- Was das Verfahren betrifft, sind die Europawahlen nicht mehr als die Summe ihrer nationalen Teilwahlen.
Wahlen sind der Eckpfeiler jeder Demokratie – das gilt für die nationale Ebene, aber auch für die Ebene der Europäischen Union. Die Wahlen zum Europäischen Parlament können auf einen langen Entwicklungsprozess zurückblicken. Trotz zahlreicher Versuche, sie zu verbessern, ist ihr Rechtsrahmen bis heute mit etlichen Hindernissen gespickt, die verhindern, dass diese Wahlen zu einem echten Höhepunkt der europäischen Demokratie werden.
Ein altes Ziel
Die Idee genuin europäischer Wahlen ist so alt wie das Projekt der europäischen Integration selbst. Bereits Anfang der 1950er Jahre forderten Mitglieder der ersten Vorläuferin des Europäischen Parlaments, der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die Einführung allgemeiner, direkter Wahlen. In den 1960er und 1970er Jahren wurden diese Forderungen regelmäßig aufgegriffen (Pittoors 2023), doch erst 1979 fanden in den damals neun Mitgliedstaaten die ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament statt. Seitdem wählen die Bürger:innen in ganz Europa alle fünf Jahre ihre europäischen Vertreter:innen. Im Jahr 2024 finden diese Wahlen zum zehnten Mal statt – fast ein halbes Jahrhundert repräsentative Demokratie in der EU.
Doch während die ersten Wahlen im Jahr 1979 noch in einer Atmosphäre des Optimismus und Idealismus stattfanden, hat die Begeisterung in den folgenden Jahrzehnten nachgelassen. Europawahlen werden nicht mehr als Allheilmittel für das Demokratiedefizit der EU angesehen. Sie gelten oft als (nationale) Wahlen zweiter Ordnung und sind von einer sinkenden Wahlbeteiligung geprägt: Während bei den ersten Wahlen 62 Prozent der Wähler:innen ihre Stimme abgaben, waren es 2014 nur noch 43 Prozent. Erst bei den Wahlen im Jahr 2019 gab es einen deutlichen Anstieg auf 51 Prozent. Dieser Rückgang lässt sich zwar zum Teil durch die generell niedrigere Wahlbeteiligung in den in den letzten zwei Jahrzehnten beigetretenen Mitgliedstaaten erklären. Es lässt sich aber auch nicht leugnen, dass das Wahlsystem der Europawahlen deren demokratisches Potenzial stark einschränkt.
Das Wahlsystem: Summe von 27 nationalen Teilwahlen
Der Regelungsrahmen für die Europawahlen besteht aus einer (begrenzten) Anzahl gemeinsamer Grundsätze, die auf EU-Ebene festgelegt wurden und den Mitgliedstaaten einen großen organisatorischen Ermessensspielraum lassen. Der grundlegende Rahmen ist im Direktwahlakt von 1976 festgelegt, der 2002 und 2018 geändert wurde (wobei letztere Reform noch nicht in Kraft getreten ist). Er beinhaltet die Verpflichtung zur Durchführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen unter Anwendung einer Form des Verhältniswahlrechts – ein heikles Thema in Ländern mit Mehrheitswahlsystemen wie dem Vereinigten Königreich oder Frankreich.
Die meisten anderen Aspekte bei der Organisation und Durchführung der Europawahlen werden jedoch auf nationaler Ebene geregelt, was zu einer Vielzahl unterschiedlicher nationaler Vorschriften geführt hat. So haben die Mitgliedstaaten unterschiedliche Entscheidungen darüber getroffen, ob sie ihr Hoheitsgebiet in kleinere Wahlkreise einteilen oder nicht, ob sie ein System offener oder geschlossener Listen verwenden, wie hoch das Mindestalter der Kandidat:innen ist, wie die Stimmabgabe aus dem Ausland geregelt ist und sogar, an welchem Tag die Wahlen genau stattfinden. Auch die Dauer der offiziellen Wahlperioden, die Schwellenwerte für Einnahmen und Wahlkampfausgaben der Parteien sowie die Regeln für Wahlwerbung durch Dritte und/oder in den sozialen Medien unterscheiden sich je nach Mitgliedstaat. Die wichtigste Konsequenz daraus ist, dass die Wahlinfrastruktur derzeit nicht europäisch, sondern im Wesentlichen national ist. Mit anderen Worten: Was das Verfahren betrifft, so können die Europawahlen nur als Summe ihrer nationalen Teilwahlen betrachtet werden.
Mangelhaftes demokratisches Mandat
Diese Verfahrensregeln sind nicht nur eine technische Angelegenheit, sondern wirken sich auch auf die inhaltlichen Themen aus, die bei den Europawahlen verhandelt werden. Der derzeitige Rechtsrahmen für die Wahlen weist den nationalen politischen Parteien die Hauptrolle zu und drängt die politischen Parteien auf europäischer Ebene in den Hintergrund.
Diese europäischen politischen Parteien wurden vor fast einem halben Jahrhundert, im Vorfeld der ersten europäischen Direktwahlen im Jahr 1979 gegründet (Bressanelli 2023). Die Teilnahme an den Europawahlen ist der Kern ihrer Daseinsberechtigung und sogar eine formale Voraussetzung, um offiziell beim Europäischen Parlament registriert zu werden und finanzielle Unterstützung aus dem EU-Haushalt zu erhalten.
Sowohl Wissenschaftler:innen als auch politische Entscheidungsträger:innen haben argumentiert, dass eine stärkere Rolle der europäischen Parteien zu einer „Europäisierung“ der Wahlen und damit zur Demokratisierung der EU insgesamt beitragen könnte. Wenn sich die Europawahlen um überwiegend nationale Themen drehen, fehlt es an einer öffentlichen Debatte über die Richtung, die die Politik auf europäischer Ebene einschlagen sollte.
Die Folge ist ein mangelhaftes demokratisches Mandat der Europaabgeordneten: Sie werden auf der Grundlage nationaler politischer Debatten – möglicherweise sogar zu Themen, die in die nationale Zuständigkeit fallen – gewählt, um über europäische Fragen zu entscheiden. Im besten Fall, nämlich wenn es im Vorfeld der Wahlen zu einer weitreichenden Europäisierung der nationalen Öffentlichkeiten kommt, könnten die Europawahlen eine europäische Debatte auslösen. Diese würde aber immer noch aus nationaler Perspektive, durch eine nationale „Linse“ geführt. Mit anderen Worten: Der dominante Bezugspunkt bleibt die nationale Demokratie, nicht eine übergreifende europäische Ebene.
Anreize zur Annahme einer nationalen Perspektive
Diese Dynamik schafft eine Anreizstruktur für Europaabgeordnete, Themen in erster Linie aus der Perspektive nationaler Interessen und nicht aus der Perspektive des gemeinsamen Interesses der EU zu betrachten. Dies liegt daran, dass ihr politisches Überleben auf nationaler Ebene entschieden wird: Sie müssen von einer nationalen Wählerschaft über nationale Wahllisten (wieder)gewählt werden, die von nationalen politischen Parteien aufgestellt werden. Dies führt zu einem institutionellen Ungleichgewicht in der EU, denn eigentlich sollten die nationalen Interessen durch die Vertreter:innen der Mitgliedstaaten im Ministerrat repräsentiert werden – während die Europaabgeordneten für die verschiedenen weltanschaulichen Sichtweisen der EU-Bürger:innen auf die europäische Politik stehen.
Eine stärkere Rolle der europäischen politischen Parteien kann dieses Problem abmildern. Die europäischen Parteien entwickeln politische Programme, in denen sie ausgehend von ihren jeweiligen weltanschaulichen Grundsätzen spezifische politische Initiativen für die EU vorschlagen. Mit anderen Worten: Sie legen eine politische Agenda für die EU als Ganzes vor, die von nationalen Interessen womöglich inspiriert, aber nicht determiniert ist. Europäische Parteien haben somit die Möglichkeit, öffentliche Debatten über nationale Grenzen hinweg zu führen und die Entwicklung einer transnationalen europäischen Öffentlichkeit zu fördern.
Kaum Einfluss auf die Kandidatenauswahl
Der rechtliche Rahmen schränkt die Rolle der europäischen Parteien bei den Europawahlen jedoch stark ein und macht es ihnen schwer, wirklich grenzüberschreitende Kampagnen zu führen. Ein erstes großes Problem ist, dass die europäischen Parteien keinen Einfluss auf die Auswahl der Kandidat:innen haben: Wie bereits erwähnt, werden die Wahllisten von den nationalen politischen Parteien aufgestellt, was zu nationalen Abhängigkeiten führt.
Um dieses Problem zu lösen, wurden verschiedene institutionelle Reformen vorgeschlagen. Die radikalste Idee ist die Einführung eines gesamteuropäischen Wahlkreises: Eine bestimmte Anzahl von Sitzen im Europäischen Parlament würde nicht über nationale Kontingente, sondern auf dem gesamten Gebiet der EU vergeben. Dafür würden die europäischen Parteien länderübergreifende Listen mit Kandidat:innen aus ganz Europa aufstellen, und alle Bürger:innen hätten die Möglichkeit, unter denselben Wahlvorschlägen zu entscheiden. Dies würde die Rolle der europäischen Parteien erheblich stärken: Sie wären für die Auswahl der Kandidat:innen und für die Durchführung länderübergreifender Wahlkampagnen zuständig.
Die Innovation der Spitzenkandidat:innen
Eine zweite, weniger weitreichende Neuerung ist das sogenannte Spitzenkandidaten-System, das seit 2014 angewandt wird. Die Idee ist, dass jede europäische Partei vor der Europawahl ihre Kandidat:in für die Kommissionspräsidentschaft nominiert. Diese Spitzenkandidat:innen fungieren dann im Wahlkampf als politische Aushängeschilder, die für das politische Programm der europäischen Partei werben und ihr ein „Gesicht“ geben. Eine Stimme für eine nationale Mitgliedspartei kann demnach auch als Zeichen der Unterstützung für die Spitzenkandidat:in von deren europäischer Partei gewertet werden.
Dieses Verfahren ist vergleichbar mit der Situation in den meisten Mitgliedstaaten, in denen die Spitzenkandidat:innen der wichtigsten politischen Parteien um das Amt der Regierungschef:in konkurrieren, aber oft in einem lokalen oder regionalen Wahlkreis kandidieren, der nur einen kleinen Teil des gesamten Staatsgebiets ausmacht. Bei der deutschen Bundestagswahl 2021 war beispielsweise eine Stimme für die SPD auch außerhalb seines Wahlkreises Potsdam ein indirektes Zeichen der Unterstützung für die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz. Nach der gleichen Logik war bei der Europawahl 2019 eine Stimme für die SPD ein Zeichen der Unterstützung für den Spitzenkandidaten der Sozialdemokratischen Partei Europas, Frans Timmermans, für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten.
Doch während das Spitzenkandidaten-System 2014 erfolgreich war, als die EVP als stärkste politische Kraft aus den Wahlen hervorging und ihr Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker Kommissionspräsident wurde, war dies 2019 nicht der Fall: Statt einer Spitzenkandidat:in wurde Ursula von der Leyen an die Spitze der EU-Exekutive gesetzt, die nicht einmal an den Wahlen teilgenommen hatte.
Begrenzte öffentliche Sichtbarkeit
Während die grundsätzliche Idee des Spitzenkandidatenverfahrens einfach ist, gibt es einige praktische und technische Probleme, die seine Umsetzung erschweren. Damit das Verfahren funktioniert, muss den Wähler:innen insbesondere die Verbindung zwischen den nationalen Parteien und den (Spitzenkandidat:innen der) europäischen Parteien bekannt sein. Gegenwärtig ist sich die große Mehrheit der Bürger:innen dieser Verbindung nicht bewusst.
So erscheinen beispielsweise die Namen und/oder Logos der europäischen Parteien nur in wenigen Mitgliedstaaten auf dem Wahlzettel. Auch die nationalen Parteien erwähnen ihre europäische Zugehörigkeit nur selten in ihren Wahlkampfmaterialen und ihrer Wahlkampfkommunikation. Selbst auf den Webseiten taucht sie oft nicht auf, obwohl die nationalen Parteien eigentlich dazu verpflichtet sind (EDC 2021; Auel & Tiemann 2020, 74-80). Mit anderen Worten: Die Aufmerksamkeit und der Zugang der europäischen Parteien zur Öffentlichkeit sind auf nationaler Ebene sehr begrenzt.
Wenig finanzielle Mittel, viele Ausgabenbeschränkungen
Auch andere Aspekte des Rechtsrahmens für die Europawahlen stellen für die europäischen Parteien ein erhebliches Sichtbarkeitshindernis dar. Erstens: Auch wenn die europäischen Parteien inzwischen durchaus beträchtliche öffentliche Mittel erhalten (Wolfs 2022, 53-70), sind diese finanziellen Ressourcen für eine kontinentweite Kampagne nach wie vor sehr begrenzt. Im Jahr 2019 beliefen sich die Wahlkampfausgaben der EVP auf 5,68 Millionen Euro, mehr als doppelt so viel wie die der SPE (2,35 Millionen Euro) und der EGP (2,24 Millionen Euro). Die anderen europäischen Parteien gaben nur einen Bruchteil dieser Beträge aus. Zum Vergleich: Allein die CDU gab für die Europawahl 2014 in Deutschland Wahlkampfausgaben in Höhe von 48,5 Millionen Euro an (Schmälter et al. 2019).
Zweitens: Um in den Genuss der EU-Finanzierung zu kommen, sind die europäischen Parteien zwar verpflichtet, an den Europawahlen teilzunehmen. Gleichzeitig dürfen sie aber die Mittel, die sie erhalten, nicht zur direkten oder indirekten Unterstützung von nationalen Parteien und Kandidat:innen verwenden, insbesondere nicht im Wahlkampf. Dies bedeutet nicht nur eine Einschränkung der Maßnahmen, die sie durchführen können – etwa die Schulung von Kandidat:innen –, sondern ist insbesondere im Hinblick auf das Spitzenkandidatenverfahren problematisch: Das Verbot der (in)direkten Unterstützung von Kandidat:innen bedeutet, dass die europäischen Parteien keine Wahlkampfaktivitäten für ihre Spitzenkandidat:innen in dem Mitgliedstaat finanzieren können, in dem diese auf dem Wahlzettel stehen.
Bei den Europawahlen 2019 konnte die SPE beispielsweise keine Wahlkampfveranstaltungen für Martin Schulz in Deutschland finanzieren, wo er kandidierte. Dies führt zu der paradoxen Situation, dass es für eine Europapartei vorteilhafter sein kann, wenn ihre Spitzenkandidat:in gar nicht auf dem Wahlzettel steht: So durfte die ALDE-Partei 2019 die Wahlkampfaktivitäten von Margrethe Vestager in Dänemark finanzieren, weil sie nicht als offizielle Kandidatin bei den Europawahlen antrat.
Weitere Hindernisse
Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl weiterer Hindernisse, die die Wahlkampfaktivitäten der europäischen Parteien erschweren: Neben den europäischen Vorschriften müssen die Aktivitäten der europäischen Parteien auch den nationalen Wahlkampfvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten entsprechen, die sich zum Teil erheblich unterscheiden.
Einige Länder schreiben einen strengen Wahlkampfzeitraum und eine genaue Obergrenze für Ausgaben oder Einnahmen der Parteien vor, andere nicht. Auch die Ausgaben für digitale Kampagnen oder „Drittparteien“-Kampagnen sind in einigen Ländern geregelt, in anderen nicht. Dies kann besonders problematisch sein, wenn europäische Parteien selbst als „Drittparteien“ betrachtet und dadurch in ihren Wahlkampfmöglichkeiten eingeschränkt werden.
Schließlich stellt die Interaktion zwischen der nationalen und der europäischen Ebene auch die Wahlaufsichtsbehörden vor neue Herausforderungen und erfordert eine umfassende Zusammenarbeit bei der Kontrolle und Durchsetzung der Wahlvorschriften.
Durchbruch durch das neue Wahlgesetz?
Die Entschärfung dieser Probleme war in den letzten Jahren ein wichtiges Thema für (einige) Mitglieder des Europäischen Parlaments. So gab es regelmäßige Vorstöße für eine Überarbeitung des europäischen Wahlsystems im Allgemeinen und die Einführung europaweiter Listen im Besonderen (siehe z.B. Díaz Crego 2022). Die Bereitschaft der Mitgliedstaaten zu weitreichenden Änderungen war jedoch gering.
Die letzte Reform des Europawahlrechts erfolgte 2018 und war in ihrer Reichweite relativ bescheiden. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten lediglich dazu, für Wahlkreise mit mehr als 35 Sitzen eine Sperrklausel zwischen 2 und 5 Prozent festzulegen, und schreibt zudem vor, dass die Parteien ihre Kandidatenlisten in allen Mitgliedstaaten spätestens drei Wochen vor dem Wahltermin einreichen müssen. Da noch nicht alle Mitgliedstaaten die Änderungen ratifiziert haben, sind die neuen Regelungen noch nicht in Kraft getreten.
Ein neuer Vorstoß des Europäischen Parlaments
Dies hat das Europäische Parlament allerdings nicht davon abgehalten, eine neue Revision des europäischen Wahlrechts vorzubereiten. Der Reformvorschlag 2022 enthält einen neuen Vorstoß für eine stärkere Harmonisierung der Regeln. Die Abgeordneten schlagen eine gemeinsame Altersgrenze von 18 Jahren für das passive und von 16 Jahren für das aktive Wahlrecht, eine Harmonisierung der Vorschriften für die Stimmabgabe im Ausland (einschließlich der Verpflichtung, Briefwahl zu ermöglichen), Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit der Wahllokale und einen einheitlichen Wahltag für alle EU-Länder vor.
Der Vorschlag sieht auch die Einrichtung eines EU-weiten Wahlkreises vor, in dem 28 Europaabgeordnete über ein geschlossenes Listensystem gewählt werden sollen. Diese transnationalen Listen könnten von den europäischen Parteien, aber auch von neu gegründeten „europäischen Wählervereinigungen“ oder Wahlbündnissen mehrerer Parteien eingereicht werden. Um die geografische Ausgewogenheit zu fördern, müssen die Kandidat:innen auf den Listen entsprechend der Bevölkerungsgröße ihrer Herkunftsländer gemischt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass auch Kandidat:innen aus kleinen und mittleren Mitgliedstaaten eine Chance haben, im EU-weiten Wahlkreis einen Sitz zu gewinnen. Um die „transnationale“ Aufsicht der Europawahlen zu erleichtern, soll zudem eine neue Europäische Wahlbehörde eingerichtet werden, die den Informationsaustausch zwischen den nationalen Wahlbehörden der 27 Mitgliedstaaten koordiniert.
Da die Mitgliedstaaten jedoch bestenfalls halbherzig bereit sind, auch nur einige der Forderungen des Europäischen Parlaments zu erfüllen, sind die Verhandlungen über die neue Reform derzeit blockiert.
Mitgliedstaaten behalten die Kontrolle
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das derzeitige europäische Wahlsystem hinter den Erwartungen zurückbleibt. Für das Europäische Parlament war die Einführung und Reform der Europawahlen stets ein wichtiges Thema, um die repräsentative Demokratie auf europäischer Ebene – und damit die eigene Legitimation – zu stärken.
Umgekehrt waren die Mitgliedstaaten mit grundlegenden Änderungen des Wahlsystems sehr zurückhaltend und haben stets darauf geachtet, die Kontrolle über die Durchführung der Wahlen zu behalten. Es fehlt deshalb an einer Wahlinfrastruktur, die das demokratische Potenzial der EU voll ausschöpfen könnte. Und obwohl es an Vorschlägen zur Verbesserung der Situation nicht mangelt, sieht es nicht so aus, als ob in absehbarer Zeit eine bedeutsame Reform gelingen wird.
Wouter Wolfs ist Politikwissenschaftler am Public Governance Institute der Universität Leuven und Senior Researcher der flämischen Forschungsstiftung (Fonds voor Wetenschappelijk Onderzoek – Vlaanderen). |
Dieser Beitrag ist Teil des Themenschwerpunkts „Überstaatliches Regieren zwischen Diplomatie und Demokratie – aktuelle Debatten um die Reform der EU“, der in Zusammenarbeit mit dem Online-Magazin Regierungsforschung.de erscheint.
Bilder: Rechenschieber: Marco Verch [CC BY 2.0], via Flickr [original photo here]; Porträt Wouter Wolfs: Joanna Scheffel [alle Rechte vorbehalten]; Europaflagge: Arno Mikkor (EU2017EE) [CC BY 2.0], via Flickr.
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