Vor der Bundestagswahl am 23. Februar steht Deutschland vor einer Vielzahl von strukturellen Herausforderungen. Außen- und wirtschaftspolitisch stellen die wachsenden geopolitischen Spannungen – das Ende der russischen Energieimporte, die Unsicherheiten um die Wirtschaftspartnerschaft mit China und die Aussicht auf eine unfreundliche US-Regierung unter Donald Trump – das bisherige deutsche Erfolgsmodell in Frage.
Innenpolitisch kämpft Berlin mit den Folgen anhaltender Unterinvestitionen in die öffentliche Infrastruktur, einer eingeschränkten Innovationsfähigkeit und einem schwachen Produktivitätswachstum. Obwohl das Land auf die Einwanderung von Arbeitskräften angewiesen ist, ist die öffentliche Stimmung zunehmend migrationsfeindlich geworden. Zugleich schränkt der Aufstieg der rechtsextremen AfD (ESN) auch die Koalitionsoptionen nach der Wahl erheblich ein und führt zu Konflikten zwischen den Parteien der Mitte über die Zukunft der „Brandmauer“.
Europapolitische Rückschläge
Das alles hat sich auch auf Deutschlands Rolle in der Europäischen Union ausgewirkt. Die Ampel-Koalition startete 2021 mit hohen europapolitischen Ambitionen in die Legislaturperiode. Doch seitdem haben sowohl die deutsche Führungsrolle in der EU als auch die langjährige Partnerschaft mit Frankreich Rückschläge erlitten. Nicht zuletzt Deutschlands Reaktionen auf die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen haben Kritik ausgelöst und die Glaubwürdigkeit des Landes beschädigt.
Gleichzeitig haben sich keine glaubwürdigen Alternativen herauskristallisiert, die die führende Rolle des deutsch-französischen Tandems ersetzen könnten. Im Gegenteil: Viele andere EU-Mitgliedstaaten haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie Deutschland. Auch wenn die jüngsten Entwicklungen Deutschlands Status in der EU beeinträchtigt haben, wird die Union ihre internen und internationalen Krisen kaum ohne Deutschlands Beitrag und Führungsrolle bewältigen können. Doch eine Lösung für die zahlreichen strukturellen Probleme wird nicht einfach zu finden sein: Selbst wenn die nächste deutsche Bundesregierung stabiler ist, als es die Ampel zuletzt war, bleibt sie denselben wirtschaftlichen Zwängen und demselben innenpolitischem Druck ausgesetzt.
In einem neuen Briefing Paper für das Finnish Institute of International Affairs (FIIA) werfen meine Kolleg:innen und ich einen Blick auf die Lage in Deutschland vor der Bundestagswahl. Das vollständige Briefing Paper (auf Englisch) ist hier zu finden.
Außerdem organisiert FIIA am kommenden Mittwoch, 13. Februar, eine Diskussionsveranstaltung zur Bundestagswahl im Auditorium des finnischen Parlaments in Helsinki. Als Gastredner begrüßen wir Nicolai von Ondarza, Leiter der Forschungsgruppe EU/Europa der Stiftung Wissenschaft und Politik. Mehr Informationen zu der Veranstaltung gibt es hier.
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