Max Steinbeis hat im Verfassungsblog ein gutes Argument, weshalb sich das Referendum in Griechenland von den nationalen Vertragsreformsreferenden wie 2008 in Irland (oder wie in einer vielleicht nicht allzu fernen Zukunft in Großbritannien) unterscheidet:
Bei Referenden auf EU-Ebene hat man oft deshalb ein komisches Gefühl, weil es nicht allein eine Sache des abstimmenden Volkes ist, über die abgestimmt wird: Wenn die Iren abstimmen, wie die Vertragsgrundlage der EU aussehen soll, dann ist das unser aller Vertragsgrundlage, und nicht nur die der Iren.
Das ist hier auf den ersten Blick genauso: Es geht um den Euro, und mit dem zahlen auch wir unsere Rechnungen, nicht nur die Griechen.
Der Unterschied ist aber, dass die Iren nicht aus der EU austreten müssen, wenn sie eine Änderung der Verträge niederstimmen. Sie bleiben drin. Die Folgen ihres Neins sind für sie die gleichen wie für uns: eine Krise in der EU, die alle gemeinsam irgendwie lösen müssen. Im Zweifel lassen sie sich ihr Ja halt vom Rest der EU abkaufen.
Die Griechen dagegen sind draußen, wenn sie Nein sagen. Es handelt sich um eine Art Beitrittsreferendum mit umgekehrtem Vorzeichen. Sie werden nicht gefragt: So soll es weitergehen, seid ihr einverstanden oder nicht? Sondern: Seid ihr dabei oder nicht?
Der Punkt ist sicher richtig: Ein griechisches Nein zum Schuldenschnitt würde die EU ins Chaos stürzen, aber nicht lähmen, den die Eurozone könnte auch ohne Griechenland weitermachen; es wäre ziemlich sicher die schlechtere Option, aber anders als ein Nein zur Vertragsreform würde die Ablehnung des Schuldenschnitts zugleich einen neuen Lösungsweg aufzeigen, nämlich den sofortigen griechischen Staatsbankrott.
Schade ist nur, dass es überhaupt so weit kommen musste, dass es bei dem Referendum nur die Alternativen „Eurorettung mit Sozialkürzungen und Arbeitslosigkeit“ oder „griechischer Staatsbankrott und Austritt aus der Eurozone“ geben wird. Ökonomisch wären ja auch andere Möglichkeiten drin gewesen – indem man etwa durch konkunkturpolitische Maßnahmen in den letzten Jahren die Rezession in den südeuropäischen Staaten bekämpft und damit nicht nur die dortige Beschäftigung, sondern auch das Steueraufkommen gesteigert hätte. Nur wäre es dafür notwendig, dass entweder die Europäische Zentralbank ihre Zinsen senkt und/oder die Euro-Staaten, die es sich leisten können (also vor allem Deutschland), anstelle der Austerität eine expansive Wirtschaftspolitik verfolgen, um die Gesamtnachfrage zu steigern und griechischen Produkten einen Exportmarkt zu bieten. Und weder das eine noch das andere fällt unter die Entscheidungsmacht der Griechen.
Sicher kann man dem Referendum in Griechenland nicht gut vorwerfen, dass es illegitim sei – aber nur, weil es ein Folgefehler des von Anfang an ungeeigneten intergouvernementalen Entscheidungsverfahrens ist, bei dem jeder Mitgliedstaat seine eigenen Interessen verfolgt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Kommentare sind hier herzlich willkommen und werden nach der Sichtung freigeschaltet. Auch wenn anonyme Kommentare technisch möglich sind, ist es für eine offene Diskussion hilfreich, wenn Sie Ihre Beiträge mit Ihrem Namen kennzeichnen. Um einen interessanten Gedankenaustausch zu ermöglichen, sollten sich Kommentare außerdem unmittelbar auf den Artikel beziehen und möglichst auf dessen Argumentation eingehen. Bitte haben Sie Verständnis, dass Meinungsäußerungen ohne einen klaren inhaltlichen Bezug zum Artikel hier in der Regel nicht veröffentlicht werden.