06 November 2018

Europawahl 2019: Der Weg zur neuen EU-Kommission

Das Rennen ist eröffnet. Aber der Weg zur neuen EU-Kommission ist noch weit.
Die Tage der Kommission Juncker sind gezählt: Bis zum 26. Mai sind es noch genau 200. Dann wählen die europäischen Bürgerinnen und Bürger zum nächsten Mal das Europäische Parlament, das im Herbst 2019 über eine neue Europäische Kommission abstimmen wird. Auch in der Frage, wer Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident beerben wird, stehen die Namen der ersten Bewerber bereits fest. Für die europäischen Sozialdemokraten wird Frans Timmermans ins Rennen gehen, die Europäische Volkspartei wird ihren Kandidaten an diesem Donnerstag nominieren.

Doch bis einer von ihnen tatsächlich als neuer Chef ins Brüsseler Berlaymont-Gebäude einziehen kann, ist der Weg noch weit. Dabei gilt es, in drei Etappen die Nase vorn zu haben: In der Vorwahl-Saison nominieren die europäischen Parteien ihre Spitzenkandidaten. Im Frühjahr 2019 folgt der eigentliche Wahlkampf, in dem sich die Bewerber der europäischen Bevölkerung vorstellen. Wirklich entschieden wird das Rennen um die Kommissionspräsidentschaft jedoch erst nach der Wahl – wenn es darum geht, sich sowohl im Europäischen Parlament als auch unter den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat eine Mehrheit zu sichern.

Hier ein Überblick über die wichtigsten Stationen und Termine.

Die Vorwahl-Saison

Wer Kommissionspräsident werden will, tut gut daran, sich zuvor von seiner europäischen Partei zum Spitzenkandidaten nominieren zu lassen: In einer Resolution von Februar 2018 hat das Europäische Parlament gewarnt, dass es „bereit ist, jeden Kandidaten abzulehnen, der im Vorfeld der Wahl zum Europäischen Parlament nicht als Spitzenkandidat benannt wurde“. Das genaue Verfahren und der Zeitplan dieser Spitzenkandidaten-Nominierungen unterscheiden sich allerdings je nach Partei. Parallel dazu verabschieden die europäischen Parteien auch ihre – meist als „Manifesto“ bezeichneten – europaweiten Wahlprogramme. Die Vorwahl-Saison ist bereits im vollen Gange und dauert noch bis Februar oder März 2019 an.


19./20. Oktober 2018:
Allianz der Konservativen und Reformer in Europa (AKRE)

Ausrichtung: nationalkonservativ-europaskeptisch
Mitgliedsparteien: u.a. PiS (Polen), ODS (Tschechien)
Fraktion: EKR (derzeit 73 Sitze)
Spitzenkandidat
Nominiert: Jan Zahradil (Tschechien), Europaabgeordneter und AKRE-Parteichef
Wann und wo: Parteirat in Chisinau, 19./20. Oktober
Verfahren: Wahl durch Delegierte der nationalen Mitgliedsparteien und der AKRE-Unterorganisationen
Anmerkung: Die AKRE lehnt das Spitzenkandidaten-Verfahren grundsätzlich ab, tritt aber – anders als noch bei der letzten Europawahl 2019 – mit einem eigenen Spitzenkandidaten an, um ihre Sichtbarkeit im Wahlkampf erhöhen. Da der Deutsche Hans-Olaf Henkel Ende September seine Bewerbung um die Spitzenkandidatur zurückzog und aus der Partei austrat, blieb Zahradil vor dem Parteirat in Chisinau als einziger Bewerber übrig.
Wahlprogramm
Verabschiedung: voraussichtlich Frühjahr 2019


7./8. November 2018:
Europäische Volkspartei (EVP)

Ausrichtung: christdemokratisch-konservativ
Mitgliedsparteien: u.a. CDU/CSU (Deutschland), PO (Polen), PP (Spanien), Fidesz (Ungarn)
Fraktion: EVP (derzeit 219 Sitze)
Spitzenkandidat
Bewerber:
Manfred Weber (Deutschland), derzeit EVP-Fraktionschef
Alexander Stubb (Finnland), früherer finnischer Premierminister
Wann und wo: Parteikongress in Helsinki, 7./8. November
Verfahren: Wahl durch 734 Delegierte der nationalen Mitgliedsparteien und der EVP-Unterorganisationen (z.B. Jugendverband YEPP)
Anmerkung: Vor dem Kongress gilt Weber, der von allen amtierenden EVP-Regierungschefs unterstützt wird, als Favorit; Stubb werden nur Außenseiterchancen eingeräumt. Wichtigster politischer Unterschied zwischen ihnen ist der Umgang mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán. Während Weber sich selbst als „Brückenbauer“ versteht und auch Gemeinsamkeiten mit Orbán hervorhebt, will Stubb bei Verstößen gegen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit keine Toleranz walten lassen und die Fidesz gegebenenfalls aus der EVP ausschließen.
Wahlprogramm
Verabschiedung: voraussichtlich Frühjahr 2019


8.-11. November 2018 / Februar 2019:
Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE)

Ausrichtung: liberal
Mitgliedsparteien: u.a. FDP (Deutschland), Ciudadanos (Spanien), ANO (Tschechien), VVD (Niederlande)
Fraktion: ALDE (derzeit 68 Sitze)
Spitzenkandidat
Bewerber:
offen
Wann und wo: Parteikongress im Februar 2019
Verfahren: Nach einem im Mai 2018 beschlossenen Zeitplan sind Bewerbungen für die Spitzenkandidatur bis zum 1. Februar 2019 möglich. Ende Februar soll dann ein Parteikongress den Spitzenkandidaten der Partei ernennen.
Anmerkung: Ob die ALDE tatsächlich einen Spitzenkandidaten benennt, ist unklar. Nach der Europawahl 2019 will die ALDE im Europäischen Parlament mit der französischen Regierungspartei LREM zusammenarbeiten, die das Spitzenkandidaten-Verfahren strikt ablehnt. In der Folge äußerten sich im Herbst 2018 auch verschiedene ALDE-Politiker dazu kritisch – darunter Fraktionschef Guy Verhofstadt und Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die beide selbst als mögliche Kandidaten galten. Als Alternative ist die Nominierung eines „Spitzenteams“ aus mehreren Personen im Gespräch, die der Partei im Wahlkampf europaweit Sichtbarkeit geben sollen.
Wahlprogramm
Verabschiedung: Parteikongress in Madrid, 8.-11. November 2018


23.-25. November 2018:
Europäische Grüne Partei (EGP)

Ausrichtung: grün
Mitgliedsparteien: u.a. Grüne (Deutschland), EELV (Frankreich), GroenLinks (Niederlande)
Fraktion: Grüne/EFA (derzeit 52 Sitze)
Spitzenkandidaten
Bewerber:
Ska Keller (Deutschland), Fraktionschefin im Europäischen Parlament
Bas Eickhout (Niederlande), Europaabgeordneter
Petra de Sutter (Belgien), Mitglied des belgischen Senats
Wann und wo:
Parteitag in Berlin, 23.-25. November
Verfahren: Wahl durch 108 Delegierte der nationalen Mitgliedsparteien sowie EGP-Unterorganisationen (z.B. Jugendverband FYEG). Die EGP ernennt zwei Spitzenkandidaten, darunter mindestens eine Frau. Eine offene europaweite Online-Vorwahl wie 2014 gibt es diesmal nicht.
Anmerkung: Von den zunächst vier Bewerbern um die Spitzenkandidatur erhielt Atanas Schmidt (Bulgarien) nicht die nötige Unterstützung durch fünf nationale EGP-Mitgliedsparteien und schied deshalb aus dem Verfahren aus.
Wahlprogramm
Verabschiedung: Parteitag in Berlin, 23.-25. November


7./8. Dezember 2018:
Sozialdemokratische Partei Europas (SPE)

Ausrichtung: sozialdemokratisch
Mitgliedsparteien: u.a. SPD (Deutschland), PSOE (Spanien), PD (Italien), PSD (Rumänien)
Fraktion: S&D (derzeit 189 Sitze)
Spitzenkandidat
Bewerber: Frans Timmermans (Niederlande), Erster Vizepräsident der Europäischen Kommission
Wann und wo:
Parteikongress in Lissabon, 7./8. Dezember
Verfahren: Nach einem im Sommer beschlossenen Wahlverfahren sollten vor dem Parteikongress auch die Mitglieder der nationalen Mitgliedsparteien an der Vorwahl beteiligt werden. Dieses Mitgliedervotum sollte für die Kongressdelegierten bindend sein.
Anmerkung: Das vorgesehene Verfahren entfällt, da bis auf Timmermans alle Kandidaten – Christian Kern (Österreich) und Maroš Šefčovič (Slowakei) – ihre Bewerbung zurückgezogen haben. Eine Bewerbung weiterer Kandidaten ist nicht mehr möglich. Timmermans steht als Spitzenkandidat fest.
Wahlprogramm
Verabschiedung: Parteikongress im Februar 2019


26./27. Januar 2019:
Europäische Linke (EL)

Ausrichtung: links
Mitgliedsparteien: u.a. Die Linke (Deutschland), Syriza (Griechenland), IU (Spanien)
Fraktion: GUE/NGL (derzeit 51 Sitze)
Spitzenkandidat
Bewerber: offen
Wann und wo: Parteivorstandstreffen in Brüssel, 26./27. Januar 2019
Verfahren: Die Entscheidung über die Ernennung eines Spitzenkandidaten trifft der 41-köpfige Parteivorstand. Zuvor können die Mitgliedsparteien bis zum 16. November Vorschläge einreichen, wobei nach einem Parteibeschluss auch „Persönlichkeiten außerhalb der Europäischen Linken“ in Frage kommen.
Anmerkung: Da einzelne Mitgliedsparteien das Verfahren ablehnen, ist derzeit noch unklar, ob die Europäische Linke tatsächlich einen Spitzenkandidaten ernennt.
Wahlprogramm
Verabschiedung: Parteivorstandstreffen in Brüssel, 26./27. Januar 2019


Frühjahr 2019 (?)
Bewegung für ein Europa der Nationen und der Freiheit (BENF)

Ausrichtung: rechtsaußen
Mitgliedsparteien: u.a. Lega (Italien), RN (Frankreich), FPÖ (Österreich)
Fraktion: ENF (derzeit 35 Sitze)
Spitzenkandidat
Bewerber: offen
Wann und wo:
offen
Verfahren: offen
Anmerkung: 2014 nominierten die Rechtsaußenparteien keinen gemeinsamen Spitzenkandidaten zur Europawahl. Für 2014 hat der italienische Innenminister Matteo Salvini öffentlich Interesse an einer Kandidatur gezeigt. Ob die BENF diesmal einen Spitzenkandidaten ernennt, ist jedoch unklar.
Wahlprogramm
Anmerkung: Ob die BENF ein gemeinsames Europawahlprogramm verabschiedet, ist offen. 2014 gab es kein gemeinsames Programm der Rechtsaußen-Parteien.


Der Wahlkampf

In der Vergangenheit wurden Europawahlkämpfe vor allem auf nationaler Ebene ausgetragen – und es ist damit zu rechnen, dass das auch diesmal wieder der Fall sein wird. Doch auch den europäischen Spitzenkandidaten wird in dieser Zeit nicht langweilig werden. Einige Ereignisse in den Wochen vor der Wahl dürften europaweit Widerhall finden und den Wahlkampf beeinflussen.


29. März 2019: 
Brexit (oder nicht?)

Großbritannien wird – Stand jetzt – am 29. März 2019 aus der EU austreten. Mit dem Brexit tritt eine Reform der nationalen Sitzkontingente im Europäischen Parlament in Kraft: Von den 73 britischen Sitzen werden 27 auf andere EU-Staaten umverteilt. Die übrigen 46 bleiben unbesetzt, sodass die Gesamtgröße des Parlaments von 751 auf 705 Abgeordnete schrumpft.
Sollte der Brexit aber bis nach der Europawahl verschoben werden (was unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen ist), bleibt es bei der bisherigen Sitzverteilung. In manchen Mitgliedstaaten könnte dies zu Chaos bei der Wahlorganisation führen, insbesondere in Irland, wo wegen der zusätzlichen Sitze bereits die Wahlkreise neu zugeschnitten wurden.
Auch Großbritannien selbst würde in diesem Fall wohl noch einmal eine Europawahl durchführen. Dies könnte sich auch auf das Kräftegleichgewicht im Europäischen Parlament auswirken: In Großbritannien sind europaskeptische Parteien überdurchschnittlich stark, die EVP hingegen überhaupt nicht vertreten.


April/Mai 2019:
Fernsehdebatten

Wie bereits 2014 wird die Europäische Rundfunkunion EBU (bekannt als Produzentin des Eurovision Song Contest) auch 2019 wieder eine Fernsehdebatte mit den Spitzenkandidaten aller europäischen Parteien organisieren. Der Termin dafür ist noch offen. Es bleibt jedoch den an der EBU beteiligten nationalen Rundfunkanstalten selbst überlassen, ob (und auf welchem Kanal) sie die Debatte ausstrahlen.
Wie bereits 2014 könnte es zudem weitere, von nationalen Sendern organisierte Fernsehdebatten oder -duelle zwischen den aussichtsreichsten Kandidaten geben.


9. Mai 2019:
Europäischer Rat in Sibiu

Zweieinhalb Wochen vor der Wahl wollen die nationalen Staats- und Regierungschefs im rumänischen Sibiu über ihre „Strategische Agenda für 2019-2024“ beraten. Dieses symbolisch aufgeladene, gezielt auf den Europatag am 9. Mai gelegte Treffen soll Einigkeit und eine positive Aufbruchstimmung signalisieren. Es könnte allerdings auch europaskeptischen Regierungschefs eine Bühne bieten, um sich von ihren europafreundlicheren Amtskollegen abzugrenzen.


23.-26 Mai 2019:
Europawahl

Wie üblich findet die Europawahl nach Mitgliedstaaten getrennt statt, wobei sich die nationalen Wahlregeln je nach Land unterscheiden. In den meisten Ländern, darunter auch Deutschland, wird am Sonntag, den 26. Mai, gewählt.
Europaweite Sitzprojektionen auf der Basis von nationalen Umfragen lassen bereits jetzt deutliche Veränderungen erwarten: EVP und Sozialdemokraten werden deutliche Verluste erleiden, während liberale sowie europaskeptisch-rechtspopulistische Parteien in vielen Ländern dazugewinnen. Die EVP dürfte zwar weiterhin die stärkste Fraktion bleiben. Zum ersten Mal in der Geschichte des Europäischen Parlaments könnte die „Große Koalition“ aus EVP und Sozialdemokraten jedoch keine Mehrheit mehr haben und deshalb zwingend auf die Unterstützung durch andere Parteien angewiesen sein.


Nach der Wahl

Mit der Europawahl beginnt die heiße Phase für die neue Kommission. Wer Kommissionspräsident werden will, muss nun gleich in zwei Institutionen eine Mehrheit organisieren: unter den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat und unter den Abgeordneten im Europäischen Parlament – obwohl diese sich erst einmal selbst neu zu Fraktionen zusammenfinden müssen. Erst wenn dies gelungen ist, ist der Weg auch für die Ernennung der übrigen Kommissionsmitglieder frei.


Mai/Juni 2019: 
Fraktionsbildung im Europäischen Parlament

Nach der Wahl müssen sich die Fraktionen im Europäischen Parlament neu konstituieren, wofür mindestens 25 Abgeordnete aus sieben Ländern nötig sind. Dabei sind einige Veränderungen zu erwarten:
  • Die französische Regierungspartei LREM, die erstmals ins Europäische Parlament einzieht, könnte sich der liberalen ALDE-Fraktion anschließen. Es ist aber auch möglich, dass LREM eine eigene neue Fraktion gründet, was zu einer Spaltung der Liberalen und einer Schwächung der Rest-ALDE führen könnte.
  • Im europaskeptisch-rechten Spektrum ist eine Konsolidierung zu erwarten: Die populistische Fraktion EFDD wird sich voraussichtlich auflösen. Dafür dürfte die nationalkonservative EKR und die rechtsextreme ENF eine größere Zahl von Abgeordneten umfassen.
  • Die italienische Regierungspartei M5S strebt die Gründung einer eigenen Fraktion an, wobei jedoch unklar ist, welche anderen Parteien dafür als Partner in Frage kämen. Falls die Gründung einer eigenen Fraktion scheitert, könnte M5S sich einer der Rechtsfraktionen anschließen.


Mai/Juni 2019: 
Mehrheitsbildung im Europäischen Parlament

Während sich die Fraktionen neu zusammenfinden, muss das Europäische Parlament auch nach einer Mehrheit für die Wahl des neuen Kommissionspräsidenten suchen. 2014 vereinbarten die drei großen Fraktionen EVP, S&D und ALDE, den Spitzenkandidaten der stärksten Gruppierung zu unterstützen.
2019 könnte die Mehrheitsbildung schwieriger werden: Wenn EVP und S&D bei der Europawahl ihre gemeinsame Mehrheit verlieren, werden sie zwingend auf die Unterstützung einer dritten Fraktion angewiesen sein. Ob die ALDE hierfür zur Verfügung steht, ist aber unklar, da die französische Regierungspartei LREM das Spitzenkandidaten-Verfahren ablehnt.
Eine Alternative könnten die europäischen Grünen sein, die als einzige weitere Fraktion das Spitzenkandidaten-Verfahren grundsätzlich unterstützen. Allerdings hegen die Grünen große Vorbehalte gegenüber Manfred Weber, der als voraussichtlicher EVP-Kandidat beste Chancen hat, die Wahl zu gewinnen.


20./21. Juni 2019: 
Vorschlag des Kommissionspräsidenten im Europäischen Rat

Auf dem ersten Treffen des Europäischen Rats nach der Europawahl werden die nationalen Staats- und Regierungschefs voraussichtlich einen offiziellen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten vorschlagen. Nötig ist hierfür eine qualifizierte Mehrheit (Zustimmung von 55% der Mitglieder, deren Länder 65% der EU-Bevölkerung umfassen).
  • Falls sich zuvor im Europäischen Parlament bereits eine Mehrheit für einen Kandidaten abzeichnet, so wird der Europäische Rat ihn wohl auch als Kommissionspräsidenten vorschlagen. Dass der Europäische Rat stattdessen eine andere Person nominiert, ist möglich, aber unwahrscheinlich, da diese sicher im Parlament abgelehnt würde.
  • Falls es im Europäischen Parlament aber keine klare Mehrheit zugunsten eines bestimmten Kandidaten gibt, wären die Staats- und Regierungschefs in ihrer Entscheidung freier. In diesem Fall könnte auch ein Kompromisskandidat zum Zuge kommen, der nicht im Wahlkampf als Spitzenkandidat aufgetreten ist.
Gleichzeitig mit dem neuen Kommissionspräsidenten nominieren die Staats- und Regierungschefs auch den neuen Hohen Vertreter der EU für die Außen- und Sicherheitspolitik und wählen den neuen Präsidenten des Europäischen Rates. Diese drei Ämter werden häufig als die „Top Jobs“ der EU bezeichnet. Sie bilden üblicherweise ein Paket, in dem Vertreter der unterschiedlichen Mehrheitsparteien (EVP, SPE, evtl. ALDE), Ländergruppen (westliche und östliche, nördliche und südliche, große und kleine Staaten) sowie Geschlechter vertreten sind.


Juli 2019: 
Wahl des Kommissionspräsidenten

Nach der Nominierung im Europäischen Rat muss sich der vorgeschlagene Kommissionspräsident einer Abstimmung im Europäischen Parlament stellen, die voraussichtlich kurz vor der Sommerpause stattfindet.
  • Erhält der Kandidat dabei eine Mehrheit, ist er als Kommissionspräsident designiert.
  • Erhält der Kandidat keine Mehrheit, muss der Europäische Rat (wiederum mit qualifizierter Mehrheit) innerhalb eines Monats einen neuen Kandidaten nominieren, über den dann wiederum das Parlament abstimmt. Dieses Verfahren wird so oft wiederholt, bis ein Kandidat sowohl im Europäischen Rat als auch im Parlament eine Mehrheit findet.


Sommer 2019: 
Nominierung der Kommissionsmitglieder

Nach der Wahl des Kommissionspräsidenten werden die übrigen Mitglieder der Europäischen Kommission nominiert. Jedes Land ist mit einem Kommissar vertreten. Formal erfolgt die Nominierung kollektiv durch den Rat der EU – faktisch schlägt jede nationale Regierung ihren „eigenen“ Kommissar vor. Nach der Nominierung der Kommissare weist der designierte Kommissionspräsident ihnen Aufgabenbereiche zu.


Herbst 2019:
Anhörungen im Parlament

Wenn die Liste der Kommissionsmitglieder steht, stimmt das Europäische Parlament über ihre Wahl ab. Dabei kann das Parlament formal nur die gesamte Kommission annehmen oder ablehnen. Bei einer Ablehnung muss der Rat eine neue Liste vorschlagen.
In der Praxis kann das Parlament jedoch auch einzelne Kandidaten ablehnen. Hierfür werden die vorgeschlagenen Kommissare von den Abgeordneten des Ausschusses, der für ihren Aufgabenbereich zuständig ist, in meist mehrstündigen Befragungen „gegrillt“. Ist ein Ausschuss mit einem Kandidaten unzufrieden, fordert das Parlament den Rat informell auf, die Liste der Kommissare abzuändern, ehe über die Kommission als Ganzes abgestimmt wird. Dies ist seit 2004 nach jeder Europawahl geschehen. In allen Fällen kam der Rat (bzw. die nationale Regierung des betreffenden Landes) der Aufforderung des Parlaments nach und nominierte einen alternativen Kandidaten.


Herbst 2019:
Wahl der Kommission

Nachdem alle Ausschüsse Einverständnis mit den von ihnen befragten Kandidaten signalisiert haben, stimmt das Plenum des Europäischen Parlaments über die neue Kommission ab. Stimmt dabei eine Mehrheit der Abgeordneten zu, kann die neue Kommission ihr Amt antreten. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre – bis zur Europawahl 2024.


Es ist also noch ein weiter und mit vielen Variablen gepflasterter Weg, bis Europa tatsächlich eine neue Kommission hat. Diese Roadmap wird daher künftig nach jedem der genannten Termine aktualisiert werden. Den regelmäßig aktualisierten Text finden Sie unter diesem Link.

Dieser Artikel erscheint parallel auch auf makronom.de.

Bilder: Startflagge: By NASA/Bill Ingalls (NASA Image of the Day) [Public domain], via Wikimedia Commons.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Kommentare sind hier herzlich willkommen und werden nach der Sichtung freigeschaltet. Auch wenn anonyme Kommentare technisch möglich sind, ist es für eine offene Diskussion hilfreich, wenn Sie Ihre Beiträge mit Ihrem Namen kennzeichnen. Um einen interessanten Gedankenaustausch zu ermöglichen, sollten sich Kommentare außerdem unmittelbar auf den Artikel beziehen und möglichst auf dessen Argumentation eingehen. Bitte haben Sie Verständnis, dass Meinungsäußerungen ohne einen klaren inhaltlichen Bezug zum Artikel hier in der Regel nicht veröffentlicht werden.