- Donald Tusk hat gute Aussichten, nächster polnische Premierminister zu werden. Doch der Weg zu einer neuen Regierung ist noch lang und könnte ungemütlich werden.
Am 15. Oktober haben die polnischen Wähler:innen Geschichte geschrieben. Das Land verzeichnete die höchste Wahlbeteiligung aller Zeiten – 74,7 % –, noch höher als bei den ersten demokratischen Wahlen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus (62,7 % bei den Parlamentswahlen 1989; 60,6 % bei den Präsidentschaftswahlen 1990). Diese Wahlbeteiligung ist von entscheidender Bedeutung, denn sie zeigt, wie engagiert die polnische Bevölkerung war und wie deutlich sie der derzeitigen Regierungspartei PiS (EKR) die Fortsetzung ihres Mandats verweigerte.
Die Szenen am Wahltag waren inspirierend. Im ganzen Land und im Ausland bildeten sich stundenlange Schlangen. Die letzte Stimme wurde um 2:48 Uhr nachts von einer Frau, Agata, in Wrocław (Breslau), Niederschlesien, abgegeben. In einigen Wahllokalen gingen sogar die Stimmzettel aus, was zu der Befürchtung führte, dies könnte absichtlich geschehen sein. Der Eindruck war, dass es in den ländlichen Gebieten (wo viele PiS-Wähler:innen leben) leichter war zu wählen als im Ausland und in den städtischen Zentren (wo es viele Oppositionswähler:innen gibt). Die Wahlbeteiligung war ermutigend, aber die Wahl wurde durch das angespannte Umfeld und die ungewissen Folgen überschattet. Weiterhin ringen die Parteien darum, wer Polen in den nächsten Jahren führen wird.
Freie, aber auch faire Wahlen?
Die Debatte über die Länge der Warteschlangen ist Teil einer größeren Diskussion darüber, ob es bei der Wahl frei und fair zuging. Im Vorfeld der Wahl wurden in großem Umfang öffentliche Dienste genutzt, um die Position der Regierungspartei zu stärken.
Die PiS-Regierung unter Mateusz Morawiecki nutzte ihre Kontrolle über den staatlichen Sender TVP Info, um ihre Parteilinie durchzusetzen. (Wie die New York Times berichtet, gab TVP Info 66 % seiner Sendezeit an die PiS und nur 10 % an die wichtigste Oppositionspartei.) Mit staatlichen Mitteln wurden Wahlbeteiligungsprämien ausgezahlt, um die Wahlbeteiligung in ländlichen Gebieten zu fördern. Zudem wurde die Regierungspartei beschuldigt, die staatlich kontrollierte Öl- und Gasgesellschaft Orlen zu nutzen, um vor der Wahl die Benzinpreise künstlich zu drücken.
Auch die Aufnahme von Referendumsfragen auf den Stimmzettel war de facto ein Lackmustest für die Unterstützung der PiS. Die Wähler:innen mussten den Stimmzettel für das Referendum gesondert abgeben, was auch als sichtbares Zeichen dafür verstanden werden konnte, ob ein:e Wähler:in mit der PiS sympathisierte. Die Opposition hatte ihre Wähler:innen zu einem Boykott des Referendums aufgefordert, das schließlich am 50-Prozent-Quorum scheiterte.
Junge, weibliche und „Unsichtbare-Mitte“-Wähler:innen
Unter den Wähler:innen war die Beteiligung vor allem bei drei Gruppen auffällig hoch: Jungwähler:innen, Frauen sowie die normalerweise abwesenden Wähler:innen der „unsichtbaren Mitte“. Die Wahlbeteiligung der 18- bis 29-Jährigen lag bei satten 68,8 % – eine beeindruckende Zahl, vor allem im Vergleich zur Wahlbeteiligung der Jungwähler:innen im Jahr 2019, die nur bei 46,4 % lag. Diesmal gab es mehr Wähler:innen in der Altersgruppe der Unter-29-Jährigen als in der Altersgruppe der Über-65-Jährigen.
Die PiS schnitt bei diesen jungen Wähler:innen nicht gut ab. Ein Grund dafür ist die Pro-EU-Haltung der Jugend im Gegensatz zur EU-feindlichen Haltung der PiS. Ein weiterer Faktor waren die Medien. Anders als die PiS nutzte die Opposition geschickt die sozialen Medien, insbesondere Seiten wie TikTok und Instagram. Andererseits konsumieren jüngere Wähler:innen auch wenig bis gar keine von der PiS kontrollierten Fernseh- und Radiomedien.
Unter den Frauen lag die Wahlbeteiligung bei 74,7 %. Abtreibung war ein zentrales Wahlkampfthema, und viele Frauen beteiligten sich an der Wahl, um auf die scharfe Anti-Abtreibungspolitik und -rhetorik der PiS zu reagieren. Nach einer Umfrage von Pew Research befürworten 56 % der Pol:innen den Zugang zur Abtreibung, auch in kleineren Städte und sogar Dörfern. Dass im Mai 2023 eine 33-jährige Frau, Dorota, and Schwangerschaftskomplikationen verstarb, die durch Polens strenge Abtreibungsgesetze verschlimmert worden waren, brachte Demonstrant:innen auf die Straße und sorgte dafür, dass das Thema für die Wähler:innen in den Vordergrund rückte.
Aggressive PiS-Strategie verschreckt Mitte-Wähler:innen
Die letzte Gruppe mit einer hohen Wahlbeteiligung waren die Wähler der „unsichtbaren Mitte“, also Menschen aus mittelgroßen Städten und mittleren Alters. Diese Gruppe ist für ihre Apathie bekannt; normalerweise fühlt sie sich nicht verpflichtet oder inspiriert, zur Wahl zu gehen. Doch dieses Mal trieb die PiS mit ihrer aggressiven Strategie des Tusk-Bashings und der Polarisierung die Menschen zum Handeln. Anders als 2015 und 2019 richtete sich das Angebot der PiS an den harten Kern ihrer eigenen Parteianhänger:innen, nicht an die politische Mitte.
Das hatte mehrere Folgen: Erstens trieb es die normalerweise apathischen Wähler:innen an die politischen Pole. Zweitens brachte es gemäßigte potenzielle PiS-Wähler:innen dazu, andere Parteien zu wählen, in diesem Fall PO (EVP) oder TD (ein Bündnis aus PSL/EVP und PL2050/ ALDE-nah). Ein drittes Ergebnis war, dass die übliche PiS-Dominanz in ländlichen Regionen schwächer ausfiel als sonst. In polnischen Dörfern – typischerweise PiS-Hochburgen – sank der Stimmenanteil der PiS um 11 Prozentpunkte, von 56 % im Jahr 2019 auf 45 % in diesem Jahr. Die Wahlbeteiligung im ländlichen Raum war zwar höher als in den Städten, aber die Wähler:innen entschieden sich ebenso häufig für die Opposition wie für die PiS.
Die alte Regierung verfehlt die Mehrheit
Im Ergebnis verteilen sich die Parlamentssitze auf fünf Gruppierungen. Jarosław Kaczyńskis Prawo i Sprawiedliwość (PiS/ECR) erhielt 35,4 % der Stimmen und damit 194 Sitze im 460 Sitze zählenden Unterhaus des polnischen Parlaments, dem Sejm. Damit fehlen der alten Regierung 36 Sitze zur Mehrheit. Zweite Kraft ist die Koalicja Obywatelska (KO), ein Mitte-Rechts-Bündnis, das von der PO/EVP dominiert wird, dem aber unter anderem auch die Zieloni/EGP angehören. Unter Führung des ehemaligen PO-Premierministers und ehemaligen Präsidenten des Europäischen Rates Donald Tusk erhielt die KO 30,7 % der Stimmen und 157 Sitze.
Danach kam Trzecia Droga (TD), ein Mitte-rechts-Bündnis aus Szymon Hołownias PL2050 (ALDE-nah) und PSL (EVP). Mit 14,4 % der Stimmen erreichte es 65 Sitze im Parlament. Lewica, ein Linksbündnis aus drei kleinen Parteien, erhielt 8,6 % der Stimmen und 26 Sitze. Und die neue Rechtsaußenpartei Konfederacja kam auf 7,2 % der Stimmen und 18 Sitze.
Im Oberhaus des Parlaments, dem Senat, erreichte der Pakt Senacki (ein Bündnis aus KO, PSL, PL2050 und Lewica) 66 Sitze gegenüber 34 Sitzen der PiS.
PiS – Paria unter den möglichen Koalitionspartnern
Die PiS „gewann“ also die Wahl, da sie die meisten Sitzen holte. Sie verfehlte aber die Mehrheit im Parlament, und beide Parteien, die für eine Koalition in Frage kämen, haben dies öffentlich abgelehnt. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die PiS in den Wochen vor der Wahl ihre Beziehungen zu anderen Parteien massiv beschädigt hat.
Zum einen hat die Konfederacja erklärt, dass sie keine Koalition mit der PiS eingehen werde – und selbst wenn sie es täte, würde ein solches Bündnis im Parlament nicht genügend Sitze erreichen. Zum anderen hat sich auch die einem Bündnis mit der PiS verweigert, da dem Parteivorsitzenden zufolge das polnische Volk eindeutig für einen Wandel gestimmt habe und eine Allianz mit der PiS dem zuwiderlaufen würde.
Allerdings ist die PSL für ihre hohe Bereitschaft bekannt, mit allen möglichen Partnern Koalitionen einzugehen. (In einem polnischen Witz fragt ein Fernsehteam die PSL-Führung: „Wer wird die Wahl gewinnen?“ Und der PSL-Chef antwortet selbstbewusst: „Unser nächster Koalitionspartner natürlich!“) Es gibt deshalb einen Restzweifel daran, ob die PSL ihr Versprechen, keine Koalition mit der PiS einzugehen, tatsächlich einhalten wird – zumal die PiS hinter verschlossenen Türen hartnäckig versuchen dürfte, die PSL umzustimmen.
Der Ball liegt bei Präsident Duda
Klar ist aber, dass nach dem Wahlergebnis eine mögliche Koalition aus KO, TD und Lewica im Parlament eine Mehrheit von 248 Sitzen hätte. An dieser Stelle werden die Dinge ein wenig haarig. Da die PiS technisch gesehen die meisten Sitze hat und der polnische Präsident Andrzej Duda der PiS angehört, wird er der Partei voraussichtlich als Erstes die Chance geben, eine Regierungskoalition zu bilden. Dies wird den Prozess in die Länge ziehen und für ein gewisses Chaos sorgen (in dessen Verlauf viele Dinge passieren könnten, mehr dazu gleich). Am Ende ist es aber wahrscheinlich, dass die PiS keine Regierung bilden kann, die die erforderliche Vertrauensabstimmung übersteht, und dass eine KO-TD-Lewica-Koalition zustande kommt.
Inzwischen liegen die Wahlen zwei Wochen zurück, und Präsident Duda hat die Opposition noch nicht aufgefordert, eine Regierung zu bilden. Nach Art. 109 der polnischen Verfassung muss der Präsident innerhalb von 30 Tagen eine Sitzung des neuen Parlaments einberufen, die von einer von ihm ernannten Premierminister:in geleitet wird. Innerhalb der Opposition gibt es Gespräche, um die Verzögerung zu umgehen: Durch einen Koalitionsvertrag mit Unterschriften von Abgeordneten könnte Duda gezeigt werden, dass bereits eine tragfähige Regierung gebildet werden kann. Es wird jedoch allgemein erwartet, dass Duda darauf nicht eingeht und stattdessen eine PiS-Kandidat:in benennt. Diese designierte Premierminister:in wird dann eine Regierung vorschlagen, die Duda innerhalb von 14 Tagen nach der ersten Parlamentssitzung, also spätestens Ende November, ernennen muss (Art. 154 (1) polnische Verfassung).
Die neue (PiS-geführte) Regierung muss dann ihr Regierungsprogramm vorlegen und sich innerhalb von 14 Tagen einer Vertrauensabstimmung im Sejm stellen (Art. 154 (2) polnische Verfassung). Bei dieser Abstimmung wird die PiS die erforderliche Mehrheit wahrscheinlich nicht erreichen – sofern niemand die Seiten wechselt, was allerdings nicht ausgeschlossen ist. In ihrem verzweifelten Bemühen, eine Koalition zu bilden, um an der Macht zu bleiben, bietet die PiS potenziellen Koalitionspartnern in den Regierungsverhandlungen wahrscheinlich einige sehr verlockende Angebote.
KO-TD-Lewica-Koalition im Entstehen
Wenn die PiS bei der Vertrauensabstimmung scheitert, hat das Parlament erneut 14 Tage Zeit, eine neue Premierminister:in und eine neue Regierung zu wählen und eine Vertrauensabstimmung darüber durchzuführen (Art. 154 (3) polnische Verfassung). Diese neue Regierung wird wahrscheinlich aus KO, TD und Lewica bestehen.
Eine Koalitionsvereinbarung zwischen diesen drei Parteien wird intensive Verhandlungen nötig machen, da jede die anderen für die neue Regierung braucht. Gleichzeitig gibt es viele Unterschiede zwischen den Parteien – was sie hauptsächlich eint, ist nur ihre gemeinsame Abneigung gegen die PiS. Voraussichtlich wird es zu einem heftigen Gerangel um wichtige Ministerposten und zu Meinungsverschiedenheiten darüber kommen, wie die Politik der PiS zurückgedrängt werden kann und welcher Kurs stattdessen eingeschlagen werden soll.
Im schlimmsten Fall könnte es sein, dass überhaupt keine Regierung die Vertrauensabstimmung übersteht. In diesem Fall muss Duda das Parlament auflösen und Neuwahlen innerhalb von 45 Tagen ausrufen. Angesichts der Entschlossenheit von KO, TD und Lewica, die derzeitige PiS-Regierung abzulösen, ist dies jedoch unwahrscheinlich.
Noch ein weiter Weg
Auf jeden Fall aber ist der Weg zu einer neuen Regierung noch lang und könnte in den nächsten Wochen ungemütlich werden. Der PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński hat bereits behauptet, dass „ausländische Einmischung“ die polnischen Wähler:innen beeinflusst haben könnte. Der PiS-Abgeordnete Antoni Macierewicz beschuldigte den TD-Vorsitzenden, Verbindungen zum russischen Geheimdienst zu unterhalten. PiS-Sprecher:innen und parteinahe Medien haben davor gewarnt, dass eine Oppositionsregierung zu einem „Vierten Reich“, einem „Dritten Weltkrieg“ und dem Zusammenbruch der polnischen Gesellschaft führen würde.
Was passieren könnte, wenn die PiS und Präsident Duda die Koalitionsbildung verzögern und den Zeitplan für die Regierungsbildung verschieben, ist Gegenstand zahlreicher Spekulationen: Es ist möglich, dass die PSL die Seiten wechselt. Es ist möglich, dass die von der PiS ernannten Richter:innen einen Weg suchen, um die Wahl für ungültig zu erklären. Es ist möglich, dass eine zu spät gebildete Oppositionskoalition die Frist für die Verabschiedung des Haushalts Ende Januar 2024 verpasst, was dem Präsidenten die Möglichkeit gäbe, das Parlament aufzulösen (Art. 225 polnische Verfassung). In den beiden letztgenannten Fällen müsste Polen allerdings Neuwahlen abhalten, und die PiS würde dann wahrscheinlich noch schlechter abschneiden, da die Pol:innen sehr unwirsch auf eine Annullierung der Wahlergebnisse vom Oktober 2023 reagieren dürften.
PiS steht vor einer politischen und rechtlichen Abrechnung
Ein weiteres Motiv für die Verzögerung ist Selbstschutz. Die neue Koalition hat nicht viele Gemeinsamkeiten – aber eine Sache, die sie eint, ist ihre extreme Abneigung gegen die PiS-Regierung und deren Regierungshandeln. Zahlreiche PiS-Getreue müssen deshalb mit ihrer Entfernung aus Machtpositionen in Behörden und Staatsunternehmen rechnen.
Dies gilt insbesondere für die Justiz, die in den letzten Jahren im Zentrum der polnischen Rechtsstaatskrise stand. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass eine neue Regierung den Nationalen Medienrat schließen wird – eine polnische Regierungsbehörde, die die Macht hat, in den staatlichen Medien tätiges Personal einzustellen und zu entlassen, und die Kritiker:innen als Schlüssel der Regierungskontrolle über die staatlichen Medien sehen. Die staatliche Ölgesellschaft Orlen, die vom ehemaligen PiS-Politiker Daniel Obajtek geleitet wird und sowohl das wichtigste Pressevertriebsunternehmen des Landes, Ruch S.A., als auch die wichtigste lokale Zeitungsgruppe, Polska Press, kontrolliert, dürfte ebenfalls umstrukturiert werden.
Es ist zu erwarten, dass einige dieser Personen wegen Verstößen gegen die Verfassung vor Gericht gestellt werden. Das politische Programm von KO sieht vor, jede:n zu verfolgen, der gegen die Verfassung oder die Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat. Vor diesem Hintergrund könnte sogar Präsident Duda selbst angeklagt werden, etwa wegen seiner Weigerung von 2015, ordnungsgemäß gewählte Richter:innen des polnischen Verfassungsgerichts zu vereidigen. Weitere prominente Kandidaten für eine mögliche Strafverfolgung sind Premierminister Morawiecki, PiS-Chef Kaczyński, Justizminister Zbigniew Ziobro, Zentralbankgouverneur Adam Glapiński und Orlen-Chef Obajtek.
Es gibt bereits Berichte über Versuche von Regierungsstellen, Spuren von Fehlverhalten zu vernichten – so wurden beispielsweise von mehreren staatlichen Einrichtungen Papierschredder bestellt oder repariert. (Die Überprüfung und Vernichtung von Dokumenten wird in der Regel zu Beginn des Kalenderjahres abgeschlossen, sodass die Bestellung direkt nach der Wahl jedenfalls ungewöhnlich ist.) Die PiS hat solche Berichte als „Angstmacherei der Opposition“ abgetan.
Friedlicher Machtwechsel oder autoritäre Wende?
Es ist ungewiss, ob die PiS in sich gehen und ernsthaft darüber nachdenken kann, welchen Schaden ihre polarisierende Kampagne angerichtet hat und wie unbeliebt die Partei geworden ist. Angesichts der Äußerungen der PiS-Führung scheint dies unwahrscheinlich, aber zweifellos gibt es auch PiS-Mitglieder, die die Linie ihrer Partei kritischer sehen. Ohne ihren Einfluss auf die staatlich kontrollierten Medien (TVP Info und Polskie Radio) und Institutionen (Gerichte, Unternehmen) wird die PiS in Zukunft erheblich geschwächt sein – was einige Parteistrateg:innen dazu veranlassen könnte, die Seiten zu wechseln und sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Die bevorstehenden Kommunalwahlen im Frühling 2024 werden zeigen, wohin die Reise geht.
Polen steht am Scheideweg, und die PiS muss eine Richtung wählen: Entweder sie erkennt an, dass die Pol:innen ihr bei einer historischen Wahlbeteiligung kein Mandat gegeben haben, und lässt sich auf einen friedlichen Machtwechsel ein – oder sie ignoriert das Ergebnis, setzt eine eigene Koalition durch oder diskreditiert die Wahl und konsolidiert ihre Macht, um ein eindeutig autoritäres System zu schaffen. Im ersteren Fall hat Polen fürs Erste einen neuen Kurs eingeschlagen. Im letzteren Fall werden Polens derzeitige Verbündete schnell und unmissverständlich reagieren, und auch die Pol:innen, denen der von ihnen gewählte Wandel verwehrt bleibt, werden ihre Ablehnung vehement zum Ausdruck bringen, wahrscheinlich in einer Weise, wie es sie seit den 1980er Jahren nicht mehr gegeben hat.
Cordelia Buchanan Ponczek ist Visiting Research Fellow am Finnish Institute of International Affairs (FIIA) sowie Clarendon Scholar und Doktorandin an der Universität Oxford. |
Bilder: Donald Tusk: European People’s Party [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons; Porträt Cordelia Buchanan Ponczek: Finnish Institute of International Affairs [alle Rechte vorbehalten].
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