Matteo
Salvini spricht
davon, Steve Bannon spricht
davon, die
AfD spricht schon
lange davon:
Die Idee einer großen Sammelbewegung, in der sich das zersplitterte
rechtsnational-europaskeptische
Lager
nach
der Europawahl zusammenschließen könnte, ist in der Welt. Mit einer
solchen Allianz könnten die rechten Parteien nicht nur ihre
Sichtbarkeit, sondern auch ihren politischen Einfluss im Europäischen
Parlament steigern. Nach der letzten
Sitzprojektion dieses Blogs von Mitte November kommen die drei
europaskeptisch-rechten Fraktionen EKR, EFDD und ENF gemeinsam auf
132
Abgeordnete; bezieht man weitere europaskeptische Parteien ein, die
2019 erstmals einziehen werden, sind es sogar 169 – ein knappes
Viertel der 705 Sitze, die das Parlament insgesamt umfasst.
Ein
Bündnis aller rechter Kräfte würde damit mühelos die
sozialdemokratische S&D-Fraktion übertreffen und läge nur knapp
hinter der Europäischen Volkspartei als stärkster Gruppierung im
Parlament. Doch
wie realistisch ist solch eine rechte Einheitsfraktion tatsächlich?
Und warum sollte sie ausgerechnet jetzt zustande kommen, nachdem
ähnliche Versuche in der Vergangenheit immer wieder gescheitert
sind? Um die Aussichten eines rechten Zusammenschlusses besser
einschätzen zu können, lohnt sich zunächst ein Blick darauf, wie
das Mitte-Rechts-Spektrum im Europäischen Parlament bis jetzt
strukturiert ist. Denn dass es rechts der Europäischen Volkspartei
gleich drei Fraktionen gibt, ist kein Zufall, sondern geht auf reale
Unterschiede in deren politischer Ausrichtung zurück.
Die
heutigen Rechtsfraktionen
●
Die
größte Gruppierung im Mitte-Rechts-Spektrum ist die Europäische
Volkspartei
(EVP)
mit derzeit 219 Sitzen. Die EVP vereint christdemokratische und
gemäßigt-konservative Parteien und ist seit rund zwanzig Jahren die
stärkste politische Kraft in der EU. Sie versteht sich als
proeuropäisch und
grenzt sich damit traditionell vom europaskeptisch-rechten Lager ab.
●
Die
Fraktion der Europäischen
Konservativen und Reformer
(EKR,
73 Sitze) entstand
in ihrer heutigen Form nach der Europawahl 2009, als die britischen
Tories die EVP-Fraktion verließen und sich mit der polnischen PiS
und der tschechischen ODS zusammenschlossen. Die
EKR steht der supranationalen Integration kritisch gegenüber,
entzieht sich aber nicht der Logik des politischen Systems der EU:
Viele ihrer
Mitgliedsparteien
stellen oder stellten bereits nationale Regierungschefs und
Mitglieder der Europäischen Kommission; im Europäischen Parlament
bildet die EKR – als
einzige der drei
Rechtsfraktionen
– immer
wieder taktische Allianzen mit der EVP und der liberalen ALDE. Vor
allem durch den Einfluss der britischen Tories war die EKR
marktliberal ausgerichtet und auch
für
einen
EU-Beitritt
der
Türkei offen. Außenpolitisch
steht sie für eine starke Rolle der NATO und einen harten Umgang mit
Russland.
●
Die
Fraktion Europa
der Nationen und der Freiheit (ENF,
34
Sitze) entstand erst 2015. Ihre
Führungsfigur
war anfangs
die
Französin Marine Le Pen (RN), inzwischen ist es vor allem der
Italiener Matteo Salvini (Lega); auch die niederländische PVV und
die österreichische FPÖ sind Teil der Gruppierung. Die
ENF vertritt
einen hart nationalistischen, teils offen EU-feindlichen Kurs und
wurde deshalb von den übrigen
Kräften
im Europäischen Parlament zunächst
politisch
ausgegrenzt.
Zum
inhaltlichen Kern der Fraktion
gehören
zudem
eine
harte Linie gegenüber
Einwanderern und Muslimen,
was
auch
mit einer Ablehnung des türkischen EU-Beitritts einhergeht. Hingegen
unterhalten viele ihrer Mitgliedsparteien gute
Beziehungen zur russischen Regierung unter
Vladimir Putin.
Wirtschaftspolitisch
ist die Fraktion eher protektionistisch ausgerichtet.
●
Die
Fraktion Europa
der Freiheit und der Direkten Demokratie (EFDD,
43 Sitze) bildet eine Art populistisches
Auffangbecken,
in dem seit 2014 die britische UKIP und das italienische Movimento 5
Stelle als etwa gleich starke Partner den Ton angeben. Auch
Jörg Meuthen, nach
diversen Abspaltungen der einzige verbliebene Europaabgeordnete der
deutschen AfD, gehört der EFDD an.
Ideologisch wird
die
Fraktion
vor
allem durch die gemeinsame Gegnerschaft zum europapolitischen
Establishment zusammengehalten; außenpolitisch
stehen die meisten ihrer Mitgliedsparteien der
Regierung Putin
nahe. Ansonsten
ist die EFDD politisch sehr
heterogen – von
allen Fraktionen im Parlament stimmt keine so selten geschlossen ab
wie sie.
Abschwächung
der Gegensätze
Diese
auf den ersten Blick recht deutlichen Unterschiede lassen eine
Einheitsfraktion, die die bisherigen Mitglieder von EKR, ENF und EFDD
umfassen würde, auf Anhieb eher unwahrscheinlich erscheinen. Dennoch
sind gewisse Veränderungen im rechten Spektrum nach der Europawahl
unvermeidlich: Wenn mit dem Brexit die britische UKIP aus dem
Europäischen Parlament ausscheidet, wird die EFDD aller Voraussicht
nach nicht
mehr
die Bedingungen zur Konstituierung einer
eigenständigen
Fraktion erfüllen und
sich deshalb
2019
auflösen.
Ihre
verbleibenden
Mitglieder werden
also
gezwungen sein,
sich neu zu orientieren und
gegebenenfalls einer der anderen Rechtsfraktionen anzuschließen.
Doch
auch über das Ende der EFDD hinaus gibt es Bewegung im rechten
Lager: Verschiedene
Entwicklungen
in
den letzten
Jahren
führten
zu
einer Abschwächung der
Gegensätze
zwischen
den einzelnen Fraktionen,
die
in wichtigen politischen Fragen zunehmend ähnliche Positionen
vertreten.
Radikalisierung
des rechten EVP-Flügels
Diese
Annäherung der europäischen Rechtsparteien beginnt
im rechten Flügel der
EVP,
dessen
wichtigster
Exponent der ungarische Regierungschef Viktor Orbán ist.
Zum
einen treibt
Orbán auf nationaler Ebene den Abbau von Demokratie und Rechtsstaat
voran und
verfolgt
dabei ähnliche Ziele wie die zur EKR gehörende polnische
Regierungspartei PiS. In
den letzten Jahren haben
sich die ungarische und polnische Regierung deshalb
zugesichert,
einander gegen
mögliche Artikel-7-Sanktionen des Europäischen Rates zu schützen.
Zum
anderen fordern Orbán,
aber
auch andere Vertreter des rechten EVP-Flügels eine weitgehende
Abschottung
der EU gegenüber Flüchtlingen und
liegen damit
nahe bei der ENF. Im
Juli
2018
betonte etwa der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU/EVP) die
migrationspolitische Nähe zu seinen Amtskollegen aus Österreich und
Italien, die beide ENF-Mitgliedsparteien angehören.
Rechtsdrift
der EKR
Aber
nicht nur Teile
der
EVP, auch die EKR bewegte sich in den letzten Jahren nach rechts.
Diese
Entwicklung begann schon
nach
der
Europawahl 2014, als
sich die
EKR durch die Aufnahme neuer
Mitglieder nach
rechts öffnete
–
vor allem der
nordischen
Rechtsparteien wie der dänischen DF und der finnischen PS, im
Juli 2018 auch der
schwedischen
SD. Der
Brexit dürfte diese Rechtsdrift noch weiter verstärken:
Die
britischen Tories bildeten innerhalb
der
Fraktion traditionell
den
eher pragmatisch-gemäßigten Flügel, der auf
gute
Beziehungen zur EVP und
auf ein Image von Regierungsfähigkeit achtete.
Zur
allein dominierenden Kraft in der EKR
dürfte
künftig
hingegen die
polnische
PiS werden,
die
aufgrund
ihrer Angriffe auf den nationalen Rechtsstaat im
gemäßigten Flügel der EVP kaum Freunde hat und in den letzten
Jahren immer wieder mit aggressiv
europaskeptischer
Rhetorik
auftrat.
Hinzu
kommt, dass auch die meisten
EKR-Parteien
in den letzten Jahren die Angst vor muslimischen Einwanderern als
politisches Gewinnerthema entdeckt haben. Und
nicht
zuletzt dürfte
auch die
freundliche
Haltung gegenüber
der
Türkei,
die
die EKR bislang von der ENF trennte,
wohl
der
Vergangenheit
angehören:
Die
türkische Regierungspartei AKP kündigte unlängst ihren
Austritt aus der (zur EKR gehörigen) Europapartei AKRE an.
Normalisierung
der ENF
Auf
der anderen Seite gelang
es den ENF-Parteien in den letzten Jahren, ihre politische Isolation
zu durchbrechen. Die von Marine Le Pen angestrebte „Entdämonisierung“
rechtsextremer Positionen war in verschiedenen Mitgliedstaaten
durchaus erfolgreich: Sowohl in Österreich als auch in Italien sind
ENF-Parteien
inzwischen (als
Koalitionspartner von EVP- bzw. EFDD-Mitgliedern) an
der nationalen Regierung beteiligt. Und auch im Europäischen
Parlament kam
es in
den letzten Jahren zu
einigen
Entscheidungen, in
denen die ENF als Teil einer
gemeinsamen
Mehrheit aus EVP
und Rechtsfraktionen auftrat
–
in
prominenter Form etwa im
vergangenen Februar bei
der Ablehnung gesamteuropäischer Europawahllisten.
Zugleich
änderte sich auch die politische Rhetorik der
ENF: Neben
dem traditionellen Nationalismus finden
sich nun auch
Versatzstücke einer gemeinsamen europäischen Identität – etwa in
Form einer „Verteidigung
des wahren Europa“ gegenüber EU-Bürokraten und
außereuropäischen Immigranten. Mit
den
nationalen Regierungsbeteiligungen
und damit der Präsenz im EU-Ministerrat scheinen die ENF-Mitglieder
die EU nicht mehr nur als Feindbild zu sehen. Stattdessen
haben sie sie auch
als ein mögliches machtpolitisches Betätigungsfeld entdeckt,
um
eigene politische Ziele voranzubringen – etwa
was die Abschottung
gegenüber Flüchtlingen betrifft.
Diese
veränderte Einstellung könnte
auch die
Bereitschaft
der
ENF zu
Kompromissen mit anderen rechten Kräften im Europäischen Parlament
erhöhen.
Manche
Unterschiede bleiben
Doch
auch wenn sich die Unterschiede zwischen den Rechtsfraktionen in den
letzten Jahren etwas eingeebnet haben, bleibt eine Einheitsfraktion
insgesamt ein unwahrscheinliches Szenario. Denn
auch wenn es mit der
Betonung identitärer und islamfeindlicher Diskurse sowie
der
Forderung nach einer schärferen
Kontrolle der
Außengrenzen inzwischen
gemeinsame
inhaltliche Leitlinien gibt,
die das
gesamte
rechte
Spektrum umfassen,
existieren
weiterhin
auch einige
deutliche
Differenzen zwischen
EKR und ENF.
Ein
wesentlicher Unterschied betrifft dabei die geografische Ausrichtung
der beiden Fraktionen: Während die EKR vor allem (wenn auch nicht
ausschließlich) nordeuropäische Parteien umfasst, stammen die
großen
ENF-Mitglieder
eher
aus
dem Süden der EU. Das hat nicht nur Folgen für die kulturelle
Prägung der Fraktionen,
sondern
geht auch mit konkreten Interessengegensätzen einher: In der
Flüchtlingspolitik sind
sich
EKR und ENF zwar in
Bezug auf die Abschottung
vor
neu
ankommenden Einwanderern einig.
Was
die bereits
in Europa befindlichen
Asylbewerber betrifft,
sind ihre Positionen jedoch weit voneinander entfernt: Viele
ENF-Politiker, besonders der Italiener Salvini, fordern
hier eine
Umverteilung zwischen den Mitgliedstaaten – was prominente
EKR-Vertreter wie die polnische Regierung strikt
ablehnen.
Ähnliche
Gegensätze zeigen sich in Bezug auf den Umgang mit Russland: Während
viele, vor allem nordöstliche EKR-Mitglieder das Nachbarland als
Bedrohung ansehen, sucht
die ENF weiterhin den Schulterschluss mit der russischen Regierung.
Strukturelle
Interessen
am Erhalt zweier Fraktionen
Zum
anderen gibt
es aber auch institutionelle Beharrungskräfte, die
EKR und ENF wohl auch künftig auseinanderhalten werden.
Die
beiden Fraktionen haben inzwischen
jeweils ein gewisses Eigenleben entwickelt. So
tritt die EKR zur Europawahl 2019 erstmals
mit einem europäischen Spitzenkandidaten an, wofür sich
der
Nominierte Jan Zahradil zuvor parteiintern
stark
gemacht
hatte.
Die
ENF könnte darauf mit der Ernennung eines eigenen Spitzenkandidaten
antworten; Matteo
Salvini scheint jedenfalls interessiert zu sein.
Im
Ergebnis wäre die europaskeptische Rechte dann bereits im Wahlkampf
mit zwei verschiedenen Gesichtern vertreten – was die Bildung einer
Einheitsfraktion nach der Wahl kaum erleichtern dürfte.
Hinzu
kommt die
Differenzierung ihrer Mitgliedsparteien auf nationaler Ebene. Denn
die geografische Trennung zwischen einer
nordeuropäischen
EKR und einer
südeuropäischen
ENF ist
keineswegs perfekt: Vielmehr gibt es in etlichen europäischen
Ländern mehrere konkurrierende nationale Rechtsparteien, von denen
die eine in der einen, die andere in der anderen Fraktion ihre
europäische Heimat gefunden hat. Vor
allem die
jeweils
kleineren
Parteien haben
in diesen Fällen ein
strukturelles Interesse daran,
die
beiden Fraktionen als getrennte Gruppen zu erhalten, um
in der öffentlichen Wahrnehmung nicht von den größeren Parteien
vereinnahmt zu werden.
So
hat etwa die kleine italienische Rechtspartei Fratelli dʼItalia
jüngst
eine Zusammenarbeit mit der EKR angekündigt – offensichtlich
um sich von der Lega abzugrenzen, die die ENF dominiert. Umgekehrt
könnte die kleine rechtspopulistische Ruch Kukiza aus Polen nach der
Europawahl der ENF beitreten, um gegenüber
der
nationalen Öffentlichkeit die Distanz zur PiS zu wahren. Ähnliche
Konstellationen sind nach der Europawahl auch in Frankreich (RN
/ DLF),
den Niederlanden (PVV
/ FvD, CU),
Belgien (VB
/ N-VA),
Tschechien (SPD
/ ODS) und
der Slowakei (SNS
/ SaS, OĽ-NOVA) zu
erwarten.
Fünf große Einzelparteien spielen eine Schlüsselrolle
Insgesamt
erscheint deshalb derzeit ein Szenario am wahrscheinlichsten, bei dem
sich die EFDD auflöst, die übrigen Rechtsfraktionen jedoch –
vielleicht unter anderem
Namen als bisher – erhalten bleiben. Dieser
Eindruck verstärkt sich,
wenn man die strategischen Interessen von fünf
großen Einzelparteien betrachtet, die bei dieser Entscheidung eine
Schlüsselrolle spielen: der
ungarischen Fidesz, der
italienischen Lega,
der deutschen AfD, der polnischen PiS und
dem
italienischen M5S. Um wirklich
das gesamte europaskeptisch-rechte
Spektrum zu einigen, müssten
all
diese Parteien zu einer Zusammenarbeit bereit sein.
●
Viktor
Orbáns
Fidesz
scheint
wenigstens grundsätzlich mit diesem Gedanken zu spielen. Angesichts
der wachsenden Kritik vonseiten
des liberalen
Flügels
der EVP drohte
Viktor
Orbán
in
einer Rede im Juni 2018 offen mit einem Austritt aus der EVP und
der Gründung einer neuen „gesamteuropäischen
Anti-Einwanderungs-Formation“, die „zweifellos großen Erfolg bei
der Europawahl 2019 hätte“.
Dass
es wirklich dazu kommt, ist allerdings eher unwahrscheinlich
–
wenigstens
wenn die
EVP bei
ihrem bisherigen Kurs bleibt, den Demokratieabbau in Ungarn zwar
mit einem Stirnrunzeln zu verfolgen, die
ungarische Regierung aber gegenüber konkreten Maßnahmen der EU
weitgehend
in
Schutz zu nehmen.
Einige
EVP-Mitglieder, speziell die niederländische
CDA und die finnische
Kokoomus, sprechen sich zwar für einen Ausschluss der Fidesz aus
der EVP aus. Eine Mehrheit dafür ist in der Partei jedoch nicht in
Sicht und
mit
der Wahl
von
Manfred
Weber zum Spitzenkandidaten auch
nicht wahrscheinlicher
geworden.
Salvinis
Lega delle Leghe
●
Matteo
Salvini und seine
Lega
sind
an einer breiten rechten Allianz offenkundig interessiert: Bereits im
Sommer sprach
Salvini von der Gründung einer „europäischen Lega
delle Leghe,
die alle freiheitlichen und souveränen Bewegungen vereint, die ihre
eigenen Leute und ihre eigenen Grenzen verteidigen wollen“. Schon
die Bezeichnung „Lega
delle Leghe“ deutet
freilich darauf hin, dass er dabei sich selbst und seiner Partei eine
Führungsrolle zuschreibt. Faktisch läuft Salvinis Strategie
deshalb darauf hinaus, die ENF um möglichst viele neue
Mitglieder zu erweitern, ohne aber das Ruder aus der Hand zu geben.
●
Im
Fall der AfD
dürfte
Salvini damit Erfolg haben.
So
sprach
sich nicht nur der
FPÖ-Europaabgeordnete Harald Vilinsky vor
einigen Wochen dafür
aus, die AfD in die ENF aufzunehmen; auch
der
AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen äußerte
unlängst
seine Sympathie
für eine
mögliche
Europawahl-Spitzenkandidatur
von Matteo Salvini.
Bei
der Aufstellung der AfD-Europawahlliste bezeichnete Meuthen Lega, FPÖ
und Fidesz als
die „natürlichen Verbündeten“ der AfD. Auch wenn andere
Parteivertreter auch
die polnische PiS als möglichen europäischen Partner sehen,
scheint ein ENF-Beitritt der AfD derzeit mit Abstand das
wahrscheinlichste Szenario.
Kaum
Kontakte zwischen PiS und ENF
●
Ob
es wirklich so etwas wie eine rechte Einheitsfraktion geben wird,
hängt jedoch vor allem von der polnischen PiS
ab:
Sollte
diese
sich
für einen Wechsel von
der EKR zur
ENF entscheiden, so würde
die ENF eindeutig die größere Fraktion werden – was in der Folge
noch weitere EKR-Mitglieder
zum Übertritt bewegen könnte.
Anzeichen
dafür gibt es bis jetzt allerdings kaum.
Die
Kontakte zwischen PiS und ENF sind bislang eher oberflächlich; wenn
überhaupt, so scheint die PiS eher
an einem Übertritt zur EVP interessiert (was dort allerdings,
außer bei Viktor Orbán, nicht
auf allzu viel positive Resonanz stößt).
Letztlich
dürfte die attraktivste Lösung für die
polnische Regierungspartei wohl
der Erhalt der EKR-Fraktion
sein, die
sie
künftig als mit Abstand stärkste Einzelpartei dominieren
wird.
M5S
auf Eigenständigkeit bedacht
●
Die
meisten Fragen wirft schließlich das
italienische M5S
auf.
Nach
offiziellen Verlautbarungen will
die
italienische Regierungspartei nach
der Europawahl 2019 gern
eine eigene Fraktion gründen, kann allerdings noch nicht sagen,
welche anderen Parteien sich dieser anschließen sollten. Falls diese
Fraktionsgründung scheitert, hat der M5S-Europaabgeordnete Marco
Valli einen
Beitritt zur ENF in
Aussicht gestellt.
Dem
widerspricht allerdings
die
Ankündigung
von Parteichef Luigi Di Maio, demzufolge
das
M5S nicht mit den
neuen Rechtsparteien zusammenarbeiten wird.
Und
auch inhaltlich ist das M5S, das zwischen rechtem und linkem
Populismus (sowie zwischen europafreundlichen und europaskeptischen
Positionen) oszilliert, durchaus nicht auf einer klaren gemeinsamen
Linie mit der ENF. Am Ende könnte deshalb die Fraktionslosigkeit
stehen – oder auch
ein
Beitritt zur EKR, sofern diese
bereit
ist, dem M5S dieselbe Beinfreiheit zuzugestehen, die es
zuvor
in der EFDD-Fraktion besaß.
Konsolidierung, aber keine Dominanz
Sollten
sich diese Überlegungen (die
auch
dem „dynamischen
Szenario“ der Europawahl-Projektion auf diesem Blog zugrunde
liegen)
bestätigen,
so dürfte das rechts-europaskeptische Lager
noch
immer gestärkt aus der Europawahl hervorgehen: Die Konsolidierung,
die mit dem Ende der EFDD einhergeht, wird jedenfalls
der
ENF einen deutlichen Zuwachs an Abgeordneten bescheren. Auch
die EKR wird
wohl den
Verlust der britischen Tories zahlenmäßig ausgleichen können –
und (je
nach der Entscheidung des M5S) sogar noch dazugewinnen.
Doch
dass
die Europaskeptiker künftig die vorherrschende Kraft
im Europäischen Parlament werden, ist wohl eher nicht zu befürchten:
Solange
EKR und ENF sich nicht vereinigen, wird jede
von ihnen deutlich hinter EVP und Sozialdemokraten
zurückbleiben;
und
solange die EVP nicht als Ganze deutlich nach rechts rückt, werden
die Rechtsfraktionen wohl auch in
Zukunft bei
der Mehrheitsbildung im Parlament nur eine untergeordnete Rolle
spielen.
Wenn die europaskeptische Rechte künftig
größeren Einfluss auf die Politik der EU nimmt, so
wird dies deshalb eher nicht über das Europäische
Parlament geschehen – sondern über
die nationalen Regierungen im Ministerrat.
Bilder: Salvini: Lega Salvini Premier [CC BY 3.0], via Wikimedia Commons; Europawahl-Sitzprojektion: eigene Grafiken.