrats auf jede Angelegenheit [zu] lenken, die nach seinem [sic] Dafürhalten geeignet ist, die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu gefährden“ (Art. 99). Eine andere Jobbeschreibung gibt es nicht. Die Fähigkeiten des Amtsinhabers aber waren niemals wichtiger, sowohl für die Vereinten Nationen selbst als auch für allgemeine Fragen der globalen Ordnungspolitik. Man bedenke nur die Verantwortlichkeiten des Generalsekretärs.

Vision und Führungsstärke

In der Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsrat macht der Generalsekretär nicht nur Vorschläge, sondern kann auch widerstrebende Regierungen davon überzeugen oder überreden, Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidungen müssen interpretiert und umgesetzt werden. Ihre Umsetzung muss kontrolliert und in Berichten festgehalten werden.

Neben ihrer Zuständigkeit für Frieden und Sicherheit überwacht die UNO auch die Einhaltung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit, organisiert humanitäre Hilfe in immer größerem Umfang und umfasst mehr als dreißig größere Entwicklungsorganisationen, die zehntausende Projekte durchführen. Der Generalsekretär kann nicht alle Tätigkeiten des vielfältigen und weit verzweigten UN-Systems überwachen, aber er ist für die Ernennung vieler hochrangiger Beamten zuständig, die das tun. Zwei Mal im Jahr leitet der Generalsekretär Treffen des Chief Executive Boards, das die wichtigsten von ihm ernannten Amtsträger sowie die Spitzen der unabhängigeren UN-Sonderorganisationen umfasst. Diese Treffen verlangen von ihm Vision und Führungsstärke.

Der Generalsekretär ist der Hauptkommunikator der Werte und Normen der UN sowie der unmittelbare Chef eines New Yorker Sekretariats mit mehreren tausend Mitarbeitern aller Nationalitäten, und damit im Alltag ein Manager von Menschen und Verwaltungssystemen.

Wachsende Herausforderungen

In diesem breiten Spektrum von Verantwortlichkeiten wachsen derzeit die Herausforderungen an die UN. Einige der größten Konflikte der Welt sind ungelöst. Menschenrechte, besonders Frauenrechte, werden vielerorts gebrochen. Die UN haben Mühe, mit immer wieder auftretenden humanitären Katastrophen Schritt zu halten. Und ihre Entwicklungsaktivitäten im sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Bereich werden zunehmen marginalisiert, verstreut und durch Doppelstrukturen geschwächt. In mehreren globalen Umfragen, die das Projekt FutureUN (FUNDS) durchgeführt hat, wurden große Teile der UN als wenig relevant und ineffizient eingeschätzt. Ihre Managementsysteme beschrieb ein früherer Beigeordneter Generalsekretär im März in der New York Times als „zum Verrücktwerden komplex […], unfähig, das gewünschte Ergebnis zu erzielen“.

Die UN sind eine Organisation, die von souveränen Staaten regiert wird, deren Agenten die Sekretariate sind. Ein solch umständliches kollektives Regieren erlaubt weder wendige Aktionen noch begünstigt es radikale Reformen. Im Lauf der über 70 Jahre, die die UN existieren, gab es jedoch immer wieder Zeiten und Gelegenheiten für Änderungen zum Besseren, die von reformorientierten und visionären UN-Chefs orchestriert wurden. Eine neue solche Gelegenheit nähert sich mit der Ernennung des nächsten Generalsekretärs, der 2017 eine frühe „Flitterwochen“-Periode haben wird, in der er Maßnahmen ergreifen und Reformen voranbringen kann, um den großen Herausforderungen der UN entgegenzutreten.

Die wichtigste Reform betrifft die Wahl des Generalsekretärs

Ob der nächste Amtsinhaber diese Gelegenheit nutzt, wird entscheidend von den Fähigkeiten dieser Person abhängen. Die wichtigste unmittelbare Reform, die die UN brauchen, betrifft deshalb den Prozess, mit dem der nächste Generalsekretär ausgewählt wird – eine Verantwortung, die beim Sicherheitsrat liegt.

Bis jetzt wurde diese Aufgabe im Wesentlichen von den fünf ständigen Mitgliedern ausgeübt, von denen jedes ein Veto gegen jeden Kandidaten einlegen kann, den es nicht unterstützt. Dieses Verfahren bringt die Gefahr, dass nicht der stärkste, sondern der schwächste und nachgiebigste Kandidat gewählt wird. Heute ist aber mehr denn je eine starke und besonders befähigte Person notwendig, um die UNO zu führen, wenn sie nicht weiter zurückfallen soll.

Ein offener und transparenterer Prozess

Es gibt deshalb diesmal ein größeres Interesse an einem offenen und transparenteren Prozess. Traditionell gab es unter den Kandidaten eine regionale Rotation, nach der diesmal Osteuropa an der Reihe wäre. In einem gemeinsamen Brief forderten die Präsidenten des Sicherheitsrats und der Generalversammlung im Dezember 2015 jedoch Regierungen aus allen Regionen auf, Nominierungen vorzubringen.

Bisher hat der Sicherheitsrat der Generalversammlung zudem stets nur einen einzelnen Kandidaten vorgeschlagen, die diesen immer akzeptiert hat. Diesmal hat die Generalversammlung alle nominierten Kandidaten zu Anhörungen eingeladen, so dass ihre Sichtweisen gehört und ihre Erfahrungen und Visionen geprüft werden können.

Zudem werden mehrere zivilgesellschaftliche Anhörungen organisiert, auch durch das FutureUN-Projekt in New York und London. Die Lebensläufe der nominierten Kandidaten werden online publiziert, damit die Öffentlichkeit sie einsehen kann. Nach acht männlichen Generalsekretären werden nun aktiv weibliche Kandidatinnen zur Bewerbung aufgefordert.

Ein neuer Geist der Kühnheit und Originalität

Dies sind wichtige und willkommene Änderungen, aber es muss sich erst noch zeigen, ob sie genügen werden, um ein strikt meritokratisches Verfahren zu garantieren, das zur Ernennung eines hochkarätigen Generalsekretärs führt. Notwendig wird dafür auch ein neuer Geist der Kühnheit und Originalität sein, den alle Regierungen bei der Nominierung der Kandidaten und die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder bei ihrem Einfluss auf die Wahl zeigen müssen.

In einer vor kurzem durchgeführten FutureUN-Umfrage unter Experten und UN-Beobachtern wurden die Befragten gebeten, den Namen ihres bevorzugten Kandidaten zu nennen. Der am häufigsten genannte Name war Angela Merkel.

Stephen Browne ist Mitglied des Ralph Bunche Institute for International Studies an der City University von New York und Direktor des Projekts „Future of the United Nations Development System“.


Wenn Sie eines an den Vereinten Nationen ändern könnten, was wäre es?

1: Serienauftakt [DE / EN]
2: Ein neues Wahlverfahren für den UN-Generalsekretär [DE / EN] ● Stephen Browne
3: Das Sekretariat der Vereinten Nationen: Unabhängig, effizient, kompetent? [DE / EN] ● Franz Baumann
4: Die Bürger in den Mittelpunkt: Die Vereinten Nationen brauchen eine Grunderneuerung für das 21. Jahrhundert [DE / EN] ● Dhananjayan Sriskandarajah
5: Weichenstellung für die Vereinten Nationen: Wie kann der Sicherheitsrat reformiert werden? [DE] ● Sven Gareis
6: Die Bürger der Welt müssen die Kontrolle zurückgewinnen – mit einem globalen Parlament [DE / EN] ● Andreas Bummel
7:  Elect the Council: Die globale Sicherheit braucht einen reformierten UN-Sicherheitsrat [DE / EN] ● Jakkie Cilliers und Nicole Fritz

Übersetzung aus dem Englischen: Manuel Müller.
Bilder: UN Photo/Marco Castro [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; Stephen Browne.

A new process for selecting the UN Secretary General

The new selection procedure for the UN Secretary General shows that, after all, reforms of the United Nations are possible. In a series of guest articles, representatives from politics, science and civil society answer to the question: If you could change one thing about the functioning of the UN, what would it be? Today: Stephen Browne. (To the start of the series.)

“Today, more than ever before, a strong and uniquely qualified person is required to lead the UN.
Sometime after the middle of this year, the next United Nations Secretary-General (SG) will be elected to take over from Ban Ki-moon in January 2017. Why is the choice of the ninth SG so important?

The SG is the world’s most senior diplomat and the UN’s “chief administrative officer”, according to Article 97 of the Charter. The only function of the SG described by the Charter is “to bring to the attention of the Security Council any matter which in his (sic) opinion may threaten the maintenance of international peace and security” (Article 99). There is no other job description. However, the qualities of the incumbent have never been more critical, both for the United Nations itself, but also for wider concerns of global governance. You only have to think through the responsibilities of the SG.

Vision and guidance are required

In working with the Security Council, an SG does not merely make proposals, but can persuade and cajole reluctant governments into taking decisions. Those decisions have to be interpreted and implemented. They must be monitored and reported on.

In addition to its responsibilities for peace and security, the UN oversees human rights and justice, organizes humanitarian relief on an ever-expanding scale, and includes more than 30 major development organizations undertaking tens of thousands of projects. The SG cannot oversee all the actions of the diverse and dispersed UN system, but is responsible for making many of the appointments of those who do. Twice a year, the SG chairs meetings (the Chief Executive Board) comprising all his senior appointees and the heads of the more independent specialised agencies. Those meetings require the chair’s vision and guidance.

The SG is the chief communicator of the values and norms of the UN, and the immediate head of a New York secretariat of several thousand staff of every nationality, and therefore a daily manager of people and administrative systems.

Growing challenges

Across this huge range of responsibilities, the challenges to the UN today are growing. Some of the world’s major conflagrations remain unresolved. Human rights and the status of women are still widely abused. The UN struggles to keep up with repeated humanitarian disasters. And its development activities across social, economic and environmental domains are increasingly marginalised, dispersed and duplicative. In repeated global public surveys conducted by the FutureUN (FUNDS) project, many parts of the UN are considered of low relevance and effectiveness. Its management systems were described in March in the New York Times by a former Assistant Secretary-General as “maddeningly complex incapable of delivering the intended result.”

The UN is an organisation governed by sovereign countries, of which the secretariats are the agents. Cumbersome collective governance does not facilitate nimble actions, nor does it favour radical reform. However, as has been demonstrated over 70 years of UN existence, there have been times and opportunities for beneficial change, orchestrated by reform-minded and visionary UN heads. A new opportunity is approaching with the appointment of the next SG who will have an early “honeymoon” period in 2017 to take action and promulgate changes to address the huge challenges facing the UN.

The most important immediate reform concerns the SG selection

Whether the next incumbent seizes this opportunity will depend crucially on that person’s qualities. The most important immediate reform required, therefore, concerns the process of selecting the next SG, a responsibility of the Security Council.

Hitherto, the task has been effectively driven by the five permanent members, which can wield their veto against any candidate they do not favour. The process risks the selection of the weakest, and most pliable, rather than the strongest candidate. Today, more than ever before, a strong and uniquely qualified person is required to lead the UN if it is not to continue falling short.

An open and more transparent process

This time around, there is more concern about an open and more transparent process. Traditionally, there has been a regional rotation of candidates, with the turn now falling to Eastern Europe. But in a joint letter in December 2015 from the presidents of the Security Council and the General Assembly, governments from all regions are invited to make nominations.

Hitherto, the Security Council has only proposed a single candidate to the General Assembly, which has always acquiesced. This time, the General Assembly has invited all nominated candidates to hearings so that their views can be heard and their experience and vision examined. There will also be several civil society hearings organised, including by the FutureUN project in New York and London. The curricula vitae of nominated candidates are being published online for public scrutiny. After eight male SG’s, female candidates are actively solicited.

A new spirit of boldness and originality

These are important and welcome changes, but it remains to be seen whether they will be enough to guarantee a strictly meritocratic process leading to the selection of a high-calibre SG. That will also require a new spirit of boldness and originality among all governments in nominating candidates, and among the Permanent Five in influencing the selection.

In a recent FutureUN survey of experts and UN-watchers, respondents were asked to name their preferred candidate. The name most frequently mentioned was Angela Merkel.

Stephen Browne is Fellow of the Ralph Bunche Institute for International Studies at the City University of New York and Director of the “Future of the United Nations Development System” project.



Pictures: UN Photo/Marco Castro [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; Stephen Browne.

25 April 2016

Wenn Sie eines an den Vereinten Nationen ändern könnten, was wäre es? – Serienauftakt

Auch siebzig Jahre nach ihrer Gründung werden die Vereinten Nationen immer noch besser.
Der vergangene 12. April war ein Meilenstein in der Geschichte der Vereinten Nationen. Es war das erste Mal, sich die Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt des UN-Generalsekretärs an öffentlichen Anhörungen teilnahmen, in denen sie ihre „Vision“ für die Zukunft der Weltorganisation darlegten und sich den Nachfragen der Mitgliedstaaten stellten. (Eine Übersicht über alle Kandidaten und ihre Lebensläufe sowie Links zu den Videos ihrer Anhörungen finden sich hier.) Vier der acht Kandidaten nahmen im Anschluss daran außerdem an einer von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen sowie dem Guardian veranstalteten Debatte teil. Eine weitere soll Anfang Juni folgen.

Eine Veränderung zum Besseren

Diese Anhörungen waren der vorläufige Höhepunkt bei dem Versuch, die diesjährige Wahl des Nachfolgers von Ban Ki-moon transparenter und partizipativer zu machen. Nachdem bislang die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats die Auswahl eines neuen Generalsekretärs in der Praxis stets allein unter sich ausmachten und nicht selten bis zur letzten Minute hinter verschlossenen Türen um Namen gefeilscht wurde, soll das neue Verfahren für einen klareren Zeitplan und eine stärkere Beteiligung der Öffentlichkeit sorgen. Ich habe darüber bereits mehrmals ausführlicher berichtet, unter anderem hier und hier.

Obwohl die formalen Entscheidungsregeln noch immer dieselben sind wie zuvor, gibt es guten Grund zur Hoffnung, dass diese neue Transparenz die Wahl zum Besseren verändern wird. Anders als früher hat die Öffentlichkeit nun eine Möglichkeit, sich eine Meinung über das Verfahren zu bilden: Sie weiß, welche Kandidaten zur Auswahl stehen und welche unterschiedlichen Zielsetzungen diese vertreten. Damit aber steigt auch der Druck auf die Regierungen im UN-Sicherheitsrat, ihre Entscheidung für den einen oder anderen Bewerber öffentlich zu rechtfertigen. Gezielt einen schwachen und (für die Großmächte) bequemen Kandidaten auszuwählen, wird damit etwas schwieriger als früher: Denn nun ist klar, wie die Alternativen dazu ausgesehen hätten.

Reformen in den Vereinten Nationen sind möglich

Gewiss, von einem wirklich demokratischen Wahlverfahren für die Spitze des wichtigsten UN-Exekutivorgans sind wir noch weit entfernt. Und doch ist das neue Verfahren ein großer Schritt in die richtige Richtung – und ein Erfolg, den noch vor wenigen Jahren und Monaten viele nicht für möglich gehalten hätten.

Auf symbolischer Ebene weisen die Änderungen bei der Generalsekretärswahl daher noch weit über ihre konkreten Inhalte hinaus. Sie zeigen, dass der Ruf, die Vereinten Nationen könnten sich nicht weiterentwickeln, nicht stimmt. So komplex die Weltorganisation auch ist, so viele Interessen darin auch zusammenlaufen und sich oft nur schwer bündeln lassen, so umständlich viele Dinge auch durch diplomatische Konventionen und bürokratische Eigendynamiken werden: Reformen in den Vereinten Nationen sind möglich, und ab und zu kommen sie tatsächlich vor.

Wenn Sie eines an den UN ändern könnten, was wäre es?

Auf diesem Blog soll die Wahl des neuen Generalsekretärs deshalb Anlass für eine neue Serie von Gastbeiträgen sein, in denen die Möglichkeiten zu UN-Reform ausgelotet werden. Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft werden auf die Frage antworten: „Wenn Sie eines an der Funktionsweise der Vereinten Nationen ändern könnten, was wäre es?“

Den Anfang macht in Kürze Stephen Browne, Co-Direktor des „Future United Nations Development System“-Projekts am Ralph-Bunche-Institut in New York.

Wenn Sie eines an den Vereinten Nationen ändern könnten, was wäre es?

1: Serienauftakt [DE / EN]
2: Ein neues Wahlverfahren für den UN-Generalsekretär [DE / EN] ● Stephen Browne
3: Das Sekretariat der Vereinten Nationen: Unabhängig, effizient, kompetent? [DE / EN] ● Franz Baumann
4: Die Bürger in den Mittelpunkt: Die Vereinten Nationen brauchen eine Grunderneuerung für das 21. Jahrhundert [DE / EN] ● Dhananjayan Sriskandarajah
5: Weichenstellung für die Vereinten Nationen: Wie kann der Sicherheitsrat reformiert werden? [DE] ● Sven Gareis
6: Die Bürger der Welt müssen die Kontrolle zurückgewinnen – mit einem globalen Parlament [DE / EN] ● Andreas Bummel
7:  Elect the Council: Die globale Sicherheit braucht einen reformierten UN-Sicherheitsrat [DE / EN] ● Jakkie Cilliers und Nicole Fritz

Bild: By sanjitbakshi [CC BY 2.0], via Flickr.

If you could change one thing about the United Nations, what would it be?

Seventy years after their foundation, the United Nations are still improving.
The past April 12 was a milestone in the history of the United Nations. For the first time, the candidates for the post of UN Secretary-General participated in public hearings, explaining their “vision” for the future of the world organization and answering to questions of the Member States. (An overview of all candidates and their resumes as well as links to the videos of their hearings can be found here.) Subsequently, four of the eight candidates also took part in a debate organized by various non-governmental organizations and the Guardian. Another debate is to follow in early June.

A change for the better

These hearings were the provisional culmination of an attempt to make this year’s election of a successor to Ban Ki-moon more transparent and participatory. Previously, the permanent members of the UN Security Council had in practice decided the selection of a new Secretary-General amongst themselves, often haggling behind closed doors until the last minute. The new procedure, by contrast, shall provide for a clearer timetable and greater involvement of the public. (I have written about this with more detail on this blog, for example here and here.)

Although the formal rules of decision are still the same as before, there is good reason to hope that this new transparency will change the election for the better. Unlike earlier years, the public has now a chance to form an opinion: we know which candidates there are to choose from and what objectives they represent. This, in turn, also increases the pressure on the governments in the UN Security Council to publicly justify their decision for one or the other contender. It has become a bit more difficult to purposefully select a weak and convenient (for the great powers) candidate, because it is clear now what the alternatives would have looked like.

Reforms in the United Nations are possible

Certainly, we are still far away from a truly democratic election of the head of the main UN executive body. And yet the new process is a big step in the right direction – and a success that many would have deemed impossible only a few years or even months ago.

Therefore, on a symbolic level, the changes in the election of the Secretary General point far beyond their actual content. They show that the idea that the United Nations can’t evolve is wrong. The world organization may be complex, there may be many divergent interests, and many things may further be complicated because of diplomatic conventions and bureaucratic internal dynamics. But reforms in the United Nations are possible, and sometimes they do actually occur.

If you could change one thing about the UN, what would it be?

Therefore, the election of the new Secretary-General shall be the occasion for a new series of guest articles on this blog, which will explore the prospects of UN reform. Representatives from politics, academia and civil society are going to respond to the question: “If you could change one thing about the functioning of the United Nations, what would it be?”

Picture: By sanjitbakshi [CC BY 2.0], via Flickr.

21 April 2016

Die europäischen Parteien und die Grenzen und Potenziale Europas

EVP, SPE, ALDE & Co.: Die europäischen Parteien (hier eine Übersicht) könnten der Schlüssel zu einer repräsentativen Demokratie auf europäischer Ebene sein, doch bislang hört man in der Öffentlichkeit nur selten von ihnen. Welche Rolle sollen sie in der EU in Zukunft spielen, und was ist nötig, um das zu erreichen? In einer Serie von Gastartikeln antworten hier Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wissenschaft auf diese Frage. Heute: Mar Garcia Sanz. (Zum Anfang der Serie.)

„Die Rolle der europäischen Parteien ist direkt verbunden mit der institutionellen Architektur der Union.“
Artikel 10 Abs. 4 des EU-Vertrags erkennt die Parteien auf europäischer Ebene an und schreibt ihnen zwei Hauptfunktionen zu: zur Herausbildung eines europäischen politischen Bewusstseins beizutragen und den Willen der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union auszudrücken. Haben die europäischen Parteien einen Sinn? Ja, zweifellos. Wenn es das Ziel ist, Europa als eigenständigen politischen Raum und als politisches Subjekt zu schaffen, sind politische Akteure nötig, die die einzelstaatlichen Räume transzendieren und aus einer europäischen Logik heraus handeln.

Erfüllen die europäischen Parteien tatsächlich die Funktionen, für die sie geschaffen wurden? Ja, aber mit großen Schwierigkeiten. Das Ausmaß, in dem sie ihre Aufgaben bei der Bewusstseinsbildung und dem Ausdruck des Willens der Unionsbürger erfüllen, ist direkt proportional zu dem Entstehungsprozess der Union als eigenständiger politischer Raum. Die Rolle der europäischen Parteien ist direkt verbunden mit der institutionellen Architektur der Union, die darüber bestimmt, wo sich die Macht- und Entscheidungszentren befinden. Mit der Existenz einer europäischen Bürgerschaft. Mit der Entstehung eines europäischen Gemeininteresses. Die Fort- und Rückschritte im europäischen Integrationsprozess bestimmen die Fähigkeiten und die Rolle der europäischen Parteien.

Um diese Schwierigkeiten beim Handeln der europäischen Parteien zu verstehen, muss man ihre strukturellen, institutionellen und politischen Gründe in den Blick nehmen. Ich werde dies in kurzer und schematischer Form tun, mit den damit verbundenen Risiken.

Demokratie- und Legitimationsdefizite

Bis heute definiert sich die Europäische Union noch als ein Verbund von Staaten, die gemeinsame politische politische, wirtschaftliche und monetäre Instrumente geschaffen haben, die aber unzureichend und in einigen Fällen wie der Eurozone schlecht designt sind. Und mit einem großen Defizit an politischer Einheit.

Eine Union, die an Demokratie- und Legitimationsdefiziten leidet. Die von einer Wirtschaftskrise erschüttert wurde, die vor allem in den süd- und osteuropäischen Ländern heftige Auswirkungen hatte. Diesen Ländern wurden gescheiterte Sparpolitiken aufgebürdet und sie zeigen ein großes Ausmaß an sozialem Leid. Protagonisten dieser Sparpolitik waren diffuse und für die Öffentlichkeit ungreifbare Entitäten wie die „Troika“. Ein Europa, das allzu oft so wahrgenommen wurde, als diene es allein Deutschland und den deutschen Interessen.

Souveränität lässt sich nicht mehr isoliert ausleben

Während der Verhandlungen in der Griechenlandkrise fiel mir besonders die Kontroverse zwischen Yanis Varoufakis (Syriza/EL) auf, der auf die Verpflichtungen der Syriza-Regierung mit ihrer Wählerschaft verwies, und Wolfgang Schäuble (CDU/EVP) auf, der antwortete, dass auch er seinen Wählern gegenüber verpflichtet war. Dieser Streit spiegelte das große Problem wider, das wir Europäer damit haben, uns als politisches Subjekt jenseits unserer nationalen Realität oder unserer nationalen Wählerschaft vorzustellen.

In Wirklichkeit ist es so, dass wir unsere Souveränität nicht mehr auf isolierte Weise ausleben können. Die Politiken, die einzelne Staaten umsetzen, haben extraterritoriale Effekte und schränken daher die Möglichkeit anderer Staaten, sich selbst zu regieren, ein. Die Wirtschaftskrise und der Umgang mit ihr haben gezeigt, wie dringend es notwendig ist, zu einer institutionellen Architektur der EU zu gelangen, mit der sich die Interaktionen zwischen den verschiedenen Staaten besser steuern lassen. Tun wir das nicht, brauchen wir uns weder über den Rückzug des Staates noch über das Auftreten von anti-europäischen Bewegungen zu wundern.

Rückzug ins Nationale

Der Umgang der Staaten mit der schweren humanitären Krise, die die Ankunft von hunderttausenden Flüchtlingen darstellt, zeigt ebenfalls die Schwächen der Union und die Vorrangstellung der – egoistischen – Interessen der Nationalstaaten. Fügt man dazu noch die Sicherheitskrise, die wir aufgrund dschihadistischer Anschläge erleiden, schließt sich der Kreis, der eine der größten Errungenschaften des europäischen Einigungsprozesses in Gefahr bringt: den Schengen-Raum.

Ein schwieriges Panorama. In wenigen Monaten haben wir uns an neue Begriffe wie Grexit oder Brexit gewöhnt, die nichts Gutes verheißen. Wir sind dazu gekommen, den Austritt eines Landes, Griechenland, aus der Eurozone in Erwägung zu ziehen. Die Regierung von David Cameron (Cons./AEKR) in Großbritannien hat sich zu einem Referendum verpflichtet, das entweder den Austritt ihres Landes aus der EU oder weitere Rückschritte bei der Integration bedeuten kann.

Der Antieuropäismus wächst, und in vielen Fällen profitieren davon die politischen Kräfte, die das Schlechteste an unserer jüngeren Geschichte zum Ausdruck bringen. In jedem Land nimmt der Drang zum Rückzug ins Nationale seine eigene Form an.

Eine demokratische Schlacht, die zu gewinnen ist

Die europäische Integration ist heute eine demokratische Schlacht. Aber diese Schlacht kann gewonnen werden. Den zurückgelegten Weg wieder zurückzugehen wäre ein historisches Desaster.

Ich gehöre einer europäischen Familie, den Grünen, an, die zutiefst europafreundlich ist, was erklärt, warum mein Text gegenüber Europa und seinem politischen System von Optimismus geprägt ist. In dieser schwierigen Situation, die das europäische Projekt durchmacht, optimistisch zu sein, ist kein Synonym von naiv; im Gegenteil, es ist Ausdruck davon, dass wir fest darauf setzen, die am besten zu verwirklichende Utopie zu erreichen: Europa.

Das europäische Projekt ist noch unvollständig, mit großen Mängeln in Bauplan und Architektur. In ihm überlappen sich die europäischen Politiken mit den Politiken der Staaten. Allzu häufig ist Europa eher der kleinste gemeinsame Nenner er nationalen Interessen als Ausdruck einer gemeinsamen Politik. Wir Grünen sind uns der Probleme, die die EU und die Eurozone derzeit erleiden, voll bewusst. Und dennoch beharre ich auf meinem Optimismus: Die EU ist unsere Gegenwart und unsere Zukunft, weil sie unser Fenster zur Globalisierung ist.

Sichtbarkeit und politische Macht

Wenn wir als europäische Parteien die Funktion erfüllen wollen, die die Verträge uns zuschreiben, müssen wir nicht nur anerkennen, welche Grenzen uns die Realität setzt, sondern auch in der Lage sein, Strategien zu entwickeln, um ein doppeltes Ziel zu erreichen: Sichtbarkeit und politische Macht.

Sichtbarkeit zu gewinnen verlangt einen doppelten Aufwand: zum einen von Seiten der europäischen Parteien selbst, die die Schwierigkeiten und strukturellen Einschränkungen der Gegenwart angehen müssen. Es wäre ein großer Fehler zu denken, dass alles nur von einem gelungenen Management der Parteien abhängt; nötig sind auch gute Kommunikationsstrategien. Und zum anderen von Seiten der nationalen Parteien, die die nationalen Debatten europäisieren müssen. Nicht als eine freiwillige Übung in Europäismus, sondern als Anerkennung einer Realität: Ein großer Teil der wichtigsten Entscheidungen, die die Lebens- und Arbeitsbedingungen unserer Bürgerinnen und Bürger beeinflussen, werden auf Ebene der EU gefasst.

Die Logik der Nationalstaaten transzendieren

Um politische Macht zu gewinnen, ist es in erster Linie nötig, die Entscheidungshoheit über einzelne Politikfelder und über die demokratische Repräsentation zu gewinnen. Dies erfordert einen doppelten Prozess, nämlich einerseits die Übertragung von Kompetenzen der Mitgliedsparteien auf die europäische Partei und andererseits Änderungen in der Gesetzgebung, vor allem der Wahlgesetze, die die Europawahlverfahren und beispielsweise die Wahl des Kommissionspräsidenten europäisieren.

Sehr positiv, aber auch begrenzt erscheint mir die Erfahrung der letzten Europawahl 2014, bei der die europäische Parteien Kandidatinnen und Kandidaten für die Kommissionspräsidentschaft nominierten, zwischen denen dann Debatten stattfanden. Für die Grünen war auch die Durchführung einer Vorwahl für die Nominierung der SpitzenkandidatInnen positiv. Dies ist der Weg, die Dynamik und Logik der Nationalstaaten zu transzendieren und zu einer europäischen Logik zu gelangen.

Europa steht heute für Schwierigkeiten und Chancen, aber vor allem für Werte. Ein Raum der Rechte und der Pflichten. Und trotz aller Schwierigkeiten ein Raum der Hoffnung, dass eine bessere Welt möglich ist.

Mar Garcia Sanz ist Generalsekretärin der Europäischen Grünen Partei (EGP).

Die Zukunft der europäischen Parteien

1: Serienauftakt
2: Europäische Parteien: Von der Radnabe zum Netzwerk ● Reinhard Bütikofer
3: Europäische Parteien: im Kommen oder im Niedergang? [DE / EN] ● Isabelle Hertner
4: Zur künftigen Rolle der europäischen Parteien [DE / EN] ● Sir Graham Watson
5: Die europäischen Parteien als Verteidiger des europäischen Gemeinwohls ● Joseph Daul
6: Cocktail-Party oder politische Partei? Zur Zukunft der gesamteuropäischen Parteien [DE / EN] ● Julie Cantalou
7: „Es ist naiv zu denken, dass die Parteispitzen allein die Debatte in Richtung mehr Europa lenken könnten“ [DE / FR] ● Gabriel Richard-Molard
8: Die europäischen Parteien und die Grenzen und Potenziale Europas [DE / ES] ● Mar Garcia Sanz
9: Europäische Parteien – reichlich untererforschte Rohdiamanten [DE / EN] ● Michael Kaeding und Niko Switek
10: Parteien derselben politischen Familie föderalisieren [DE / FR] ● Pierre Jouvenat

Bilder: European Union 2011 PE-EP/Pietro Naj-Oleari [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; Mar Garcia Sanz.

Los partidos europeos y los límites y potenciales de Europa

PPE, PSE, ALDE y demás: Los partidos europeos (para una lista completa ver aquí) podrían ser la clave para una democracia representativa a nivel europeo, pero hasta ahora apenas están presentes en el debate público. ¿Qué papel deberían desempeñar en la UE del futuro, y qué es necesario para llegar a ello? En una serie de artículos invitados, representantes de la política y de la ciencia política contestan aquí a esta pregunta. Hoy: Mar Garcia Sanz. (Ir al inicio de la serie.)

“El protagonismo de los partidos europeos está directamente relacionado con la arquitectura institucional de la Unión.”
El artículo 10.4 del Tratado de la UE reconoce a los partidos de ámbito europeo y les otorga dos funciones principales: contribuir a la formación de la conciencia política europea, y expresar la voluntad política de los ciudadanos de la Unión Europea. ¿Tienen sentido los partidos europeos? Sí, sin lugar a dudas. Si el objetivo es la creación de Europa como un ámbito político propio y como sujeto político, todo ello exige actores políticos que trasciendan los ámbitos estatales y actúen desde una lógica europea.

¿Realmente cumplen con las funciones para las que fueron creados? Sí, pero con muchas dificultades. El protagonismo de los partidos de ámbito europeo, el desarrollo de sus tareas de formación de conciencia y expresión de la voluntad popular de los ciudadanos de la Unión es directamente proporcional al proceso de creación de la Unión como un ámbito político propio. El protagonismo de los partidos europeos está directamente relacionado con la arquitectura institucional de la Unión, que es quien determina los centros de poder y decisión. A la existencia de una ciudadanía europea. A la creación de un interés general común europeo. Los avances y retrocesos en el proceso de construcción europea condicionan la capacidad y el protagonismo de los partidos europeos.

Para explicar estas dificultades en la acción de los partidos europeos hay que referirse a sus causas estructurales, institucionales y políticas. Lo haré de forma resumida y esquemática con los riesgos que ello comporta.

Déficits democráticos y de legitimación

Hoy por hoy, la Unión Europea todavía se define como una confederación de estados que han avanzado en crear instrumentos políticos, económicos y monetarios comunes, insuficientes y algunos mal diseñados como la Eurozona. Pero con un grave déficit de unión política.

Una Unión que arrastra déficits democráticos y de legitimación. Sacudida por una crisis económica que ha impactado con especial virulencia en los países del sur y este europeo. A estos países se les ha impuesto políticas de austeridad fracasadas y representan elevados niveles de sufrimiento social. Estas imposiciones fueron protagonizadas por entes difusos e inaprensibles para las opiniones publicas como son la “Troica”, los “hombres de negro”, etcétera. Una Europa demasiadas veces vista bajo la tutela de Alemania y sus intereses.

La soberanía ya no se puede ejercer de forma aislada

Con la crisis griega y en las negociaciones que se llevaron a cabo me llamó mucho la atención la controversia entre Yanis Varoufakis (Syriza/IE) cuando aludía a los compromisos del gobierno de Syriza con su electorado y Wolfgang Schäuble (CDU/PPE) que le respondía que él también tenía sus compromisos con el suyo. Esta polémica reflejaba el gran problema que tenemos los europeos a la hora de pensarnos como un sujeto más allá de nuestra realidad nacional o de nuestro electorado nacional.

La realidad es que no podemos ya ejercer nuestra soberanía de forma aislada. Las políticas llevadas a cabo por los estados tienen efectos extra-territoriales y comprometen la capacidad de autogobierno de unos y otros. La Unión Europea es un denso espacio de interdependencias. La crisis económica y su gestión han puesto en evidencia la necesidad urgente de avanzar en una arquitectura institucional de la Unión que permita un mejor gobierno de las interacciones entre los diversos estados. De no hacerlo no nos debe sorprender ni el repliegue estatal ni la aparición de movimientos anti-europeístas.

Repliegue nacional

La gestión llevada a cabo por los estados de la grave crisis humanitaria que representa la llegada de centenares de miles de refugiados evidencia también las debilidades de la Unión y la preeminencia de los intereses, egoístas, de los estados. Si a ello añadimos la crisis de seguridad que sufrimos a raíz de los atentados yihadistas, cerramos un circulo que compromete uno de los mayores avances del proceso de construcción europea, el espacio Schengen.

Un panorama difícil. En pocos meses hemos normalizado nuevos términos como Grexit o Brexit, nada positivos. Se ha llegado a contemplar la salida de un país de la Eurozona, Grecia. El gobierno de David Cameron (Cons./ACRE) en Gran Bretaña se compromete con un referéndum que puede significar ya sea la salida de su país de la UE o más pasos atrás en su construcción.

El anti-europeísmo crece y muchas veces por medio de fuerzas políticas que expresan lo peor de nuestra historia reciente. En cada país la pulsión del repliegue nacional toma su forma.

Una batalla democrática que se puede ganar

La construcción europea es hoy una batalla democrática. Pero esta batalla se puede ganar. Deshacer el camino andado sería un desastre histórico.

Pertenezco a una familia europea, la verde, profundamente europeísta, lo que explica que mi escrito se pueda calificar de optimista respecto a Europa y su sistema político. Ser optimista en esta difícil encrucijada que atraviesa el proyecto europeo no es sinónimo de ilusa, todo lo contrario; es la expresión de nuestra firme apuesta por conseguir la utopía más realizable, que es EUROPA.

El proyecto europeo es un proyecto inacabado, con graves deficiencias en su concepción y arquitectura. En él se solapan las políticas europeas con las políticas de los estados. En demasiadas ocasiones Europa es más la suma y la resta de los intereses propios de los estados que no la expresión de una política común. Los Verdes somos plenamente conscientes de los problemas que hoy sufre la Unión y la Eurozona. Pero insisto, soy optimista: La UE es nuestro presente y nuestro futuro, porque es nuestra ventana a la globalización.

Visibilidad y poder político

Los partidos europeos, si queremos cumplir con la función que nos otorgan los Tratados no solo debemos ser conscientes de la realidad y las limitaciones que ésta nos impone sino también ser capaces de desarrollar estrategias que nos permitan un doble objetivo: visibilidad y poder político.

Ganar visibilidad requiere un doble esfuerzo. Por un lado, el propio de los partidos europeos, afrontando con propuestas las dificultades y limitaciones estructurales del presente. Sería un grave error pensar que todo depende del acierto en el management de los partidos; también hacen falta buenas estrategias de comunicación. Por otro lado, el compromiso de los partidos nacionales en europeizar los debates nacionales. Europeizar los debates nacionales no como un ejercicio voluntarioso de europeísmo, sino como reflejo de una realidad: gran parte de las principales decisiones que afectan a las condiciones de vida y de trabajo de nuestras ciudadanas y ciudadanos se toman en la UE.

Trascender la lógica nacional

Conquistar poder político pasa en primer lugar por la capacidad de decisión sobre las políticas y sobre la representación democrática. Ello exige un doble proceso, el de la delegación de competencias de los partidos miembros hacia su partido de ámbito europeo, y cambios normativos, fundamentalmente en la legislación electoral, que europeícen los procesos electorales europeos y la elección de por ejemplo la presidencia de la Comisión.

Valoro como muy positiva aunque limitada la experiencia de las elecciones del pasado 2014 con la designación de candidatos y candidatas a presidir la Comisión y la realización de debates entre ést@s. Para los verdes fue también positiva la celebración de primarias para elegir nuestr@s candidat@s a la presidencia de la Comisión. Este es el camino, trascender la dinámica y la lógica de los estados y avanzar en una lógica europea.

Europa son hoy dificultades y oportunidades, pero sobre todo representa valores. Un espacio de derechos y deberes. Y a pesar de las dificultades un espacio de esperanza de que un mundo mejor es posible.

Mar Garcia Sanz es secretaria general del Partido Verde Europeo (PVE).

El futuro de los partidos europeos

1: Serienauftakt [DE]
2: Europäische Parteien: Von der Radnabe zum Netzwerk [DE] ● Reinhard Bütikofer
3: Europarties: up and growing or in decline? [DE / EN] ● Isabelle Hertner
4: On the Future Role of Europarties [DE / EN] ● Sir Graham Watson
5: Die europäischen Parteien als Verteidiger des europäischen Gemeinwohls [DE] ● Joseph Daul
6: Cocktail party or political party? On the future of the Pan-European parties [DE / EN] ● Julie Cantalou
7: « Il est naïf de penser que seules les directions de partis peuvent faire évoluer le débat vers plus d’Europe » [DE / FR] ● Gabriel Richard-Molard
8: Los partidos europeos y los límites y potenciales de Europa [DE / ES] ● Mar Garcia Sanz
9: Europarties – plentiful under-researched diamonds in the rough [DE / EN] ● Michael Kaeding y Niko Switek
10: Fédéraliser les partis d’une même famille politique [DE / FR] ● Pierre Jouvenat

Imágenes: European Union 2011 PE-EP/Pietro Naj-Oleari [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; Mar Garcia Sanz.

13 April 2016

Machen nationale Volksabstimmungen „die EU kaputt“?

Das war dann wohl ein Nein.
Als hätte die Europäische Union nicht schon genug Probleme, steht seit vergangenem Mittwoch auch noch ihre Ukraine-Politik in Frage. In einem Referendum in den Niederlanden stimmte die Mehrheit gegen die Ratifizierung des Assoziierungsabkommens, das 2014 unterzeichnet wurde und freien Handel sowie eine engere politische Zusammenarbeit zwischen der EU und der Ukraine vorsieht.

Ob es nun wirklich zu der „großen kontinentalen Krise“ kommt, vor der Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (CSV/EVP) im Januar gewarnt hatte, bleibt jedoch abzuwarten. Zwar hatte die niederländische Regierung angekündigt, das Resultat der (rechtlich nicht bindenden) Abstimmung respektieren zu wollen, sofern die Beteiligung daran über 30 Prozent läge, was knapp erreicht wurde. Die Inhalte des Abkommens werden aber ohnehin bereits seit Anfang des Jahres vorläufig angewandt, und sowohl die Europäische Kommission als auch die ukrainische Regierung erklärten nach dem Referendum, dass das bis auf Weiteres auch so bleiben solle. Am Ende könnte es deshalb darauf hinauslaufen, dass das Abkommen lediglich in einigen wenigen Punkten noch einmal nachverhandelt und dann erneut zur Ratifizierung vorgelegt wird – mit oder ohne ein neues Referendum in den Niederlanden.

Ziel des Referendums war die EU selbst

Sehr viel bitterer als das Ergebnis allein dürfte für die meisten Europapolitiker allerdings die Art gewesen sein, wie die Abstimmungskampagne verlief. Das Assoziierungsabkommen spielte darin nämlich nur eine untergeordnete Rolle: Sogar die Initiatoren des Referendums erklärten, es gehe ihnen weniger um die Ukraine als um die Europäische Union selbst. Wenig überraschend waren es deshalb auch die Europaskeptiker in allen Ländern und besonders die britischen Austrittsbefürworter, die sich am lautesten über das Ergebnis freuten.

Auf der anderen Seite hingegen hagelte es Kritik: Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn (LSAP/SPE) etwa erklärte, wenn man „Europa kaputt machen will“, brauche man nur mehr Referenden durchzuführen. Und auch die eigentlich doch basisdemokratisch orientierten Grünen stimmten in den Chor mit ein: So warnte Rebecca Harms, grüne Fraktionsvorsitzende im Europäischen Parlament, „plebiszitäre Elemente zu europäischer Politik, die so angelegt sind wie die gestrige Abstimmung“, könnten „die EU in ihrem Bestand gefährden“.

Fast fünfzig EU-Referenden seit den 1970er Jahren

Tatsächlich ist das Verhältnis der EU zu nationalen Referenden schon seit längerem alles andere als ungetrübt. Der Artikel der englischen Wikipedia über „Referenden mit Bezug auf die Europäische Union“ listet fast fünfzig Volksabstimmungen, die seit Anfang der 1970er Jahre in unterschiedlichen Mitgliedstaaten stattgefunden haben. In den meisten davon ging es um den Beitritt des Landes zur EU, in anderen um die Ratifizierung einer Vertragsreform oder um andere größere Integrationsschritte.

Während dabei die meisten Beitrittsreferenden zu einem Ja führten, ist die Erfolgsquote bei Vertiefungsreferenden eher durchwachsen. So stimmten etwa die dänische und die schwedische Bevölkerung gegen die Einführung des Euro – im schwedischen Fall sogar, obwohl das Land sich zuvor vertraglich zur Teilnahme an der Währungsunion verpflichtet hatte.

Abstimmen lassen, bis das Ergebnis passt?

Was das Bild der EU im Umgang mit nationalen Referenden jedoch am meisten geprägt hat, waren die Abstimmungen in Dänemark zum Vertrag von Maastricht 1992 sowie in Irland zu den Verträgen von Nizza 2001 und Lissabon 2008. All diese Referenden scheiterten zunächst, wurden jedoch wenig später – nach minimalen Änderungen an der Vertragsreform – wiederholt, um das Ergebnis doch noch zu drehen. Und auch 2005 bewirkte die französische und niederländische Ablehnung des EU-Verfassungsvertrags zwar, dass dieser nicht ratifiziert wurde. Viele seiner Inhalte tauchten später jedoch im Vertrag von Lissabon wieder auf, ohne dass die Franzosen und Niederländer noch einmal darüber hätten abstimmen dürfen.

Diese Praxis, Volksabstimmungen nach einem „falschen“ Ergebnis einfach wiederholen zu lassen, war natürlich Wasser auf die Mühlen derjenigen, die die Europäische Union ohnehin als eine Art Verschwörung der transnationalen Eliten gegen ihre Bevölkerung ansehen. Nichts scheint das populistische Bild einer abgehobenen, bürgerfernen Eurokratie, die sich in ihrer Integrationsbesessenheit keinen Deut um Volkes Stimme schert, eindrucksvoller zu bestätigen – und nichts wäre deshalb besser geeignet, um die EU in der öffentlichen Wahrnehmung zu diskreditieren.

Kernbestandteil im Repertoire der Europaskeptiker

Nationale Europa-Referenden zu fordern ist deshalb gerade in den letzten Jahren zum Kernbestandteil im politischen Repertoire der Europaskeptiker geworden. Die nationalpopulistische Europaparlamentsfraktion Europa der Freiheit und der Direkten Demokratie (EFDD) sowie die dazugehörige Europapartei Allianz für Direkte Demokratie in Europa (ADDE) tragen dieses Ziel sogar im Namen.

Und auch in der Praxis mehren sich die nationalen Referenden, in denen es um oder gegen die europäische Integration geht: vom griechischen Volksentscheid im Juli 2015 über das britische Austrittsreferendum im kommenden Juni bis zu der Abstimmung, mit der der ungarische Premierminister Viktor Orbán (Fidesz/EVP) im nächsten Herbst die auf EU-Ebene beschlossene Umverteilung von Asylbewerbern zu Fall bringen möchte.

Zweifel an der Sinnhaftigkeit nationaler Europa-Referenden

Kein Wunder also, dass unter Pro-Europäern inzwischen die Ansicht weit verbreitet ist, dass man Volksabstimmungen tunlichst vermeiden sollte. Und auch die Sinnhaftigkeit nationaler Europa-Referenden wird immer öfter in Zweifel gezogen – bis hin zu dem Vorschlag eines EU-weiten Referendumsverbots, den der Politikberater und frühere Kommissionsmitarbeiter Fraser Cameron jüngst ins Spiel brachte (ohne allerdings zu erklären, wie das verfassungsrechtlich möglich sein sollte).

Im Mittelpunkt dieser pro-europäischen Referendumskritik stehen vor allem zwei Argumente. Das erste davon ist eher allgemeiner Natur und wird auch auf nationaler Ebene immer wieder von Gegnern einer direkten Demokratie vorgebracht: Da den meisten Bürgern die Zeit und das Interesse fehlt, sind sie über die inhaltlichen Details einer politischen Entscheidung in der Regel schlechter informiert als die gewählten Abgeordneten, die sich damit hauptberuflich beschäftigen.

Direkte Demokratie ist irrational, schafft aber Legitimität

Im schlimmsten Fall kann eine Volksabstimmung deshalb auch durch völlig themenfremde Gründe entschieden werden. Wie Jean Asselborn in seiner schon zitierten Referendumskritik erklärte: „Die Menschen antworten nicht auf sachliche Fragen, sondern erteilen ihren jeweiligen Regierungen Denkzettel.“

Doch selbst wenn man sich diesem Argument grundsätzlich anschließen mag, kann es in Bezug auf die EU nur begrenzt überzeugen. Denn es ist zwar richtig, dass direkte Demokratie ein gewisses irrationales Element in die Politik bringt; durch ihre Unmittelbarkeit ist sie zugleich aber auch besonders gut geeignet, Menschen das Gefühl von politischer Teilhabe zu verschaffen. Die Irrationalität vieler Referenden ist also nur der Preis, den man für einen Gewinn an wahrgenommener Legitimität bezahlt – was gerade im Fall der oft noch immer allzu technokratisch wirkenden EU ein durchaus sinnvoller Tauschhandel sein könnte.

0,6 Prozent der Unionsbürger

Überzeugender ist das zweite Argument, das von Seiten der Integrationsbefürworter immer wieder gegen nationale Europa-Referenden ins Feld geführt wird: nämlich dass dabei die Staatsangehörigen eines einzelnen Landes über eine Angelegenheit abstimmen, die auch alle anderen Unionsbürger angeht.

So kritisierte nach dem niederländischen Ukraine-Referendum beispielsweise der frühere schwedische Außenminister Carl Bildt (M/EVP), die rund 2,5 Millionen Nein-Stimmen, die das Assoziierungsabkommen zu Fall brachten, entsprächen gerade einmal 0,6 Prozent der Unionsbürger. Und auch nach dem irischen Lissabon-Referendum 2008 war immer wieder zu hören, es könne doch nicht angehen, dass ein einzelner Mitgliedstaat durch eine Volksabstimmung eine Reform blockiert, die alle übrigen zu ratifizieren bereit sind.

Verstoß gegen das demokratische Gleichheitsprinzip

Dieses Argument trifft das Problem mit nationalen Europa-Referenden besser als das erste. Dass Volksabstimmungen oft als besonders demokratisch wahrgenommen werden, liegt ja vor allem daran, dass darin der Grundsatz „one person, one vote“ besonders eindrücklich umgesetzt wird: Jeder Betroffene hat eine Stimme, und zuletzt entscheidet die Mehrheit.

Referenden, bei denen die Bürger eines einzelnen Landes über eine gesamteuropäische Angelegenheit entscheiden, werden diesem Prinzip jedoch nicht gerecht, da die Stimme der anderen Unionsbürger dabei kein Gehör findet. Und selbst wenn in mehreren oder allen EU-Ländern nationale Referenden zu derselben Frage stattfinden würden, bliebe die Ungleichheit erhalten, wenn die abgegebenen Stimmen nicht auf gesamteuropäischer, sondern auf nationaler Ebene aggregiert werden. Solange eine Mehrheit in einem einzelnen Land einen Beschluss für die ganze EU scheitern lassen kann, werden die Blockierer immer einen größeren Einfluss haben, als ihnen nach demokratischen Gleichheitsgrundsätzen zusteht.

Kern des Problems sind die nationalen Vetorechte

Letztlich tragen nationale Volksabstimmungen also tatsächlich weniger dazu bei, die EU zu demokratisieren, als sie lahmzulegen. Nur sollten wir uns dabei nichts vormachen: Der Kern des Problems liegt nicht am direktdemokratischen Verfahren selbst – sondern an den nationalen Vetorechten, durch die einzelne Mitgliedstaaten in wichtigen politischen Fragen Beschlüsse für die gesamte EU verhindern können.

Sicher: Solange Entscheidungen allein im Europäischen Rat getroffen werden, lässt sich mit diesem Vetorecht einigermaßen leben. Die nationalen Regierungen nutzen es meist lediglich als Werkzeug, um bei Verhandlungen einen etwas besseren Deal für ihr Land zu erzielen, nicht um gemeinsame Vorhaben vollständig scheitern zu lassen. Erst durch nationale Referenden, die mit dem Anspruch auf ein endgültiges Ja oder Nein einhergehen, kann es seine volle destruktive Kraft entfalten.

Lasst uns gerne Referenden halten – aber gesamteuropäische!

Trotzdem ist es das nationale Vetorecht, nicht die Referenden selbst, was die Europäische Union (in den Worten Asselborns) „kaputt machen“ könnte. Wer den populistischen Rufen der Europaskeptiker nach mehr direkter Demokratie etwas entgegensetzen möchte, der sollte sich deshalb nicht in bloßer Referendumskritik üben, sondern besser ihre Forderungen ins Europäische drehen: Lasst uns also gerne Volksabstimmungen zu europapolitischen Fragen durchführen – aber nicht auf nationaler, sondern auf gesamteuropäischer Ebene!

Und vor allem: Schaffen wir auf europäischer Ebene endlich alle nationalen Vetorechte ab!

Bild: By SP Groningen [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr.