Die
Namen ihrer nationalen Mitgliedsverbände können ein Indiz für den
inneren Zusammenhalt der europäischen Parteien sein: Treten sie in
allen EU-Ländern unter ähnlichen Bezeichnungen auf und suchen so
den symbolischen Schulterschluss? Oder folgen sie jeweils nationalen
Benennungstraditionen? Heute: Die Partei der Europäischen Linken. (Zum Anfang der Serie.)
Vom
Eurokommunismus
spricht heutzutage fast niemand mehr. In
den 1970er und 1980er Jahren verstand man darunter die vorherrschende
politische Linie der kommunistischen Parteien in Westeuropa (vor
allem in Italien, Frankreich und Spanien, aber auch in Skandinavien
und anderswo), die sich von den autoritären Systemen in Osteuropa
abgrenzten und stattdessen einen reformerisch-demokratischen Weg zu
einem kommunistischen Wirtschaftssystem anstrebten. Damit einher
gingen heftig geführte Strategiedebatten, in einigen Fällen kam es
zu Parteispaltungen.
Doch
was die Selbstbezeichnung betraf, war man sich weitgehend einig.
Trotz der Differenzen mit der Sowjetunion verstanden sich die
Eurokommunisten als „Kommunisten“, und so hießen ganz
systematisch auch ihre Parteien: Partito
Comunista Italiano, Partido
Comunista de España, Parti
Communiste Français. Nur weil auf ihren Listen immer wieder auch unabhängige Kandidaten antraten (besonders prominent: Altiero Spinelli), trug die entsprechende Fraktion im Europäischen Parlament bis 1989 den offeneren Namen Fraktion der Kommunisten und Nahestehenden.
Mit dem Ende des Kalten
Krieges änderte sich das jedoch abrupt – fast über Nacht verlor
das Schlagwort „kommunistisch“ seinen politischen Reiz.
Stattdessen bezeichneten sich die Parteien links der Sozialdemokratie
nun bevorzugt einfach als „links“: Die Fraktion der Kommunisten
und Nahestehenden spaltete sich nach der Europawahl 1989 in eine (pragmatischere) Vereinte
Europäische Linke und eine (dogmatischere) Koalition der
Linken, die sich 1994 als Konföderale Fraktion der
Vereinten Europäischen Linken wieder vereinigten. Und auch die dazugehörige europäische Partei trägt seit ihrer Gründung im Jahr 2004 den Namen Partei der Europäischen Linken (EL).
Übergang
von „kommunistisch“ zu „links“
Dieser begriffliche Übergang von „kommunistisch“ zu „links“ zeigt sich auch bei den rund zwanzig nationalen EL-Mitgliedsparteien. Als Vorreiter kann dabei der Partido Comunista de España (PCE, „Kommunistische Partei Spaniens“) gelten, der sich 1986 in der neu gegründeten Izquierda Unida (IU, „Vereinigte Linke“) auflöste.
Tatsächlich tragen heute nur noch eine Handvoll EL-Mitglieder ihren alten Namen als „KP“: der französische Parti Communiste Français (PCF),
die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ),
der belgische Parti Communiste (PC)
sowie die finnische Suomen
Kommunistinen Puolue (SKP).
Hinzu kommt noch der
italienische Partito della Rifondazione Comunista
(PRC, „Partei der
Kommunistischen Neugründung“), der sich aus der alten
Kommunistischen Partei Italiens abspaltete, als diese 1991 ihren
Namen aufgab und begann, sich in Richtung Sozialdemokratie
umzuorientieren.
„Linke“ sind erfolgreicher
Die meisten nationalen EL-Mitglieder hingegen wurden in ihrer heutigen Form ohnehin erst nach 1990 gegründet und tragen dementsprechend bereits den Begriff „links“ als zentralen Namensbestandteil – etwa die deutsche Linke, die finnische Vasemmistoliitto (Vas., „Linksbündnis“), der französische Parti de Gauche (PG, „Linkspartei“) oder die griechische Synaspismós Rizospastikís Aristerás (Syriza, „Bündnis
der Radikalen Linken“).
In der Regel sind diese jüngeren Parteien zugleich auch die erfolgreicheren: Während die meisten EL-Mitglieder mit dem Namensbestandteil „links“ in ihrem jeweiligen nationalen sowie im Europäischen Parlament vertreten sind, ist es unter denen mit dem Namensbestandteil „kommunistisch“ lediglich die französische PCF. Symbolisch mit der Vergangenheit zu brechen war für die EL-Parteien nach 1990 also offenbar die erfolgreichere Strategie als das Festhalten an alten Bezeichnungen.
(Neben dem PCF gibt es freilich noch zwei weitere recht erfolgreiche „kommunistische“ Parteien in Europa: die tschechische Komunisticka Strana Čech a Moravy und die griechische Kommounistikó Kómma Elládas. Beide sind allerdings keine Mitglieder der Europäischen Linken: Während die KSČM darin lediglich Beobachterstatus hat, steht die KKE ihr offen ablehnend gegenüber.)
„Einigkeit“
Neben der Selbstdefinition als „links“ spielt unter den Parteinamen der EL-Mitglieder noch ein weiterer Schlüsselbegriff eine wichtige Rolle: die „Einigkeit“. Eine besonders häufige Kombination ist dabei die Bezeichnung als „Vereinigte Linke“. Außer im Namen der Fraktion im Europäischen Parlament erscheint sie beispielsweise bei der spanischen Izquierda Unida (IU) oder der französischen Gauche Unitaire (GU). Aber auch die finnische Vasemmistoliitto (Vas., „Linksbündnis“) oder die griechische Synaspismós Rizospastikís Aristerás (Syriza, „Bündnis
der Radikalen Linken“) beschwören mit ihrem Namen die Idee eines Bundes.
Hintergrund für dieses Muster dürfte einerseits die traditionell hohe Fluktuation im linken Spektrum sein, wo es immer wieder zu Parteispaltungen und -vereinigungen kommt. Tatsächlich sind die meisten der genannten „vereinigten“ Linksparteien aus der Fusion mehrerer kleinerer Gruppierungen entstanden. Offenbar haben sie deshalb stärker als andere Parteien das Bedürfnis, die prekäre Einigkeit schon in ihrem Namen zu beschwören.
Andererseits dürfte die solcherart hervorgehobene Einigkeit aber auch auf die Idee der Solidarität anspielen – und damit auf die ursprünglich klassenkämpferisch-revolutionären Wurzeln der politischen Linken. Bisweilen nimmt der Verweis auf die Einheit deshalb auch einen etwas aggressiveren Unterton an: So bezeichnet sich etwa das portugiesische EL-Mitglied als Bloco de Esquerda (BE, „Linksblock“), und die drei französischen Parteien PCF, PG und GU agieren gemeinsam unter der Bezeichnung Front de Gauche („Linksfront“).
Keine Kommunisten im Osten
Einen interessanten Unterschied gibt es schließlich auch zwischen den west- und den osteuropäischen Mitgliedsparteien der Europäischen Linken. In den Ländern, die während des Kalten Krieges dem Ostblock angehörten, konnte naheliegenderweise kein demokratischer (Euro-)Kommunismus entstehen. Nach 1990 wiederum lösten sich die dortigen autoritär-kommunistischen Parteien zum Teil auf, andere erfanden sich neu und bekennen sich inzwischen zur Sozialdemokratie.
Die Europäische Linke hingegen ist im Osten bis heute nur sehr schwach vertreten, und wo es sie gibt, haben ihre Mitgliedsparteien meist andere Namen als im Westen. Insbesondere trägt keine von ihnen die Bezeichnung „kommunistisch“. Dem rumänischen Partidul Alianța Socialistă (PAS, „Partei der Sozialistischen Allianz“), der sich 2010 in Partidul Comunist Român (PCR, „Rumänische Kommunistische Partei“) umbenennen wollte, wurde dies sogar gerichtlich untersagt: Partidul Comunist Român war nämlich auch der Name der Partei des Diktators Nicolae Ceaușescu – und den wiederzubeleben sei, so das Gericht, mit Demokratie und Pluralismus unvereinbar. Der PAS klagte gegen dieses Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte; bevor es dort zu einer Entscheidung kam, beschloss die Partei vor einigen Monaten allerdings von sich aus eine andere Umbenennung und heißt heute Partidul Socialist Român (PSR, „Rumänische Sozialistische Partei“).
Im Osten ist die EL in keinem nationalen Parlament vertreten
Aber nicht nur der Verweis auf den Kommunismus, auch die Bezeichnung als „links“ ist im Osten weniger verbreitet;
lediglich die Balgarskata Lewiza (BL, „Bulgarische Linke“) und die Eestimaa Ühendatud Vasakpartei (EÜV, „Estnische Vereinigte Linkspartei“) verwenden sie. Stattdessen greifen die östlichen EL-Mitglieder auf andere Schlüsselbegriffe zurück, die in der Regel auf die historische Arbeiterbewegung anspielen und die man in ähnlicher Form auch bei den Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei Europas finden könnte – so die Magyarországi Munkáspárt (MMP, „Arbeiterpartei Ungarns“) oder die tschechische Strana Demokratického Socialismu (SDS, „Partei des Demokratischen Sozialismus“).
Generell spielen die EL-Parteien der östlichen EU-Mitgliedstaaten allerdings nur eine sehr untergeordnete politische Rolle: Keine einzige von ihnen ist im nationalen oder im Europäischen Parlament vertreten. Zwar gibt es auch im Osten einige starke Linksparteien – etwa die oben schon erwähnte KSČM in Tschechien oder die Združena levica (ZL, „Vereinigte Linke“) in Slowenien. Allerdings sind diese wenigstens bis jetzt keine Vollmitglieder der Europäischen Linken.
Ein dänisches Kuriosum
„Kommunisten“ und „Linke“, vor allem „Vereinigte Linke“, im Westen; ein Häuflein wenig bedeutender Kleinparteien mit unterschiedlichen Namensmustern im Osten – so ließe sich das Erscheinungsbild der Europäischen Linken auf nationaler Ebene zusammenfassen.
In Dänemark kommt dazu allerdings noch ein kleines Kuriosum: Die Selbstbezeichnung als Venstre („Linke“) wird dort aus historischen Gründen nämlich schon von der liberalen Partei verwendet und stand darum nicht mehr zur Verfügung, als sich die dänische Kommunistische Partei 1989 mit einer Anzahl anderer Gruppierungen zu einem neuen linken Bündnis zusammenschloss, aus dem dann später die heutige dänische Mitgliedspartei der Europäischen Linken wurde. Stattdessen nennt diese sich Enhedslisten – de rød-grønne („Einheitsliste – die Rot-Grünen“) – und besetzt damit einen Begriff, den eigentlich eine ganz andere europäische Partei für sich reserviert hat. Um die Europäische Grüne Partei soll es im nächsten Artikel dieser Serie gehen.
Die europäischen Parteien und ihre nationalen Namen
1: Auftakt
2: Europäische Volkspartei
3: Sozialdemokratische Partei Europas
4: Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa
5: Partei der Europäischen Linken
6: Europäische Grüne Partei
7: Europäische Freie Allianz
1: Auftakt
2: Europäische Volkspartei
3: Sozialdemokratische Partei Europas
4: Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa
5: Partei der Europäischen Linken
6: Europäische Grüne Partei
7: Europäische Freie Allianz
Bild: By European Parliament [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr.
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