27 Juni 2022

Wenn am nächsten Sonntag Europawahl wäre (Juni 2022): EVP erhöht Vorsprung auf S&D, Grüne legen zu


Linke G/EFA S&D RE EVP EKR ID fʼlos Sonst.
EP heute3971145103176646542
April 2259391399715778643735
Juni 22544413310116577643136
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Basis-Szenario,
Stand: 22.6.2022.


Dynamisches Szenario,
Stand: 22.6.2022.

Der Sommer ist da, aber an Urlaub ist in der europäischen Politik noch nicht zu denken. Die Entscheidung über den ukrainischen Beitrittsantrag (und die ausgebliebene Debatte über das Follow-up zur EU-Zukunftskonferenz) gaben dem Europäischen Rat der letzten Woche eine potenziell historische Tragweite. Und auch auf nationaler Ebene herrschte in vielen Mitgliedstaaten zuletzt Unruhe: In Frankreich führte die zweite Runde der Parlamentswahl zu unklaren Mehrheitsverhältnissen, in Italien spaltete sich die größte Regierungspartei M5S, und in Bulgarien stürzte die erst vor einem halben Jahr gebildete Regierung, sodass es schon wieder Neuwahlen geben könnte.

Und was würde das alles bedeuten, wenn an diesem Sonntag Europawahl wäre? Gegenüber der letzten Ausgabe von Ende April gibt es einige Veränderungen in der Sitzprojektion für das Europäische Parlament. Während die konservative EVP, die liberale RE und die grüne G/EFA deutlich zulegen, fallen die sozialdemokratische S&D sowie die Linksfraktion zurück. Wie schon in der Vergangenheit sind es wieder einmal eher nationale als europaweite Entwicklungen, die sich auf die Sitzprojektion auswirken.

Während die Ereignisse in Italien und Bulgarien allerdings noch zu neu sind, um jetzt schon einen Effekt in der Sitzprojektion zu zeigen, macht sich vor allem der Ausgang der französischen Wahl bemerkbar. Berücksichtigt wurden hier die Ergebnisse der ersten Runde am 12. Juni – diese sind aussagekräftiger als die der zweiten Runde, für die die kleineren Parteien in vielen Wahlkreisen nicht mehr antreten durften.

EVP deutlich stärker

Zu den Gewinnern des französischen Wahlkampfes zählten dabei unter anderem die konservativen Républicains (EVP), die bei der Wahl besser abschnitten, als die Umfragen vor zwei Monaten erwarten ließen. Und auch sonst konnte die EVP in einigen größeren Mitgliedstaaten zulegen: Die CDU/CSU ist in Deutschland nun wieder deutlich, der PP in Spanien knapp die stärkste nationale Partei. In Rumänien konnten gleich zwei EVP-Mitgliedsparteien, PNL und PMP, in den Umfragen dazugewinnen.

In anderen Mitgliedstaaten, etwa Österreich und Dänemark, mussten EVP-Mitgliedsparteien zwar auch leichte Verluste hinnehmen. Insgesamt aber schneidet die Fraktion deutlich stärker ab als im April und kommt nun auf 165 Sitze (+8). Noch deutlicher erhöht sich ihr Vorsprung auf die sozialdemokratische S&D-Fraktion: Dieser beträgt nun 32 Sitze (+14), der größte Abstand seit einem Jahr.

S&D verliert

Den Sozialdemokrat:innen machen in der Sitzprojektion vor allem die zwei größten Mitgliedstaaten Deutschland und Frankreich zu schaffen. In Deutschland setzt der SPD die Kritik an der unklaren Haltung im Ukraine-Krieg zu; die Partei, die erst vor einem Dreivierteljahr die Bundestagswahl gewann, steht nun landesweit nur noch auf Platz 3 hinter CDU/CSU und Grünen.

In Frankreich wiederum trat der PS bei der Parlamentswahl als Teil des linken Wahlbündnisses NUPES an, das bei der Wahl etwas hinter den Umfrage-Erwartungen zurückblieb. Verrechnet man das NUPES-Ergebnis entsprechend den letzten Umfragen, in denen die verbündeten Parteien einzeln abgefragt wurden, so würde der PS nun an der nationalen Fünf-Prozent-Hürde scheitern und wäre damit überhaupt nicht mehr im Europäischen Parlament vertreten. Dass es wirklich so weit kommt, ist allerdings eher unwahrscheinlich: Bei Europawahlen gilt in Frankreich ein ganz anderes Wahlrecht als auf nationaler Ebene, was dem PS im Wahlkampf eine bessere Profilierung erlauben könnte. Doch so oder so ist das französische S&D-Mitglied noch ein Schatten seiner vergangenen Größe.

Auch der spanische PSOE und die dänischen Socialdemokraterne mussten zuletzt leichte Verluste hinnehmen, während die österreichische SPÖ etwas dazugewinnen konnte. Auch der italienische PD hält sich stabil und kann in der Sitzprojektion leicht zulegen. Insgesamt erreicht die S&D-Fraktion damit noch 133 Sitze (–6), ihr schlechtester Wert seit rund einem Jahr.

RE legt in Frankreich zu

Zu den Gewinnern der aktuellen Sitzprojektion gehört auch die liberale Fraktion RE, der ebenfalls das Wahlergebnis in Frankreich zugutekommt. Zwar verpasste Emmanuel Macrons Wahlbündnis Ensemble die Mehrheit im nationalen Parlament – doch es schnitt besser ab, als die Umfragen von Ende April hätten erwarten lassen, und würde zudem von einem Scheitern des PS an der Sperrklausel bei der Europawahl profitieren. In der Sitzprojektion ist Ensemble damit noch vor der deutschen CDU/CSU (EVP) die stärkste nationale Einzelpartei im Europäischen Parlament.

Auch in Tschechien und Dänemark können die Liberalen leicht zulegen, während sie in Rumänien und den Niederlanden zurückfallen. Insgesamt liegt die RE-Fraktion damit zum ersten Mal seit fast drei Jahren auch in der Basis-Sitzprojektion wieder über der 100-Sitze-Marke (101 Sitze/+4).

Grüne gewinnen in Deutschland

Auf der linken Seite des politischen Spektrums kann die Fraktion der Grünen/EFA bereits zum zweiten Mal in Folge dazugewinnen. Mit 44 Sitzen (+5) erreicht sie ihren besten Wert seit rund einem Jahr. Dieser Aufschwung ist allerdings zwischen den Mitgliedstaaten recht einseitig verteilt: Er geht fast ausschließlich auf die deutschen Grünen zurück, die in der Bundesregierung hohe Beliebtheitswerte erzielen. Daneben können nur die tschechischen Piráti gegenüber der April-Projektion leicht dazugewinnen. Im Basisszenario würde die deutsche Delegation deshalb nun fast die Hälfte aller Abgeordneten der G/EFA-Fraktion stellen.

Schlechter als im April schneidet hingegen die Linksfraktion ab (54 Sitze/–5). Hier liegt es vor allem an Italien, wo ein linkes Bündnis vor acht Wochen noch knapp über, jetzt hingegen knapp unter der nationalen Vier-Prozent-Hürde lag. Darüber hinaus verliert die Linke auch in Deutschland, Frankreich und Portugal leicht, während ihre griechische Mitgliedspartei Syriza etwas zulegen kann.

Durch die Zugewinne der Grünen/EFA und die Verluste der Linken verringert sich der Abstand zwischen den beiden kleinsten Fraktionen im Parlament deutlich. In der dynamischen Projektion, die auch mögliche Neuzugänge von bislang nicht im Parlament vertretenen Parteien berücksichtigt, kommen liegen die beiden Fraktionen mit 54 bzw. 56 Sitzen sogar wieder fast gleichauf.

Rechtsfraktionen stabil

Keine allzu großen Veränderungen gibt es bei den beiden Rechtsfraktionen im Parlament. Die EKR-Fraktion verliert leicht und erreicht nun 77 Sitze (–1). In Italien erscheinen die FdI nun in fast allen Umfragen als stärkste nationale Partei, wenn auch mit sehr knappem Vorsprung vor dem sozialdemokratischen PD. In Rumänien hingegen setzt die AUR ihre im Frühjahr eingesetzte Talfahrt fort.

Die ID-Fraktion wiederum kommt auf unveränderte 64 Sitze (±0). Hier fallen die deutsche AfD und die italienische Lega jeweils leicht zurück, während die niederländische PVV und die portugiesische Chega etwas dazugewinnen.

Fraktionslose und „sonstige“ Parteien

Deutlich verringert gegenüber der April-Projektion fällt die Zahl der fraktionslosen Abgeordneten aus (31 Sitze/–6): Dies liegt vor allem am Niedergang der französischen Rechtspartei Reconquête, die nach dem Scheitern ihres Frontmanns Éric Zemmour bei der nationalen Präsidentschaftswahl nun auch bei der Parlamentswahl abstürzte. Reconquête gewann nicht nur keine Abgeordneten im französischen Parlament, sondern blieb auch unter der Fünf-Prozent-Hürde, die in Frankreich bei Europawahlen gilt. Insgesamt scheint die erst 2021 gegründete Partei damit politisch am Ende zu sein.

Unter den „sonstigen Parteien“, die bislang nicht im Europäischen Parlament vertreten sind und keiner Fraktion eindeutig zugeordnet werden können, gewinnt die agrarisch-konservative BBB in den Niederlanden weiter hinzu. In Griechenland könnte MeRA25 (der nationale Ableger der europäischen DiEM25-Bewegung), in Kroatien die rechtskonservative DP nun wieder knapp einen Sitz gewinnen. Neu im Tableau ist zudem die erst im Mai gegründete bulgarische Rechtsaußenpartei BV. Andere Parteien würden allerdings auch Sitze verlieren oder nun gar nicht mehr ins Parlament einziehen, sodass die „Sonstigen“ insgesamt nur leicht auf 36 Sitze klettern (+1).

Die Übersicht

Die folgende Tabelle schlüsselt die Sitzverteilung der Projektion nach nationalen Einzelparteien auf. Die Tabelle folgt dem Basisszenario, in dem nationale Parteien in der Regel jeweils ihrer aktuellen Fraktion (bzw. der Fraktion ihrer europäischen Dachpartei) zugeordnet sind und Parteien ohne klare Zuordnung als „sonstige Parteien“ ausgewiesen werden. Demgegenüber ordnet das dynamische Szenario der Sitzprojektion alle „sonstigen Parteien“ jeweils den Fraktionen zu, denen diese plausiblerweise am nächsten stehen, und bezieht zudem auch mögliche künftige Fraktionswechsel einzelner nationaler Parteien ein. In der Tabelle sind die Veränderungen im dynamischen Szenario gegenüber dem Basisszenario durch farbige Schrift und durch Hinweise im Mouseover-Text gekennzeichnet.

Da es keine gesamteuropäischen Wahlumfragen gibt, basiert die Projektion auf aggregierten nationalen Umfragen und Wahlergebnissen aus allen Mitgliedstaaten. Wie die Datengrundlage für die Länder im Einzelnen aussieht, ist im Kleingedruckten unter den Tabellen erläutert. Mehr Informationen zu den europäischen Parteien und zu den Fraktionen im Europäischen Parlament gibt es hier.


Linke G/EFA S&D RE EVP EKR ID fʼlos Sonst.
EP heute3971145103176646542
April 2259391399715778643735
Juni 22544413310116577643136
dynamisch565413610616881
7925

Linke G/EFA S&D RE EVP EKR ID fʼlos Sonst.
DE 4 Linke 21 Grüne
1 Piraten
1 ÖDP
1 Volt
20 SPD 7 FDP
2 FW
26 Union
1 Familie

9 AfD 2 Partei 1 Tier
FR 15 LFI 5 EELV
27 Ens 12 LR
20 RN

IT

20 PD 4 Az-+E 7 FI
1 SVP
20 FdI 13 Lega 11 M5S
ES 7 UP
1 Bildu
1 ERC 16 PSOE 1 Cʼs
1 PNV
18 PP 12 Vox
1 JxC 1 MP
PL

5 Lewica 7 PL2050
15 KO
22 PiS

3 Konf
RO

14 PSD 3 USR 9 PNL
2 PMP
2 UDMR
3 AUR


NL 2 SP
2 PvdD
3 GL
2 PvdA 5 VVD
3 D66
1 CDA
1 CU
2 JA21
1 SGP
4 PVV
3 BBB
EL 7 Syriza
3 PASOK
8 ND 1 EL
1 KKE 1 MeRA25
BE 3 PTB 1 Groen
1 Ecolo
2 Vooruit
2 PS
1 O-VLD
2 MR
1 CD&V
1 LE
1 CSP
3 N-VA 3 VB

PT 1 BE

10 PS 2 IL 6 PSD
2 CH

CZ
2 Piráti

9 ANO 2 STAN
5 ODS 3 SPD
HU

3 DK
2 MM 1 KDNP

12 Fidesz
2 Jobbik
1 MHM
SE 2 V
7 S 1 C
1 L
5 M
1 KD
4 SD


AT
2 Grüne 6 SPÖ 2 Neos 4 ÖVP
4 FPÖ
1 MFG
BG

2 BSP 2 DPS 4 GERB
1 DSB



4 PP
2 V
1 BV
1 ITN
DK 1 Enhl. 1 SF 4 S 3 V
1 RV
2 K
1 DF
1 NB
FI 1 Vas 1 Vihreät 3 SDP 2 Kesk 5 Kok
2 PS

SK

3 Smer-SSD 1 PS 1 OĽANO
1 Spolu
1 KDH
2 SaS 1 SR 1 REP 3 Hlas-SD
IE 6 SF

3 FF 4 FG



HR

3 SDP
5 HDZ


2 Možemo
1 Most
1 DP
LT
1 LVŽS 2 LSDP 1 LRLS
1 LP
2 TS-LKD

1 DP 2 DSVL
1 LT
LV

1 SDPS 1 AP!
1 ZZS
2 JV
1 K
1 NA

1 Prog
SI



3 SDS
1 N.Si



4 GS
EE


3 RE
1 KE


2 EKRE
1 E200
CY 2 AKEL
1 EDEK
3 DISY



LU
1 Gréng
1 PPLU
1 LSAP 1 DP 1 CSV 1 ADR


MT

3 PL
3 PN




Verlauf (Basisszenario)


Linke G/EFA S&D RE EVP EKR ID fʼlos Sonst.
22.06.2022 54 44 133 101 165 77 64 31 36
25.04.2022 59 39 139 97 157 78 64 38 34
01.03.2022 53 36 139 98 158 78 62 45 36
04.01.2022 51 39 142 99 165 73 62 34 40
08.11.2021 50 42 144 96 155 75 72 36 35
13.09.2021 54 42 141 98 160 70 75 33 32
21.07.2021 52 45 133 97 167 71 74 31 35
24.05.2021 50 50 125 95 167 74 73 33 38
29.03.2021 52 46 136 96 164 71 73 34 33
02.02.2021 52 45 135 94 184 70 71 21 33
09.12.2020 52 47 136 93 188 67 73 20 29
12.10.2020 51 49 127 96 193 67 71 21 30
14.08.2020 50 53 145 88 196 65 64 20 24
25.06.2020 48 55 143 91 203 64 63 20 18
26.04.2020 47 53 151 88 202 66 66 19 13
10.03.2020 51 58 138 88 188 67 82 21 12
09.01.2020 49 58 135 93 186 65 82 24 13
23.11.2019 48 57 138 99 181 62 82 22 16
23.09.2019 49 61 139 108 175 56 82 24 11
30.07.2019 47 64 138 108 180 57 82 22 7
Wahl 2019 40 68 148 97 187 62 76 27

Die Zeile „Wahl 2019“ kennzeichnet die Sitzverteilung zum 2. Juli 2019, dem Zeitpunkt der Konstituierung des Europäischen Parlaments nach der Europawahl im Mai 2019.
Angegeben sind jeweils die Werte im Basisszenario ohne das Vereinigte Königreich. Eine Übersicht der Werte mit dem Vereinigten Königreich für die Zeit bis Januar 2020 ist hier zu finden. Eine Übersicht älterer Projektionen aus der Wahlperiode 2014-2019 gibt es hier.

Die vollen Namen der Fraktionen und der nationalen Einzelparteien erscheinen als Mouseover-Text, wenn der Mauszeiger eine kurze Zeit regungslos auf der Bezeichnung in der Tabelle gehalten wird. Sofern eine Partei im dynamischen Szenario einer anderen Fraktion zugeordnet ist als im Basisszenario, ist dies ebenfalls im Mouseover-Text gekennzeichnet.

Fraktionszuordnung

Basisszenario: Für die Projektion werden Parteien, die bereits im Europäischen Parlament vertreten sind, jeweils ihrer derzeitigen Fraktion zugerechnet, es sei denn, sie haben ausdrücklich ihren Entschluss zu einem Fraktionswechsel nach der nächsten Europawahl erklärt. Nationale Parteien, die derzeit nicht im Europäischen Parlament vertreten sind, aber einer europäischen Partei angehören, werden der Fraktion der entsprechenden europäischen Partei zugeordnet. In Fällen, bei denen sich die Mitglieder einer nationalen Liste nach der Wahl voraussichtlich auf mehrere Fraktionen aufteilen werden, wird jeweils die am plausibelsten scheinende Verteilung zugrundegelegt. Parteien, bei denen die Zuordnung zu einer bestimmten Fraktion unklar ist, werden im Basisszenario als „Sonstige“ eingeordnet.

Für die Bildung einer eigenständigen Fraktion sind nach der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments mindestens 23 Abgeordnete aus mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten erforderlich. Mit einem Asterisk (*) gekennzeichnete Gruppierungen würden diese Bedingungen nach der Projektion derzeit nicht erfüllen. Sie müssten deshalb gegebenenfalls nach der Europawahl zusätzliche Abgeordnete für sich gewinnen, um sich als Fraktion konstituieren zu können.

Dynamisches Szenario: Im dynamischen Szenario werden alle „sonstigen“ Parteien einer schon bestehenden Fraktion (oder der Gruppe der Fraktionslosen) zugeordnet. Außerdem werden gegebenenfalls Fraktionsübertritte von bereits im Parlament vertretenen Parteien berücksichtigt, die politisch plausibel erscheinen, auch wenn sie noch nicht öffentlich angekündigt wurden. Um diese Veränderungen gegenüber dem Basisszenario deutlich zu machen, sind Parteien, die im dynamischen Szenario einer anderen Fraktion zugeordnet werden, in der Tabelle mit der Farbe dieser Fraktion gekennzeichnet; zudem erscheint der Name der möglichen künftigen Fraktion im Mouseover-Text. Die Zuordnungen im dynamischen Szenario basieren auf einer subjektiven Einschätzung der politischen Ausrichtung und Strategie der Parteien und können daher im Einzelnen recht unsicher sein. In der Gesamtschau kann das dynamische Szenario jedoch näher an der wirklichen Sitzverteilung nach der nächsten Europawahl liegen als das Basisszenario.

Datengrundlage

Soweit verfügbar, wird bei der Sitzberechnung für jedes Land jeweils die jüngste Umfrage zu den Wahlabsichten für das Europäische Parlament herangezogen. Wo mehr als eine Umfrage erschienen ist, wird der Durchschnitt aller Umfragen aus den letzten zwei Wochen vor der jüngsten Umfrage berechnet, wobei jedoch von jedem einzelnen Umfrageinstitut nur die jeweils letzte Umfrage berücksichtigt wird. Stichtag für die Berücksichtigung einer Umfrage ist, soweit bekannt, jeweils der letzte Tag der Durchführung, andernfalls der Tag der Veröffentlichung.
Für Länder, in denen es keine spezifischen Europawahlumfragen gibt oder die letzte solche Umfrage mehr als zwei Wochen zurückliegt, wird stattdessen die jüngste verfügbare Umfrage für die Wahl zum nationalen Parlament bzw. der Durchschnitt aller Umfragen für das nationale oder das Europäische Parlament aus den letzten zwei Wochen vor der jüngsten verfügbaren Umfrage verwendet. Für Länder, in denen es keine aktuellen Umfragen für Parlamentswahlen gibt, wird stattdessen gegebenenfalls auf Umfragen zu Präsidentschaftswahlen zurückgegriffen, wobei die Umfragewerte der Präsidentschaftskandidat:innen jeweils den Parteien der Kandidat:innen zugeordnet werden (dies kann insbesondere Frankreich betreffen). Für Mitgliedstaaten, für die sich überhaupt keine Umfragen finden lassen, wird auf die Ergebnisse der letzten nationalen Parlaments- oder Europawahl zurückgegriffen.
In der Regel werden die nationalen Umfragewerte der Parteien direkt auf die Gesamtzahl der Sitze des Landes umgerechnet. Für Länder, in denen die Wahl in regionalen Wahlkreisen ohne Verhältnisausgleich erfolgt (aktuell Belgien und Irland), werden regionale Umfragedaten genutzt, soweit diese verfügbar sind. Wo dies nicht der Fall ist, wird die Sitzzahl für jeden Wahlkreis einzeln berechnet, dabei aber jeweils die nationalen Gesamt-Umfragewerte herangezogen. Nationale Sperrklauseln werden, soweit vorhanden, in der Projektion berücksichtigt.
In Belgien entsprechen die Wahlkreise bei der Europawahl den Sprachgemeinschaft, während Umfragen üblicherweise auf Ebene der Regionen durchgeführt werden. Für die Projektion werden für die französischsprachige Gemeinschaft die Umfragedaten aus Wallonien, für die niederländischsprachige Gemeinschaft die Umfragedaten aus Flandern genutzt. Für die deutschsprachige Gemeinschaft wird das Ergebnis der letzten Europawahl herangezogen (1 Sitz für CSP).
In Ländern, in denen es üblich ist, dass mehrere Parteien als Wahlbündnis auf einer gemeinsamen Liste antreten, werden der Projektion plausibel erscheinende Listengemeinschaften zugrunde gelegt. Dies betrifft folgende Parteien: Italien: SI (1., 3. Listenplatz), EV (2., 4.) Spanien: Más País (1.-2.), Compromís (3.) und Equo (4.); ERC (1., 3.-4.), Bildu (2.) und BNG (5.); PNV (1.) und CC (2.); Niederlande: CU (1., 3.-4.) und SGP (2., 5.); Ungarn: Fidesz (1.-6., ab 8.) und KDNP (7.); Bulgarien: DSB (1.-2.) und ZD (3.); Slowakei: PS (1.) und Spolu (2.).
In Frankreich und Ungarn hatten sich für die nationalen Parlamentswahlen 2022 jeweils mehrere Parteien (LFI, PS, EELV, PCF bzw. DK, MSZP, MM, LMP, Jobbik) zu Wahlbündnissen zusammengeschlossen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass diese Wahlbündnisse auch bei der nächsten Europawahl Bestand haben. In der Projektion werden deshalb die Umfragewerte bzw. Wahlergebnisse der Bündnisse jeweils auf die einzelnen Parteien aufgeteilt, und zwar entsprechend dem Verhältnis der durchschnittlichen Umfragewerte der Parteien in den letzten Umfragen, die diese einzeln ausweisen.
Da es in Deutschland bei der Europawahl keine Sperrklausel gibt, können Parteien bereits mit weniger als 1 Prozent der Stimmen einen Sitz im Europäischen Parlament gewinnen. Mangels zuverlässiger Umfragedaten wird für diese Kleinparteien in der Projektion in der Regel jeweils das Ergebnis der letzten Europawahl herangezogen (je 2 Sitze für PARTEI und FW, je 1 Sitz für Tierschutzpartei, ödp, Piraten, Volt und Familienpartei). Nur falls eine Kleinpartei in aktuellen Umfragen einen besseren Wert erreicht als bei der letzten Europawahl, wird stattdessen dieser Umfragewert herangezogen.
In Italien können Minderheitenparteien durch eine Sonderregelung auch mit nur recht wenigen Stimmen ins Parlament einziehen. In der Projektion wird die Südtiroler Volkspartei deshalb stets mit dem Ergebnis der letzten Europawahl (1 Sitz) geführt.

Die folgende Übersicht führt die Datengrundlage für die Mitgliedstaaten im Einzelnen auf. Die Daten beziehen sich auf den letzten Tag der Durchführung; falls dieser nicht bekannt ist, auf den Tag der Veröffentlichung der Umfragen:
Deutschland: nationale Umfragen, 10.-22.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Frankreich: Ergebnis der nationalen Parlamentswahl, erste Runde, 19.6.2022, Quelle: Wikipedia; für die Verteilung zwischen den Mitgliedsparteien des Wahlbündnisses NUPES: nationale Umfragen, 16.5.2022, Quelle: Wikipedia.
Italien: nationale Umfragen, 12.-22.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Spanien: nationale Umfragen, 9.-20.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Polen: nationale Umfragen, 7.-18.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Rumänien: nationale Umfragen, 26.5.2022, Quelle: Wikipedia.
Niederlande: nationale Umfragen, 13.-19.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Griechenland: nationale Umfragen, 5.-15.6.2022, Quelle: Europe Elects.
Belgien, französischsprachige Gemeinschaft: regionale Umfragen (Wallonien) für die nationale Parlamentswahl, 14.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Belgien, niederländischsprachige Gemeinschaft: regionale Umfragen (Flandern) für die nationale Parlamentswahl, 14.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Belgien, deutschsprachige Gemeinschaft: Ergebnis der Europawahl, 26.5.2019.
Portugal: nationale Umfragen, 14.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Tschechien: nationale Umfragen, 30.5.-2.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Ungarn: Ergebnis der nationalen Parlamentswahl, 3.4.2022, Quelle: Wikipedia; für die Verteilung zwischen den Mitgliedsparteien des Oppositionsbündnisses: nationale Umfragen, 5.-11.3.2022, Quelle: Wikipedia.
Schweden: nationale Umfragen, 19.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Österreich: nationale Umfragen, 11.-16.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Bulgarien: nationale Umfragen, 6.-11.5.2022, Quelle: Wikipedia.
Dänemark: nationale Umfragen, 12.-14.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Finnland: nationale Umfragen, 31.5.-10.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Slowakei: nationale Umfragen, 31.5.2022, Quelle: Wikipedia.
Irland: nationale Umfragen, 4.-7.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Kroatien: nationale Umfragen, 25.5.-5.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Litauen: nationale Umfragen, 22.-28.4.2022, Quelle: Wikipedia.
Lettland: nationale Umfragen, 24.-31.5.2022, Quelle: Wikipedia.
Slowenien: nationale Umfragen, 9.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Estland: nationale Umfragen, 13.-17.6.2022, Quelle: Wikipedia.
Zypern: Ergebnis der nationalen Parlamentswahl, 30.5.2021, Quelle: Wikipedia.
Luxemburg: nationale Umfragen, 24.11.2021, Quelle: Europe Elects.
Malta: Ergebnis der nationalen Parlamentswahl, 26.3.2022, Quelle: Wikipedia.

Bilder: alle Grafiken: Manuel Müller.

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