26 Juli 2023

Ein ganz gewöhnliches Verfahren: Die europäischen Spitzenkandidat:innen sind normaler Bestandteil der parlamentarischen Demokratie

Von Manuel Müller
Frans Timmermans bei der Spitzenkandidaten-Debatte vor der Europawahl 2019

Hören wir auf, über das Spitzenkandidatenverfahren zu streiten, und sprechen wir dafür mehr über die Kandidat:innen selbst!

Die Europawahl 2024 kommt näher, und bald wird wieder Spitzenkandidatensaison sein. Zum dritten Mal werden die meisten europäischen Parteien – mit Ausnahme der rechtsextremen ID und EKR sowie der immer noch zögerlichen Liberalen – Kandidat:innen für die Kommissionspräsidentschaft nominieren. Obwohl bislang noch keine Interessent:innen ihre Bereitschaft zu einer Kandidatur öffentlich gemacht haben, verspricht das Rennen schon jetzt spannend zu werden. Wenn Ursula von der Leyen für die Europäische Volkspartei antritt, wäre es die erste Wahl, bei der eine Amtsinhaberin kandidiert. Und auch bei den Sozialdemokrat:innen gibt es einige prominente potenzielle Kandidat:innen, darunter etwa die frühere finnische Premierministerin Sanna Marin.

Dennoch scheint es, als ob sich auch diesmal die öffentliche Debatte weniger um die Kandidat:innen als um das Verfahren selbst drehen könnte. Das Recht, die Kommissionspräsident:in dem Europäischen Parlament vorzuschlagen, liegt formell bei den Staats- und Regierungschef:innen im Europäischen Rat, von denen sich viele bis heute nicht mit der verstärkten Rolle der europäischen Parteien abgefunden haben. Infolgedessen entkommt kaum eine Diskussion über die Spitzenkandidat:innen der Frage, ob das Verfahren diesmal „erfolgreich sein“ oder „scheitern“ (oder gar „sterben“) wird, wenn der Europäische Rat sich weigert mitzuspielen.

Offene Fragen

Es ist allerdings nicht nur der Europäische Rat, der Zweifel an den Spitzenkandidat:innen schürt. Selbst die Verfechter:innen des Verfahrens scheinen sich oft uneins darüber zu sein, was es eigentlich bedeutet: Ist dabei impliziert, dass der Europäische Rat automatisch die Kandidat:in der stärksten Partei als Kommissionspräsident:in vorschlägt? Oder sollten die Staats- und Regierungschef:innen überprüfen, wer von einer Mehrheit im Europäischen Parlament unterstützt wird? Oder könnte sogar jede beliebige Spitzenkandidat:in, die sich eine qualifizierte Mehrheit im Europäischen Rat sichert, die Nominierung erhalten?

Diese offenen Fragen wurden von den Gegner:innen des Verfahrens genutzt, um es als eine unausgereifte, umstrittene und untaugliche Idee darzustellen. Die weitverbreitete Verwendung der deutschen Bezeichnung Spitzenkandidaten auch in anderen Sprachen hat zusätzlich zu einer Exotisierung des Verfahrens beigetragen und den Eindruck erweckt, es handle sich um eine deutsche Erfindung, die den parlamentarischen Systemen anderer Mitgliedstaaten fremd sei. Das alles hat der öffentlichen Wahrnehmung der Spitzenkandidat:innen bei vergangenen Wahlen schwer geschadet: Warum sollten die Medien über ein ausgefallenes und bizarres Verfahren von zweifelhafter praktischer Relevanz berichten?

Gemeinsame Praktiken

Doch diese Sichtweise lässt außer Acht, dass das Spitzenkandidatenverfahren, mit all seinen offenen Fragen, in Wirklichkeit den gemeinsamen Praktiken in fast allen parlamentarischen Mehrparteiendemokratien ähnelt. Ob sie nun party leaders, lijsttrekkers oder candidati premier heißen: Es ist vollkommen normal, dass Parteien vor einer Wahl ankündigen, wen sie nach einer Wahl an der Spitze der Regierung sehen wollen. In manchen Ländern fällt diese Rolle nahezu automatisch den Parteivorsitzenden zu, in anderen wird darüber in Vorwahlen entschieden. Manchmal stehen die Spitzenkandidat:innen auf dem ersten Platz einer landesweiten Liste, manchmal treten sie nur in lokalen oder regionalen Wahlkreisen an. Aber es käme kaum einer großen Partei in den Sinn, eine nationale Wahl zu bestreiten, ohne eine Kandidat:in für das Amt der Regierungschef:in zu präsentieren.

Nach der Wahl ist es nicht unüblich, dass keine Partei eine eigene absolute Mehrheit hat und es deshalb zu Koalitionsverhandlungen kommt. In den meisten Fällen wird solch eine Koalition von der stärksten Partei angeführt und deren Kandidat:in wird die Chef:in der Exekutive. Das ist allerdings keine Selbstverständlichkeit und hängt immer von den Kompromissen ab, die zwischen den Parteien geschlossen werden. Derzeit gibt es mehrere EU-Länder, etwa die Tschechische Republik oder Schweden, in denen die Kandidat:in der zweit- oder sogar drittstärksten Partei zur Premierminister:in gewählt wurde. Und es gibt einige Länder, wie Belgien oder Bulgarien, in denen sich die Koalition darauf geeinigt hat, keine der Spitzenkandidat:innen zur Regierungschef:in zu machen, sondern eine andere Person, die für alle beteiligten Parteien akzeptabel ist.

Und schließlich ist auch in nationalen parlamentarischen Demokratien die Auswahl der Regierungschef:in nicht immer allein Sache des Parlaments. Oft spielen auch die Staatsoberhäupter eine formale Rolle – und manche von ihnen, wie die italienische Präsident:in, haben dabei sogar ein faktisches Vetorecht. In polarisierten Situationen, in denen sich die Parteien nicht auf eine Regierung einigen können, können Staatschef:innen vermittelnd auftreten und gegebenenfalls sogar eigene Vorschläge unterbreiten. Der Respekt vor dem demokratischen Prozess verlangt von ihnen jedoch, dabei zurückhaltend aufzutreten und sich dem Parlament nicht aufzudrängen.

Zeit, eine demokratische Normalität zu akzeptieren

All das lässt sich sehr einfach auf die EU übertragen. In einer europäischen parlamentarischen Demokratie ist es nur natürlich, dass europäische Parteien Spitzenkandidat:innen ernennen. Nach der Wahl wird in der Regel die Kandidat:in der stärksten Partei die beste Chance haben, Kommissionspräsident:in zu werden, doch das hängt immer von der Parlamentsmehrheit ab. Wenn Verhandlungen zwischen den Parteien ins Stocken geraten, kann und sollte der Europäische Rat als das „kollektive Staatsoberhaupt der EU“ eingreifen – aber unter Achtung und zur Unterstützung des parlamentarischen Prozesses, nicht in Konfrontation zu ihm.

Und wenn die Gespräche zuletzt in einen Kompromiss münden, bei dem eine Person gewählt wird, die nicht zuvor als Spitzenkandidat:in angetreten ist, dann sollte dies nicht als der „Tod“ des Verfahrens angesehen werden. Wie in jeder Demokratie kann es vorkommen, dass eine Außenseiter:in an die Spitze der Exekutive gelangt, doch der Parlamentarismus lebt weiter und die Parteien werden auch in Zukunft Spitzenkandidat:innen nominieren.

Der Erfolg oder das Scheitern des europäischen Spitzenkandidatensystems hängt nicht davon ab, wer genau bei einer bestimmten Wahl Kommissionspräsident:in wird. Er hängt davon ab, ob die Spitzenkandidat:innen in der Lage sind, Wahlkampagnen zu gestalten, den europäischen Parteien Sichtbarkeit zu verleihen und zu bedeutungsvolleren Wahlen beizutragen. Dafür ist es nötig, sie endlich als die demokratische Normalität zu akzeptieren, die sie sind. Es ist an der Zeit, nicht mehr über das Verfahren zu streiten, sondern mehr über die Kandidat:innen selbst zu sprechen.

Dieser Beitrag ist zuerst auf Englisch als FIIA Comment auf der Webseite des Finnish Institute of International Affairs erschienen.


Bild: Spitzenkandidatendebatte 2019: European Union 2019 – Source: EP [CC BY 4.0], via Flickr.

Less exotic Spitzenkandidaten: European lead candidates are just a normal part of parliamentary democracy

By Manuel Müller
Frans Timmermans during the lead candidates debate before the 2019 European elections

Let’s stop arguing so much about the lead candidates procedure and start talking more about the candidates themselves.

The 2024 European elections are approaching, and soon it will be lead candidate season again. For the third time, most European political parties – with the exception of the far-right ID and ECR groups and the still hesitant Liberals – will nominate candidates for the Commission presidency. Although no candidates have announced their intention to run as yet, the race promises to be interesting. If Ursula von der Leyen decides to stand for the European People’s Party, it could be the first election with an incumbent running. The Social Democrats have several prominent potential candidates too, including former Finnish Prime Minister Sanna Marin.

Nevertheless, it seems that the debate might once again focus less on the candidates than on the procedure itself. Formally, the right to propose the Commission president to the European Parliament rests with the European Council, and many heads of state or government have not yet come to terms with the increased role of the European parties. As a result, hardly any discussion about the lead candidates escapes the question of whether the procedure will “succeed” or “fail”, or even “die” if the European Council refuses to play along.

Open questions

It is not only the European Council that has cast doubt on the procedure, however. Even its proponents often seem to disagree about what it actually means: Does it imply that the European Council automatically proposes the candidate of the strongest party? Or should the heads of state or government assess who has the support of a parliamentary majority? Or could just any lead candidate who secures a qualified majority in the European Council win the nomination?

These open questions have been used by detractors of the procedure to cast it as a half-baked, controversial approach that is unfit for purpose. The widespread use of the German term Spitzenkandidaten has further contributed to an exoticization of the lead candidates, suggesting that they are a German invention alien to the parliamentary systems of other member states. All this has seriously damaged the lead candidates’ public visibility in past elections: Why should the media care to cover an outlandish procedure of dubious relevance?

A very common procedure

But this perspective ignores the fact that the lead candidate system, with all its open questions, is actually rather similar to the common practices in almost any multi-party parliamentary democracy. Whether they are called lead candidates, lijsttrekkers, or candidati premier, it is perfectly normal for parties to announce before an election who they want to lead the government. In some cases, this role falls almost automatically to the party chair, in others it is decided in primaries. Sometimes the lead candidates are at the top of nationwide electoral lists, sometimes they only stand in a local or regional constituency. But it would hardly occur to a major party to contest a national election without fielding a candidate for the executive top job.

After the election, it is not uncommon for no party to have an outright majority and for negotiations to form a coalition government to ensue. In most cases, such a coalition will be led by the strongest party and its candidate will become the head of the executive. However, this is not a foregone conclusion and depends on the compromises made between the parties. There are currently several EU countries, such as the Czech Republic or Sweden, where the candidate of the second or even third largest party has been elected prime minister. And there are some, like Belgium or Bulgaria, where the coalition has agreed that the head of government would be none of the top candidates, but another person who was acceptable to all parties involved.

Finally, also in national parliamentary democracies, the selection of the head of government is not always left to the parliament alone. Heads of state often play some formal role too – and some of them, like the Italian president, even have a de facto veto right. In polarized situations, where the parties cannot agree on a government, a head of state may act as a mediator and even put forward their own suggestions. However, respect for the democratic process requires them to exercise restraint in this and not to impose themselves on the parliament.

Time to accept a democratic normality

All this can very easily be transposed to the EU. In a European parliamentary democracy, it is only natural for European parties to nominate lead candidates. After the election, the candidate of the strongest party will have the best chance of becoming Commission president, but this always depends on a parliamentary majority. If negotiations between the parties reach an impasse, the European Council, as the EU’s “collective head of state”, can and should intervene – but with respect for and in support of the parliamentary process, not in confrontation with it. And if the talks result in a compromise in which a person who has not been a lead candidate is elected, this should not be seen as the “death” of the procedure. As in any democracy, an outsider can sometimes become head of the executive, but parliamentarism will live on and parties will still nominate lead candidates in the future.

The success or failure of the European lead candidate system does not depend on who becomes Commission president. It depends on whether the lead candidates are able to shape electoral campaigns, give visibility to the European parties and contribute to more meaningful elections. To achieve this, they need to be accepted as the democratic normality that they are. It is time to stop arguing so much about the procedure and start talking more about the candidates themselves.

This article was first published as a FIIA Comment by the Finnish Institute of International Affairs.


Picture: Lead candidates debate 2019: European Union 2019 – Source: EP [CC BY 4.0], via Flickr.

20 Juli 2023

Wenn an diesem Sonntag Europawahl wäre (Juli 2023): Wie groß wird der Rechtsruck im neuen Parlament?

Von Manuel Müller


Linke G/EFA S&D RE EVP EKR ID fʼlos Sonst.
EP heute3772143101177666247
Mai 2349501379216279673336
Juli 2341481369416079703641
dynamisch43521379916789
8731
Basis-Szenario,
Stand: 17.7.2023.


Dynamisches Szenario,
Stand: 17.7.2023.

In immer mehr EU-Mitgliedstaaten sind rechte Parteien an der Regierung beteiligt – seit Ende Juni auch in Finnland, und nach der nationalen Parlamentswahl am kommenden Sonntag bald womöglich in Spanien. In Frankreich halten anhaltende Unruhen die Öffentlichkeit in Atem und verschieben die Debatte nach rechts. In Deutschland befindet sich die AfD (ID) im Aufwind. Und auf europäischer Ebene arbeitet die christdemokratisch-konservative Europäische Volkspartei (EVP) an einer Annäherung an die rechtskonservativen Europäischen Konservativen und Reformern (EKR). Bei der Abstimmung über das Renaturierungsgesetz war diese Allianz jüngst zwar nicht erfolgreich. Doch mit Blick auf die Europawahl 2024 steht dringender denn je die Frage im Raum, wie weit sich die Mehrheiten im Europäischen Parlament demnächst nach rechts verschieben werden.

EVP und S&D fast unverändert

Blickt man nur auf die beiden stärksten Fraktionen – die EVP und die sozialdemokratische S&D –⁠, so ist das Bild im Vergleich zur letzten Sitzprojektion Ende Mai nahezu unverändert. Wenigstens in den Umfragen kann die EVP von der Polarisierung, die sie herbeigeführt hat, fürs Erste nicht profitieren. In Deutschland, Frankreich und Rumänien verloren EVP-Mitgliedsparteien zuletzt an Zustimmung. In Spanien hingegen war der PP unter Alberto Núñez Feijóo zuletzt mit einem aggressiven Wahlkampf erfolgreich. Insgesamt fällt die EVP in der Sitzprojektion leicht auf 160 Sitze zurück (–⁠2 gegenüber Mai).

Allerdings kann auch die zweitgrößte Fraktion S&D die Lücke zur EVP kaum schließen. In Frankreich und den Niederlanden legen die Sozialdemokrat:innen zwar leicht zu, und auch in Spanien profitieren sie von der Zuspitzung im Wahlkampf. Für die rumänischen und slowakischen S&D-Mitgliedsparteien gab es zuletzt hingegen Rückschläge. Im Ganzen käme die Fraktion nun auf 136 Sitze (–⁠1). Das Rennen um den ersten Platz ist damit noch lange nicht entschieden, auch wenn die EVP der Favorit für den Europawahlsieg 2024 bleibt.

Liberale durchwachsen

Durchwachsen präsentierten sich die letzten Wochen für die liberale Fraktion Renew Europe (RE). Schlechte Nachrichten erfuhren die Liberalen vor allem aus Frankreich, wo Emmanuel Macrons Regierungsbündnis Ensemble seit Monaten nicht aus den innenpolitischen Krisen herauskommt; die Proteste gegen die Rentenreform gingen fast nahtlos in die Unruhen gegen Polizeigewalt über. Auch in Österreich und Estland schwächelten RE-Mitgliedsparteien zuletzt, und die spanischen Ciudadanos treten zur nationalen Parlamentswahl am Sonntag gar nicht erst an.

In Italien hingegen einigten sich die ansonsten stark zerstrittenen liberalen Parteien Ende Mai, zur Europawahl eine gemeinsame Liste anzustreben, was ihr Gewicht im Europäischen Parlament deutlich erhöhen könnte. Auch die niederländischen Liberalen legten nach dem Rücktritt ihres Ministerpräsidenten Mark Rutte und der Ausrufung von Neuwahlen zuletzt zu. Unter dem Strich legt die RE damit leicht zu und steht nun bei 94 Sitzen (+2).

Linke und Grüne verlieren

Deutlich schlechter schnitten zuletzt die Parteien auf der linken Seite des politischen Spektrums ab. Die Linksfraktion im Europäischen Parlament hielt sich über den größten Teil der laufenden Wahlperiode sehr stabil, musste in den letzten Wochen aber deutliche Verluste hinnehmen. Während die deutsche Linke offenbar kurz vor der Spaltung steht, trat die spanische Podemos jüngst dem grün-linken Bündnis Sumar bei, das allerdings im Wahlkampf zuletzt zunehmend in den Schatten des sozialdemokratischen PSOE geraten ist. Auch die griechische Syriza blieb bei der nationalen Parlamentswahl im Juni unter den Erwartungen, und in Frankreich geriet LFI zuletzt wegen ihrer unklaren Haltung zu den Unruhen in die Kritik. Alles in allem kommt die Linksfraktion noch auf 41 Sitze (–⁠8) – ihr schwächster Wert in dieser Wahlperiode, wenn auch immer noch knapp über dem Ergebnis von 2019.

Die Fraktion der Grünen/EFA wiederum litt während der Wahlperiode lange Zeit unter schlechten Umfragewerten, konnte diese im Lauf des letzten Jahres allerdings etwas verbessern. In der jüngsten Projektion erfährt dieser Aufschwung jedoch wieder einen leichten Dämpfer, unter anderem in Deutschland tun sich die Grünen aktuell schwer. Insgesamt käme die grüne Fraktion nun auf 48 Sitze (–⁠2), was im Vergleich zu den letzten Jahren ein ordentlicher Wert ist, aber immer noch weit entfernt von dem Ergebnis von 2019.

ID legt zu, EKR stabil

Auf der anderen Seite des Halbkreises setzt sich demgegenüber der langsame Aufstieg der Rechtsfraktionen ID und EKR fort. Die ID profitiert vor allem vom Höhenflug der deutschen AfD, aber auch die niederländische PVV konnte zuletzt dazugewinnen. Leicht gebremst wird hingegen die portugiesische Chega. Insgesamt kommt die ID damit auf 70 Sitze (+3).

Die EKR wiederum fielen zuletzt unter anderem im spanischen Wahlkampf zurück, können in Rumänien hingegen zulegen und kommen damit unter dem Strich auf unveränderte 79 Sitze (±⁠0). Deutlich verbessert haben sich hingegen die Aussichten der Fraktion im dynamischen Szenario, das auch mögliche Beitritte bislang fraktionsloser oder nicht im Parlament vertretener Parteien berücksichtigt.

Fraktionslose und Sonstige

Diese fraktionslosen und „sonstigen“ Parteien legen in der aktuellen Sitzprojektion deutlich zu (36/+3 bzw. 41/+5), und zwar hauptsächlich aufgrund von Zugewinnen rechter Newcomer-Parteien. Ein wichtiger Gewinner der letzten Wochen ist die rechtspopulistische Reconquête aus Frankreich, deren Chef Éric Zemmour vor der nationalen Präsidentschaftswahl 2022 für Schlagzeilen sorgte. Nach den Unruhen in Frankreich könnte die Partei aktuell wieder die Fünf-Prozent-Hürde überwinden – und kündigte jüngst Interesse an, nach der Europawahl der EKR-Fraktion beizutreten.

Auch die polnische Konfederacja, die slowakische SNS und die litauische LT konnten zuletzt in Umfragen dazugewinnen. Neu im Tableau sind außerdem die Spartiátes (eine Nachfolgepartei der verbotetenen neonazistischen Chrysi Avgi) sowie die ebenfalls rechtsextreme NIKI, die beide bei der griechischen Parlamentswahl im Juni auf Anhieb ins nationale Parlament einzogen.

Allerdings legten unter den „sonstigen“ Parteien zuletzt nicht nur die rechten zu: Auch die Mitte-links-Partei LRP aus Litauen sowie die linke PE aus Griechenland können nun wieder auf einen Sitz im Parlament hoffen. Deutliche Verluste erfuhr hingegen die niederländische BBB, die nach der Neuwahl-Ankündigung in den Umfragen stark zurückfielen.

Keine rechte Einheitsfraktion

Insgesamt steht das rechte Lager im dynamischen Szenario der Sitzprojektion damit noch einmal deutlich besser da als im Basisszenario. Sowohl die EKR (mit Reconquête) als auch die ID (mit der ungarischen Regierungspartei Fidesz) kommen jeweils nahe an die liberale RE-Fraktion heran. Würden sie sich zusammenschließen, hätten sie sogar gute Chancen, mit EVP und S&D um den Platz als stärkste Fraktion im Parlament zu wetteifern.

Dass es zu einem solchen Zusammenschluss (über den seit Jahren spekuliert wird) kommt, bleibt allerdings unwahrscheinlich: Auch wenn es zwischen EKR und ID programmatisch in Sachen Migrations-, Klima- oder Identitätspolitik viele Ähnlichkeiten gibt, bleiben die unterschiedlichen Positionen zur russischen Regierung ein wichtiges Hindernis. Zudem stehen in mehreren Mitgliedstaaten – etwa Italien, Tschechien und den Niederlanden – EKR- und ID-Mitgliedsparteien in Konkurrenz zueinander und pflegen nicht immer das beste Verhältnis.

Hinzu kommt, dass die EKR in mehreren Mitgliedstaaten (Italien, Tschechien, Finnland, Lettland) an Regierungen mit der EVP beteiligt sind und auch auf europäischer Ebene ihren Einfluss am besten durch eine Zusammenarbeit mit der EVP ausbauen könnten. Um diese Zusammenarbeit zu normalisieren, ist vor allem der EVP jedoch daran gelegen, zwischen den „gemäßigten“ Rechten der EKR und den „extremen“ Rechten der ID zu unterscheiden. Eine mögliche Fusion beider Fraktionen würde diesem Narrativ zuwiderlaufen und wäre deshalb nicht im Sinn der EKR.

Der Schwerpunkt kippt nach rechts

Aus den gleichen Gründen ist es auch unwahrscheinlich, dass eine Koalition aus EVP, EKR und ID nach der Europawahl 2024 eine zentrale gestaltende Rolle spielen wird. Allerdings zeigt die jüngste Abstimmung über das Renaturierungsgesetz, dass ein solches Rechtsbündnis wenigstens als Blockade-Allianz durchaus Bedeutung gewinnen kann. Eine Mitte-links-Mehrheit gegen EVP, EKR und ID zu mobilisieren, dürfte im nächsten Europäischen Parlament noch einmal deutlich schwieriger werden als schon jetzt.

Und das könnte am Ende die wichtigste Rechtsverschiebung nach der Europawahl 2024 werden: In den vergangenen Jahren gab es im Europäischen Parlament neben der Großen Koalition aus EVP, S&D und RE (oder Grünen) noch die Möglichkeit eines Mitte-links-Bündnisses aus S&D, RE, Grünen und Linksfraktion. Ohne diese Mitte-links-Alternative verliert die S&D an Optionen und wäre für eine Mehrheit auf die Zusammenarbeit mit der EVP angewiesen. Umgekehrt könnten Mitte-rechts-Bündnisse aus EVP, RE und EKR künftig an Bedeutung gewinnen: nicht unbedingt als Hauptoption – dafür sind in vielen Bereichen die Unterschiede zwischen RE und EKR zu groß –⁠, aber als Alternative, die es der EVP erlaubt, Druck auf die S&D auszuüben.

Europawahlen haben aus strukturellen Gründen noch niemals zu einem drastischen politischen Kurswechsel geführt und werden das auch 2024 nicht tun. Aber der Schwerpunkt im Europäischen Parlament kippt nach rechts – und das wird sich am Ende auch in konkreten politischen Entscheidungen bemerkbar machen.

Die Übersicht

Die folgende Tabelle schlüsselt die Sitzverteilung der Projektion nach nationalen Einzelparteien auf. Die Tabelle folgt dem Basisszenario, in dem die nationalen Parteien jeweils ihrer aktuellen Fraktion (bzw. der Fraktion ihrer europäischen Dachpartei) zugeordnet sind. Parteien, die weder im Parlament vertreten sind noch einer europäischen Partei angehören, verbleiben in der Spalte „Sonstige“.

Das dynamische Szenario der Sitzprojektion baut auf dem Basisszenario auf, ordnet jedoch auch alle „sonstigen Parteien“ jeweils den Fraktionen zu, denen diese plausiblerweise am nächsten stehen. Zudem bezieht das dynamische Szenario auch mögliche künftige Fraktionswechsel einzelner nationaler Parteien ein, die schon jetzt im Parlament vertreten sind. In der Tabelle sind die Veränderungen im dynamischen Szenario gegenüber dem Basisszenario durch farbige Schrift und durch Hinweise im Mouseover-Text gekennzeichnet.

Da es keine gesamteuropäischen Wahlumfragen gibt, basiert die Projektion auf aggregierten nationalen Umfragen und Wahlergebnissen aus allen Mitgliedstaaten. Wie die Datengrundlage für die Länder im Einzelnen aussieht, ist im Kleingedruckten unter den Tabellen erläutert. Mehr Informationen zu den europäischen Parteien und zu den Fraktionen im Europäischen Parlament gibt es hier.

Neue nationale Sitzkontingente

Und noch ein technischer Hinweis: Vor der Europawahl werden die nationalen Sitzkontingente der einzelnen Mitgliedstaaten neu festgelegt. Nach Art. 14 (2) EUV gilt für diese das Prinzip der „degressiven Proportionalität“ – große Staaten erhalten mehr Sitze als kleine, aber kleine mehr Sitze pro Einwohner:in als große. Da sich die Einwohnerzahl der Länder jedoch ändert, müssen die Sitzkontingente vor jeder Wahl angepasst werden.

Eine feste Formel dafür gibt es nicht; stattdessen muss der Europäische Rat (auf Initiative und mit Zustimmung des Parlaments) einstimmig eine Verteilung festlegen. Das Parlament hat im Juni einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt, durch den einige Länder zusätzliche Sitze erhalten würden. Die endgültige Entscheidung liegt jedoch bei den Staats- und Regierungschef:innen. Die Sitzprojektion basiert deshalb vorläufig weiter auf der alten Verteilung mit 705 Sitzen.


Linke G/EFA S&D RE EVP EKR ID fʼlos Sonst.
EP heute3772143101177666247
Mai 2349501379216279673336
Juli 2341481369416079703641
dynamisch43521379916789
8731

Linke G/EFA S&D RE EVP EKR ID fʼlos Sonst.
DE 4 Linke 14 Grüne
1 Piraten
1 ÖDP
1 Volt
17 SPD 7 FDP
2 FW
26 Union
1 Familie

19 AfD 2 Partei 1 Tier
FR 7 LFI 8 EELV 8 PS 18 Ens 9 LR
23 RN 6 Rec

IT

16 PD 8 Az-IV-+EU 7 FI
1 SVP
24 FdI 8 Lega 13 M5S
ES 5 Sumar
1 Bildu
3 Sumar
1 ERC
18 PSOE 1 PNV 22 PP 8 Vox


PL

4 Lewica 3 PL2050
16 KO
2 KP
19 PiS

8 Konf
RO

11 PSD 5 USR 7 PNL
2 UDMR
8 AUR


NL 1 PvdD
1 SP
3 GL
1 Volt
3 PvdA 6 VVD
2 D66
1 CDA
1 CU
1 JA21
3 PVV
6 BBB
EL 4 Syriza
2 PASOK
9 ND 1 EL
2 KKE 1 PE
1 NIKI
1 Spart
BE 3 PTB 1 Groen
1 Ecolo
2 Vooruit
2 PS
1 O-VLD
2 MR
1 CD&V
1 LE
1 CSP
3 N-VA 3 VB

PT 2 BE
1 CDU
1 PAN 6 PS 2 IL 6 PSD
3 CH

CZ
3 Piráti

10 ANO 1 STAN
5 ODS 2 SPD
HU

4 DK
2 MM 1 KDNP

11 Fidesz
2 MHM
1 MKKP
SE 2 V
9 S 1 C
5 M
4 SD


AT
2 Grüne 5 SPÖ 1 Neos 5 ÖVP
6 FPÖ

BG

2 BSP 3 DPS 5 GERB



4 PP-DB
3 V
DK 1 Enhl. 2 SF 4 S 2 V
2 LA
1 M
1 K


1 DD
FI 1 Vas 1 Vihreät 3 SDP 1 Kesk 4 Kok 4 PS


SK

3 Smer-SSD
2 Hlas-SD
2 PS 1 D
1 KDH
1 OĽANO
1 SaS 1 SR 1 REP 1 SNS
IE 6 SF

3 FF 4 FG



HR

3 SDP
5 HDZ


2 Možemo
1 Most
1 DP
LT
1 LVŽS 3 LSDP 1 LRLS
1 TS-LKD

1 DP 2 DSVL
1 LRP
1 LT
LV
1 Prog
1 SDPS

2 JV
1 NA

1 ZZS
1 LRA
1 S!
SI

1 SD 4 GS 3 SDS




EE

1 SDE 2 RE
1 KE
1 Isamaa
2 EKRE

CY 2 AKEL
1 EDEK
1 DIKO

2 DISY



LU
1 Gréng
1 PPLU
1 LSAP 1 DP 2 CSV



MT

3 PL
3 PN




Verlauf (Basisszenario)


Linke G/EFA S&D RE EVP EKR ID fʼlos Sonst.
17.07.2023 41 48 136 94 160 79 70 36 41
22.05.2023 49 50 137 92 162 79 67 33 36
27.03.2023 44 42 137 94 162 78 68 38 42
01.02.2023 50 42 135 96 168 78 65 37 34
06.12.2022 51 44 136 93 166 79 64 37 35
12.10.2022 52 42 127 100 169 79 63 35 38
20.08.2022 52 47 134 98 170 75 63 27 39
22.06.2022 54 44 133 101 165 77 64 31 36
25.04.2022 59 39 139 97 157 78 64 38 34
01.03.2022 53 36 139 98 158 78 62 45 36
04.01.2022 51 39 142 99 165 73 62 34 40
08.11.2021 50 42 144 96 155 75 72 36 35
13.09.2021 54 42 141 98 160 70 75 33 32
21.07.2021 52 45 133 97 167 71 74 31 35
24.05.2021 50 50 125 95 167 74 73 33 38
29.03.2021 52 46 136 96 164 71 73 34 33
02.02.2021 52 45 135 94 184 70 71 21 33
09.12.2020 52 47 136 93 188 67 73 20 29
12.10.2020 51 49 127 96 193 67 71 21 30
14.08.2020 50 53 145 88 196 65 64 20 24
25.06.2020 48 55 143 91 203 64 63 20 18
26.04.2020 47 53 151 88 202 66 66 19 13
10.03.2020 51 58 138 88 188 67 82 21 12
09.01.2020 49 58 135 93 186 65 82 24 13
23.11.2019 48 57 138 99 181 62 82 22 16
23.09.2019 49 61 139 108 175 56 82 24 11
30.07.2019 47 64 138 108 180 57 82 22 7
Wahl 2019 40 68 148 97 187 62 76 27

Die Zeile „Wahl 2019“ kennzeichnet die Sitzverteilung zum 2. Juli 2019, dem Zeitpunkt der Konstituierung des Europäischen Parlaments nach der Europawahl im Mai 2019.
Angegeben sind jeweils die Werte im Basisszenario ohne das Vereinigte Königreich. Eine Übersicht der Werte mit dem Vereinigten Königreich für die Zeit bis Januar 2020 ist hier zu finden. Eine Übersicht älterer Projektionen aus der Wahlperiode 2014-2019 gibt es hier.

Die vollen Namen der Fraktionen und der nationalen Einzelparteien erscheinen als Mouseover-Text, wenn der Mauszeiger eine kurze Zeit regungslos auf der Bezeichnung in der Tabelle gehalten wird. Sofern eine Partei im dynamischen Szenario einer anderen Fraktion zugeordnet ist als im Basisszenario, ist dies ebenfalls im Mouseover-Text gekennzeichnet.

Fraktionszuordnung

Basisszenario: Für die Projektion werden Parteien, die bereits im Europäischen Parlament vertreten sind, jeweils ihrer derzeitigen Fraktion zugerechnet, es sei denn, sie haben ausdrücklich ihren Entschluss zu einem Fraktionswechsel nach der nächsten Europawahl erklärt. Nationale Parteien, die derzeit nicht im Europäischen Parlament vertreten sind, aber einer europäischen Partei angehören, werden der Fraktion der entsprechenden europäischen Partei zugeordnet. In Fällen, bei denen sich die Mitglieder einer nationalen Liste nach der Wahl voraussichtlich auf mehrere Fraktionen aufteilen werden, wird jeweils die am plausibelsten scheinende Verteilung zugrundegelegt. Parteien, bei denen die Zuordnung zu einer bestimmten Fraktion unklar ist, werden im Basisszenario als „Sonstige“ eingeordnet.

Für die Bildung einer eigenständigen Fraktion sind nach der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments mindestens 23 Abgeordnete aus mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten erforderlich. Gruppierungen, die diese Bedingungen nach der Projektion derzeit nicht erfüllen würde, sind mit einem Asterisk (*) gekennzeichnet. Sie müssten gegebenenfalls nach der Europawahl zusätzliche Abgeordnete für sich gewinnen, um sich als Fraktion konstituieren zu können.

Dynamisches Szenario: Im dynamischen Szenario werden alle „sonstigen“ Parteien einer schon bestehenden Fraktion (oder der Gruppe der Fraktionslosen) zugeordnet. Außerdem werden gegebenenfalls Fraktionsübertritte von bereits im Parlament vertretenen Parteien berücksichtigt, die politisch plausibel erscheinen, auch wenn sie noch nicht öffentlich angekündigt wurden. Um diese Veränderungen gegenüber dem Basisszenario deutlich zu machen, sind Parteien, die im dynamischen Szenario einer anderen Fraktion zugeordnet werden, in der Tabelle mit der Farbe dieser Fraktion gekennzeichnet; zudem erscheint der Name der möglichen künftigen Fraktion im Mouseover-Text. Die Zuordnungen im dynamischen Szenario basieren auf einer subjektiven Einschätzung der politischen Ausrichtung und Strategie der Parteien und können daher im Einzelnen recht unsicher sein. In der Gesamtschau kann das dynamische Szenario jedoch näher an der wirklichen Sitzverteilung nach der nächsten Europawahl liegen als das Basisszenario.

Datengrundlage

Soweit verfügbar, wird bei der Sitzberechnung für jedes Land jeweils die jüngste Umfrage zu den Wahlabsichten für das Europäische Parlament herangezogen. Wo mehr als eine Umfrage erschienen ist, wird der Durchschnitt aller Umfragen aus den letzten zwei Wochen vor der jüngsten Umfrage berechnet, wobei jedoch von jedem einzelnen Umfrageinstitut nur die jeweils letzte Umfrage berücksichtigt wird. Stichtag für die Berücksichtigung einer Umfrage ist, soweit bekannt, jeweils der letzte Tag der Durchführung, andernfalls der Tag der Veröffentlichung.
Für Länder, in denen es keine spezifischen Europawahlumfragen gibt oder die letzte solche Umfrage mehr als zwei Wochen zurückliegt, wird stattdessen die jüngste verfügbare Umfrage für die Wahl zum nationalen Parlament bzw. der Durchschnitt aller Umfragen für das nationale oder das Europäische Parlament aus den letzten zwei Wochen vor der jüngsten verfügbaren Umfrage verwendet. Für Länder, in denen es keine aktuellen Umfragen für Parlamentswahlen gibt, wird stattdessen gegebenenfalls auf Umfragen zu Präsidentschaftswahlen zurückgegriffen, wobei die Umfragewerte der Präsidentschaftskandidat:innen jeweils den Parteien der Kandidat:innen zugeordnet werden (dies kann insbesondere Frankreich und Zypern betreffen). Für Mitgliedstaaten, für die sich überhaupt keine Umfragen finden lassen, wird auf die Ergebnisse der letzten nationalen Parlaments- oder Europawahl zurückgegriffen.
In der Regel werden die nationalen Umfragewerte der Parteien direkt auf die Gesamtzahl der Sitze des Landes umgerechnet. Für Länder, in denen die Wahl in regionalen Wahlkreisen ohne Verhältnisausgleich erfolgt (aktuell Belgien und Irland), werden regionale Umfragedaten genutzt, soweit diese verfügbar sind. Wo dies nicht der Fall ist, wird die Sitzzahl für jeden Wahlkreis einzeln berechnet, dabei aber jeweils die nationalen Gesamt-Umfragewerte herangezogen. Nationale Sperrklauseln werden, soweit vorhanden, in der Projektion berücksichtigt.
In Belgien entsprechen die Wahlkreise bei der Europawahl den Sprachgemeinschaft, während Umfragen üblicherweise auf Ebene der Regionen durchgeführt werden. Für die Projektion werden für die französischsprachige Gemeinschaft die Umfragedaten aus Wallonien, für die niederländischsprachige Gemeinschaft die Umfragedaten aus Flandern genutzt. Für die deutschsprachige Gemeinschaft wird das Ergebnis der letzten Europawahl herangezogen (1 Sitz für CSP).
In Ländern, in denen es üblich ist, dass mehrere Parteien als Wahlbündnis auf einer gemeinsamen Liste antreten, werden der Projektion plausibel erscheinende Listengemeinschaften zugrunde gelegt. In der Tabelle sind diese in der Regel unter der Bezeichnung des Wahlbündnisses oder der größten dazugehörigen Partei zusammengefasst. Manchmal gehören die Parteien eines Wahlbündnisses im Europäischen Parlament jedoch unterschiedlichen Fraktionen an. In diesem Fall werden die Parteien einzeln aufgeführt und eine Plausibilitätsannahme über die Verteilung der Sitze auf der gemeinsamen Liste getroffen. Dies betrifft folgende Parteien: Italien: SI (1., 3. Listenplatz) und EV (2., 4.); Spanien: ERC (1., 3.-4.), Bildu (2.) und BNG (5.); PNV (1.) und CC (2.); Polen: PL2050 (1., 3., 5. etc.), KP (2., 4., 6. etc.); Niederlande: GL (1., 3., 5. etc.) und PvdA (2., 4., 6. etc.); CU (1., 3.-4.) und SGP (2., 5.); Ungarn: Fidesz (1.-6., ab 8.) und KDNP (7.); Slowakei: PS (1.) und D (2.). Für die Mitglieder des spanischen Parteienbündnisses Sumar wird angenommen, dass sie sich zu zwei Dritteln der Linksfraktion, zu einem Drittel der Fraktion Grüne/EFA anschließen.
In Frankreich hatten sich für die nationale Parlamentswahl 2022 mehrere Mitte-links-Parteien (LFI, PS, EELV, PCF) zu dem Wahlbündnis NUPES zusammengeschlossen, das teilweise auch in späteren Umfragen noch vorkommt. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass dieses Bündnis auch bei der nächsten Europawahl Bestand hat. In der Projektion werden deshalb die Umfragewerte des Bündnisses jeweils auf die einzelnen Parteien aufgeteilt, und zwar entsprechend dem Verhältnis der durchschnittlichen Umfragewerte der Parteien in den letzten Umfragen, die diese einzeln ausweisen.
Da es in Deutschland bei der Europawahl keine Sperrklausel gibt, können Parteien bereits mit weniger als 1 Prozent der Stimmen einen Sitz im Europäischen Parlament gewinnen. Da deutsche Umfrageinstitute für Kleinparteien jedoch in der Regel keine Werte ausweisen, wird in der Projektion jeweils das Ergebnis der letzten Europawahl herangezogen (je 2 Sitze für PARTEI und FW, je 1 Sitz für Tierschutzpartei, ödp, Piraten, Volt und Familienpartei). Nur falls eine Kleinpartei in aktuellen Umfragen einen besseren Wert erreicht als bei der letzten Europawahl, wird stattdessen dieser Umfragewert genutzt.
In Italien können Minderheitenparteien durch eine Sonderregelung auch mit nur recht wenigen Stimmen ins Parlament einziehen. In der Projektion wird die Südtiroler Volkspartei deshalb stets mit dem Ergebnis der letzten Europawahl (1 Sitz) geführt.

Die folgende Übersicht führt die Datengrundlage für die Mitgliedstaaten im Einzelnen auf. Die Daten beziehen sich auf den letzten Tag der Durchführung; falls dieser nicht bekannt ist, auf den Tag der Veröffentlichung der Umfragen:
Deutschland: nationale Umfragen, 4.-15.7.2023, Quelle: Wikipedia.
Frankreich: Europawahl-Umfragen, 26.6.-5.7.2023, Quelle: Wikipedia.
Italien: nationale Umfragen, 6.-14.7.2023, Quelle: Wikipedia.
Spanien: nationale Umfragen, 4.-16.7..2023, Quelle: Wikipedia.
Polen: nationale Umfragen, 2.-13.7.2023, Quelle: Wikipedia.
Rumänien: nationale Umfragen, Juni 2023, Quelle: Wikipedia.
Niederlande: nationale Umfragen, 16.7.2023, Quelle: Wikipedia.
Griechenland: Ergebnisse der nationalen Parlamentswahl, 25.6.2023, Quelle: Wikipedia.
Belgien, niederländischsprachige Gemeinschaft: regionale Umfragen (Flandern) für die nationale Parlamentswahl, 6.6.2023, Quelle: Wikipedia.
Belgien, französischsprachige Gemeinschaft: regionale Umfragen (Wallonien) für die nationale Parlamentswahl, 6.6.2023, Quelle: Wikipedia.
Belgien, deutschsprachige Gemeinschaft: Ergebnis der Europawahl, 26.5.2019.
Portugal: nationale Umfragen, 6.7.2023, Quelle: Wikipedia.
Tschechien: nationale Umfragen, 2.5.-2.6.2023, Quelle: Wikipedia.
Ungarn: nationale Umfragen, 10.-13.6.2023, Quelle: Wikipedia.
Schweden: nationale Umfragen, 25.5.-7.6.2023, Quelle: Wikipedia.
Österreich: nationale Umfragen, 12.7.2023, Quelle: Wikipedia.
Bulgarien: nationale Umfragen, 26.6.-9.7.2023, Quelle: Wikipedia.
Dänemark: nationale Umfragen, 25.6.2023, Quelle: Wikipedia.
Finnland: nationale Umfragen, 4.-15.7.2023, Quelle: Wikipedia.
Slowakei: nationale Umfragen, 16.-28.6.2023, Quelle: Wikipedia.
Irland: nationale Umfragen, 23.6.-1.7.2023, Quelle: Wikipedia.
Kroatien: nationale Umfragen, 4.-9.7.2023, Quelle: Wikipedia.
Litauen: nationale Umfragen, 29.6.2023, Quelle: Wikipedia.
Lettland: nationale Umfragen, Juni 2023, Quelle: Wikipedia.
Slowenien: nationale Umfragen, 6.7.2023, Quelle: Wikipedia.
Estland: nationale Umfragen, 13.-20.6.2023, Quelle: Wikipedia.
Zypern: Ergebnisse der ersten Runde der nationalen Präsidentschaftswahl, 5.2.2023, Quelle: Wikipedia.
Luxemburg: nationale Umfragen, 6.4.2023, Quelle: Wikipedia.
Malta: nationale Umfragen, 19.5.2023, Quelle: Wikipedia.

Bilder: alle Grafiken: Manuel Müller.