23 Dezember 2012

Europapolitischer Wunschzettel

2012 haben wir ESM und Fiskalpakt bekommen. 2013 wäre ein wenig mehr europäische Demokratie ganz schön.
Lieber europapolitischer Weihnachtsmann,

für das neue Jahr wünsche ich mir eine Reform der EU-Verträge. Nicht einfach irgendeine Reform, davon hatten wir ja in letzter Zeit schon viele. Sondern eine richtige – so eine mit Europäischem Konvent und viel Medienaufmerksamkeit und öffentlicher Debatte und am Schluss vielleicht einem europaweiten Referendum. Das wäre ganz toll. Und wenn ich mir noch mehr wünschen darf, dann fände ich es gut, wenn bei dieser Vertragsreform Folgendes beschlossen würde:

● die Wahl des Kommissionspräsidenten allein durch das Europäische Parlament, ohne Beteiligung des Europäischen Rates,
● die Einführung eines konstruktiven Misstrauensvotums, durch welches das Europäische Parlament mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder jederzeit einen neuen Kommissionspräsidenten ernennen kann,
● die Ernennung der übrigen Kommissionsmitglieder allein durch den Kommissionspräsidenten, ohne weitere Vorgaben über ihre Anzahl und Nationalität,
● eine Reform des Europawahlrechts zur Einführung transnationaler Wahllisten, oder noch besser: die Streichung aller primärrechtlichen Vorgaben zu nationalen Sitzkontingenten und die Einführung einer Regelung, nach der das Europawahlrecht künftig allein durch das Europäische Parlament (ohne Beteiligung des Ministerrates) beschlossen wird,
● eine Reform des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens nach Art. 294 AEU-Vertrag, sodass im Europäischen Parlament nur noch eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen, nicht eine Mehrheit aller Abgeordneten notwendig ist,
● die Festlegung von Brüssel als einzigen Sitz des Europäischen Parlaments (und damit ein Ende der monatlichen Abgeordneten-Umzüge nach Straßburg),
● ein legislatives Initiativrecht für das Europäische Parlament in allen Bereichen, für die das ordentliche Gesetzgebungsverfahren gilt,
neue EU-Kompetenzen bei der Festlegung von Mindeststandards für die Sicherheit von Kernkraftwerken und Atommüll-Lagern,
die Einführung automatischer Stabilisatoren gegen asymmetrische Konjunkturschocks in der Eurozone: zum Beispiel durch Eurobonds, oder durch eine massive Ausweitung des EU-Haushalts (z.B. mit einer gesamteuropäischen Arbeitslosenversicherung), oder auch einfach durch einen neuen „Stabilisierungsfonds“, der aus einer stark konjunkturabhängigen Steuer (z.B. der Mehrwertsteuer) gespeist und dann gemäß einem konjunkturbereinigten Schlüssel unter den Mitgliedstaaten aufgeteilt würde,
● die Übertragung des Vorsitzes in der Eurogruppe an den Kommissar für Wirtschaft und Währung (und damit die Abschaffung des „Präsidenten der Eurogruppe“ als eigenständiges Amt),

Gut, ich weiß, das ist schon eine ganze Menge. Aber, lieber europapolitischer Weihnachtsmann, weil ich wirklich das ganze Jahr über brav gewesen bin, habe ich noch ein paar etwas weitergehende Vorschläge:

● eine Ausweitung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens (d.h. gemeinsame Entscheidung durch Europäisches Parlament und Ministerrat, ohne Vetomöglichkeit für einzelne Mitgliedstaaten) auf alle Politikbereiche der EU, einschließlich Steuern, Sozialpolitik etc.,
● eine Reform von Art. 7 EU-Vertrag, sodass künftig nicht mehr ein einstimmiger Beschluss des Rates, sondern ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs notwendig ist, um die Verletzung der EU-Grundwerte durch einen Mitgliedstaat festzustellen,
eine Reform von Art. 22 AEU-Vertrag, sodass Unionsbürger künftig nicht nur bei kommunalen, sondern auch bei regionalen und nationalen Wahlen unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft an ihrem Wohnort wählen können,
● eine Reorganisation des Europäischen Systems der Zentralbanken, bei der die einzelnen „nationalen Zentralbanken“ im Eurosystem von den Nationalstaaten gelöst werden, sodass sie künftig nicht mehr für einzelne Staaten, sondern für transnationale Zentralbank-Distrikte zuständig sind,
● eine Reform des EU-Haushaltsverfahrens, sodass das EU-Budget künftig ohne Beteiligung des Ministerrats allein durch das Europäische Parlament verabschiedet wird,
● wenn das Europäische Parlament alleinige Haushaltsbehörde wird und eigene Steuern erheben kann: die Einführung von Anleihen auf den EU-Haushalt zur Finanzierung von Investitionen und zum Ausgleich konjunktureller Schwankungen,
● wenn das Europäische Parlament alleinige Haushaltsbehörde wird, eigene Steuern erheben und Anleihen auf den EU-Haushalt herausgeben kann: die Abschaffung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, weil der dann überflüssig sein wird,
● die Zusammenfassung des gesamten europäischen Primärrechts (vor allem EU-Vertrag, AEU-Vertrag und EU-Grundrechtecharta) in ein einheitliches Dokument,

Na schön, dieser letzte Punkt ist wirklich ein ziemlich dicker Brocken. Ich will aber nicht unbescheiden sein. Immerhin gibt es auch ein paar Reformvorschläge, auf die ich gut verzichten kann. Explizit nicht möchte ich also:

eine Stimmrechtsreform im EZB-Rat oder in anderen Gremien, durch die die Stimmen von Mitgliedstaaten nach ihrer Wirtschaftskraft gewichtet werden.

Das, lieber europapolitischer Weihnachtsmann, sind meine Wünsche für eine große EU-Vertragsreform 2013, mit Konvent und allem Drum und Dran. Vielleicht habe ich auch noch den einen oder anderen Wunsch vergessen, den die Leserinnen und Leser dieses Blogs mithilfe der Kommentarfunktion gerne nachtragen können. Aber wenn du diese hier erfüllst, dann würde ich mich jedenfalls schon einmal sehr darüber freuen. Und wenn es nicht klappt, lieber europapolitischer Weihnachtsmann, kannst du uns stattdessen ja auch einfach wieder wie dieses Jahr einen Friedensnobelpreis bringen. Der war ja auch ganz nett.

Und damit geht dieses Blog für eine Weile in die Winterpause. Allen Leserinnen und Lesern frohe Feiertage und ein glückliches 2013!

Bild: von Sigismund von Dobschütz (Eigenes Werk) [GFDL oder CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0], via Wikimedia Commons.

19 Dezember 2012

Weihnachtliche Spenden und der globale Sozialstaat

Die Wohltätigkeit soll nur die Spalten der Gerechtigkeit füllen, aber nicht die Abgründe der Ungerechtigkeit.
Miguel Delibes, Fünf Stunden mit Mario

Raja Ravi Varma: Eine Dame gibt Almosen.
Wenn gegen Ende der Adventszeit auf den Weihnachtsmärkten die Lichter glänzen und es einem nach dem zweiten Becher Glühwein ganz warm ums Herz wird, dann möchte man die ganze Menschheit lieb haben und denkt sich, wie schön es doch wäre, wenn es auch all den Notleidenden in der Welt ein wenig besser ginge. Gibt man dann bei Google den Suchbegriff „Weihnachtsspende“ ein, kommt man derzeit auf um die 100.000 Treffer. Ganz offensichtlich ist es uns wichtig, kurz vor dem Jahreswechsel noch einmal ein guter Mensch zu sein – und so überbieten sich die diversen Charity-Organisationen in dieser Zeit damit, uns durch Spendenaktionen die Erleichterung des Gewissens zu vereinfachen. Einer Studie des Deutschen Spendenrats zufolge wird im Dezember rund dreimal so viel gespendet wie im Durchschnitt aller übrigen Monate: 2011 zum Beispiel umfasste der deutsche Spendenmarkt insgesamt knapp 4,5 Milliarden Euro, von denen etwa eine Milliarde in den letzten Wochen vor Jahresende umgesetzt wurde.

Nun ist das mit dem Spenden sicher eine wunderschöne und für den Spender ungemein befriedigende Sache. Es geht ganz einfach, man tut etwas Gutes, und man kann auch noch selbst bestimmen, für welche Zwecke das Geld verwendet wird. Aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive fällt das Bild indessen nicht ganz so rosig aus. Und damit meine ich noch nicht einmal, dass eine Menge Spendengelder für sinnlose Projekte in den Sand gesetzt werden oder in dunklen Kanälen versickern. Problematisch ist schon die Art, wie wir überhaupt unsere Spendenentscheidungen treffen.

Wir spenden nur denen, die wir sehen

Denn wenn wir Geld für einen guten Zweck zu verschenken haben, wem geben wir es am liebsten? Natürlich einer Organisation, die wir kennen, der wir vertrauen und mit der wir etwas Positives assoziieren. Und wer ist darauf spezialisiert, Organisationen bekannt zu machen, Vertrauen zu stiften und positive Assoziationen zu wecken? Natürlich die Marketing-Branche. Um optimal von der großen Weihnachtsspenderei zu profitieren, sollte ein gemeinnütziger Verein also möglichst über die nötigen Finanzmittel verfügen, um Werbeplakate an Bahnhöfen und Bushaltestellen aufzuhängen – oder noch besser über die nötigen Beziehungen, um zu den Begünstigten von ZDF-Spendengalas und Sternsinger-Aktionen, oder wenigstens von einem lokalen Sparkassen-Charity-Event zu gehören.

Außerdem sind, insbesondere wenn es um Katastrophen geht, Telegenität und Timing wichtig: Unvergessen ist die Solidarität, die den Opfern des spektakulären Tsunamis vom 26. Dezember 2004 zuteil wurde (bis Ärzte ohne Grenzen öffentlich erklärte, man möge doch bitte von weiteren zweckgebundenen Spenden absehen), und auch das Erdbeben in Haiti am 12. Januar 2010 führte zu einem deutlichen Anstieg des Spendenaufkommens. Die Opfer der ostafrikanischen Hungersnot im Sommer 2011 hingegen hatten das Pech, dass ihr Unglück nur wenige fernsehträchtige Bilder produzierte und außerdem mitten in die europäische Ferienzeit fiel. Unsere Spenden kommen also nicht unbedingt bei denjenigen an, die sie am dringendsten nötig haben – sondern bei denen, deren Leid uns zufällig ins Auge fällt, wenn wir gerade zum Geldgeben aufgelegt sind. Und während jeder Einzelne meint, eine gute Tat zu vollbringen, schaffen wir gemeinsam vielleicht eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.

Der Sozialstaat

Nun sind diese Überlegungen natürlich nichts Neues; und wenn man einen Blick darauf wirft, wie sich die Institutionen menschlicher Solidarität historisch entwickelt haben, kann man klar den Versuch erkennen, den Problemen ungelenkter Mildtätigkeit abzuhelfen. Von entscheidender Bedeutung war dabei die Entstehung des Sozialstaats. Anders als die klassische Barmherzigkeit finanziert er sich nicht aus unzuverlässig fließenden Almosen, sondern aus einer allgemeinen Steuer, und er teilt seine finanzielle Hilfen auch nicht willkürlich dem Nächstbesten zu, sondern folgt dabei einem demokratisch beschlossenen Katalog von Bedürftigkeitskriterien. Für die Betroffenen ist diese Veränderung ohne Zweifel von Vorteil: Wer einen schweren Arbeitsunfall hatte, kann nun eine staatliche Invalidenrente beantragen, statt seine verstümmelten Beine beim Betteln auf der Straße zu präsentieren. Und Maßnahmen wie die staatliche Arbeitslosenhilfe sind auch für die Volkswirtschaft insgesamt von Nutzen, wirken sie doch als automatischer Stabilisator bei konjunkturellen Schwankungen.

Diese Rationalisierung der menschlichen Solidarität durch den Sozialstaat brachte also viele Gewinner hervor. Die Einzigen, für die sie von Nachteil war, sind die großherzigen Spender: Unbestreitbar macht es sehr viel weniger Vergnügen, im Mai die jährliche Steuererklärung auszufüllen, als im Dezember nach eigenem Gutdünken Geldgeschenke zu verteilen. Aber bekanntlich ist Geben ohnehin seliger als Nehmen, und so scheint es mir durchaus gerecht zu sein, wenn im Solidarsystem die Bedürfnisse der Schwachen ein wenig mehr zählen als der Narzissmus der Starken. Weihnachtliches Spenden ist eine schöne Sache, aber es ist doch überaus beruhigend zu wissen, dass es sich dabei zu einem großen Teil nur noch um Folklore handelt, da für die elementare Grundversorgung der Bedürftigsten inzwischen der Staat sorgt.

Transnationale Solidarität

Aber wie das eben so ist mit „dem Staat“: Sobald er an nationale Grenzen stößt, ist es schnell vorbei mit der Solidarität. Schon innerhalb der Landesgrenzen haben es Menschen mit der falschen Staatsangehörigkeit oft schwer, in den Genuss staatlicher Leistungen zu gelangen. Noch drastischer aber werden die Unterschiede, wenn es um transnationale Hilfen geht: Ein echtes überstaatliches Sozialsystem gibt es bis heute nirgendwo auf der Welt, und während beispielsweise innerhalb Deutschlands mehr als ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts durch Sozialleistungen umverteilt wird, beschränken sich die Transfers zwischen den reichen und armen Ländern in Europa auf einen Bruchteil des einen Prozents des BIP, das den Haushalt der EU ausmacht. Und wenn wir uns nun gar erst jenen Teil der Welt ansehen, wo die wirklich Bedürftigen leben …

Um es kurz zu machen: Bereits im April dieses Jahres warnte die OECD vor massiven Kürzungen in der Entwicklungshilfe der europäischen Staaten. Insbesondere die südeuropäischen Länder, die im Zuge der Eurokrise zu scharfen Sparmaßnahmen gedrängt wurden, setzten hier den Rotstift an: Griechenland und Spanien etwa strichen ihre Entwicklungsausgaben um mehr als ein Drittel zusammen. Deutschland, das im Vorjahr noch zu den wenigen Euro-Ländern gezählt hatte, die ihre auswärtige Hilfe erhöhten, zog dann im November nach und kürzte den Etat des Entwicklungsministeriums ebenfalls deutlich. Von dem 1970 im Rahmen der Vereinten Nationen vereinbarten und seitdem häufig bekräftigten Ziel, die Entwicklungshilfe aller Industrieländer auf 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts zu steigern, ist in der Realität kaum etwas übrig geblieben – Deutschland jedenfalls liegt derzeit gerade einmal bei der Hälfte dieses Werts.

Wohin diese Knausrigkeit führt, lässt sich beispielsweise an einem kürzlich veröffentlichten Bericht der Weltgesundheitsorganisation ablesen. Die UN-Gesundheitsbehörde warnte darin, der Kampf gegen Malaria – eines der 2001 feierlich beschlossenen „Millenniums-Entwicklungsziele“ – drohe daran zu scheitern, dass die nötigen Finanzmittel für den Kauf von Moskitonetzen fehlen. Aber bevor nun jemand fragt, wo man denn für Moskitonetze spenden kann (natürlich kann man das: hier zum Beispiel), sollten wir vielleicht kurz innehalten und uns auch ein paar Gedanken über die strukturellen Probleme machen, die dieser Not zugrunde liegen. Es ist das Fehlen eines übernationalen Steuer- und Solidarsystems, das dazu führt, dass Mittel für globale Sozialpolitik bis heute so knapp und ungerecht verteilt sind, wie sie es vor hundertfünfzig Jahren auch auf einzelstaatlicher Ebene noch waren.

Eine Steuer für die Vereinten Nationen?

Wenn gegen Ende der Adventszeit auf den Weihnachtsmärkten die Lichter glänzen und mir ganz warm ums Herz wird, dann stelle ich mir deshalb gerne vor, wie es wäre, in einem globalen Sozialstaat zu leben. Wäre es nicht gerecht, wenn wir angesichts weltumspannender Märkte auch ein weltumspannendes Solidarsystem besäßen? Wäre es nicht vernünftig, wenn die Bekämpfung der Malaria in Afrika nicht davon abhängig wäre, ob in Europa gerade Austeritätspolitik in Mode ist? Und wäre es nicht demokratisch, wenn über die Frage, wie hoch die globale Umverteilung sein und wer davon profitieren soll, nach einem von allen gemeinsam beschlossenen Kriterienkatalog entschieden würde statt nach der Willkür der reichen Geber? Kurz gesagt: Wäre es nicht sinnvoll, wenn außer den einzelnen Nationalstaaten auch die Vereinten Nationen eine eigene Steuer erheben könnten, um aus den daraus entstandenen Einnahmen ein Sozialsystem zu finanzieren, das allen Menschen die Sicherung eines Existenzminimums garantiert?

Nun sehe ich selbst, dass dieser Wunsch noch weit von seiner Erfüllung entfernt ist. Der Grund dafür sind zunächst institutionelle Egoismen der nationalstaatlichen Organe: Selbst in Europa weigern sich die Regierungen der Mitgliedstaaten bislang, der EU ein eigenes Besteuerungsrecht zuzugestehen. Bei den Vereinten Nationen kommt noch hinzu, dass diese nicht einmal demokratisch organisiert sind, was immerhin ein guter Grund dafür ist, ihnen fürs Erste nicht allzu viel fiskalische Macht in die Hand zu legen. Die logische Konsequenz daraus kann in meinen Augen aber nicht sein, vom Ziel eines steuerfinanzierten globalen Sozialstaats abzurücken – sondern vielmehr, uns erst recht für die Überwindung nationaler Selbstherrlichkeit und für eine Demokratisierung der UN einzusetzen. So weit der Weg noch ist: Mir scheint, dass wir ihn gehen müssen, wenn wir eines Tages in einer Welt leben wollen, in der sich Solidarität nicht nur auf Umverteilung innerhalb der zufälligen Grenzen des Nationalstaats und ein paar Almosen für den Rest beschränkt, sondern jeden Menschen unabhängig von seiner Herkunft und Geburt als Gleichen behandelt.

Und in der Zwischenzeit müssen wir eben weiterspenden.

Bild: Raja Ravi Varma [Public domain], via Wikimedia Commons.

13 Dezember 2012

Ein deutsches Vetorecht im EZB-Rat? Zur Rolle der Bundesbank in der europäischen Währungsunion

Jens Weidmann kann im EZB-Rat auch mal überstimmt werden. Na und?
Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass die Deutsche Bundesbank, was den geldpolitischen Kurs der Eurozone betrifft, europaweit ziemlich alleine dasteht. Als Anfang August die Europäische Zentralbank beschloss, Staatsanleihen von Krisenländern notfalls in unbegrenzter Menge aufzukaufen – eine Maßnahme, durch die die Eurokrise seither viel von ihrer Wucht verloren hat –, stimmte Bundesbankpräsident Jens Weidmann im EZB-Rat als Einziger dagegen. Aufhalten konnte er die Entscheidung damit allerdings nicht, da es im EZB-Rat, dem wichtigsten geldpolitischen Gremium der Eurozone, kein Vetorecht gibt.

Jens Weidmann nahm seine Niederlage damals einigermaßen sportlich. Zwar wiederholte er seine Kritik an den EZB-Maßnahmen bis heute immer wieder, aber letztlich akzeptierte er, dass er nun einmal überstimmt worden war. Nicht so jedoch Teile der deutschen Politik: Als unmittelbare Reaktion auf die Entscheidungen Anfang August reagierten hochrangige Vertreter der Regierungspartei CSU (EVP) mit Verbalinjurien gegen EZB-Präsident Mario Draghi – einer der hässlichsten Vorfälle der Eurokrise, der aber letztlich folgenlos blieb. Wichtiger hingegen ist eine andere Initiative, die nun schon seit über einem Jahr durch den politischen Diskurs geistert: der Vorschlag, das Stimmverfahren im EZB-Rat so zu verändern, dass die Deutsche Bundesbank dort künftig nicht mehr überstimmt werden kann.

Vorschläge einer Stimmrechtsreform im EZB-Rat

Und das geht so: Der EZB-Rat setzt sich derzeit aus den Chefs der siebzehn nationalen Zentralbanken der Euroländer sowie aus den sechs EZB-Direktoren zusammen. Entscheidungen werden mit absoluter Mehrheit getroffen, wobei jedes Mitglied eine Stimme hat. Sobald die Eurozone aus neunzehn oder mehr Ländern besteht (etwa nach einem Beitritt von Lettland und Litauen, der wohl nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen wird), soll der Rat verkleinert werden: Neben den sechs Direktoren wären dann nur noch fünfzehn nationale Zentralbankchefs stimmberechtigt, wobei vier Sitze unter den fünf wirtschaftsstärksten Mitgliedsländern – Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande – und elf Sitze unter den übrigen vierzehn oder mehr Staaten rotieren würden. Infolgedessen könnte jede einzelne nationale Zentralbank nicht nur wie schon heute bei Entscheidungen überstimmt werden; es gäbe auch Phasen, in denen sie rotationsbedingt überhaupt kein Stimmrecht besäße.

Die Reformvorschläge aus den deutschen Regierungsparteien zielen nun auf zweierlei ab. Zum einen schlug der bayrische Finanzminister Markus Söder (CSU/EVP) jüngst vor, die vorgesehene Verkleinerung des EZB-Rats so auszugestalten, dass die fünf wirtschaftsstärksten Mitgliedstaaten jeweils einen permanenten Sitz erhalten – und die übrigen vierzehn entsprechend nur zehn statt elf. Zum anderen fordern bereits seit Monaten verschiedene Politiker, dass künftig nicht mehr jede nationale Zentralbank im Rat genau eine Stimme haben soll, sondern dass die Stimmen nach dem Anteil der Länder am EZB-Kapital gewichtet werden: Die Zentralbanken großer und reicher Länder hätten dann mehr, diejenigen kleiner und armer Länder weniger, die sechs EZB-Direktoren überhaupt keine Mitspracherechte. In Extremform wird diese Position außer von Markus Söder auch von Frank Schäffler (FDP/ELDR) und Hans Michelbach (CSU/EVP) vertreten, die zudem eine Regelung einführen wollen, nach der wichtige Entscheidungen im EZB-Rat nur noch mit Dreiviertelmehrheit getroffen werden können. Da die Bundesbank über 25 Prozent der EZB-Kapitalanteile hält, besäße sie – als einzige der nationalen Zentralbanken – für sich allein eine Sperrminorität. Ohne Jens Weidmann ginge in der Eurozone geldpolitisch überhaupt nichts mehr.

Weiß nur die Bundesbank, wie gute Geldpolitik geht?

Ich habe in diesem Blog bereits vor einem Jahr geschrieben, warum ich von solchen Vorschlägen nichts halte: Die EZB ist nun einmal keine Aktiengesellschaft, sondern ein staatliches Organ der Europäischen Union, die sich dem Prinzip der demokratischen Gleichheit verschrieben hat. Eine Regelung, die reichen Mitgliedern mehr Einfluss gibt als armen, liefe deshalb ihren verfassungspolitischen Grundwerten entgegen. Dass Söder für seine Vorschläge auf das Modell des UN-Sicherheitsrats (der ebenfalls fünf ständige Mitglieder hat) und des Internationalen Währungsfonds (wo ebenfalls nach Kapitalanteilen abgestimmt wird) verweist, ist bezeichnend – handelt es sich dabei doch um zwei der am wenigsten demokratischen und in ihren Verfahren am stärksten umstrittenen Organe, die es in der internationalen Politik gibt!

Noch gravierender jedoch erscheint mir die Form, wie die Reformfreunde ihre Forderung nach einem Vetorecht der Bundesbank begründen. Dabei verwenden sie im Wesentlichen zwei Argumentationslinien: Die eine besteht darin, einen Machtgewinn der Bundesbank schlicht mit einer „besseren“ oder „stabileren“ Geldpolitik gleichzusetzen. So erklärte Söder, die Reformen müssten sein, damit die EZB eine „Stabilitätsbank“ bleibe, und Michelbach argumentierte, dass eine Abstimmung nach Kapitalanteilen „auch ein Beitrag zur Absicherung des Auftrags der EZB“ sei. Der CDU/EVP-Finanzpolitiker Klaus-Peter Flosbach wiederum lehnte eine Abstimmung nach Kapitalanteilen vor allem deshalb ab, weil dadurch „Frankreich, Italien, Spanien und Portugal auf über 50 Prozent der Stimmrechte [kämen], während gleichzeitig stabilitätsorientierte Länder wie Finnland, Österreich und die Niederlande enorm an Einfluss verlören“. Offensichtlich haben diese Politiker die Vorstellung aufgegeben, dass im EZB-Rat ein Austausch von ökonomischen Argumenten stattfände, bei dem gemeinsam nach der besten Strategie gesucht wird: Welche Position ein Ratsmitglied vertritt, hängt in ihren Augen vielmehr allein von seiner Staatsangehörigkeit ab. Ob man das nun als „unterschiedliche Mentalitäten“ oder „geldpolitische Kulturen“ bezeichnet – letztlich handelt es sich dabei um einen chauvinistischen Nationalismus, den man nach sechzig Jahren europäischer Integration eigentlich überwunden glaubt.

Vertritt die Zentralbank nationale Interessen?

Nicht besser ist das zweite Argument, das häufig im ersten bereits mitschwingt: So erklärte etwa Frank Schäffler, durch die von ihm vorgeschlagene Reform solle „Deutschland als größte Volkswirtschaft eine Sperrminorität“ erhalten, und Söder sprach von „Gefahren für Deutschland“, die aus dem Rotationsprinzip entstünden. Offenbar meinen diese Politiker also, die Bundesbank vertrete im EZB-Rat die deutschen nationalen Interessen. Wenn dem so sein sollte: Es würde sich um einen Rechtsbruch handeln.

Der Bundesbank kommt im politischen System eine eigentümliche Doppelstellung zu: Sie ist zugleich als nationale Zentralbank eine Institution der Bundesrepublik Deutschland und als Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) ein Organ der EU. Ihre Aufgaben sind in § 3 des Bundesbankgesetzes (BBankG) definiert, wo es heißt, die Bundesbank wirke als „integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken […] an der Erfüllung seiner Aufgaben“ mit. Das ESZB wiederum hat nach Art. 127 AEU-Vertrag das „vorrangige Ziel“, die Preisstabilität im Euroraum zu gewährleisten, und soll zudem die allgemeine Wirtschaftspolitik der EU unterstützen. Mit anderen Worten: Die Bundesbank ist gesetzlich zu einer Orientierung am europäischen, nicht am deutschen Gemeinwohl verpflichtet. Ihr Spitzenpersonal wird zwar von der deutschen Bundesregierung ernannt und bezahlt, und auch ihre Gewinne fließen in den Bundeshaushalt. Für die Positionen des Bundesbankchefs, der nach Art. 130 AEU-Vertrag und § 12 BBankG von Weisungen der Bundesregierung unabhängig ist, darf das aber keine Rolle spielen.

Interessanterweise hat übrigens auch Jens Weidmann selbst mit genau diesem Argument vor einigen Wochen die Idee einer Stimmrechtsreform im EZB-Rat verworfen. In einem Interview mit der Rheinischen Post betonte er, dass die „Interessen und Aufgaben von Regierung und Notenbank […] nicht immer die gleichen“ seien: „Die Idee hinter der Regel ‚ein Land, eine Stimme‘ ist, dass die Mitglieder des EZB-Rats keine nationalen Interessen verfolgen, sondern europäisch handeln“. (Leider hielt diese Erkenntnis Weidmann allerdings nicht davon ab, sich in anderen Interviews ungefragt dazu zu äußern, ob etwa die Bankenunion „im Interesse der Bundesregierung“ und der „deutschen Steuerzahler“ liege oder nicht. Vermutlich fiele es den deutschen Medien leichter, die Aufgaben der Bundesbank zu verstehen, wenn ihr Chef sich nicht so häufig öffentlich in nationale politische Angelegenheiten einmischen würde!)

Und auch Staatssekretär Steffen Kampeter (CDU/EVP) vom Bundesfinanzministerium erklärte zuletzt, dass er „keine Notwendigkeit“ für eine EZB-Stimmrechtsreform sehe, „zumal die Stabilitätsphilosophie in vielen, auch kleineren Ländern stärker verankert ist, als manche aktuelle Debatte zeigt“. Da sich also nicht einmal die Mitglieder der Bundesregierung so recht für die Vorschläge ihrer Parteikollegen erwärmen können, wird es vermutlich nicht zu einer großen Stimmrechtsreform im EZB-Rat kommen. Allenfalls wird Deutschland bei der nächsten EU-Vertragsreform mit dieser Position in die Verhandlungen hineingehen, um sie dann gegen ein Zugeständnis in irgendeinem anderen Bereich fallen zu lassen.

Ein alternativer Reformvorschlag

Auch in den USA decken sich die Zentralbank-Distrikte nicht mit den Staatengrenzen.
Trotzdem wirft die Debatte einige Fragen auf: Denn dass überhaupt jemand auf die Idee kommt, dass die Bundesbank deutsche Interessen vertreten solle, liegt ja nur daran, dass das ESZB weiterhin auf den nationalen Zentralbanken aufbaut, die bis zur Euro-Einführung für die nationalen Währungen verantwortlich waren. Es gibt aber in einer supranationalen Wirtschafts- und Währungsunion überhaupt keinen zwingenden Grund, die unteren Organisationseinheiten des Zentralbanksystems national auszugestalten. Im US-amerikanischen Federal Reserve System etwa – das in vieler Hinsicht eine ähnliche Struktur hat wie das ESZB – gibt es nicht für jeden der fünfzig US-Bundesstaaten eine eigene Zentralbank, sondern nur zwölf „Federal Reserve Banks“, die jeweils für einen Distrikt zuständig sind. Diese Distrikte umfassen (mit der Ausnahme von New York) jeweils mehrere Bundesstaaten, und in vielen Fällen verlaufen ihre Grenzen sogar völlig quer zu denen der Staaten. In den USA käme deshalb niemand auf die Idee, dass zum Beispiel die Federal District Bank of Dallas bei der Abstimmung im Federal Open Market Committee (dem US-Pendant zum EZB-Rat) in irgendeiner Weise texanische Sonderinteressen vertreten müsse.

Wenn man es also für unangemessen hält, dass die große Deutsche Bundesbank und die kleine Central Bank of Malta im EZB-Rat die gleichen Stimmrechte haben, so besteht die sinnvollste Lösung darin, die nationalen Zentralbanken in der Eurozone schlicht aufzulösen und durch neue, ungefähr gleich große Einheiten zu ersetzen. Deren Zuständigkeitsgebiete könnten wie in den USA jeweils mehrere Mitgliedstaaten umfassen bzw. quer zu den nationalen Grenzen verlaufen; ihre Gewinne könnten, ebenfalls wie in den USA, direkt in den EU-Haushalt fließen, aus dem auch ihre Mitarbeiter bezahlt würden. Ihre Funktion bliebe dieselbe, wie sie die nationalen Zentralbanken heute einnehmen: die Erfüllung technischer Aufgaben wie der Durchführung des Zahlungsverkehrs und der Bankenaufsicht in ihrem jeweiligen Distrikt – und die Mitsprache an der gemeinsamen europäischen Geldpolitik.

Gewiss, eine solche Reform wäre mit einigem organisatorischen Aufwand verbunden, und womöglich ist auch das derzeitige System gar nicht so schlecht, dass sich die Mühe lohnen würde. Den Populisten aber, die die Bundesbank für die Durchsetzung deutscher nationaler Interessen missbrauchen wollen, sollte man bei jeder Gelegenheit entgegenhalten, dass es selbstverständlich auch außerhalb von Deutschland Menschen mit ökonomischem Sachverstand gibt. Und dass es sich bei der Bundesbank dem Gesetz nach um eine unabhängige Institution handelt, die als integraler Bestandteil des ESZB vor allem dem Gesamtwohl der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion verpflichtet ist und sich auch sonst in keiner Weise von den Zentralbanken der anderen Mitgliedstaaten unterscheidet.

Bilder: Jens Weidmann by Chatham House [CC-BY-2.0], via Wikimedia Commons; Federal Reserve Bank Districts by Nkocharh (auf Grundlage von US Court of Appeals and District Court map.svg: User:Tintazul) [CC-BY-SA-2.5], via Wikimedia Commons.

07 Dezember 2012

Die UN-Generalversammlung als Weltparlament?

Warum wehen vor dem Weltparlament eigentlich so viele nationale Fahnen?
Es gehört zu den Selbstverständlichkeiten dieses Blogs, dass supranationaler Föderalismus irgendwie besser, genauer: demokratischer ist als multilaterale Diplomatie. Was Bürger aller Staaten gemeinsam angeht, muss von Bürgern aller Staaten gemeinsam entschieden werden – oder von einem Parlament, das diese Bürger gemeinsam gewählt haben. Wenn gemeinsame Probleme dagegen in rein zwischenstaatlichen Gremien gelöst werden sollen, ergibt sich immer das Problem, dass jeder Bürger nur seine eigene nationale Regierung wählen kann, nicht aber all die anderen, die ebenfalls an der Entscheidung beteiligt sind. Deshalb ist, kurz gesagt, die Generalversammlung der Vereinten Nationen auch nicht mit einem demokratisch gewählten Parlament zu vergleichen.

Aber ist das wirklich so einfach? Gewiss, das einzige Mitglied in der UN-Generalversammlung, das mir als Bürger politisch verantwortlich ist, ist der Vertreter meines Nationalstaats; und wenn er überstimmt wird, so habe ich keinen weiteren Einfluss mehr auf die Entscheidung. Aber ist das eigentlich bei nationalen Parlamenten so anders? Wenigstens in Ländern wie Großbritannien oder den USA, die ein striktes Mehrheitswahlrecht haben, unterscheidet sich das nationale Entscheidungsverfahren gar nicht so grundsätzlich: Auch hier können die Bürger lediglich den Abgeordneten ihres eigenen Wahlkreises wählen, der dann jederzeit vom Rest des Parlaments überstimmt werden kann. Nun kann man das Mehrheitswahlrecht kritisieren und eine Verhältniswahl (wie in Deutschland oder Österreich) bevorzugen. Aber rundheraus als undemokratisch würde das britische System dann doch wohl kaum jemand bezeichnen.

Haben wir es also, nüchtern betrachtet, bei der UN-Generalversammlung doch mit einer Art globalen Westminster-Parlament zu tun, dessen „Abgeordnete“ eben die nationalen Regierungen sind, welche in den „Wahlkreisen“, den Nationalstaaten, nach dem Mehrheitsverfahren gewählt werden? Es lohnt sich, zur Abwechslung einmal diese Perspektive einzunehmen – und sei es nur, um den Unterschied zwischen supranationaler Demokratie und multilateraler Diplomatie etwas genauer zu verstehen.

Ein naheliegender Einwand

Ein Einwand gegen ein Verständnis der Generalversammlung als Weltparlament liegt freilich auf der Hand: Es gibt unter den UN-Mitgliedstaaten eine ganze Reihe von autoritären und diktatorischen Regimes, sodass auch nicht jede Regierung, die in der Generalversammlung ein Stimmrecht hat, demokratisch legitimiert ist. Während dies in der Praxis wohl das größte Hindernis zu einem demokratischen Weltsystem ist, soll es uns bei dem Gedankenspiel hier nicht stören. Nehmen wir einfach an, auf der ganzen Welt gäbe es freie Wahlen, eine freie Öffentlichkeit und den Schutz fundamentaler Grundrechte. (Wem das zu abstrakt ist, mag sich die Frage mit dem EU-Ministerrat stellen, der auf 27 europäische Demokratien begrenzt ist, aber in seiner Funktionsweise der Generalversammlung ähnelt: Beide setzen sich aus Regierungsvertretern zusammen, beide treffen ihre Entscheidungen in der Regel mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit.)

Wäre die UN-Generalversammlung dann schon ein demokratisches Organ? Oder gibt es doch noch wesentliche Unterschiede? Hier drei Überlegungen.

Erstens: Die Größe der Wahlkreise

Ein ebenfalls recht naheliegender Aspekt, der auch dann erhalten bliebe, wenn alle Staaten der Welt demokratisch wären, ist die unterschiedliche Größe der Nationalstaaten. Während in Großbritannien die Größe der Wahlkreise nur zwischen etwa 22 000 (Western Isles) und 100 000 Einwohnern (Isle of Wight) schwankt, liegen die Extreme auf globaler Ebene bei 10 000 (Nauru) und 1,4 Milliarden (China). Und während die britischen Wahlkreise regelmäßig entsprechend der demografischen Entwicklung angepasst werden, sind die Grenzen von Nationalstaaten weitgehend unveränderlich. Die Bürger großer Staaten sind deshalb in der UN-Generalversammlung massiv und strukturell unterrepräsentiert.

In der Realität dürfte hier wohl ein Hauptgrund dafür liegen, dass die Generalversammlung niemals zum Mittelpunkt der globalen Politik geworden ist: Da die großen Staaten keine Lust haben, sich regelmäßig von den kleinen überstimmen zu lassen, suchen sie sich schlicht andere Foren, in denen sie sich besser durchsetzen können. Eines davon ist der UN-Sicherheitsrat, in dem fünf große Länder sich permanent ein Drittel der Stimmen (und noch dazu ein Vetorecht) gesichert haben. Ein anderes ist die traditionelle Diplomatie, in der sich der Einfluss der Staaten nicht zuletzt aus ihrer wirtschaftlichen und militärischen Macht ergibt. Die UN-Generalversammlung ähnelt also einem Parlament, in dem manche Abgeordnete sehr viel mehr Wähler hinter sich haben als andere – und deshalb eifrig darauf bedacht sind, Entscheidungen lieber auf informelle Weise außerhalb des Parlaments zu treffen, als dem Parlament zu viel Einfluss zukommen zu lassen.

Zweitens: Die Rolle der Parteien

Ein zweiter Unterschied zwischen der UN-Generalversammlung und dem britischen Parlament ist die weitgehende Bedeutungslosigkeit der globalen Parteien. Tatsächlich nehmen im britischen Mehrheitswahlsystem die Parteien eine zentrale Funktion ein, wenn es darum geht, die vielen Wahlkreisabgeordneten zu einer gemeinsamen landesweiten Politik zusammenzubringen. Die Parteien verabschieden gemeinsame Programme und sorgen im Parlament für Fraktionsdisziplin. Auch wenn der Wähler formal nur eine einzelne Person in seinem Wahlkreis wählt, hat er so durch die Parteien die Möglichkeit zu einer gesamtstaatlichen Richtungsentscheidung.

Die Parteiverbände, die sich auf globaler Ebene organisiert haben, sind hingegen weit davon entfernt, einen solchen Einfluss auf das politische Geschehen auszuüben. Nicht, dass es sie nicht gäbe – die Sozialistische Internationale (SI), die Christlich-Demokratische Internationale (CDI), die Liberale Internationale (LI) und die Global Greens (GG) sind seit langem etablierte Organisationen, die auch immer wieder zu aktuellen politischen Themen Position beziehen: Die SI zum Beispiel, die an der Regierung von 48 UN-Mitgliedstaaten beteiligt ist, begrüßte vor einigen Tagen die Entscheidung der UN-Generalversammlung, Palästina als Beobachterstaat anzuerkennen. Allerdings erfolgte diese Stellungnahme erst, nachdem die Entscheidung der Generalversammlung bereits getroffen war. Einen Versuch, ihre Mitglieder im Sinne einer sozialdemokratischen „Fraktionsdisziplin“ im Voraus auf eine gemeinsame Linie zu bringen, gab es nicht.

Für diese schwache Rolle der globalen Parteien gibt es verschiedene Gründe. Einer dürfte daran liegen, dass die Delegierten in der UN-Generalversammlung oft Regierungen vertreten, die sich nicht nur aus einzelnen Parteien, sondern aus Koalitionen zusammensetzen. Selbst wenn es also im Voraus eine klare Position der SI zu Palästina gegeben hätte, hätte doch jede einzelne sozialdemokratische Regierungspartei ihr Votum in der Generalversammlung mit den Koalitionspartnern aushandeln müssen. Ein zweiter Grund ist die geringe Finanzkraft der globalen Parteien: Auch in Großbritannien fügen sich Abgeordnete der Fraktionsdisziplin meist nur deshalb, weil die Parteien ihnen den Wahlkampf finanzieren und ein Kandidat ohne die Unterstützung einer Partei meist chancenlos ist. Auf globaler Ebene hingegen verbieten zahlreiche nationale Wahlgesetze die Finanzierung von Wahlkämpfen durch ausländische Akteure – was unmittelbar den Einfluss der globalen Parteien verringert.

Drittens: Keine eigene Wahl

Der dritte und wichtigste Punkt, an dem sich die UN-Generalversammlung von dem britischen Parlament unterscheidet, ist jedoch das Fehlen eines gemeinsamen globalen Wahlakts. Während die britischen Abgeordneten allesamt am selben Tag gewählt werden, findet die Wahl zur UN-Generalversammlung in jedem Land zu einer anderen Zeit statt – nämlich eben immer dann, wenn die dortige nationale Regierung gewählt wird. In Großbritannien gibt es deshalb einen landesweit gemeinsamen Wahlkampf mit Parteitagen, TV-Duellen der Spitzenkandidaten, Wahlempfehlungen der großen Tageszeitungen und einer allgemeinen öffentlichen Zuspitzung auf bestimmte Konfliktthemen. Eine globale öffentliche Debatte über die Zusammensetzung der Generalversammlung bleibt hingegen aus.

Und nicht nur, dass die Weltbürger ihre globalen Delegierten nicht am selben Tag wählen: Sie machen sich normalerweise noch nicht einmal Gedanken darüber, dass sie sie wählen. Und hier liegt in meinen Augen der wichtigste Unterschied zwischen einem Westminster-Parlament und der Generalversammlung. Während die britischen Abgeordneten explizit die Aufgabe haben, als nationale Legislative Gesetze für ihr Land zu erlassen, erfüllen die Mitglieder der UN-Generalversammlung eine paradoxe Doppelfunktion: Sie sind eben nicht nur Abgeordnete des Weltparlaments, sondern auch und vor allem nationale Regierungen. Man erwartet von ihnen nicht nur, gute politische Entscheidungen für die Welt als Ganze zu treffen, sondern zugleich, die nationalen Interessen ihres jeweiligen Landes zu fördern. Und auch die Bürger können über beides nur im selben Wahlakt abstimmen. Es ist nur offensichtlich, dass es hier zu Zielkonflikten kommen kann – und zugleich naheliegend, dass dann im Zweifel das nationale über das globale Gemeinwohl triumphieren wird.

Demokratisierung der Weltpolitik

Wenn wir also die Weltpolitik demokratisieren wollen, so kann das heutige institutionelle Gefüge der Vereinten Nationen nicht der letzte Schritt sein. Selbst wenn alle Staaten der Welt demokratisch wären, wäre es die UN-Generalversammlung noch lange nicht. Auf lange Frist kann die Lösung deshalb nur in einem echten Weltparlament bestehen – mit etwa gleich großen Wahlkreisen (oder noch besser: einem globalen Verhältniswahlrecht), aktiven globalen Parteien und einem gemeinsamen weltweiten Wahlakt. Dass wir davon heute noch weit entfernt sind, versteht sich von selbst; und man braucht es mit der Kritik an den demokratischen Defiziten der Vereinten Nationen auch nicht zu übertreiben: Gegenüber dem früheren Zustand einer „souveränen Anarchie der Nationalstaaten“ sind sie zweifellos ein gewaltiger Fortschritt.

Aber doch erscheint es mir wichtig, der Tatsache ins Auge zu blicken, dass wir derzeit, jedenfalls soweit wir uns als Weltbürger verstehen, in einem reichlich undemokratischen System leben. Und dass wir daran bei Gelegenheit etwas ändern sollten.

Bild: By Steve Cadman [CC-BY-SA-2.0], via Wikimedia Commons.

29 November 2012

Podiumsdiskussion: Weltföderalismus als Friedensprojekt

Vor einigen Wochen habe ich hier die Jungen Europäischen Föderalisten dafür kritisiert, wie im Entwurf ihres Grundsatzprogramms mit der außereuropäischen Welt umgegangen wurde – und nun haben sie mich prompt zu einer Podiumsdiskussion zu diesem Thema eingeladen. Am kommenden Freitag, 7. Dezember, spreche ich mit Lars Becker, Präsidiumsmitglied der Europa-Union Deutschland, und Andreas Bummel, Vorsitzender des „Komitees für eine demokratische UNO“, über Weltföderalismus als Friedensprojekt. Die Veranstaltung findet ab 19 Uhr in der Galerie im Innenhof der Sophienstraße 28/29 in Berlin-Mitte statt; sie ist öffentlich, der Eintritt ist frei, und im Anschluss gibt es Häppchen. Also herzlich willkommen!

24 November 2012

Borgen und Tonio Borg: Wie ein EU-Kommissar gewählt wird

Der Chefredakteur: Redet über die EU in eurer Freizeit, aber lesen will das keiner. Das ist total langweilig, kompliziert und unsexy.
Die Politikredakteurin: Kompliziert? Das ist nicht die Bohne kompliziert. Die Premierministerin ernennt einen EU-Kommissar, ganz einfach.
Der Chefredakteur: Kein Däne weiß, was diese Kommission wirklich macht. […] Die Leute interessiert nur, was dort verdient wird und ob einer in die Kasse gegriffen hat.
Die Politikredakteurin: Nein, also wirklich! Der EU-Kommissar-Posten ist Dänemarks Stimme in Europa!
Borgen“, Staffel 2, Folge 2
Es ist nur ein Zufall, dass Tonio Borg (PN/EVP) so ähnlich heißt wie eine dänische Politserie.
Es kommt nicht häufig vor, dass in einer Fernsehserie von der Europäischen Kommission die Rede ist, aber die sehenswerte dänische Politikserie Borgen, deren zweite Staffel gerade auf Arte angelaufen ist, machte diese Woche eine Ausnahme. In der Folge „Wer wird EU-Kommissar?“ geht es um die Ernennung des neuen dänischen Kommissionsmitglieds, die der fiktionalen Premierministerin Birgitte Nyborg zu schaffen macht. Ausgestrahlt wurde die Sendung passenderweise nur einen Tag, nachdem am Mittwochvormittag tatsächlich über die Ernennung eines neuen EU-Kommissars abgestimmt wurde – allerdings nicht aus Dänemark, sondern aus Malta. In einer hart umkämpften Abstimmung akzeptierte das Europäische Parlament den umstrittenen Christdemokraten Tonio Borg (PN/EVP) als neues Mitglied der Kommission.

Nun ist die Ernennung eines Kommissionsmitglieds keine Kleinigkeit. Als die „Regierung“ der EU, die zudem das alleinige Initiativrecht bei der Gesetzgebung besitzt, kann die Kommission im Guten wie im Schlechten entscheidenden Einfluss auf die europäische Politik nehmen. Obwohl sie nach einem strikten Nationalproporz besetzt ist (ein Kommissar pro Land), sind ihre Mitglieder nach Art. 17 EU-Vertrag ausschließlich den „allgemeinen Interessen der Union“ verpflichtet. Ausgewählt werden sie „aufgrund ihrer allgemeinen Befähigung und ihres Einsatzes für Europa unter Persönlichkeiten […], die volle Gewähr für ihre Unabhängigkeit bieten“. So weit jedenfalls die verfassungsrechtliche Theorie. Wie aber sieht die Praxis dieses Auswahlprozesses aus? Und welche Folgen hat das für die demokratische Legitimation und das öffentliche Ansehen der Kommissare?

Borgen: Parteifreunde werden nach Brüssel weggelobt

In der fiktionalen Welt von Borgen spielt die allgemeine Befähigung der Kandidaten jedenfalls von Anfang an nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr geht es bei der Auswahl des dänischen Kommissars vor allem um eine parteiinterne Intrige: Die Premierministerin muss sich zwischen einem alten, inzwischen etwas unbequem gewordenen Weggefährten und einem schmierigen, karrieresüchtigen Europaminister entscheiden. Einigkeit besteht darüber, dass man einen so wichtigen Posten nicht einfach dem Koalitionspartner überlassen kann. Wirklich haben will ihn aber auch keiner der Kandidaten, denn, wie ein Berater der Premierministerin nach wenigen Minuten feststellt, „in Brüssel hört dich keiner schreien“. Die Ernennung der EU-Kommission dient aus Sicht der nationalen Regierungen vor allem dazu, unliebsame Parteifreunde wegzuloben: Der deutsche Zuschauer erinnert sich an die Wahl von Günther Oettinger (CDU/EVP) vor drei Jahren und nickt verstehend.

Wie aber steht es mit dem europäischen Gemeinwohl? Sollten bei der Auswahl nicht auch die Bürger der übrigen Staaten ein Wörtchen mitzureden haben? Tatsächlich sind es dem EU-Vertrag zufolge keineswegs die nationalen Regierungen allein, die den Kommissar aus ihrem Land ernennen. Vielmehr machen diese nach Art. 17 Abs. 7 EU-Vertrag lediglich „Vorschläge“, auf deren Grundlage dann der Ministerrat „im Einvernehmen mit dem gewählten [Kommissions-]Präsidenten“ eine Liste mit Nominierten zusammenstellt. Durchaus realistischerweise macht Borgen jedoch keinen Hehl daraus, dass dieses Prozedere in der Praxis weitgehend bedeutungslos ist. Zwar ruft der neu gewählte Kommissionspräsident im Verlauf der Folge mehrmals an, um die dänische Premierministerin zu einer Entscheidung zu drängen. Echten Einfluss aber übt er nur auf die Ressortverteilung aus: Falls die Dänen sich dazu herablassen, einen kompetenten Kandidaten zu benennen, so könnte dieser ein wichtiges Amt übernehmen; falls sie hingegen einen Anfänger schicken, wird er nur Kommissar für Mehrsprachigkeit.

Und das Europäische Parlament, ohne dessen Zustimmungsvotum die neue Kommission nicht ins Amt kommt? Das wird bei Borgen zunächst einmal überhaupt nicht erwähnt und spielt auch keine Rolle für die Entscheidung der Regierung. Jedenfalls beinahe: Als nämlich der mit großer Mühe endlich gefundene Kandidat in Minute 40 der Folge davon erfährt, dass er sich in der kommenden Woche in einer sechs- bis siebenstündigen Anhörung den Fragen der Europaabgeordneten unterziehen soll, da erleidet er (ja, wirklich!) einen Schlaganfall und fällt für den Rest der Sendung aus. Welch bitteres Symbol: So viel europäische Demokratie übersteigt offenbar die Kräfte bei den Protagonisten einer dänischen Politserie.

Tonio Borg: Landsleuten fällt man nicht in den Rücken

Etwas besser ging die Sache für den real existierenden Tonio Borg aus, der seine Anhörung erfolgreich überstand und am Mittwoch vom Europäischen Parlament als neues Kommissionsmitglied bestätigt wurde. Was aber das Verhältnis von nationalem und europäischem Interesse betrifft, so war sein Fall kaum weniger lehrreich als derjenige des fiktionalen Dänen.

Tonio Borg gehört zum rechtskatholischen Flügel der maltesischen Regierungspartei PN (EVP) und war seit 1998 erst Innen-, dann seit 2008 Außenminister von Malta. Nachdem sein Parteifreund John Dalli vor einigen Wochen wegen einer Korruptionsaffäre als EU-Gesundheitskommissar hatte zurücktreten müssen, wurde er von der maltesischen Regierung recht schnell zu dessen Nachfolger auserkoren. Dann allerdings wurden Vorwürfe laut, dass Borg in der Vergangenheit nicht nur durch homophobe Äußerungen aufgefallen war, sondern auch zugelassen hatte, dass ein international gesuchter kasachischer Ex-Politiker ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Malta erhielt. Außerdem hatte er in seiner Zeit als Innenminister die Abschiebung von zweihundert eritreischen Flüchtlingen zu verantworten, von denen mehrere anschließend in ihrem Herkunftsland verhaftet und gefoltert wurden. Die Fraktionen der Linken (GUE/NGL), Liberalen (ALDE) und Grünen (G/EFA) kündigten deshalb an, sie würden Borgs Ernennung im Europäischen Parlament ablehnen. Nur die Christdemokraten (EVP), Rechtskonservativen (ECR) und Europaskeptiker (EFD) sprachen ihm weiterhin ihre Unterstützung aus.

Da dies jedoch für eine Mehrheit noch nicht ganz genügte, kam es entscheidend auf die Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion S&D an. Von diesen sprach sich in einer fraktionsinternen Abstimmung eine Mehrheit gegen Borg aus – die vier Abgeordneten der Malta Labour Party aber stemmten sich massiv gegen diese Haltung ihrer Parteigenossen. Offenbar wollten sich die maltesischen Sozialdemokraten, die den Umfragen zufolge bei den nationalen Wahlen in einem halben Jahr die PN an der Regierung ablösen werden, nicht dem Vorwurf aussetzen, einem Landsmann in den Rücken zu fallen. Die Malta Times jedenfalls zitierte den MLP-Abgeordneten Edward Scicluna mit der Aussage, für ihn „als Malteser“ sei die S&D-Kritik an Borg eine „erniedrigende Erfahrung“ gewesen. Am Ende wurde Borg in geheimer Wahl mit 386 zu 281 Stimmen bestätigt, was auf mindestens 30 bis 60 Unterstützer aus der S&D-Fraktion hindeutet. Und während deutsche Christdemokraten in diesem Votum eine „schallende Ohrfeige für Linke und Liberale“ sahen, wurde es in den Online-Leserkommentaren der Malta Times als großer nationaler Erfolg gefeiert.

Spitzenkandidaten für Europawahlen

Dass die Europäische Kommission ein bürgerfernes und wenig demokratisches Organ sei, gehört zum Standardrepertoire der EU-Kritik. Betrachtet man die Ernennung der neuen Kommissare, wie sie diese Woche im Fernsehen und in Wirklichkeit zu sehen war, so ist diesem Vorwurf in einer Hinsicht ohne Zweifel Recht zu geben: Es kann nicht angehen, dass die Mitglieder eines Gremiums, das dem Wohlergehen aller Europäer verpflichtet sein soll, nach einem Verfahren gewählt werden, welches so sehr die nationalen Interessen in den Vordergrund stellt. Solange die Mehrheit der europäischen Öffentlichkeit so wie die Politikredakteurin des fiktionalen Boulevardblattes aus Borgen den Posten eines EU-Kommissars als „Dänemarks Stimme in Europa“ sieht, wird die Kommission kaum als ein Organ supranationaler Demokratie wahrgenommen werden. Und solange die Bürger nicht den Eindruck bekommen, dass die Zusammensetzung der Kommission auf eine politische Wahl zurückgeht, bei der sie selbst mit ihrer Stimme Einfluss ausüben können, wird sie an der europäischen Exekutive auch in Zukunft nur interessieren, was dort verdient wird und ob einer in die Kasse gegriffen hat.

Wenn die politische Legitimation der Kommissionsmitglieder verbessert werden soll, so muss bei ihrer Ernennung künftig also nicht mehr die nationale Herkunft, sondern die parteipolitische Ausrichtung im Vordergrund stehen. Es ist bedauerlich genug, dass die irische Regierung 2008 (nach dem gescheiterten ersten Referendum über den Vertrag von Lissabon) durchsetzte, dass auch in Zukunft immer genau ein Kommissar aus jedem Mitgliedstaat stammen muss. Umso wichtiger ist es, ihre Wahl nicht primär den nationalen Regierungen zu überlassen, sondern die Fraktionen des Europäischen Parlaments in den Mittelpunkt des Verfahrens zu stellen.

Ein erster Schritt in diese Richtung wurde bereits getan: In den letzten Monaten haben die großen europäischen Parteien – die sozialdemokratische SPE und die christdemokratische EVP – beschlossen, vor der nächsten Europawahl 2014 europaweite Spitzenkandidaten zu benennen. Der Kandidat der stärksten Fraktion soll dann vom Europäischen Rat (der gemäß Art. 17 Abs. 7 EU-Vertrag das Ergebnis der Europawahl „berücksichtigen“ muss) als Kommissionspräsident vorschlagen werden. Wenigstens das wichtigste Amt der Kommission würde also nicht nach nationalen Kriterien, sondern entsprechend dem Votum der europäischen Wähler für die eine oder andere Partei vergeben werden. Gerade an diesem Freitag hat das Europäische Parlament dieses Vorhaben noch einmal durch eine Resolution bestätigt (hier der Wortlaut), die der Blogger Protesilaos Stavrou völlig zu Recht als „bold step towards European democracy“ bezeichnet hat.

Europäische Schattenkabinette

Klar ist allerdings auch, dass es hierbei nicht bleiben kann. Denn der Kommissionspräsident hat zwar nach Art. 248 AEU-Vertrag eine Richtlinienkompetenz, doch zuletzt werden sämtliche Beschlüsse des Gremiums gemäß Art. 250 AEU-Vertrag von allen Kommissaren gemeinsam in einem Mehrheitsentscheid getroffen. Auf die Dauer wird es deshalb nicht genügen, wenn nur der Präsident nach seiner parteipolitischen Zugehörigkeit gewählt wird. Auch die Ernennung der übrigen Mitglieder darf nicht der nationalen Politik ihrer jeweiligen Länder überlassen bleiben.

Eine Lösung hierfür könnte darin bestehen, dass vor der Europawahl nicht nur jede europäische Partei einen Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten ernennt, sondern diese auch mit einer Art Schattenkabinett ausstattet: mit Kandidaten für die einzelnen Ressorts, die innerhalb der Kommission zu vergeben sind. Gemäß den Vertragsbestimmungen müsste dabei natürlich aus jedem Mitgliedstaat genau ein Kandidat stammen; doch die Auswahl dieser Kandidaten wäre eben nicht mehr Sache der nationalen Regierungen, sondern der europäischen Parteien, die sich bei der Europawahl dem Votum der Bürger stellen. Nach den Wahlen müsste dann eine Koalition von Parteien, die zusammen eine Mehrheit im Europäischen Parlament besitzen, aus ihren jeweiligen Schattenkabinetten eine gemeinsame Kandidatenliste erstellen und diese den nationalen Regierungen vorlegen versehen mit einem Hinweis, dass das Parlament keinem Vorschlag zustimmen wird, der nicht dieser Liste entspricht. Und natürlich würde auch im Fall des überraschenden Rücktritts eines Kommissionsmitglieds der Nachfolger zunächst zwischen den Koalitionsfraktionen abgesprochen, bevor die nationale Regierung einen Kandidaten nominiert.

Vermutlich würde ein solches Vorgehen der europäischen Parteien zunächst einmal zu einer institutionellen Krise zwischen dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat führen. Aber wenn die Abgeordneten diese durchzustehen bereit sind, dann spricht nichts dagegen, dass das beschriebene Verfahren im Laufe der Jahre zur üblichen Praxis wird – so wie heute noch der Zugriff jeder Regierung auf ihren jeweiligen „nationalen“ Kommissionsposten gängig ist. Nötig ist dafür noch nicht einmal eine Änderung des EU-Vertrags, sondern lediglich ein wenig Mut der europäischen Parteien. Und wir Bürger bekämen endlich die Möglichkeit, durch die Europawahl in demokratischer Weise auf die Zusammensetzung der europäischen Exekutive Einfluss zu nehmen.

Bild: Flickr_-_europeanpeoplesparty_-_EPP_LEADERS_MEET_IN_DUBLIN_14_April_2008_(43).jpg: European People's Party; derivative work: Herzi Pinki [CC-BY-2.0], via Wikimedia Commons.

19 November 2012

Das Eigenmittelsystem, die Finanztransaktionssteuer und die Wahrnehmung der Europäischen Union in der Öffentlichkeit

Die Union stattet sich mit den erforderlichen Mitteln aus, um ihre Ziele erreichen und ihre Politik durchführen zu können.

Der Nettozahlerdebatte verdanken wir manche bunte Grafik. Und manchen sinnlosen Streit.
Ich weiß nicht, ob das Wort „Eigenmittelsystem“ jemals in der Tagesschau oder im Aufmacher einer großen deutschen Zeitung verwendet wurde: Es klingt so technisch und sperrig, dass jeder gute Journalist befürchten müsste, damit seine Leser und Zuschauer zu vergraulen. Für diejenigen, die sich intensiver mit Europapolitik beschäftigen, bezeichnet dieses Wort hingegen ein Thema, über das mit größter Leidenschaft diskutiert wird. Denn es handelt sich dabei um nichts anderes als um die Frage, wie sich die EU finanzieren soll – und damit indirekt auch um die Frage, ob sie sich als eine Union der europäischen Bürger oder nur ein Bündnis ihrer Mitgliedstaaten versteht.

Und darum geht es: Wie jeder Staat und jede internationale Organisation benötigt die EU zur Erfüllung ihrer Aufgaben finanzielle Mittel. Zu deren Beschaffung gibt es typischerweise zwei Modelle: Staaten finanzieren sich größtenteils über Steuern, die sie von ihren Bürgern erheben; internationale Organisationen hingegen leben meist von den Beiträgen ihrer Mitgliedstaaten. Unabhängig von der Höhe des Budgets haben internationale Organisationen deshalb in finanziellen Fragen weniger Autonomie, da sie letztlich Jahr für Jahr auf den guten Willen ihrer Mitglieder angewiesen sind. Insbesondere die reichen Staaten, die für den größten Teil des Budgets aufkommen, können dies zur Ausübung von Macht nutzen – was beispielsweise die USA gegenüber den Vereinten Nationen auch recht unverblümt tun.

Die „Eigenmittel“ der EU

Damit so etwas in der Europäischen Union nicht geschieht, wurde bereits in den 1960er Jahren beschlossen, dass die europäische Ebene über Finanzautonomie verfügen und nicht auf nationale Beitragszahlungen angewiesen sein sollte. Allerdings schreckten die Mitgliedstaaten davor zurück, den Europäischen Gemeinschaften ein eigenes Besteuerungsrecht einzuräumen. Stattdessen sollten sich die „Eigenmittel“ der EG aus deren eigenen Tätigkeiten ergeben. Im Wesentlichen handelte es sich dabei um die Einnahmen aus den Importzöllen auf Produkte aus Nicht-EG-Staaten, die in einer Wirtschaftsgemeinschaft mit einheitlichen Außenzöllen und freiem Binnenhandel ohnehin nicht mehr sinnvoll einzelnen Mitgliedstaaten zugerechnet werden konnten.

Für einige Jahre ging dies gut. Doch mit den Jahren stiegen einerseits die Aufgaben – und damit der Finanzbedarf – der EG, während andererseits die Einnahmen zurückgingen, da die EU mit den übrigen Mitgliedern der Welthandelsorganisation immer neue Zollsenkungen vereinbarte. Um diese Lücke zu füllen, wurden seit den 1980er Jahren die sogenannten Mehrwertsteuer- und BNE-Eigenmittel eingeführt, die heute zusammen rund 85 Prozent des EU-Haushalts ausmachen.

Bei diesen BNE-Eigenmitteln handelt es sich letztlich doch wieder um nationale Beiträge der Mitgliedstaaten, die sich nach dem Bruttonationaleinkommen des Landes berechnen. „Eigenmittel“ der EU sind sie nur insofern, als sie (anders als etwa die Beiträge zu den Vereinten Nationen) formal nicht aus den nationalen Haushalten stammen, sondern nur von den Mitgliedstaaten für die EU eingetrieben werden, wobei den Mitgliedstaaten die Art der Erhebung freigestellt ist. Auch dieser feine Unterschied wird in der Praxis allerdings von mehreren Mitgliedstaaten ignoriert – und so finden sich die BNE-Eigenmittel nicht selten als Ausgabenpunkt in den nationalen Haushaltsplänen wieder. Es ist nur Glück, dass dabei noch niemals der verfassungsrechtliche Ernstfall eingetreten ist, bei dem ein nationales Parlament die volle Überweisung dieser Beiträge an die Europäische Union verweigert oder einseitig an politische Forderungen geknüpft hätte.

Der Nettozahlerstreit

Doch auch so richtete die faktische Rückkehr zu nationalen Beiträgen einigen Schaden an. Denn die Tatsache, dass die BNE-Eigenmittel jeweils einzelnen Mitgliedstaaten zugeordnet werden können, verleitete viele nationale Politiker und Medien dazu, sie als den „Preis“ anzusehen, den das eigene Land für die EU-Mitgliedschaft zu entrichten hat. Von dort ist der Schritt nicht weit, auch die finanziellen Rückflüsse aus dem EU-Haushalt in das eigene Land zu berechnen und einen Saldo aufzustellen. Das Ergebnis ist die leidige Nettozahler-Debatte, die seit den 1980er Jahren die öffentliche Auseinandersetzung vor allem in den reichen Mitgliedstaaten dominiert.

Wie absurd diese Diskussion ist, zeigt sich schon an der Vielzahl von Methoden, nach denen die nationalen Nettosalden je nach Belieben groß oder klein gerechnet werden können. Für die öffentliche Wahrnehmung der europäischen Finanzpolitik jedoch spielte dies keine Rolle: Die Vorstellung, dass Deutschland als „größter Nettozahler“ für alle Kosten aufkommen müsse, während sich die „Nettoempfänger“ ein schönes Leben machen, ist fest in vielen Köpfen verankert. Und die EU wusste sich dagegen lange Zeit nicht anders zu helfen, als etlichen Nettozahlern (vor allem Großbritannien, aber auch Deutschland, den Niederlanden, Schweden und Österreich) Beitragsrabatte zuzugestehen, die das Eigenmittelsystem nach und nach immer komplizierter machten und zuletzt doch nicht zu einer größeren Akzeptanz in der Öffentlichkeit beitrugen. Es ist wie beim deutschen Länderfinanzausgleich: Wenn staatliche Umverteilung in erster Linie als ein Transfer zwischen Gebietskörperschaften wahrgenommen wird, stößt sie fast immer auf Ablehnung. Wird sie dagegen als ein Transfer von reichen zu armen Bürgern verstanden, ist die öffentliche Zustimmung höher – selbst wenn die interregionalen Effekte dabei in der Praxis genauso groß sind.

Die Finanztransaktionssteuer als Eigenmittel

In den letzten Jahren forderten deshalb vor allem die supranationalen Organe der EU immer wieder eine Reform des Eigenmittelsystems, bei der die nationalen Beiträge durch eigene europäische Steuern ersetzt würden (hier ein Arbeitsdokument der Kommission, hier ein gemeinsames Papier dreier prominenter Europaabgeordneter). Einen entscheidenden Vorstoß machte die Kommission schließlich in diesem Sommer, als sie ihren Vorschlag für den nächsten „mehrjährigen Finanzrahmen“ (das Grundgerüst für den EU-Haushalt im Zeitraum 2014-2020) präsentierte. Darin sah sie insbesondere die Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer vor, die als neuer Eigenmittel-Typ unmittelbar das europäische Budget speisen sollte. Die Einnahmen von geschätzt 50 Milliarden Euro jährlich würden etwa ein Drittel der gesamten EU-Ausgaben abdecken und damit den Bedarf an BNE-Eigenmitteln deutlich reduzieren.

Dass die Wahl auf die Finanztransaktionssteuer fiel, ist dabei auf den ersten Blick durchaus passend. Außer fiskalischen Zwecken soll diese Steuer auf alle Bankentätigkeiten nämlich vor allem der Finanzmarktregulierung dienen, die seit Ausbruch der Eurokrise als ein wichtiges Politikfeld der EU gilt. Und zudem herrscht Einigkeit darüber, dass eine Finanztransaktionssteuer nicht nur in einzelnen Ländern eingeführt werden sollte, sondern möglichst den gesamten Binnenmarkt abdecken muss, um eine Steuerflucht der Banken zu verhindern. Wenn man also eine Finanztransaktionssteuer will, dann sollte sie europaweit einheitlich gelten – und es ist durchaus naheliegend, ihre Einnahmen dann auch für den europäischen Haushalt zu nutzen.

Doch während das Europäische Parlament diese Reformpläne der Kommission nachdrücklich unterstützte, regte sich in einigen Mitgliedstaaten Widerstand. Bemerkenswerterweise war es dabei insbesondere die deutsche Bundesregierung, die schon 2011 auf die ersten Ideen einer Eigenmittelreform mit einer scharfen Ablehnung reagierte. Auf eine Begründung für dieses strikte Nein verzichteten die Politiker von CDU/CSU (EVP) und FDP (ELDR) allerdings weitgehend. Eine Pressemitteilung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärte, es bestehe „überhaupt kein Handlungsbedarf, das bewährte System der EU-Finanzierung zu ändern“; und der finanzpolitische Sprecher der FDP behauptete etwas dreist, die Kommission suche lediglich nach Mitteln, „wie sie den ohnehin schon durch die Eurokrise stark belasteten Bürgern der Geberländer verstärkt und nun auch noch ohne Umwege an den Geldbeutel kann“. Dass die Umstellung des Eigenmittelsystems nichts mit der (aus anderen Gründen notwendigen) Erhöhung des EU-Haushalts zu tun hat, wurde dabei schlicht ignoriert. Letztlich drängt sich nur eine Schlussfolgerung auf: Gerade in Deutschland, wo die Nettozahler-Diskussion besonders virulent ist, will die Regierung offenbar auch in Zukunft nicht darauf verzichten, politisches Kapital aus der Größe ihres nationalen Beitrags zu schlagen.

Verstärkte Zusammenarbeit

Immerhin aber war Deutschland wenigstens grundsätzlich zur Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer bereit; nur sollten die Einnahmen daraus eben in den eigenen nationalen Haushalt fließen. Noch schärfer hingegen war die Kritik vonseiten anderer Länder wie Großbritannien und Schweden, die – vor allem aus wirtschaftspolitischen Gründen – eine Besteuerung der Bankaktivitäten vollständig ablehnen. Da diese Gegensätze nicht zu überwinden waren, bildete sich in den letzten Monaten eine Gruppe von elf Mitgliedstaaten der Eurozone (unter ihnen Deutschland, Frankreich und Österreich) heraus, die eine Finanztransaktionssteuer auf Basis einer verstärkten Zusammenarbeit anstreben. Demnach soll die Steuer europaweit einheitlich ausgestaltet werden, aber lediglich für diejenigen Mitgliedstaaten gelten, die sich an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligen.

Doch auch in der Pioniergruppe ist weiterhin umstritten, in welchen Haushalt die Einnahmen aus der neuen Steuer letztlich einfließen sollen. Zuletzt zeigte sich dies in einem kleinen Disput zwischen der niederländischen und der belgischen Regierung: Nachdem der neu ernannte niederländische Finanzminister vergangenen Dienstag erklärt hatte, sein Land werde sich der verstärkten Zusammenarbeit möglicherweise anschließen, aber nur, wenn die Einnahmen daraus in den nationalen Haushalt gingen, antwortete der belgische EU-Botschafter, sein Land wolle die Option einer Eigenmittelreform auf jeden Fall offen halten. Und auch das Europäische Parlament ist bislang nicht von seiner Position abgerückt, dass die Reform des Eigenmittelsystems eine zwingende Bedingung für seine Zustimmung zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen ist.

Es ist der Europäischen Union zu wünschen, dass sich die Reformfraktion zuletzt durchsetzt. Das derzeitige System, das in erster Linie auf nationalen Beiträgen beruht, vergiftet die öffentliche Debatte, da es die Interessengegensätze zwischen den Mitgliedsländern, zwischen „Nettozahlern“ und „Nettoempfängern“, in den Vordergrund stellt. Doch die EU dient nicht einzelnen Staaten, sondern den gemeinsamen Interessen aller europäischen Bürger. Entsprechend sollte auch ihre Finanzierung so weit wie möglich von der nationalen Ebene entkoppelt werden und auf echten Eigenmitteln, das heißt: auf eigenen europäischen Steuern beruhen. Die EU-Finanztransaktionssteuer, so viele Probleme sie im Einzelnen auch aufwerfen mag, ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.

PS

In dem letzten Papier zum mehrjährigen Finanzrahmen, das Ratspräsident Herman Van Rompuy (CD&V/EVP) vergangene Woche präsentierte, war der Vorschlag einer Finanztransaktionssteuer als Eigenmittel übrigens vorhanden. Wenn ich richtig verstanden habe, will Van Rompuy dabei allerdings für jeden Staat, der sich an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligt, einzeln den Ertrag berechnen, der sich aus der Steuer ergibt – und diesen Betrag dann von den BNE-Eigenmitteln des betreffenden Landes abziehen. Diese Lösung soll offenbar ein Kompromiss zwischen den verschiedenen Positionen sein; sie ist aber nichts als ein alberner Trick, da die Beiträge ja weiterhin Land für Land ausgerechnet würden und letztlich nur vom Bruttonationaleinkommen abhängig wären. Dann aber wird sich auch an der öffentlichen Wahrnehmung und der Nettozahler-Diskussion nichts ändern.

Worum es bei der ganzen Sache geht, ist doch, dass die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer eben nicht mehr einzelnen Staaten zuzuordnen sein sollen. Wenn überhaupt, müsste man also die Mitgliedstaaten, die sich an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligen, als eine Einheit betrachten und ihre BNE-Eigenmittel jeweils anteilig um den Gesamtbetrag der Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer reduzieren. Aber wie es aussieht, hat der Europäische Rat bis heute nicht so recht begriffen, worin der tiefere Sinn des Kommissionsvorschlags überhaupt besteht.

Bild: By User:Anameofmyveryown [GFDL or CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons.