- In Dänemark plakatiert die ALDE-Partei vor der Europawahl unter dem Namen „Venstre“. In Rumänien wird sie das künftig etwas einfacher handhaben.
Als
sich Spanien in den 1970er Jahren auf den Weg in die Demokratie
machte, wurde der Begriff „Homologierung“ zu einem
weitverbreiteten Schlagwort. Gemeint war damit die Angleichung des
eigenen politischen Systems an die übrigen westeuropäischen
Staaten. Schon zuvor hatten die spanischen Medien das Ziel eines
EG-Beitritts als zentrales Argument für die Forderung nach mehr nationaler Demokratie genutzt.
Als nach dem Tod des Diktators Francisco Franco 1975 beides
in Griffweite erschien, bemühten sich die politischen Akteure fast
aller Couleur, ihre Europafähigkeit öffentlich unter Beweis zu stellen und zu zeigen, dass die von ihnen vertretenen Ansichten
auch in anderen europäischen Demokratien verbreitet waren.
Dies
galt vor allem für die politischen Parteien, die in jener Zeit teils
nach langem Verbot wieder zugelassen, teils völlig neu gegründet
wurden. „Homologiert“ zu sein, bedeutete für sie, auf ähnlich
ausgerichtete Parteien in anderen EG-Mitgliedstaaten verweisen zu
können und damit als der legitime nationale Vertreter einer
europaweiten demokratischen Bewegung gelten zu können. So
profitierte etwa die spanische PSOE wesentlich von der Anerkennung als Schwesterpartei der deutschen SPD und anderer sozialistischer und
sozialdemokratischer Parteien.
In
anderen Fällen könnte der Wunsch nach „Homologierung“ sogar
eine Rolle bei der Namenswahl der neuen Parteien gespielt haben. So
bezeichnete sich die gemäßigt-konservative Gruppierung, die in den
ersten Jahren der spanischen Demokratie die Regierung stellte, als
Unión
de Centro Democrático (UCD, „Union des demokratischen Zentrums“)
–
und übernahm damit
die Initialen von ihrem
deutschen Pendant CDU (und
deren damaligen
Europaverband, der
Europäischen
Union Christlicher Demokraten EUCD).
Die
Namen der europäischen Parteien sind kaum bekannt
Seitdem
sind mehrere Jahrzehnte ins Land gegangen, Spanien ist eine stabile
Demokratie geworden und das Wort „Homologierung“ gebraucht dort
heute niemand mehr. Die EU-Parteiennetzwerke hingegen spielen eine
wichtigere Rolle denn je: Seit 1992 offiziell als politische
Parteien auf europäischer Ebene anerkannt, bilden sie die
Grundlage für die Fraktionen im Europäischen Parlament und damit
das logische Rückgrat für eine gesamteuropäische repräsentative
Demokratie.
In
der öffentlichen Wahrnehmung allerdings spielen sie nach wie vor nur
eine untergeordnete Rolle. Zwar lassen sich viele der großen
politischen Auseinandersetzungen in der EU besser verstehen, wenn man
statt der nationalen Regierungen die europäischen Parteien in den
Blick nimmt (wie ich das hier
zum Beispiel für die Griechenland-Krise getan habe). Dennoch
sind die Namen etwa der Europäischen
Volkspartei (EVP, Nachfolgeorganisation der EUCD), der
Sozialdemokratischen
Partei Europas (SPE), der Allianz
der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), der Allianz
der Europäischen Konservativen und Reformisten (AEKR), der
Europäischen
Linken (EL) oder der Europäischen
Grünen Partei (EGP) jenseits eines Expertenpublikums bislang nur
wenig bekannt.
Ein
neuer Europäisierungstrend
Der
Grund dafür dürfte sein, dass Wahlkämpfe, selbst für
Europawahlen, weiterhin vor allem auf nationaler Ebene ausgetragen
werden. Auf den Wahlzetteln (und Wahlplakaten) stehen deshalb nicht
die Namen der EU-Parteien, sondern ihrer nationalen Mitgliedsverbände
– was die Herausbildung gesamteuropäischer Parteiidentitäten
deutlich erschwert.
Will
man dieses Problem an der Wurzel packen, so muss man natürlich bei
einer institutionellen Stärkung der europäischen Parteien ansetzen
– wie das gehen könnte, habe ich hier
schon ausführlicher beschrieben. Einstweilen aber kann es auch
interessant sein, den Blick einmal auf die Namen der nationalen
Mitgliedsparteien zu lenken. Tatsächlich scheint es hier einen
interessanten neuen Europäisierungstrend zu geben, der durchaus an
das Streben nach „Homologierung“ im Spanien der 1970er Jahre
erinnert: Allein im letzten Vierteljahr wurden in drei europäischen
Ländern neue Parteien gegründet, die ihren Namen unmittelbar von
einer der Fraktionen im Europäischen Parlament ableiteten.
Drei
Neugründungen mit europäischen Namen
Den
Anfang machte im Mai die rechtspopulistische Svoboda
a přímá demokracie (SPD,
„Freiheit und direkte Demokratie“) in
Tschechien. Dass
deren Initialen mit denen der
deutschen Sozialdemokraten übereinstimmen,
ist Zufall. Worum
es laut
dem Parteichef Tomio Okamura bei der Namenswahl tatsächlich
ging, war vielmehr die Fraktion Europa
der Freiheit und der direkten Demokratie,
die derzeit von dem
britischen Nationalpopulisten
Nigel Farage angeführt wird
– und der die tschechische
SPD, so sie bei der
Europawahl 2019
ein Mandat gewinnt, gerne beitreten würde.
Wenig
später folgte die
italienische Partei
Conservatori
e Riformisti (CR,
„Konservative und Reformisten“). Gegründet
wurde sie von Raffaele Fitto, der
bei der Europawahl 2014
für die EVP-Mitgliedspartei
Forza Italia ins Europäische
Parlament gewählt worden war, sich
dann jedoch mit dem FI-Chef Silvio Berlusconi überworfen
hatte. Um den
Bruch noch wirksamer zu
inszenieren, beschloss Fitto, auch
die EVP-Fraktion
im Europäischen Parlament zu
verlassen und
sich stattdessen
der Fraktion
der Europäischen Konservativen und Reformisten
anzuschließen. Und so
benannte
er auch seine neue Partei.
Im
Juni schließlich kam es auch
in Rumänien zu einer europäisch
inspirierten Namensgebung für
eine Parteineugründung:
die
Alianța
Liberalilor și Democraților
(ALDE, „Allianz der Liberalen und Demokraten“), entstanden
aus der Fusion zweier kleinerer Parteien. Schon
mit ihrer Selbstbezeichnung
drückte sie den
Wunsch aus, sich der gleichnamigen
Partei auf europäischer
Ebene anzuschließen
– und erhielt dazu auch die
guten
Wünsche des (europäischen)
ALDE-Chefs Graham Watson.
Parteinamen
sind ein wichtiges symbolisches Werkzeug
Wie
erfolgreich diese drei Neugründungen in der Zukunft sein werden,
steht natürlich in den Sternen. Die
besten Chancen dürfte noch
die rumänische ALDE haben, die
in den Umfragen
derzeit immerhin
auf 3 Prozent
kommt.
Die tschechische
SPD und die italienischen
CR hingegen sind derzeit nicht mehr als Kleinstparteien, auch
wenn beide dank Überläufern anderer Parteien Abgeordnete in
ihren jeweiligen nationalen Parlamenten haben.
Dennoch
können diese Beispiele ein
Anlass sein, die Namen der
nationalen Mitgliedsverbände
der europäischen Parteien etwas
eingehender zu betrachten.
Denn die sind zwar einerseits
Schall und Rauch, andererseits aber auch ein wichtiges symbolisches
Werkzeug, mit dem die Parteien sich selbst definieren, ihre zentralen
Werte benennen und ihre Zugehörigkeit zu bestimmten,
staatenübergreifenden politischen Richtungen signalisieren.
Natürlich
gibt es einige Länder mit
stabilen Parteiensystemen, in
denen die Namen der Parteien vor
allem auf vergangene
historische
Umstände
verweisen – Deutschland
ist dafür
ein gutes
Beispiel. In
vielen anderen Ländern
sind Neugründungen und
Umbenennungen von Parteien
hingegen durchaus
verbreitet: In Italien etwa
existiert die älteste heute
bedeutende Partei seit gerade
einmal 25 Jahren,
und in
Frankreich legte sich
die größte Partei des Landes erst vor wenigen Monaten aus
bloßen Imagegründen
einen neuen Namen zu.
Eine
Sommerserie
Wie
ihre nationalen Mitgliedsparteien
heißen, kann deshalb auch ein Indiz für den inneren Zusammenhalt
der europäischen Parteien sein: Treten
ihre Mitglieder in
allen Ländern unter ähnlichen Labeln auf? Suchen
sie den symbolischen Schulterschluss und bekennen sich mit ihrer
Selbstbezeichnung zu ähnlichen politischen
Zielen?
Und wie stark legen umgekehrt
die europäischen Parteien selbst Wert
darauf, dass ihre Mitglieder
einen länderübergreifend einheitlichen Diskurs vertreten und
dieselben Schlagwörter in den Mittelpunkt stellen?
In
einer kleinen Sommerserie
wird dieses Blog in
den nächsten Wochen diesen
Fragen nachgehen. Den
Anfang macht demnächst die
Europäische Volkspartei.
Die europäischen Parteien und ihre nationalen Namen
1: Auftakt
2: Europäische Volkspartei
3: Sozialdemokratische Partei Europas
4: Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa
5: Partei der Europäischen Linken
6: Europäische Grüne Partei
7: Europäische Freie Allianz
1: Auftakt
2: Europäische Volkspartei
3: Sozialdemokratische Partei Europas
4: Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa
5: Partei der Europäischen Linken
6: Europäische Grüne Partei
7: Europäische Freie Allianz
Bild: By Aridd (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons.
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