27 März 2024

Die Median-Europawahl-Spitzenkandidat:in 2024 ist Europaabgeordnete:r, männlich und deutsch

Von Manuel Müller
Ursula von der Leyen und Nicolas Schmit
Spitzenkandidatenduell 2024: Kommission gegen Kommission, Frau gegen Mann – und wieder einmal Deutschland gegen Luxemburg.

Die Vorwahl-Saison der Europawahl 2024 ist vorüber: Die europäischen Parteien (mit Ausnahme der EKR) haben ihre Wahlparteitage abgehalten, ihre Programme verabschiedet und ihre Spitzenkandidat:innen aufgestellt. Schon bevor in Kürze der Wahlkampf so richtig beginnt, lassen sich damit ein paar erste Beobachtungen zum Stand der europäischen Demokratie festhalten.

Vielleicht die wichtigste davon: Das vor fünf Jahren bereits totgesagte Spitzenkandidatenverfahren ist nach wie vor quicklebendig. 2024 haben so viele europäische Parteien und Fraktionen wie noch nie Kandidat:innen aufgestellt. Die konservative EVP, die sozialdemokratische SPE, Grüne und Linke sind natürlich wieder dabei, ebenso kleinere Parteien wie die Pirat:innen, die regionalistische EFA oder die christliche ECPB. Auch die liberale Renew-Fraktion, aus der immer wieder Zweifel an dem Verfahren geäußert wurden, hat letztlich ein Spitzenteam mit drei Kandidat:innen aufgestellt. Und sogar die rechtsextreme ID-Fraktion will in diesem Jahr nicht darauf verzichten, ihrem Wahlkampf ein Gesicht zu geben – obwohl sie Wert darauf legt, dass ihr Kandidat nicht für das Amt der Kommissionspräsident:in antritt, da dessen Besetzung aus ihrer Sicht nicht den europäischen Wähler:innen, sondern allein der nationalen Regierungschef:innen obliegt.

Aber wer sind nun die neuen Spitzenkandidat:innen? Wo wurden sie politisch sozialisiert, in welchen Institutionen haben sie Karriere gemacht? Und wie verteilen sie sich nach Geschlecht und nationaler Herkunft?

Karrierewege 2014: Viele Europaabgeordnete bewerben sich

Schon bei der Europawahl 2014, als die Parteien zum ersten Mal Kandidat:innen für die Kommissionspräsidentschaft aufstellten, war bei den Nominierungen ein interessantes Muster zu beobachten. Während alle Kommissionspräsidenten seit den 1970er Jahren zuvor ein wichtiges nationales Regierungsamt bekleidet hatten, bewarben sich um die Spitzenkandidatur vor allem Politiker:innen, die ihre Karriere im Europäischen Parlament gemacht hatten: etwa der sozialdemokratische Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD/SPE), die grünen Europaabgeordneten Ska Keller (Grüne/EGP) und José Bové (EELV/EGP) oder der liberale Fraktionschef Guy Verhofstadt (Open-VLD/ALDE), der allerdings zuvor auch belgischer Premierminister gewesen war.

Die große Ausnahme war der EVP-Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker (CSV/EVP), der viele Jahre luxemburgischer Premierminister gewesen war, ehe er im Herbst 2013 eine nationale Wahl verloren hatte. Ausgerechnet Juncker war allerdings der erfolgreichste unter den europäischen Bewerber:innen: 2014 setzte er sich erst bei der EVP-internen Vorwahl gegen den damaligen Binnenmarktkommissar Michel Barnier (LR/EVP) durch und gewann dann auch die Europawahl und die Kommissionspräsidentschaft.

2019: Weber scheitert auch an fehlender Regierungserfahrung

Dennoch entstammten auch bei der Europawahl 2019 wieder alle wichtigen Kandidat:innen den EU-Institutionen: Im Duell der Großen trat EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU/EVP) auf Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans (PvdA/SPE), und auch die kleineren Parteien schickten großteils Europaabgeordnete (Ska Keller und Bas Eickhout für die Grünen, Jan Zahradil für die EKR) oder Kommissionsmitglieder (Margrethe Vestager als bekanntestes Gesicht des ALDE-Spitzenteams) ins Rennen.

Nationale Regierungserfahrung hatte kaum jemand von ihnen; insbesondere Weber war niemals Mitglied irgendeines Exekutivorgans gewesen. Einige Länderchef:innen im Europäischen Rat nahmen dies nach der Wahl auch als Argument, um ihn als Kommissionspräsidenten abzulehnen und stattdessen Ursula von der Leyen (CDU/EVP) zu nominieren – eine nationale Ministerin, deren prägendste europapolitische Erfahrung bis dahin darin bestand, als Tochter eines EG-Beamten in Brüssel aufgewachsen zu sein.

2024: Kommissionsmitglieder, Abgeordnete und Außenseiter:innen

Institutionelle Herkunft der Spitzenkandidat:innen

2024 bestätigt sich das Muster nun erneut: Als Spitzenkandidat:innen der europäischen Parteien bewerben sich vor allem Mitglieder der supranationalen EU-Institutionen, also der Kommission und des Europäischen Parlaments. Blickt man noch etwas genauer hin, ist dabei eine interessante Dreiteilung zu erkennen:

  • Die beiden größten Parteien, die als Einzige realistische Chancen auf einen Wahlsieg haben, setzen beide auf Mitglieder der Europäischen Kommission: Die amtierende Präsidentin von der Leyen wird von ihrem Arbeitskommissar Nicolas Schmit (LSAP/SPE) herausgefordert. Sowohl von der Leyen als auch Schmit besitzen lange Exekutiverfahrung sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene.
  • In den kleineren Parteien stellt die Spitzenkandidatur hingegen vor allem eine Gelegenheit dar, sich für eine wichtige Rolle im Parlament zu profilieren. Entsprechend treten hier hauptsächlich Abgeordnete an – für die Grünen Terry Reintke (Grüne/EGP) und Bas Eickhout (GroenLinks/EGP) an, für die ID Anders Vistisen (DF/–), für die europäische Piratenpartei Marcel Kolaja (Piráti/PPEU). Das Spitzentrio der europäischen Liberalen besteht aus den zwei Europaabgeordneten Valérie Hayer (RE/–) und Sandro Gozi (IV/EDP) sowie der deutschen Bundestagsabgeordneten Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP/ALDE), die allerdings nach der Wahl ins Europäische Parlament wechseln wird. Regierungserfahrung hat unter ihnen nur Gozi, der früher italienischer Europa-Staatssekretär war.
  • Die übrigen Spitzenkandidat:innen wiederum haben derzeit keine relevanten Wahlämter inne: Für die Europäische Linke (Walter Baier, KPÖ/EL) und die Europäische Christliche Politische Bewegung (Valeriu Ghilețchi, –/ECPB) treten die jeweiligen Parteichefs an. Die regionalistische EFA nominierte Maylis Roßberg (SSW/EFA, Fraktionsmitarbeiterin im Schleswig-Holsteiner Landtag) und Raül Romeva (ERC/EFA, ehemaliger Europaabgeordneter und katalanischer Minister). Die zweite Spitzenkandidatin der europäischen Piratenpartei, Anja Hirschel (Piraten/PPEU), ist Stadträtin in Ulm. Gemeinsam ist ihnen allen, dass ihre Chancen, bei der Wahl einen Sitz zu gewinnen, sehr gering sind; Romeva kann aufgrund eines Gerichtsurteils wegen Aufruhrs und Veruntreuung überhaupt nicht gewählt werden. Spitzenkandidat:in zu sein ist für sie deshalb hauptsächlich eine Chance auf mediale Aufmerksamkeit.

Nationale Regierungspolitiker:innen gibt es unter den Spitzenkandidat:innen hingegen auch in diesem Jahr nicht. Insbesondere bei SPE und Liberalen winkten verschiedene prominente (Ex-)Regierungschef:innen ab – etwa Sanna Marin (SDP/SPE) aus Finnland, Pedro Sánchez (PSOE/SPE) aus Spanien und Kaja Kallas (RE/ALDE) aus Estland. Von den nationalen Hauptstädten in die Brüsseler Parteien ist offenbar noch immer ein allzu weiter Weg.

Erste weibliche Einzel-Spitzenkandidatin

Geschlechterverteilung der Spitzenkandidat:innen

Was die Ausgewogenheit der Geschlechter betrifft, zeigte sich bei den Spitzenkandidat:innen hingegen eine gewisse Entwicklung. 2014 und 2019 bewarben sich bei EVP und SPE jeweils nur Männer um die Kommissionspräsidentschaft. Und auch unter den kleineren Parteien gab es keine, die eine Frau allein nach vorne stellte: 2014 nominierten die Grünen und die Pirat:innen, 2019 die Grünen und die Linke jeweils eine gemischte Doppelspitze; die Liberalen traten 2019 mit einem Team aus fünf Frauen und zwei Männern an.

Diese männliche Dominanz wirkte sich 2019 durchaus zum Schaden der Spitzenkandidat:innen aus: Als der Europäische Rat von der Leyen als Gegenkandidatin nominierte, sahen verschiedene progressive Parteien das nicht nur als Affront gegen das Spitzenkandidatenprinzip, sondern auch als historische Chance zur Wahl der ersten weiblichen Kommissionspräsidentin.

2024 ist von der Leyen nun auch die erste weibliche Einzel-Spitzenkandidatin. Aber auch sonst hat sich die Frauenquote etwas erhöht: Mit Grünen, EFA und Piratenpartei treten diesmal gleich drei Parteien mit gemischter Doppelspitze an, zudem hat die RE-Fraktion diesmal ein Team aus zwei Frauen und einem Mann. Männliche Einzel-Spitzenkandidaten haben SPE, Linke, ECPB und ID.

Nationale Ungleichverteilung

Europakarte mit Herkunftsverteilung der Spitzenkandidat:innen

Während es beim Verhältnis der Geschlechter also langsam vorangeht, ist die Verteilung nach regionaler Herkunft weiterhin erschreckend unausgewogen. Besonders frappierend zeigt sich das bei EVP und SPE: Bereits zum dritten Mal in Folge stehen sich im Spitzenduell der beiden größten Parteien eine Kandidat:in aus Deutschland (Schulz, Weber, von der Leyen) und eine aus einem Benelux-Land (Juncker, Timmermans, Schmit) gegenüber.

Aber auch bei den kleineren Parteien zeigt sich ein ähnliches Muster. Insgesamt treten bei der Europawahl 2024 an:

  • fünf Spitzenkandidat:innen aus Deutschland (von der Leyen, Strack-Zimmermann, Reintke, Roßberg, Hirschel),
  • vier Spitzenkandidat:innen aus einem der fünf anderen EG-Gründerstaaten (Schmit, Hayer, Gozi, Eickhout),
  • drei Spitzenkandidat:innen aus einem der acht anderen „alten“, d. h. vor 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten (Romeva, Baier, Vistisen)
  • zwei Spitzenkandidat:innen aus einem der dreizehn „neuen“, seit 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten (Kolaja, Ghilețchi).

Dieses Verhältnis von 5:4:3:2 ist noch etwas unausgewogener als 2014 (2:3:3:0) und 2019 (3:5:3:4, ohne das liberale Team: 2:3:1:2). Die oft gehörte Behauptung, das europäische Spitzenkandidatenverfahren sei eine „deutsche Erfindung“, ist zwar offenkundig Unsinn – ähnliche Verfahren gibt es auf nationaler Ebene fast überall in Europa. Richtig ist aber, dass es unter den Kandidat:innen selbst ein nationales Ungleichgewicht gibt und Bewerber:innen aus Deutschland und anderen EG-Gründungsstaaten sehr viel öfter zum Zuge kommen als solche aus den ostmitteleuropäischen Ländern.

Größe ist wichtig, transnationale Vernetzung noch wichtiger

Diese Unausgewogenheit hat unterschiedliche Gründe. So gibt es bei der Europawahl in Deutschland natürlich besonders viele Sitze zu holen, sodass es den europäischen Parteien wichtig ist, dort sichtbar zu sein. Zugleich sind innerhalb der europäischen Parteien und Fraktionen die deutschen Delegationen regelmäßig besonders stark, was deutschen Bewerber:innen einen zusätzlichen Vorteil verschafft.

Der auffällige Erfolg von Benelux-Kandidat:innen zeigt allerdings, dass es nicht auf die Größe allein ankommt. Ein weiterer wichtiger Faktor dürfte sein, dass die Idee einer europäischen (Parteien-)Demokratie in den westeuropäischen Ländern eine längere Tradition hat. Zudem reagierte die Öffentlichkeit hier von Anfang an mit etwas höherem Interesse auf die Spitzenkandidat:innen: So fanden im deutschen Fernsehen zusätzlich zu den europaweiten Spitzenkandidatendebatten 2014 und 2019 noch eigene, deutschsprachige Duelle zwischen Juncker und Schulz bzw. Weber und Timmermans statt.

Infolgedessen scheint es in den alten Mitgliedstaaten auch unter Politiker:innen ein stärkeres Bewusstsein zu geben, wie man durch transnationale Parteipolitik die eigene Karriere fördern kann. Wie oben bereits angesprochen, hatten sowohl die europäischen Sozialdemokrat:innen als auch die Liberalen in den letzten Monaten einige Nöte, geeignete Kandidat:innen zu finden – bis am Ende wieder ein Luxemburger (Schmit) und eine Deutsche (Strack-Zimmermann) zugriffen. Beide waren vorher durchaus nicht als europapolitische Schwergewichte bekannt gewesen. Doch während andere potenzielle Bewerber:innen abwinkten, ergriffen sie die Chance, die sich ihnen mit der Spitzenkandidatur bot.

Es droht eine geografische Spaltung der EU

Dass diese geografische Unausgewogenheit auf die Dauer zu Problemen führt, liegt auf der Hand. Schon bei den letzten Europawahlen hat sich gezeigt, dass die EU-Spitzenkandidat:innen in ihrem jeweils eigenen Land den größten Einfluss auf die öffentliche Debatte (und das Wahlergebnis) hatten.

Im schlimmsten Fall droht sich die EU beim Umgang mit den europäischen Parteien und Spitzenkandidat:innen in zwei Sphären auseinanderzuentwickeln: mit einer Aufwärtsspirale aus größerem Engagement einzelner Politiker:innen, wachsender medialer Aufmerksamkeit und öffentlicher Legitimität der europäischen Parteien in Deutschland und den anderen „alten“ Mitgliedstaaten – und einer Abwärtsspirale aus ausbleibendem Interesse, fehlender Identifikation, einem Gefühl der Benachteiligung und einer Konzentration auf intergouvernementale Verfahren und vom Europäischen Rat zu vergebende Posten in den „neuen“ Ländern.

Für die Zukunft ist es deshalb dringend nötig, dass sich die europäischen Parteien stärker transnationalisieren und insbesondere ihre ostmitteleuropäischen Mitgliedsparteien besser einbinden – nicht zuletzt mit dem Ziel, dass sich Politiker:innen aus den „neuen“ Mitgliedstaaten auch selbst stärker einbringen und europäische Parteipolitik als Chance zur individuellen Profilierung erkennen.

Auf in den Wahlkampf!

Erst einmal aber gilt es für die nun nominierten Spitzenkandidat:innen, sich im Wahlkampf zu präsentieren, ihre unterschiedlichen Positionen darzulegen und der Öffentlichkeit zu zeigen, was bei dieser der Wahlentscheidung auf dem Spiel steht. Die Ausgangsbedingungen dafür sind besser als in der Vergangenheit: Umfragen in mehreren Ländern (siehe etwa hier, hier und hier) weisen auf ein erhöhtes öffentliches Interesse an der Europawahl hin.

Ein voller Erfolg für die europäische Demokratie wird der Wahlkampf jedoch nur, wenn es gelingt, dieses Interesse auch in Aufmerksamkeit für die europäischen Schlüsselthemen und Spitzenpolitiker:innen zu überführen. Am 29. April findet in Maastricht die erste Spitzenkandidatendebatte an, die europaweit auch im Webstream zu sehen sein wird.


Update, 8. April 2024: Nach Veröffentlichung dieses Artikels nominierte auch Volt Europa noch ein Spitzenkandidatenduo zur Europawahl: Damian Boeselager aus Deutschland und Sophie in ’t Veld aus den Niederlanden, beide derzeit Mitglieder des Europäischen Parlaments.


Bilder: Schmit und von der Leyen: EC Audiovisual Service 2022, photographer: Dati Bendo [Commission reuse policy], via European Commission; Grafiken: Manuel Müller, basierend auf: Mann/Frau-Icon: VectorPortal, Europakarte: d-maps.com [Lizenz].
Korrekturhinweis, 24.4.: In einer früheren Fassung dieses Beitrags hieß es, der ECPB-Spitzenkandidat Valeriu Ghilețchi habe nur die moldauische Staatsbürgerschaft. Tatsächlich ist Ghilețchi sowohl moldauischer als auch rumänischer Staatsbürger und hat damit auch die Unionsbürgerschaft. Der Fehler wurde im gesamten Beitrag korrigiert.

The median EU lead candidate in 2024 is an MEP, male, and from Germany

By Manuel Müller
Ursula von der Leyen and Nicolas Schmit
Duel of the lead candidates 2024: Commission versus Commission, woman versus man – and, once again, Germany versus Luxembourg.

The primary season for the 2024 European elections is over: All European parties (except the ECR) have held their party conferences, adopted their programmes and nominated their lead candidates. This allows us to make some preliminary observations on the state of European democracy before the real election campaign begins.

Perhaps the most important of these is that the lead candidate system, which had already been declared dead five years ago, is still alive and kicking. For 2024, more European parties and groups have put forward candidates than ever before. The conservative EPP, the social-democratic PES, the Greens and the Left are back, of course, as are smaller parties such as the Pirates, the regionalist EFA and the Christian ECPM. Even the liberal Renew group, which had repeatedly expressed doubts about the process, ended up with a lead team of three candidates. And even the far-right ID group wants to have a face in this year’s election campaign – although it stresses that its candidate is not running for the post of Commission president, whose nomination it believes is a prerogative of the national leaders, not the European voters.

But who are the new lead candidates? Where were they politically socialised, in which institutions did they make their careers? And how are they distributed in terms of gender and national origin?

2014: mostly MEPs running

Already in the 2014 European elections, when the parties put forward candidates for the Commission presidency for the first time, an interesting pattern could be observed in the nominations. Unlike all Commission presidents since the 1970s, who had previously held a major national government post, the lead candidates were mainly politicians who had made their careers in the European Parliament: for example, the president of the European Parliament Martin Schulz (SPD/PES), Green MEPs Ska Keller (Greens/EGP) and José Bové (EELV/EGP), or the leader of the liberal group Guy Verhofstadt (Open-VLD/ALDE), although the latter had previously also been Belgian prime minister.

The big exception was the EPP lead candidate, Jean-Claude Juncker (CSV/EPP), who had been prime minister of Luxembourg for many years before losing a national election in autumn 2013. However, Juncker, of all people, was also the most successful European candidate: in 2014, he first won the EPP’s internal primary against then single market commissioner Michel Barnier (LR/EPP), and went on to win also the European elections and the Commission presidency.

2019: Weber fails, also due to lack of government experience

Nevertheless, in the 2019 European elections, all the main lead candidates came again from the EU institutions. In the duel between the major parties, EPP group leader Manfred Weber (CSU/EPP) stood against Commission vice-president Frans Timmermans (PvdA/PES). Most smaller parties also sent MEPs (Ska Keller and Bas Eickhout for the Greens, Jan Zahradil for the ECR) or commissioners (Margrethe Vestager as the best-known face of the ALDE top team) into the race.

Hardly any of them had any experience of national government; Weber, in particular, had never been a member of any executive body. After the election, some of the national leaders in the European Council used this as an argument for rejecting him as Commission president. Instead, they nominated Ursula von der Leyen (CDU/EPP) – a national minister whose main experience in European politics until that time had been growing up in Brussels as the daughter of an EC official.

2024: Commissioners, MEPs and outsiders

Institutionelle Herkunft der Spitzenkandidat:innen

In 2024, the pattern is confirmed once again: the lead candidates of the European parties are mainly members of the supranational EU institutions, i.e. the Commission and the European Parliament. A closer look reveals an interesting three-way split:

  • The two largest parties, the only ones with a realistic chance of winning the election, are both backing members of the European Commission: incumbent Commission president von der Leyen is being challenged by her employment commissioner, Nicolas Schmit (LSAP/PES). Both von der Leyen and Schmit have many years of executive experience at national and European level, so the European Council cannot use this issue as an excuse to reject them.
  • In the smaller parties, being a lead candidate means mainly an opportunity to make a name for oneself in order to obtain an important role in the Parliament. Accordingly, the lead candidates are mainly MEPs – Terry Reintke (Greens/EGP) and Bas Eickhout (GroenLinks/EGP) for the Greens, Anders Vistisen (DF/–) for the ID and Marcel Kolaja (Piráti/PPEU) for the Pirates. The European Liberals’ top trio consists of two MEPs, Valérie Hayer (RE/–) and Sandro Gozi (IV/EDP), as well as the German national MP Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP/ALDE), who, however, will switch to the European Parliament after the elections. Of these, only Gozi, who was previously Italy’s secretary of state for European affairs, has government experience.
  • Finally, the other lead candidates don’t currently hold any relevant electoral positions. The European Left (Walter Baier, KPÖ/EL) and the European Christian Political Movement (Valeriu Ghilețchi, –/ECPB) have both nominated their respective party chairs. The regionalist EFA has nominated Maylis Roßberg (SSW/EFA, an assistent of the party’s group in the Schleswig-Holstein state parliament) and Raül Romeva (ERC/EFA, a former MEP and Catalan minister). The European Pirates’ second lead candidate, Anja Hirschel (Piraten/PPEU), is a city councillor in Ulm. What all these candidates all have in common is that their chances of winning a seat in the election are very slim; Romeva cannot be elected at all due to a court sentence for sedition and embezzlement. For them, being the lead candidate is therefore mainly a chance to gain media attention.

Meanwhile, there are once again no members of any national government among the lead candidates. Especially among the Social Democrats and the Liberals, several prominent (ex-)leaders – such as Sanna Marin (SDP/PES) from Finland, Pedro Sánchez (PSOE/PES) from Spain and Kaja Kallas (RE/ALDE) from Estonia – have declined to stand. It seems that there is still a long way to go from the national capitals to the Brussels parties.

First female single lead candidate

Geschlechterverteilung der Spitzenkandidat:innen

In terms of gender balance, there has been some evolution in the lead candidates. In the 2014 and 2019 EPP and PES primaries, only men stood for the Commission presidency. And even among the smaller parties, none put forward a woman without a male partner: The Greens (in 2014 and 2019), the Pirates (in 2014) and the Left (in 2019) each nominated a mixed double as lead candidates; and the Liberals ran with a team of five women and two men in 2019.

In 2019, this male dominance worked to the detriment of the lead candidate system. When the European Council nominated von der Leyen as a counter-candidate, several progressive parties saw this not only as a threat to the lead candidates, but also as a historic opportunity to elect the first female Commission president.

In 2024, von der Leyen is now also the first female individual lead candidate. But the gender ratio has become somewhat more balanced alsso among the other parties: With the Greens, the EFA and the Pirates, three parties are running with a mixed double this time, and the RE group has a team of two women and one man. The PES, Left, ECPM and ID have male single candidates.

National imbalances

Europakarte mit Herkunftsverteilung der Spitzenkandidat:innen

But while the gender balance is slowly improving, the lead candidates’ distribution by national origin remains alarmingly uneven. This is particularly striking in the case of the EPP and PES: In the top duel between the two largest parties, a candidate from Germany (Schulz, Weber, von der Leyen) and a candidate from a Benelux country (Juncker, Timmermans, Schmit) will be facing each other for the third time in a row.

However, a similar pattern can also be seen among the smaller parties. Overall, the 2024 European elections will be contested by:

  • five lead candidates from Germany (von der Leyen, Strack-Zimmermann, Reintke, Roßberg, Hirschel),
  • four lead candidates from one of the five other EC founding countries (Schmit, Hayer, Gozi, Eickhout),
  • three lead candidates from one of the eight other “old” member states, i.e. those who joined before 2004 (Romeva, Baier, Vistisen)
  • two lead candidates from one of the thirteen “new” member states that joined since 2004 (Kolaja, Ghilețchi).

This ratio of 5:4:3:2 is even more unbalanced than in 2014 (2:3:3:0) and 2019 (3:5:3:4, without the liberal team: 2:3:1:2). The often-heard claim that the European lead candidates system is a “German invention” is obviously nonsense – similar procedures exist at national level almost everywhere in Europe. However, it is true that there is a national imbalance among the candidates themselves and that candidates from Germany and other EC founding states are much more likely to be selected than those from the Central and Eastern European countries.

Size matters, transnational networking matters even more

This imbalance has various reasons. There are, of course, a particularly large number of seats up for grabs in the European elections in Germany, so it is important for European parties to be visible there. At the same time, the German delegations within the European parties and political groups are usually very strong, which gives German candidates an advantage in intra-party primaries.

However, the notable success of Benelux candidates shows that it is not size alone that matters. Another important factor could be that the idea of a European (party) democracy has a longer tradition in Western Europe. In addition, the public in these countries reacted with somewhat greater interest in the lead candidates from the outset: For example, in addition to the Europe-wide lead candidate debates, the German television also broadcasted separate German-language duels between Juncker and Schulz in 2014 and Weber and Timmermans in 2019.

As a result, there seems to be a greater awareness among politicians in the “old” member states that engaging in transnational party politics can help to promote their own careers. As mentioned above, both the European Socialists and the Liberals have had some difficulty finding suitable candidates in recent months – until a Luxembourger (Schmit) and a German (Strack-Zimmermann) stepped up again in the end. Neither of them had previously been known as European political heavyweights, but while other potential candidates waved them off, they seized the opportunity presented to them with the lead candidacy.

The risk of a geographical split in the EU

It is obvious that this geographical imbalance will lead to problems in the long term. The last European elections already showed that it was in their own country where the EU lead candidates had the greatest influence on the public debate (and the election result). In the worst case, there is a danger that the EU will split into two spheres in the way it deals with European parties and their lead candidates: on the one hand, an upward spiral of greater commitment on the part of individual politicians, growing media attention and increased public acceptance and legitimacy of the European parties in Germany and the “old” member states – on the other hand, a downward spiral of lack of interest, lack of identification, feelings of discrimination and a focus on intergovernmental procedures and posts to be allocated by the European Council in the “new” countries.

To avoid this split, European parties urgently need to become more transnational in the future and, in particular, to better integrate their Central and Eastern European member parties – not least with the aim of making politicians from the “new” member states realise that involvement in European party politics can be an opportunity to sharpen their individual profiles and pursue a supranational career.

Off to the election campaign!

First of all, however, it is now time that the lead candidates who have been nominated this year present themselves on the campaign trail, explain their political differences and show the public what is at stake in this election. The starting conditions for this are better than in the past: surveys in several countries (see here, here and here) indicate an increased public interest in the European elections.

But the campaign will only be a full success for European democracy if this interest can also be translated into more attention for the future European leaders and key issues. On 29 April, the first debate between the lead candidates will take place; it can be watched across Europe via webstream.


Update, 8 April 2024: After the publication of this article, Volt Europa has also nominated a lead candidate duo for the 2024 election: Damian Boeselager from Germany and Sophie in ’t Veld from the Netherlands, both currently members of the European Parliament.


Pictures: Schmit and von der Leyen: EC Audiovisual Service 2022, photographer: Dati Bendo [Commission reuse policy], via European Commission; graphs: Manuel Müller, based on: gender icons: VectorPortal, Europe map: d-maps.com [license].
Correction note, 24 April: An earlier version of this article stated that ECPB lead candidate Valeriu Ghilețchi has Moldovan citizenship only. In fact, Ghilețchi has both Moldovan and Romanian citizenship, and is therefore an EU citizen. The error has been corrected throughout the article.

25 März 2024

EU to go: Gegenwind oder grünes Licht? Was Wähler:innen klimapolitisch wollen

In der Podcastserie „EU to go – Der Podcast für Europapolitik“ präsentiert das Jacques Delors Centre kompakte Hintergründe zur Europapolitik. Einmal im Monat analysieren Moderatorin Thu Nguyen und ihre Gäste in 20 bis 30 Minuten ein aktuelles Thema.

„EU to go – Der Podcast für Europapolitik“ erscheint hier im Rahmen einer Kooperation mit dem Jacques Delors Centre. Er ist auch auf der Homepage des Jacques Delors Centre selbst sowie auf allen bekannten Podcast-Kanälen zu finden.

Steht die Europäische Union vor einem grünen Backlash? In Anbetracht der Proteste von Landwirt:innen in einer Reihe von Mitgliedstaaten und einem prognostizierten Rechtsruck bei der Europawahl wird häufig der Eindruck vermittelt, dass die Klimapolitik der EU und ihrer Mitgliedsländer mittlerweile auf breiten Gegenwind aus der Bevölkerung stößt. Doch wie standfest ist diese Erzählung? Unsere aktuelle Umfrage zeigt, dass die Realität komplizierter ist als die Schlagzeilen: 15.000 Befragte in Frankreich, Deutschland und Polen fordern demnach mehrheitlich eine weiterhin ambitionierte Klimapolitik. Die Befragung vom Jacques Delors Centre in Zusammenarbeit mit Tarik Abou-Chadi von der Universität Oxford und Markus Kollberg von der Humboldt-Universität zu Berlin wurde Anfang März veröffentlicht, die Daten sind über ein interaktives Dashboard einsehbar.

Policy Fellow Jannik Jansen und Nils Redeker, stellvertretender Direktor des Jacques Delors Centre, beleuchten gemeinsam mit Thu Nguyen die aktuelle klimapolitische Debatte, stellen die Ergebnisse ihrer Umfrage vor und fragen sich: Welche Faktoren bedingen die jeweilige Einstellung zur Klimapolitik? Welche Maßnahmen sind unter welchen Wählergruppen populär, welche unbeliebt? Und was lässt sich aus den Daten in Hinblick auf den Europawahlkampf schlussfolgern?

21 März 2024

FIIA Forum 2024: The European Union in a year of change

By Manuel Müller
FIIA Forum 2024

Yesterday, 20th March, the FIIA Forum – the annual flagship event of the Finnish Institute of International Affairs – took place. This year it was dedicated to “the European Union in a year of change”.

The four sessions included:

If you weren’t able to join us in person, don’t worry: the event was webstreamed and a recorded version can be found on the FIIA YouTube channel. Have a look, it’s worth the watch!

The recording of the full event is available here. To go directly to a specific session, please use the links below:

  • Opening remarks by Mikael Mattlin and Juha Jokela (10:36)
  • Keynote session: Speech by Elina Valtonen (19:59)
  • Keynote session: Elina Valtonen in dialogue with Juha Jokela (31:56)
  • Panel I: The European Union in a changing world (50:25)
  • Panel I: Keynote remarks by Elizabeth Sidiropoulos (56:50)
  • Panel I: Discussion (1:20:24)
  • Coffee break – not much to see here, really (2:15:14)
  • Panel II: The European Parliament elections and their impact (2:43:56)
  • Panel II: Introductory statements (2:46:50)
  • Panel II: Discussion (3:08:46)
  • High-level session: EU enlargement and reform (3:50:28)
  • High-level session: Speech by Anders Adlercreutz (3:52:18)
  • High-level session: Discussion (4:00:23)
  • Concluding remarks by Juha Jokela (4:35:00)

Picture: FIIA.

14 März 2024

Wie man ein gemeinsames Europawahlrecht ohne Einstimmigkeit im Rat einführt

Von Clemens Hoffmann
Plenum des Europäischen Parlaments
Viele Versuche, das EU-Wahlrecht zu verbessern, sind an nationalen Vetos gescheitert. Doch das „Tandemsystem“ könnte auch ohne Einstimmigkeit eingeführt werden.

Eine Reform des Europawahlrechts ist lange überfällig, um endlich die nationale Fragmentierung und fehlende Gleichwertigkeit aller Stimmen zu überwinden. Ein Reformansatz, der diese Probleme angeht, ist das „Tandemsystem“, das von Friedrich Pukelsheim und Jo Leinen entwickelt wurde. Nach diesem System treten die europäischen Parteien über ihre nationalen Mitgliedsparteien bei den Europawahlen gegeneinander an und ein Ausgleichsmechanismus sorgt dafür, dass trotz bestehend bleibender nationaler Sitzkontingente der Sitzanteil jeder europäischen Partei ihrem europaweiten Stimmenanteil entspricht.

In der Form, wie Pukelsheim und Leinen das Tandemsystem vorgeschlagen haben, wäre aber vermutlich von einigen Mitgliedstaaten großer Widerstand zu erwarten. Das macht es schwierig, das System durch eine Reform des EU-Direktwahlakts einzuführen, bei der nach Art. 223 AEUV jeder Mitgliedstaat ein Vetorecht hat. Schon eine weit weniger weitgehende Wahlreform, die 2022 vom Europäischen Parlament vorgeschlagen wurde, scheiterte an der fehlenden Einstimmigkeit im Rat. Allerdings ließe sich das Tandemsystem so modifizieren, dass nationale Vetos umgangen werden können. Wie das geht, möchte ich im Folgenden darstellen.

Verstärkte Zusammenarbeit bei der Wahlrechtsreform?

Da nie ein einheitliches Europawahlrecht eingeführt wurde, ist es Aufgabe der Mitgliedstaaten, sich je ein eigenes Europawahlrecht zu geben. Ihre nationalen Gestaltungsspielräume begrenzen de facto die Einstimmigkeitserfordernis für Reformen auf EU-Ebene auf zwei Punkte:

  1. Veränderungen bei den Sitzkontingenten der Mitgliedstaaten im Europäischen Parlament, inklusive der Schaffung neuer Sitze für transnationale Listen (geregelt in einem Beschluss des Europäischen Rates) und
  2. gemeinsame Wahlgrundsätze, die die nationalen Europawahlrechte erfüllen müssen, zum Beispiel die Nutzung eines Verhältniswahlsystems (geregelt im EU-Direktwahlakt).

Dies beachtend könnte eine Staatengruppe auch allein voranschreiten, um Reformen beim EU-Wahlrecht umzusetzen. Zum einen könnte sie ihre nationalen Europawahlrechte mittels eines zwischenstaatlichen Vertrags stärker koordinieren und verzahnen. Mit einer qualifizierten Mehrheit im Rat könnte sie zum anderen auch den Mechanismus der verstärkten Zusammenarbeit nutzen.

Wie kann eine solcher Reformansatz aussehen?

Vor der Ausgestaltung eines gemeinsamen Wahlrechts muss bestimmt werden, welche Ziele mit der Reform erreicht werden sollen. Die momentane nationale Zersplitterung der Europawahlen führt zu zwei Problemen:

  • Zum einen beteiligen sich die Wähler:innen an der Wahl primär auf Basis ihrer nationalen Staatsbürgerschaft und nicht ihrer EU-Bürgerschaft. Der Einfluss ihrer Stimmen endet an der Grenze des eigenen Mitgliedslandes. Dies mindert das integrative Potential der Europawahlen.
  • Zum anderen gibt es derzeit keine Wahlgleichheit auf europäischer Ebene. Eine Stimme in einem kleinen Mitgliedstaat zählt deutlich mehr als eine Stimme in einem großen Mitgliedsland. Dies ist auf die „degressiv proportionale“ Sitzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten zurückzuführen, die im EU-Vertrag vorgeschrieben ist.

Das „Tandemsystem“ für die europäische Sitzverteilung

Das „Tandemsystem“ von Friedrich Pukelsheim und Jo Leinen löst diese Probleme. Es stellt das gesamteuropäische Wahlergebnis in den Vordergrund, ohne die bisherigen Sitzkontingente der Mitgliedstaaten anfassen zu müssen. Dafür bilden jeweils die nationalen Mitgliedsparteien einer europäischen Partei eine Listenverbindung. Diese Listenverbindungen treten dann bei der Europawahl gegeneinander an. Jede EU-Bürger:in kreuzt auf dem Wahlzettel die nationale Parteiliste und damit auch die europäische Partei an, die sie präferiert. Mit allen europaweit abgegebenen Stimmen wird die Sitzverteilung auf die europäischen Parteien bestimmt. Erhält eine Partei europaweit 20% der Stimmen, so soll sie auch 20% der Sitze im Europäischen Parlament bekommen.

Nachdem die europäische Sitzverteilung bestimmt wurde, ermittelt der Ausgleichmechanismus in drei Schritten die nationalen Sitzverteilungen:

  1. In einem ersten, vorläufigen Schritt werden die Sitze den nationalen Parteien auf Basis der nationalen Wahlergebnisse zugeteilt, so wie im heutigen System.
  2. Erhält dabei eine europäische Listenverbindung aufgrund von Verzerrungen im Wahlrecht (z.B. aufgrund der degressiven Proportionalität) x Prozent Sitze mehr, als ihr bei direkt-proportionaler Verteilung zustehen, so werden ihr in jedem Mitgliedsland x Prozent der Sitze entzogen. Analog erhält sie x Prozent mehr Sitze je Land, sollten ihr diese europaweit fehlen.
  3. Wenn jetzt in einem Land y Prozent weniger Sitze verteilt worden sind, als dessen Sitzkontingent umfasst, so werden jeder Partei in dem Land y Prozent mehr Sitze gegeben. Analog gilt wieder der umgekehrte Fall.

Schritte 2 und 3 werden wiederholt, bis sowohl die europäische Sitzverteilung als auch die Sitzkontingente der Mitgliedstaaten richtig abgebildet werden.

Damit werden faktisch die Sitzkontingente zu einer Quote, die das Parlament als Ganzes zu erfüllen hat. Die europäischen Parteien sind dagegen weiterhin verstärkt über die Mitgliedsparteien vertreten, die in ihrem jeweiligen Land besonders gut abgeschnitten haben. Nationale Wahlergebnisse werden nur noch annähernd wiedergegeben, da die korrekte Abbildung des europäischen Wählerwillens Priorität hat.

Ein „partielles Tandemsystem“ mit Opt-out-Möglichkeit

Pukelsheim und Leinen gehen in ihren Publikationen zum Tandemsystem stets davon aus, dass alle Mitgliedstaaten sich daran beteiligen. Das wäre allerdings nicht zwingend notwendig. Tatsächlich könnte der Ausgleichsmechanismus so modifiziert werden, dass einigen Mitgliedstaaten ein Opt-out gewährt wird. Das Ergebnis wäre dann ein „partielles Tandemsystem“, in dem eine Gruppe von Mitgliedstaaten allein gewährleistet, dass die Sitzverteilung der europäischen Parteien im Europäischen Parlament auch deren europaweiter Stimmverteilung entspricht.

In diesen Opt-out-Staaten würde die Europawahl dann wie bisher stattfinden, und ihre nationale Sitzverteilung würde sich allein nach dem jeweiligen nationalen Wahlergebnis richten.  Dennoch beteiligen sich auch die EU-Bürger:innen aus den Opt-out-Staaten indirekt am partiellen Tandemsystem, denn die dortigen nationalen Parteien wären Teil der Listenverbindungen ihrer europäischen Parteifamilien. Die für sie abgegebenen Stimmen zählen für das Gesamtergebnis und die an sie verteilten Sitze sind beim Ausgleich zu berücksichtigen. Würde der Ausgleichsmechanismus die Opt-out-Staaten ignorieren, wäre die Gleichwertigkeit aller Stimmen europaweit nicht gegeben.

Voraussetzungen

Das (partielle) Tandemsystem kann nur funktionieren, wenn die europäischen Parteien mitspielen, denn der Ausgleichsmechanismus ist auf die klare Zuordnung nationaler Parteien zu Listenverbindungen angewiesen. So ist es grundsätzlich möglich, dass eine nationale Partei mehr Sitze bekommen könnte, wenn sie nicht Teil der Listenverbindung wird. Auch kann eine europäische Partei einen unfairen Vorteil erlangen, wenn ihre Listenverbindung nur die Mitgliedsparteien aus den reformwilligen Staaten umfasst. Gegen diese Probleme können jedoch Regelungen erlassen werden:

  • Alle Mitgliedsparteien einer registrierten europäischen Partei gehören zwingend zu einer Listenverbindung. Es sollte aber auch die Möglichkeit geben, dass europäische Parteien Nichtmitglieder in ihre Listenverbindung einladen, dass zwei oder mehrere europäische Parteien mit einer gemeinsamen Listenverbindung antreten oder dass eine Parteienfamilie, die nicht als europäische Partei registriert ist, eine Listenverbindung bildet.
  • Die Bildung der Listenverbindungen bringt nationale Parteien mit ähnlichen Werten und Zielen zusammen und nimmt damit vorweg, was bisher erst bei der Bildung der Fraktionen passiert. Als zusätzlicher Anreiz sollte daher auch der Zugang zum Fraktionsstatus an das gemeinsame Antreten als Listenverbindung geknüpft werden. Auch die Wahlkampferstattung und Parteienfinanzierung sollten sich am europäischen Ergebnis orientieren.
  • Alle nationalen Parteien ohne europäische Parteizugehörigkeit bilden eine gemeinsame technische Listenverbindung. Dies soll ein Anreiz sein, damit auch diese nationalen Einzelparteien sich einer europäischen Parteienfamilie anschließen oder eine neue europäische Partei gründen, welche dann eine eigene Listenverbindung registrieren kann.
  • Eine Listenverbindung darf nicht zum überwiegenden Anteil (z.B. 70%) Stimmen aus nur einem einzigen Mitgliedsland erhalten haben, andernfalls wird sie der technischen Listenverbindung zugerechnet.

Der Ausgleichsmechanismus beseitigt die im bisherigen Wahlrecht entstehenden Über- und Unterhänge. Sollte aber eine Listenverbindung (fast) ausschließlich in Opt-out-Staaten antreten, so kann der Ausgleich unter Umständen nur unvollständig erfolgen. Es sollten daher so wenig Staaten wie möglich ein Opt-out erhalten.

Was, wenn 2019 das partielle Tandemsystem gegolten hätte?

Im folgenden Beispiel soll gezeigt werden, welche Sitzverteilung sich bei der Europawahl 2019 mit dem partiellen Tandemsystem ergeben hätte. Dabei wird angenommen, dass sich nur die sechs EG-Gründungsländer sowie Polen, Spanien und Portugal an dem partiellen Tandemsystem beteiligen würden. Außerdem sind für die Berechnung noch einige zusätzliche Annahmen nötig, die unter der Tabelle aufgelistet sind.

Das partielle Tandemsystem unterscheidet nicht zwischen Mandaten, die über das nationale Ergebnis gewonnen wurden, und solchen, die nur Ausgleichsmandate sind. Dennoch lässt sich nachträglich eine ungefähre Differenzierung bestimmen, indem man betrachtet, um wie viele Sitze das nationale Sitzkontingent der am System beteiligten Länder verringert werden muss, bis eine rein national bestimmte Sitzverteilung sich als Teil der Tandemsitzverteilung ergibt. Der andere Teil der Sitze der betreffenden Länder sind entsprechend Ausgleichsmandate. Dabei werden in der Tabelle nur die Parteien außerhalb der technischen Listenverbindung berücksichtigt. Eine solche differenzierte Betrachtung vereinfacht auch den Vergleich mit einem System, in dem der Verhältnisausgleich mittels transnationaler Listen umgesetzt wird.



EVP SPE RE ID EGP EKR Linke EFA APEU techn.
Liste
AT nationale Sitze 7 5 1 3 3




BE* nationale Sitze 2 3 3 2 3
1 3

Ausgleich


1 1
1 1

BG nationale Sitze 7 4 3 1
1


1
HR nationale Sitze 4 3 1





4
CY nationale Sitze 2 1



2

1
CZ nationale Sitze 5
6 2
4 1

3
DK nationale Sitze 1 3 6 1 2
1


EE nationale Sitze 1 2 3 1





FI nationale Sitze 4 2 3 2 2
1


FR* nationale Sitze 6 4 19 18 10
7


Ausgleich
1
7 4
7
2
DE* nationale Sitze 24 13 6 9 17
5
1
Ausgleich
4 1 6 8
1
1
EL nationale Sitze 9 2


1 7

2
HU nationale Sitze 13 5 2





1
IE nationale Sitze 5
2
2



4
IT* nationale Sitze 6 15
22
4


7
Ausgleich
3 2 12 2
2
1
LV nationale Sitze 2 2


2


2
LT nationale Sitze 2 2 2





5
LU* nationale Sitze 1 1 1
1




Ausgleich



1 1



MT nationale Sitze 2 4







NL* nationale Sitze 4 6 7 1 3


1 3
Ausgleich
1
1 2




PL* nationale Sitze 18 4


26


2
Ausgleich 1 1







PT* nationale Sitze 6 8 1


4
1
Ausgleich





1


RO nationale Sitze 14 10 9






SK nationale Sitze 4 3 3

2


2
SI nationale Sitze 4 2 2






ES* nationale Sitze 10 17 8

3 5 3

Ausgleich
5 1


2 4 1
SE national seats 6 5 3
3 3 1


gesamt nationale Sitze 169 126 91 62 46 46 29 6 3 37
Ausgleich 1 15 4 27 18 1 14 5 5
gesamt 170 141 95 89 64 47 43 11 8 37
alt gesamt 184 131 95 73 47 51 33 12 3 73


EVP SPE RE ID EGP EKR Linke EFA APEU techn.
Liste
Länder, die in der Beispielrechnung am partiellen Tandemsystem teilnehmen, sind mit einem Asterisk (*) markiert. Die Zeile „alt gesamt“ stellt die tatsächliche Sitzverteilung von 2019 dar (bezogen auf die Parteien in den hypothetischen Listenverbindungen) und verdeutlicht damit, wie sich das Kräfteverhältnis durch das Tandemsystem verschoben hätte. Datengrundlage sind die Wikipedia-Seiten zur Europawahl 2019. Annahmen für die Berechnung: 1. Die europaweite Sitzverteilung wird nach der d’Hondt-Methode bestimmt, da die meisten Mitgliedsländer diese Methode momentan nutzen. 2. Grundsätzlich tritt jede europäische Parteienfamilie mit einer eigenen Listenverbindung an. Ausnahmen: ALDE, EDP sowie die französische Partei LREM bilden eine gemeinsame Listenverbindung (Renew Europe, RE); EL und die Parteienallianz „Now the People“ bilden eine gemeinsame Listenverbindung (Linke). 3. Für Listenverbindungen gilt eine europäische Sperrklausel von 1% (2019 rund 1,8 Mio. Stimmen europaweit). Da der europäische Direktwahlakt eine maximale nationale Sperrhürde von 5% vorgibt, werden bei der Sitzvergabe aber auch nationale Parteien berücksichtigt, die in ihrem Land mehr als 5% der Stimmen bekommen haben, auch wenn ihre Listenverbindung an der Sperrhürde gescheitert ist. – Es gibt einen Online-Rechner, um andere Annahmen auszuprobieren. Der Zugang dazu ist auf Anfrage beim Autor erhältlich.

In der realen Sitzverteilung von 2019 waren SPE, EGP, Linke und ID im Vergleich zu ihrer europaweiten Stimmenzahl unterrepräsentiert. Diese vier Parteien hätten also mit einem Tandemsystem zusätzliche Sitze gewonnen. Wie sich diese Ausgleichsmandate auf die Mitgliedsländer verteilen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zu einem Ausgleich zwischen zwei europäischen Parteien kann es nur in Ländern kommen, in denen beide Parteien vertreten sind. Die ID-Partei konzentriert sich stark auf Deutschland, Frankreich und Italien, weshalb der Ausgleich dort passiert und nicht in Polen, wo sie nicht vertreten ist. SPE, EGP und Linke haben in mehr Staaten Mitgliedsparteien, sodass der Ausgleich sich breiter verteilen kann.

In Ländern, in denen viele europäische Parteien aktiv sind, werden tendenziell mehr Sitze umverteilt, da es hier mehr umkämpfte Sitze gibt. In Luxemburg fehlten beispielsweise den Grünen nur 2,2 Prozentpunkte für den zweiten Sitz; der Ausgleichmechanismus des Tandemsystems spricht ihnen diesen zu, weil so nur eine minimale Verzerrung der Sitzverteilung entsteht. In Italien wird auch das im Parlament vertretene Parteienspektrum größer, weil mit dem Tandemsystem weniger Parteien an der nationalen Sperrhürde scheitern; somit werden auch mehr italienische Wähler:innen im Parlament vertreten.

Im Vergleich mit der tatsächlichen Sitzverteilung 2019 hätte die EVP als einzige große Partei mit dem Tandemsystem weniger Sitze erhalten. Das lag am besseren Abschneiden in kleinen als in großen Mitgliedstaaten. Ihre Mitgliedsparteien in Polen und Spanien erreichen mittlerweile in nationalen Umfragen aber wieder bessere Werte, sodass für die EVP der Sitzverlust durch das Tandemsystem heute geringer ausfallen würde bzw. auch für sie ein Sitzzugewinn möglich wäre.

Die Debatte wird weitergehen

Momentan dominieren transnationale Listen die Debatte einer europäischen Wahlrechtsreform. Für sie hat sich das Europäische Parlament 2022 ausgesprochen. Der Widerstand im Rat scheint aber wieder unüberwindlich groß. Es ist daher sinnvoll, auch über Alternativen laut nachzudenken.

Die Jungen Europäischen Föderalist:innen (JEF) Deutschland haben deshalb 2023 das partielle Tandemsystem in ihre Beschlusslage aufgenommen. Es fungiert als Plan B, sollte der Ministerrat transnationale Listen dauerhaft ablehnen. Tandemsystem und transnationale Listen schließen einander auch nicht aus. Das partielle Tandemsystem gibt Reformbefürworter:innen einen neuen Trumpf auf die Hand, und zeigt, dass die Reformgegner:innen nicht allein die Spielregeln bestimmen.

Bilder: EP-Plenum: European External Action Service [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; Porträt Clemens Hoffmann: privat [alle Rechte vorbehalten].

How to introduce a common European electoral law without unanimity in the Council

By Clemens Hoffmann
Plenary of the European Parliament
Many attempts to improve the EU electoral law have failed due to national vetoes. But the “tandem system” could also be introduced without unanimity.

A reform of the European electoral law is long overdue in order to finally overcome national fragmentation and the lack of transnational electoral equality. One reform approach that addresses these problems is the “tandem system” developed by Friedrich Pukelsheim and Jo Leinen. Under this system, the European parties compete against each other in the European elections via their national member parties and a levelling mechanism ensures that each European party’s seat share corresponds to its Europe-wide vote share, despite the fact that member states’ seat quotas remain in place.

However, Pukelsheim and Leinen’s tandem system is likely to be opposed by some member states. This makes it difficult to introduce the system through a reform of the EU direct elections act, in which each member state has a right of veto under Art. 223 TFEU. Even a far less far-reaching electoral reform that was proposed by the European Parliament in 2022 failed due to a lack of unanimity in the Council. However, the tandem system could be modified in a way that would allow national vetoes to be bypassed. Let me explain how.

Enhanced cooperation on electoral law reform?

Since a unified European electoral system has never been introduced, it is up to each member state to adopt its own European elections law. Their national authority thus de facto limits the unanimity requirement for reforms at EU level to two points:

  1. changes to the national seat quotas within the European Parliament, including the creation of new seats for transnational lists (regulated in a European Council decision) and
  2. the common electoral principles that national European elections laws must respect, such as the use of proportional representation (regulated in the EU Direct Elections Act).

Taking this into account, a group of states could proceed on its own to implement reforms to EU electoral law. On the one hand, they could coordinate and dovetail their national European electoral laws more closely through an intergovernmental treaty. On the other hand, with a qualified majority in the Council, they could also utilise the mechanism of enhanced cooperation.

What could such a reform approach look like?

Before designing a common electoral law, it must be determined which objectives are to be achieved with the reform. The current national fragmentation of European elections leads to two problems:

  • Firstly, voters participate in the election primarily on the basis of their national citizenship and not their EU citizenship. The impact of their votes ends at the border of their own member state. This reduces the integrative potential of European elections.
  • Secondly, there is currently no electoral equality at European level. A vote in a small member state counts significantly more than a vote in a large member state. This is due to the “degressively proportional” apportionment of seats to the member states, which is prescribed in the EU Treaty.

The “tandem system” for the distribution of European seats

The “tandem system” by Friedrich Pukelsheim and Jo Leinen solves these problems. It emphasises the pan-European election result without having to touch the existing seat apportionment to the member states. For the tandem system, the national member parties of a European party form connected electoral lists. These list coalitions then compete against each other in the European elections. Each EU citizen marks the national party list and thus also the European party that they prefer on the ballot paper. The distribution of seats among the European parties is determined by the proportion of all votes cast across Europe. If a party receives 20% of the votes across Europe, it should also receive 20% of the seats in the European Parliament.

Once the EU-wide seat distribution has been determined, the levelling mechanism calculates the distribution of seats for each member states in three steps:

  1. In a first, preliminary step, seats are allocated to national parties based on the national election results, as they are today.
  2. If, due to distortions in the electoral law (e.g. due to degressive proportionality), a European list coalition has received x per cent more seats than it is entitled to under direct-proportional distribution, its number of seats is reduced by x per cent in each member state. Similarly, if a party lacks seats in comparison to its EU-wide seat entitlement, it receives an additional x per cent more seats per country.
  3. If now y per cent fewer seats have been allocated in a member state than corresponds to its seat quota, the seat number of each party in that country is increased by y per cent. Vice versa, if to many seats have been allocated in a member state, the seat number of each party is reduced by y per cent.

Steps 2 and 3 are repeated until both the EU-wide seat distribution and the seat apportionment to the member states are correctly reflected.

This effectively turns the seat apportionment into a quota that the Parliament has to fulfil as a whole. The European parties, on the other hand, are still represented mostly by the national member parties that have performed particularly well in their respective countries. National election results are only approximated, as the correct representation of the will of the European electorate takes priority.

A “partial tandem system” with an opt-out option

In their publications on the tandem system, Pukelsheim and Leinen always assume that all member states will participate. However, this is not strictly necessary. In fact, the levelling mechanism could be modified in such a way that some member states are granted an opt-out. The result would then be a “partial tandem system”, in which a group of member states alone would ensure that the seat share of each European party in the European Parliament corresponds to its EU-wide vote share.

In the opt-out states, the European elections would then take place as today, and their distribution of seats among its national parties would be based solely on the respective national election results. Nevertheless, EU citizens from the opt-out states would also participate indirectly in the partial tandem system, as the national parties there would be part of the list coalitions of their European party families. The votes cast in their favour would count for the European result and the seats allocated to them would be accounted for in the levelling mechanism. If the levelling mechanism were to ignore the opt-out states, all votes would not be counted equally across Europe.

Prerequisites

The (partial) tandem system can only work if the European parties play along, as the levelling mechanism depends on a clear allocation of national parties to list coalitions. Under certain circumstances, it is possible that a national party could gain more seats if it is not part of the list coalition. Similarly, a European party might also gain an unfair advantage if its list coalition only includes member parties from the opt-in states. However, rules can be adopted to address these problems:

  • All member parties of a registered European party mandatorily belong to one list coalition. However, it should also be possible for European parties to invite non-members to join their list coalition, for two or more European parties to stand as a joint list coalition, or for a party family that is not registered as a European party to form a list coalition.
  • The formation of list coalitions brings together national parties with similar values and objectives, thus anticipating what has so far only happened when the political groups were formed. As an additional incentive, access to group status in the European Parliament should therefore be linked to running a joint candidacy as a list coalition. Public election campaign refunding and party financing should also be based on the European result.
  • All national parties without a European party affiliation form a joint “technical list coalition”. This should be an incentive for these individual national parties to join a European party family or to found a new European party, which can then register its own list coalition.
  • A list coalition must not receive the majority of votes (e.g. 70%) from only one member state, otherwise it will automatically be included in the technical list coalition.

The levelling mechanism eliminates the over- and underhang seats that exist in the current electoral system. However, if a list coalition runs (almost) exclusively in opt-out states, the levelling may not be complete. As few states as possible should therefore be given an opt-out.

What if a partial tandem system had been in place in 2019?

The following example shows what the distribution of seats would have been in the 2019 European elections with the partial tandem system. It is assumed that only the six EC founding countries as well as Poland, Spain and Portugal would participate in the partial tandem system. The calculation also requires some additional assumptions, which are listed below the table.

The partial tandem system does not differentiate between seats won via the national result and those that are only levelling mandates. Nevertheless, an approximate differentiation can be determined retrospectively by considering by how many seats the national seat quota of opt-in countries must be reduced until a purely nationally determined seat distribution results as part of the tandem seat distribution. The other part of the seats of the countries concerned are correspondingly “levelling seats”. Only the parties outside the technical list coalition are taken into account for this differentiation. Such a differentiated view also simplifies the comparison with a system in which proportional representation at the EU level is implemented by means of transnational lists.



EPP PES RE ID EGP ECR Left EFA APEU
technical
list
AT national seats 7 5 1 3 3
BE* national seats 2 3 3 2 3
1 3
levelling seats
1 1
1 1
BG national seats 7 4 3 1
1 1
HR national seats 4 3 1
4
CY national seats 2 1
2
1
CZ national seats 5
6 2
4 1
3
DK national seats 1 3 6 1 2
1

EE national seats 1 2 3 1
FI national seats 4 2 3 2 2
1
FR* national seats 6 4 19 18 10
7
levelling seats
1
7 4
7
2
DE* national seats 24 13 6 9 17
5
1
levelling seats
4 1 6 8
1
1
EL national seats 9 2
1 7
2
HU national seats 13 5 2
1
IE national seats 5
2
2
4
IT* national seats 6 15
22
4
7
levelling seats
3 2 12 2
2
1
LV national seats 2 2
2
2
LT national seats 2 2 2
5
LU* national seats 1 1 1
1

levelling seats
1 1
MT national seats 2 4
NL* national seats 4 6 7 1 3
1 3
levelling seats
1
1 2
PL* national seats 18 4
26
2
levelling seats 1 1

PT* national seats 6 8 14
1
levelling seats
1
RO national seats 14 10 9
SK national seats 4 3 3
2
2
SI national seats 4 2 2
ES* national seats 10 17 8
3 5 3
levelling seats
5 1 2 4 1
SE national seats 6 5 3
3 3 1
Total national seats 169 126 91 62 46 46 29 6 3 37
levelling seats 1 15 4 27 18 1 14 5 5
total seats 170 141 95 89 64 47 43 11 8 37
Old total 184 131 95 73 47 51 33 12 3 73


EPP PES RE ID EGP ECR Left EFA APEU
technical
list
Countries that participate in the partial tandem system in the calculation example are marked with an asterisk (*). The “Old total” row shows the actual distribution of seats in 2019 (for each of the hypothetical list coalitions) and thus illustrates how the balance of power would have shifted as a result of the tandem system. Data base: Wikipedia pages on the 2019 European elections. Assumptions for the calculation: 1. The European distribution of seats is determined according to the d’Hondt method, which is currently used by most member states. 2. In principle, each European party family runs with its own list coalition. Exceptions: ALDE, EDP and the French party LREM form a joint list coalition (Renew Europe, RE); EL and the party alliance “Now the People” form a joint list coalition (Left). 3. A European threshold of 1% applies to list coalitions (around 1.8 million votes across Europe in 2019). However, as the EU Direct Elections Act stipulates a maximum national threshold of 5%, national parties that received more than 5% of the vote in their country are also taken into account when allocating seats, even if their list coalition failed to meet the threshold. – Access to an online calculator that allows to experiment with other assumptions is available on request from the author.

In the actual seat distribution of 2019, the PES, EGP, Left and ID were under-represented compared to their EU-wide vote totals. These four parties would therefore have won additional seats with a tandem system. How these levelling seats are distributed among the member states depends on various factors. Levelling between two European parties can only occur in countries where both parties are represented. The ID party is strongly focussed on Germany, France, and Italy, which is why the levelling would have happened there and not in Poland, where it is not represented. The PES, EGP and Left have member parties in more countries, so the levelling could have been spread more widely.

In countries where many European parties are active, more seats tend to be redistributed, as there are more contested seats. In Luxembourg, for example, the Greens were only 2.2 percentage points short of the second seat; the levelling mechanism of the tandem system awards them this seat because that only minimally distorts the distribution of seats. In Italy, the range of parties represented in Parliament would have increased because with the tandem system fewer parties would have failed to meet the national threshold, meaning that more Italian voters would have been represented in Parliament.

Compared to the actual 2019 seat distribution, the EPP would have been the only major party to receive fewer seats with the tandem system. This was because it performed better in smaller than in larger member states. By today, however, the EPP member parties in Poland and Spain have recovered in the national polls, meaning that the EPP overall would lose less, or even gain, seats with the tandem system.

The debate will continue

Transnational lists are currently dominating the debate on European electoral law reform. The European Parliament has spoken out in favour of them in 2022. However, resistance in the Council once again seems insurmountable, and it makes sense to think out loud about alternatives.

The Young European Federalists (JEF) Germany have therefore passed a resolution on the partial tandem system in 2023. It acts as a plan B should the Council of Ministers permanently reject transnational lists. The tandem system and transnational lists are also not mutually exclusive. The partial tandem system gives reform supporters a new option and shows that the opponents of reform are not the only ones who determine the rules of the game.

Pictures: EP plenary: European External Action Service [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; portrait Clemens Hoffmann: private [all rights reserved].