16 August 2019

Fünf Jahre Europawahl-Sitzprojektionen: Was bewegte 2014-19 die europäischen Wahlumfragen?

Kurzfristige Sprünge haben meist nationale Ursachen, aber der langfristige Trend ist gesamteuropäisch.
Nach der Europawahl 2014 begann dieses Blog (damals als erstes europäisches Medium) regelmäßige Sitzprojektionen für das Europäische Parlament zu veröffentlichen, die im Achtwochenrhythmus vermessen, wie beliebt die europäischen Parteien bei ihren Wählerinnen und Wählern sind. Da es keine gesamteuropäischen Wahlumfragen gibt, handelt es sich bei der Projektion zwar jeweils um eine Aggregation nationaler Umfragen, die sich meist auf nationale Parlamentswahlen beziehen und auch sonst mit einer Reihe von methodischen Problemen einhergehen. Andererseits ist auch ein verschwommenes Bild besser als überhaupt kein Bild – und wie die Europawahl gezeigt hat, lag die Projektion letztlich auch nicht allzu fern von dem realen Ergebnis.

Inzwischen summieren sich die Projektionen zu einer Zeitreihe von fünf Jahren, in denen europapolitisch nicht nur allgemein einiges los war, sondern auch die europäische Parteienlandschaft sich verändert hat. Die Verlaufsgrafik, mit der dieser Artikel illustriert ist, zeigt das Auf und Ab der europäischen Fraktionen in der Sitzprojektion und lässt einige Sprünge, Brüche und Trends erkennen. Was aber sorgte für diese Bewegungen? Wurden sie vor allem durch Ereignisse der nationalen Politik in den Mitgliedstaaten getrieben, die sich über nationale Umfragen auf die gesamteuropäische Sitzprojektion niederschlugen? Oder ist die europäische Öffentlichkeit schon so weit fortgeschritten, dass bestimmte europapolitische Ereignisse europaweit die Umfragen beeinflussten?

Europäische und nationale Ereignisse

Die zweite Grafik (hier in höherer Auflösung) kontrastiert den Verlauf der Umfragen mit wichtigen Ereignissen der letzten Wahlperiode, die sich wenigstens potenziell auf die politische Stimmung in der EU hätten auswirken können:


Blau markiert sind dabei europapolitische Ereignisse im engeren Sinn:
  • die Grexit-Krise Mitte 2015, als die griechische Regierung ein Referendum über die Bedingungen der EU-Hilfskredite durchführte und für einige Wochen der Austritt Griechenlands aus der Eurozone als eine plausible Möglichkeit erschien;
  • die Flüchtlingskrise im September 2015, als eine große Zahl hauptsächlich syrischer Flüchtlinge Europa erreichte, zahlreiche Mitgliedstaaten Grenzkontrollen einführten und der EU-Rat eine Umverteilung von Asylbewerbern unter den Mitgliedstaaten beschloss (die später großteils nicht umgesetzt wurde);
  • das Brexit-Referendum am 23. Juni 2016, bei dem eine knappe Mehrheit der britischen Bevölkerung für den Austritt aus der EU stimmte, sowie
  • die wichtigen und umstrittenen Parlamentsabstimmungen über die Datenschutz-Grundverordnung (14.4.2016) und die Urheberrechtsreform (26.3.2019).

Violett gekennzeichnet sind partei- bzw. koalitionspolitische Ereignisse – Ereignisse, die, würden sie auf nationaler Ebene geschehen, mit großer Sicherheit die politische Debatte dominieren würden und sich auch auf die Wahrnehmung der Parteien niederschlagen würden:

Grün markiert sind wichtige Ereignisse der nationalen Politik einzelner Mitgliedstaaten, die sich auf die gesamteuropäische Sitzprojektion niederschlugen oder hätten niederschlagen können:

Orange markiert sind Vorfälle, die sich auf die Gesamtsitzzahl in der Projektion auswirkten. Das betrifft ausschließlich Ereignisse rund um den Brexit:
  • Als das Vereinigte Königreich am 29. März 2017 die Artikel-50-Notifikation sandte, mit der die Zweijahresfrist bis zum Austritt zu laufen begann, wurden die britischen Sitze aus der Projektion herausgenommen, sodass sich die Gesamtsitzzahl in der Projektion von 751 auf 678 reduzierte.
  • Im Juni 2018 beschloss der Europäische Rat, 27 der ehemals britischen Sitze nach dem Brexit auf andere Mitgliedstaaten umzuverteilen. In der Folge erhöhte sich die Sitzzahl der Projektion von 678 auf 705.
  • Im Frühling 2019 beantragte das Vereinigte Königreich zweimal eine Verschiebung des Austrittsdatums, das daraufhin auf die Zeit nach der Europawahl, nämlich den 31. Oktober 2019, verlegt wurde. Seitdem präsentiert die Projektion zwei Szenarien: 751 Sitze mit dem Vereinigten Königreich oder 705 ohne.

Rot gekennzeichnet sind schließlich Ereignisse, bei denen größere nationale Parteien die Fraktion im Europäischen Parlament wechselten.
  • Das betrifft vor allem die deutsche AfD, die sich nach der Europawahl 2019 zunächst der EKR-Fraktion anschloss. Nach der ersten Parteispaltung wurden die verbliebenen zwei AfD-Abgeordneten im Frühling 2016 jedoch aus der Fraktion ausgeschlossen; daraufhin wechselte Beatrix von Storch zur EFDD, während Marcus Pretzell in die ENF eintrat. Nach der zweiten Parteispaltung verließ im Oktober 2017 auch Pretzell die Partei, sodass von Storch bzw. ihr Nachfolger Jörg Meuthen als letztes AfD-Mitglied im Parlament verblieb. Im April 2019 kündigte Meuthen schließlich den ENF-Beitritt der AfD nach der Europawahl an. In der Projektion wurde die AfD deshalb von 2014 bis 2016 der EKR, von 2016 bis 2017 der ENF, von 2017 bis 2019 der EFDD und in der letzten Projektion vor der Wahl 2019 wiederum der ENF zugerechnet.
  • Die zweite große Partei, die während der Wahlperiode einen Wechsel ankündigte, war das italienische M5S, das im März 2018 erklärte, die EFDD-Fraktion nach der Europawahl 2019 verlassen zu wollen. In der Projektion wurde das M5S deshalb ab diesem Zeitpunkt als „weitere Partei“ ohne klare Zuordnung geführt.

Brexitbedingte Sitzzahl-Sprünge

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Die Ereignisse, die im Lauf der Wahlperiode die größten Sprünge in der Projektion auslösten, waren recht offensichtlich die orangen und die roten. Wenn große Parteien die Fraktion wechseln oder – wie im Fall des Brexit – ganz aus dem Parlament ausscheiden, so führt dies oft unmittelbar zu größeren Verschiebungen.

So ist nach der Artikel-50-Notifikation (29.3.2017) deutlich sichtbar, wie das Ausscheiden der Labour Party und der Conservatives aus der Projektion sich negativ auf die S&D- bzw. die EKR-Fraktion niederschlug, während die Verschiebung des Brexit (Frühling 2019) beiden Fraktionen wieder Luft verschaffte. Die 27 zusätzlichen Sitze (13.6.2018) wiederum kamen ganz unterschiedlichen Fraktionen zugute, unter anderem auch der EVP, die in Großbritannien selbst überhaupt nicht vertreten ist. Durch die Verschiebung des Brexit verlor die EVP diese zusätzlichen Sitze in der Projektion wieder. All diese Veränderungen sind in der Verlaufsgrafik als Sprünge, an denen die Zeitreihe unterbrochen ist, deutlich zu sehen.

Fraktionswechsel bringen plötzliche Verschiebungen

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Und auch die Fraktionswechsel der AfD sind in der Projektion klar zu erkennen. Auch wenn diese in der Realität jeweils nur einzelne Abgeordnete im Parlament betrafen, führten sie aufgrund der starken Umfragewerte der AfD zu starken Ausschlägen in der Projektion. Gleiches gilt für die Ankündigung des M5S im März 2018, die zu dem größten Anstieg der „Weiteren“-Gruppe in der ganzen Wahlperiode führte.

Dass die (zwar nicht gerade häufigen, aber auch nicht sehr seltenen) Fraktionswechsel einzelner Parteien so große Auswirkungen auf die Projektion haben können, ist natürlich ein Problem für die Verlaufsgrafik, die dadurch plötzliche Umschwünge in der öffentlichen Meinung suggeriert, die in dieser Form gar nicht stattgefunden haben. Immerhin: Im Fall der AfD entsprachen die Übertritte von der EKR zur EFDD und dann zur ENF der immer stärkeren Rechtsaußenpositionierung der Partei – und, wie man vermuten darf, ihrer Wähler. Insofern spiegelt die sinkende Kurve der EKR und die steigende Kurve der ENF also durchaus eine Veränderung in der europäischen politischen Stimmung wider, auch wenn diese in der Realität nicht so plötzlich erfolgte, wie die Sprünge in der Projektion nahelegen.

Sprünge in einzelnen Ländern können die Projektion bewegen

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Neben den orange und den rot markierten Ereignissen lösten auch die grünen verschiedentlich größere Veränderungen in der Projektion aus. Auch hier handelt es sich allerdings nur begrenzt um gesamteuropäische Phänomene, sondern eher um schnelle Veränderungen der Wählerstimmung in einzelnen Mitgliedstaaten, oft bedingt durch nationale Wahlkämpfe. So sorgte der starke Lauf der Syriza vor der griechischen Parlamentswahl im Januar 2015 (zusammen mit den gleichzeitigen guten Werten der spanischen Podemos) für einen Höhenflug der GUE/NGL. Der Einbruch der PO bei der polnischen Wahl im Oktober 2015 wiederum bescherte der EVP-Kurve einen Knick.

Allerdings sind auch nicht alle plötzlichen Meinungsumschwünge in einzelnen Mitgliedstaaten in der Projektion sichtbar: Der „Schulz-Effekt“ der deutschen SPD beispielsweise wurde in der Projektion von März 2017 weitgehend durch die gleichzeitig eher schwachen Umfragewerte der sozialdemokratischen Parteien in anderen Ländern überlagert – und hatte acht Wochen später seinen Zenit bereits wieder überschritten.

Ein Sonderfall: die seltenen französischen Umfragen

Ein Sonderfall des Effekts, dass Veränderungen in einzelnen Mitgliedstaaten stark auf die europäische Projektion durchschlagen können, zeigt sich schließlich am Erfolg der neu gegründeten LREM (ALDE zugerechnet) und dem schwachen Abschneiden von PS (S&D) und FN (ENF) bei der französischen Parlamentswahl im Juni 2017. Der Sprung fiel hier besonders deutlich aus, da es in Frankreich generell kaum Umfragen gibt, die nach der Wahlabsicht bei Parlamentswahlen fragen. (Regelmäßige Umfragen erfolgen lediglich zu den nationalen Präsidentschaftswahlen, die aber für die Projektion nicht berücksichtigt werden.) Deshalb beruhten die Werte in der Projektion bis Mitte 2017 auf den Ergebnissen der Europawahl 2014 – als der FN die stärkste Kraft gewesen war und es LREM noch gar nicht gegeben hatte.

Und damit nicht genug: Nach der nationalen Parlamentswahl gab es erneut mehrere Monate lang keine französischen Umfragen mehr, bis Ende 2017/Anfang 2018 erste Umfragen zur Europawahl erschienen. In der Zwischenzeit hatte sich die Stimmung in Frankreich erneut stark gewandelt. In der Projektion kam es deshalb wiederum zu einem Sprung, bei dem LR (EVP) und LREM (ALDE) verloren, FI (GUE/NGL) und FN (ENF) gewannen.

Europäische Ereignisse haben kurzfristig oft nur wenig Effekt

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Im Vergleich zu diesen nationalen Ereignissen hatten gesamteuropäische Ereignisse hingegen nur geringe oder keine kurzfristigen Effekte auf die Wahlumfragen. Dies gilt besonders für die partei- bzw. koalitionspolitischen Ereignisse in violetter Farbe. Dass Pittella die Große Koalition aufkündigte, bewegte die Umfragen ebenso wenig wie die Wahlparteitage zur Ernennung der Spitzenkandidaten – von einem convention bounce, wie man ihn von US-amerikanischen Wahlen kennt, ist in der Verlaufsgrafik nichts zu erkennen. Das könnte daran liegen, dass der Effekt der Parteitage zu kurzfristig war, um in der achtwöchentlichen Projektion erfasst zu werden. Wahrscheinlicher ist aber eine andere Erklärung: Angesichts des geringen Medieninteresses dürften die meisten europäischen Bürgerinnen und Bürger von diesen Ereignissen schlicht nicht viel mitbekommen haben.

Aber auch die blau markierten Ereignisse, die in den Medien stärker diskutiert wurden, führten nicht immer zu erkennbaren Sprüngen in der Projektion. Die Datenschutz-Grundverordnung oder die Urheberrechtsreform waren zwar heftig umstritten, hatten aber keinen klaren Effekt auf die europäischen Umfragen.

Grexit- und Brexit-Krise schlugen sich europaweit nieder

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Etwas anders liegt die Sache mit der Grexit-Krise im Sommer 2015, die mit dem Ende des GUE/NGL-Höheflugs zu Beginn jenes Jahres zusammenfiel: Nachdem die griechische Regierung die Bedingungen der EU-Hilfskredite entgegen dem nationalen Referendum letztlich doch akzeptiert hatte, erfuhr nicht nur Syriza Einbußen in der Wählergunst, sondern insbesondere auch die spanische Podemos. Dies könnte damit zusammenhängen, dass mit dem Scheitern der griechischen Regierung auch in anderen Ländern die Hoffnung verblasste, dass Linksparteien eine grundsätzliche Wende gegen die ungeliebte Austeritätspolitik würden einleiten können. Allerdings spielten bei dem Niedergang von Podemos auch andere Gründe der nationalen spanischen Politik eine Rolle.

Ein anderer Effekt ist in Bezug auf das Brexit-Referendum (23.6.2016) sowie die Artikel-50-Notifikation (29.3.2017) zu beobachten: Die beiden Ereignisse verschafften kurzfristig jeweils allen drei großen proeuropäischen Fraktionen der Mitte – EVP, S&D, ALDE – Auftrieb, während europaskeptisch-rechte Parteien in den Umfragen verloren. In den darauffolgenden Umfragen verblasste ein Teil dieses Effekts freilich rasch wieder. Die beiden Ereignisse rund um den Brexit sind damit der deutlichste Fall für europaweit geteilte kurzfristige Schübe in der öffentlichen Meinung. Das dürfte kein Zufall sein, handelte es sich doch zugleich auch um die Gelegenheit, bei der die grundsätzliche Frage, ob die EU eine Zukunft hat, europaweit die größte mediale Sichtbarkeit gewann. Angesichts des Brexit waren Verletzlichkeit und Umkehrbarkeit der europäischen Integration in der öffentlichen Debatte so präsent war wie nie zuvor, und diese Sorge schlug sich offenbar auch in den Wahlumfragen nieder.

Polarisierung zwischen Kosmopoliten und Nativisten

Ein besonderer Fall ist schließlich auch die Flüchtlingskrise im September 2015: Diese ging zum einen kurzfristig mit besseren Umfragewerten der einwanderungsfeindlichen Rechtsfraktionen EFDD und ENF einher. Zum anderen aber scheint sie auch zu einer längerfristigen Transformation der europäischen Parteienlandschaft beigetragen zu haben, denn im Lauf des folgenden Jahres verstärkte sich der (schon zuvor erkennbare) Niedergang der traditionellen Volksparteien EVP und S&D deutlich, während ALDE, EKR und ENF dazugewannen.

Die Flüchtlingskrise lässt sich damit als sichtbarstes Einzelereignis im Rahmen eines längerfristigen Trends verstehen, in dem der Gegensatz zwischen Weltoffenheit und Nativismus (bzw. zwischen Inklusion und Exklusion von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen wie Minderheiten und Migranten) gegenüber anderen politischen Trennlinien an Bedeutung gewinnt. Im Zuge dieser Koordinatenverschiebung verloren die in Sachen Weltoffenheit und Migration oft eher ambivalenten traditionellen Volksparteien, während die Parteien am kosmopolitischen und am nativistischen Pol in der Wählergunst zulegten.

Europaweit gemeinsame Trends

Diese Entwicklung zeigte sich nicht in jedem einzelnen Land in gleichem Ausmaß, und sie hatte auch nicht überall dieselbe Bedeutung, da die Parteiensysteme in den EU-Mitgliedstaaten nicht identisch sind: So gilt in manchen Ländern (wie Deutschland) eine Regierungsbeteiligung von Parteien rechts der EVP als fast undenkbar, in anderen (wie Polen) ist sie Normalität; in manchen Ländern (wie Frankreich) definieren sich liberale Parteien geradezu als Gegenpol zur politischen Rechten, in anderen (wie Dänemark) fungieren ALDE-Mitglieder als die große Mitte-rechts-Volkspartei und grenzen sich weit weniger deutlich nach rechts ab. Es sind deshalb nicht überall dieselben Parteien, die mit einer dezidiert kosmopolitisch-inkludierenden Haltung punkten können: Während diese Rolle in einigen Ländern (wie Frankreich oder Rumänien) den Liberalen zufällt, profitieren anderswo die Grünen (wie in Deutschland) oder sogar sozialdemokratische Parteien (wie Wiosna in Polen).

Andererseits sind die verschiedenen nationalen Parteiensysteme aber auch nicht vollkommen unterschiedlich – und deshalb schlägt sich die gesamteuropäische Polarisierung zwischen Inklusion und Exklusion zuletzt eben doch auch auf gesamteuropäischer Ebene nieder. Jedenfalls zeigt die Projektion (und das Ergebnis der Europawahl) eine Reihe von langfristigen Trends, die sich gut damit erklären lassen: der nahezu kontinuierliche Niedergang von EVP und S&D, der Aufstieg der Fraktionen aus dem linksliberal-kosmopolitischen Spektrum (bis Mitte 2017 vor allem der ALDE, danach vor allem der G/EFA) sowie die ebenfalls recht kontinuierlichen, nur von Mitte 2016 bis Mitte 2017 unterbrochenen Zugewinne der nationalistischen Rechten.

Kurzfristige und langfristige Effekte

Und was bedeutet dies nun für die europäische Öffentlichkeit? Wie sich zeigt, ist diese in der Regel noch nicht so ausgeprägt, dass europapolitische Ereignisse die Wahlabsichten in der Bevölkerung kurzfristig stark und in europaweit ähnlicher Weise bewegen würden. Wenn eine Fraktion in der Verlaufsgrafik sprunghaft Sitze gewinnt oder verliert, so liegt das meist entweder daran, dass sich die Wählergunst in einem einzelnen großen Mitgliedstaat gewandelt hat oder dass Einmal-Effekte wie Fraktionswechsel das Gesamtbild verzerren.

Dass sich langfristig trotzdem gemeinsame europaweite Trends identifizieren lassen, macht aber auch deutlich, dass die Umfragen in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten sich nicht völlig unabhängig voneinander bewegen. Politische Meinungsbildung findet nicht mehr nur im abgeschlossenen nationalen Raum statt: Debatten, die in einem europäischen Land geführt werden, können auf andere überspringen, und Parteien, die für eine ähnliche politische Linie stehen, erfahren – wenigstens über einen Zeitraum von einigen Jahren hinweg – oft länderübergreifend einen gemeinsamen Aufstieg oder Fall.

Bilder: Eigene Grafiken.

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