Ob
Finanzkrise, Klimawandel, Außenpolitik, Migration oder die Zukunft der
Demokratie: Die EU ist in so vielen Bereichen aktiv, dass es keinen Grund gibt,
vor der Europawahl auf nationale Nebenschauplätze auszuweichen. In einer Serie
werden hier die Vorschläge verglichen, die die großen europäischen Parteien in ihren Wahlprogrammen formuliert haben – die
christdemokratische EVP (Manifest/Aktionsprogramm), die sozialdemokratische
SPE, die liberale ALDE, die grüne EGP und die linke EL. (Zum Anfang der Serie.)
- Wer Catherine Ashton (Lab./SPE) als EU-Außenminister nachfolgt, wird sich erst nach der Wahl zeigen. Die europäischen Parteien haben jedenfalls eine ganze Reihe Wünsche an ihn.
Außenpolitik ist nur selten ein zentrales
Wahlkampfthema, weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene: Zu groß ist
der Einfluss der Exekutiven, zu gering die Macht der Parlamente, als dass die
Parteien sich gerade auf diesem Feld profilieren könnten. In diesem Jahr jedoch
drängten sich vor der Europawahl gleich mehrere außenpolitische Themen auf die
Agenda: Zum einen stellte die eskalierende Ukraine-Krise wieder einmal die
Handlungsfähigkeit der EU gegenüber dem Rest der Welt in Frage. Und zum anderen
regt sich in der europäischen Öffentlichkeit das Unbehagen über das
Handelsabkommen TTIP, das die EU-Kommission derzeit mit der US-Regierung
aushandelt – und voraussichtlich im Lauf der nächsten Wahlperiode dem
Europäischen Parlament zur Ratifizierung vorlegen wird.
Blickt man in die Wahlprogramme, so zeigen
die außenpolitischen Pläne der europäischen Parteien verschiedene
Gemeinsamkeiten, aber auch einige markante Unterschiede. Während die
Sozialdemokraten das Thema in ihrem ohnehin recht knapp formulierten Programm
in wenigen Sätzen abhandeln, messen ihm vor allem die Europäische Volkspartei,
aber auch Grüne und Linke eine hohe Bedeutung zu.
Eigeninteressen und globale Werte
Einigkeit besteht zunächst einmal zwischen den größten
Parteien, dass die europäischen Staaten auf der Weltbühne ihre Interessen nur
noch gemeinsam effektiv vertreten können. Die EU soll „als globaler Akteur
agieren“ (SPE), „in globalen Fragen eine einflussreiche
Rolle spielen“ (ALDE) und „ihre Werte gegenüber der Welt vertreten und
alles in ihrer Macht Stehende tun, um diese zu verteidigen und zu fördern“ (EVP).
Zugleich sehen die Parteien es allerdings auch als Aufgabe der EU,
neben ihren eigenen Interessen auch „das Beste für die Menschheit“ anzustreben
(EVP). Besonders die EGP macht sich für eine „wertebasierte gemeinsame
Außenpolitik“ und ein „Europa der globalen Verantwortung“ stark, das
„uns und der Welt zugute“ kommen soll. Aber auch Liberale und
Sozialdemokraten heben Werte wie „die universellen Grundsätze der Demokratie,
des Friedens und der Einhaltung der Menschenrechte“ (SPE) ausdrücklich hervor.
Eine etwas andere Rhetorik schlägt hingegen die
Europäische Linke an. Auch für sie hat Europa zwar „eine Verantwortung, die
über seine Grenzen hinausgeht“. Anders als die übrigen Parteien betont die EL
dabei jedoch weniger die Idee der weltweiten Harmonie, sondern einer globalen politischen
Auseinandersetzung, „um den Kapitalismus und das Patriarchat zu
überwinden und die Entstehung eines neuen humanen und nachhaltigen
Entwicklungsmodells zu ermöglichen“. So spricht das Programm von der
„internationalistischen Dimension unseres Kampfes“, für die „[p]rogressive
regionale Kooperationen“ als „Werkzeug“ dienen sollen. Bei
diesem Ziel, „die Stärkung der Völker unseres Kontinents
mit den Fortschritten der progressiven Kräfte weltweit“ zu verknüpfen, gehen
Außen- und Parteipolitik fließend ineinander über: Von „europäischen
Interessen“ ist bei der EL – anders als bei EVP oder ALDE – jedenfalls keine
Rede.
Eine effizientere Außen- und Sicherheitspolitik
EVP,
SPE, ALDE und EGP sind sich also einig, dass die Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik der EU effizienter gestaltet werden sollte. Nur die Christdemokraten
machen hierzu jedoch auch konkrete Verfahrensvorschläge: Insbesondere wollen
sie die „Effizienz
des Europäischen
Auswärtigen Dienstes […] stärken und erhöhen“ und an dessen Spitze eine
„stärkere Führung“ etablieren. Die nationalen Regierungen, die sich bislang für
die meisten außenpolitischen Fragen ein Vetorecht bewahrt haben, sollen
Entscheidungen „verstärkt an eine qualifizierte Mehrheit […] delegieren“. Und
schließlich soll die „Kontrolle der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
durch das Europäische Parlament […]
ausgebaut werden, um ihre demokratische Legitimierung zu steigern“.
Die
Liberalen hingegen setzen vor allem auf eine verstärkte Sichtbarkeit der EU in
internationalen Organisationen. Geht es nach ihnen, soll der
internationale Einfluss der EU „durch einen zusätzlichen
europäischen Sitz im UNO-Sicherheitsrat und anderen Organisationen sowie
durch den Zusammenschluss der Mitgliedstaaten des Euroraums zu einer einzigen
Stimmrechtsgruppe im IWF“ erhöht werden. Wie sie die übrigen
Mitglieder der Vereinten Nationen dazu bringen will, einem solchen zusätzlichen
Sitz im Sicherheitsrat zuzustimmen, erklärt die ALDE allerdings nicht.
Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Auch
in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik herrscht unter den
drei größten Parteien weitgehend Einigkeit – auch wenn ihre Vorschläge dazu
unterschiedlich detailliert ausfallen. So fordert die SPE nur knapp, die EU
müsse „im Ausland effektiv für Frieden eintreten und sich um eine engere
Zusammenarbeit bei der Verteidigung bemühen“. Die ALDE will in militärischen
Dingen eine „bessere Zusammenlegung und gemeinsame
Nutzung der bestehenden Kapazitäten“ sowie eine „engere Zusammenarbeit zwischen
EU und NATO“.
Die
EVP hingegen erläutert sehr ausführlich ihre Pläne für einen „Neuanfang
für eine europäische Verteidigungspolitik, die diesen Namen auch verdient“. Anstelle
der derzeitigen „unkoordinierte[n] Kürzungen“ sollen die Mitgliedstaaten „wesentlich
ernstere Anstrengungen unternehmen“, um ihre Verteidigungskapazitäten „zusammenzulegen
und gemeinsam zu nutzen“. Mittelfristig will die EVP ein „strategisches
militärisches und ziviles Hauptquartier einrichten“ sowie „ein Weißbuch zu
Sicherheit und Verteidigung erarbeiten, in dem unsere Interessen definiert und
unsere sicherheitsbezogenen Prioritäten und Ziele dargelegt sind“; langfristig
soll es „regelmäßig formale Ratssitzungen zur europäischen Verteidigung“, eine „solide
industrielle Basis für Verteidigung und Technologie“ sowie „Eingreiftruppen
unter EU-Kommando“ geben.
Deutlich
zurückhaltender sind hingegen die Grünen, die sich „gegen die Verwendung von
EU-Haushaltsmitteln für militärische Forschung zur Entwicklung europäischer
Drohnen“ aussprechen und „auf keinen Fall“ wollen, „dass Europa zum
Nuklearwaffenlager wird“. Darüber hinaus verlangen sie, „die parlamentarische
Kontrolle europäischer Militäroperationen durch ein Mitspracherecht des
Europaparlamentes zu stärken“.
Friedenspolitik
Die
EL schließlich gibt sich radikalpazifistisch: In ihren Augen agiert die EU „mit
ihrer Ausrichtung auf die NATO nicht für den Frieden auf der internationalen
Bühne, sondern spielt im Gegenteil eine wichtige Rolle unter den
imperialistischen Kräften“. Um ein „Werkzeug des Friedens“ zu werden, braucht
sie deshalb „eine neue Ausrichtung, wozu insbesondere die „Auflösung der
NATO“, die „Förderung von Abrüstung und Antikriegsaktionen“ und der „Abbau der
ausländischen Militärbasen auf dem Gebiet der EU“ zählen sollen.
Doch auch die anderen Parteien wollen die
Rolle der EU in der zivilen Friedenspolitik stärken. So schlagen
Christdemokraten und Liberale eine „gemeinsame zivile Eingreiftruppe“ (EVP) vor,
die in humanitären Krisen aktiv werden sollte; die EGP ist für „die
Gründung eines Europäischen Friedensinstituts“ und ein „EU-Friedenskorps“. Darüber hinaus
setzen die Grünen bei der Friedenssicherung vor allem auf die Vereinten
Nationen: Diese sollen reformiert und „mit effizienteren Mitteln zur
Deeskalation und – falls nötig – Friedensdurchsetzung“ gestärkt werden, wobei
die EGP vor allem das „Prinzip der Schutzverantwortung“
hervorhebt.
Und während vor allem die deutschen Grünen sich ansonsten
sehr bemühen, das Image
als „Verbotspartei“ loszuwerden, setzt die EGP wenigstens in der
Friedenspolitik stark auf rechtliche Einschränkungen. So fordert sie „ein
Investitionsverbot für europäische Banken […] in jene Firmen, die Landminen und
Streumunition produzieren“, „ein Verbot von Waffen, beispielsweise solchen, in
denen abgereichertes Uran und weißes Phosphor enthalten ist“, „ein weltweites
Verbot der Verwendung vollautomatischer tödlicher Waffensysteme“ sowie ein
Verbot „gezielte[r] Tötungen außerhalb bewaffneter Konflikte durch Drohnen oder
andere Methoden“. Außerdem sollen alle EU-Mitgliedstaaten „die Zusatzartikel
des Statuts des Internationalen
Strafgerichtshofes (IStGH) ratifizieren, welche die strafrechtliche
Verfolgung von Staats- und Regierungschefs ermöglichen, die Verantwortung für
Angriffskriege tragen“.
Entwicklungszusammenarbeit
Auch dass die EU auch in der Entwicklungspolitik ein
stärkerer Akteur werden soll, ist wenig umstritten. Mit Ausnahme der Liberalen,
die sich zu diesem Thema nicht äußern, wird diese Forderung von allen Parteien unterstützt
– wenn auch mit leicht unterschiedlichen Schwerpunkten. So unterstreichen SPE, EVP
und EGP einhellig die Millenniumsziele
der Vereinten Nationen und fordern, auch für die Zeit nach 2015 anspruchsvolle Entwicklungsziele
zu setzen.
Doch während die Grünen dabei erneut vor allem die
staatliche Rechtsetzung verbessern wollen und neben dem „Kampf gegen
Korruption, Geldwäsche, Steueroasen, illegale Kapitalströme und schädliche
Steuerstrukturen“ vor allem die „Festlegung von rechtlich bindenden Regeln zur sozialen
Verantwortung von Unternehmen“ fordern, setzt die EVP eher auf eine Teilprivatisierung
der Entwicklungszusammenarbeit: Diese müsse „auf den
Grundsätzen der Subsidiarität und sozialen Marktwirtschaft“
erfolgen, wobei „[d]ie Privatwirtschaft und die Zivilgesellschaft […]
neben den Regierungen als Entwicklungspartner vollumfängliche Anerkennung
erhalten“ sollten.
Transatlantisches
Freihandelsabkommen
Deutliche Gegensätze zeigen sich schließlich bei dem umstrittenen
transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP, über das das Europäische Parlament
ziemlich sicher im Verlauf der nächsten Wahlperiode das letzte Wort sprechen wird.
Unumwunden für TTIP sind lediglich die Liberalen, die sich davon einen
Wachstumsschub von „jährlich mehr als 100 Milliarden Euro“
erhoffen und auch weitere „Freihandelsabkommen mit anderen wichtigen
Wirtschaftsregionen“ anstreben.
Auch die EVP unterstützt eine „neue
Dynamik in Form von bilateralen und multilateralen Freihandelsabkommen“ und
verteidigt TTIP unter Verweis auf zusätzliche Arbeitsplätze und auf „die
geopolitische
Stellung der transatlantischen Gemeinschaft“. Zugleich schränkt sie jedoch ein,
„dass es wichtig ist, die wichtigen Identität schaffenden Merkmale der EU zu
schützen sowie hohe Standards einzufordern und zu verteidigen“. In ähnlicher
Form will auch die SPE das Abkommen „an den Schutz der
Menschenrechte, an soziale Rechte, gute Arbeit, Umweltstandards, an den Schutz
der Kultur sowie die soziale Verantwortung der Unternehmen und Grundsätze des
fairen Handels“ binden
Offene Zurückweisung gegen TTIP kommt hingegen von Grünen
und Linken. Beide verweisen darauf, dass das Abkommen „die sozialen und
ökologischen Normen und die Lebensmittelstandards beider Kontinente aufweichen“
(EL) und es privaten Unternehmen ermöglichen könnte, „demokratisch gewählte
Regierungen [zu] verklagen […], um ihre Unternehmensinteressen gegen Sozial-
oder Umweltreformen durchzusetzen“ (EGP). Im Ergebnis lehnen die Grünen TTIP deshalb
„in der derzeitigen Form ab“, während die EL vollmundig ankündigt, „einen
breiten politischen Kampf zu führen, um es zum Scheitern zu bringen“.
Über die transatlantischen Beziehungen
hinaus unterstützt die EGP „eine multilaterale Handelsordnung“ im Rahmen
der WTO, bei der jedoch „stets die Entwicklung ärmerer Länder, sowie die
Transformation zu einem grünen, sozialen, fairen und demokratischen
Entwicklungsmodell“ im Vordergrund stehen solle. Die Linke hingegen sieht „Freihandelszonen,
mit
denen die Ausfuhren erhöht werden sollen“, generell skeptisch, da diese „zum
Anstieg der Kohlendioxidemissionen und der Umweltkosten“ sowie zu „Zwangsumsiedlungen
der Bevölkerung“ führen.
EU-Erweiterung
Ein
klassisches Streitthema zwischen den Parteien ist zudem die Erweiterungspolitik
der Europäischen Union. Während sich die EL hierzu nicht äußert, unterstützen
Sozialdemokraten, Liberale und Grüne die Aufnahme weiterer Mitgliedstaaten,
jedenfalls soweit die „Garantie der Grundrechte und die
Einhaltung europäischer Werte“ gewährleistet sind (SPE).
Explizit fordern die Grünen eine „EU-Beitrittsperspektive für alle
westlichen Balkanstaaten“ sowie „faire und glaubwürdige Beitrittsverhandlungen
mit der Türkei“.
Die EVP hingegen verlangt in der Erweiterungspolitik
größere Zurückhaltung: Nachdem die EU inzwischen „fast alle
Teile des Kontinents aufgenommen“ habe, müsse für die Zukunft „klar sein, dass
für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union nicht nur die Erfüllung
politischer und wirtschaftlicher Kriterien erforderlich ist, sondern auch die
Fähigkeit der EU, neue Länder zu integrieren“. Wenigstens auf dem westlichen Balkan
wollen allerdings auch die Christdemokraten die „Aussichten auf
EU-Beitrittsverhandlungen“ als Anreiz nutzen, „um politische, wirtschaftliche
und gesellschaftliche Reformen zu bewirken und nationalistische Tendenzen […] einzudämmen“.
Nachbarschaftspolitik und Östliche
Partnerschaft
- Der „Euromaidan“ in Kiew dürfte dazu beigetragen haben, dass die Östliche Partnerschaft in mehreren Wahlprogrammen eine prominente Rolle einnimmt.
Großen
Wert legen schließlich alle Parteien auf die Europäische Nachbarschaftspolitik
– also die Beziehungen zu jenen Ländern in der unmittelbaren Umgebung der EU,
bei denen in absehbarer Zeit nicht mit einem Beitritt zu rechnen ist. So
kündigen alle Parteien bei der ersten Europawahl nach dem arabischen Frühling engere
Beziehungen zu den Staaten südlich des Mittelmeers an, wo sie „die
Demokratiebewegungen in der Region aktiv stärken“ wollen (EVP). Die
Linke verwendet allerdings auch hier eine etwas andere Sprache: Für sie ist im Mittelmeerraum
vor allem der „Dialog zwischen den progressiven Kräften […]
wichtig, um die zu stärken, die in diesem, für die imperialistischen Interessen
in der Welt entscheidenden Rahmen gegen die Pläne des kapitalistischen Europas
und der NATO kämpfen“.
Auch zu der Östlichen
Partnerschaft, die unter anderem die Ukraine mit der EU verbindet, äußern
sich mehrere der Parteien – wenngleich die Zuspitzung der Lage in Kiew und
Donezk erst nach der Verabschiedung der Wahlprogramme erfolgte. Für die SPE ist
die Ost-Partnerschaft ein „wichtiges Instrument“, „das anderen
Ländern ermöglicht, sich der EU anzunähern“; die EGP möchte sie „stärken“,
indem die EU „Stabilität und Demokratie“ fördert und
als „prinzipientreuer und ehrlicher Partner“ auftritt. Am
ausführlichsten äußert sich erneut die EVP, die einen „sehr viel langfristigeren Ansatz“ in
den EU-Ostbeziehungen fordert. Dafür soll die EU unter anderem Euronest, die
Parlamentarische Versammlung der Östlichen Partnerschaft, stärken und sich „stärker
an der Suche nach einer Lösung für die anhaltenden Konflikte in den Östlichen
Partnerländern (Transnistrien, Bergkarabach, Südossetien, Abchasien) beteiligen“.
Russland
Und auch zu den Beziehungen mit Russland nehmen
die Christdemokraten Stellung – was zweifellos interessant ist, auch wenn
einige Vorschläge durch die jüngsten Ereignisse hinfällig geworden sein dürften.
So unterstellt die EVP, die russische Regierung versuche „die
Östliche Partnerschaft wirksam zu untergraben, um den eigenen Einfluss auf die
ehemaligen Mitglieder der Sowjetunion mittels Gründung einer Zollunion und der Eurasischen Union
zurückzugewinnen“. Um dem entgegenzuwirken, fordert die EVP „Russland zu einer
Zusammenarbeit mit der Europäischen Union auf“. Denkbar seien zum Beispiel ein „neues
Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und Russland, eine
stärkere Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Zivilgesellschaften, eine
Überprüfung der Visabestimmungen im Hinblick auf die Entwicklung der
Beziehungen zwischen der EU und Russland insbesondere für Geschäftsleute,
Wissenschaftler und Studenten, eine Intensivierung der Kooperation zu Fragen in
Verbindung mit der Ostsee sowie eine engere Zusammenarbeit im Bereich der
Außen- und Sicherheitspolitik“.
Bei den anderen Parteien kommt Russland hingegen nicht ausdrücklich
vor. Die EGP kritisiert lediglich, durch ihre „übergroße Abhängigkeit
von Gas und Öl“ spiele die EU „denjenigen Autokraten in die Hände, die Europas
Brennstoffzufuhr kontrollieren“, und fordert deshalb größere Anstrengungen bei
der Energiewende. Die Europäische Linke schließlich erwähnt Russland vor allem
als Schauplatz eines größeren Kampfes: Sie will eine „gemeinsame
Front zu einer gemeinsamen Sache bilden: die der sozialen Mehrheit in Europa“,
und strebt hierfür „Kooperationen mit der Arbeiterbewegung,
den linken und progressiven Kräften in ganz Europa, einschließlich Russlands
und der osteuropäischen Länder“ an. Zur Rolle der russischen Regierung äußert
sie sich hingegen nicht.
Weitere Regionen und Länder
Darüber hinaus beziehen die
europäischen Parteien noch zu weiteren Weltregionen und Einzelstaaten Position:
etwa zum Nahen Osten, wo die EVP einen „Beitrag zu einer Zweistaatenlösung für
Israel und Palästina“ einfordert, die EGP eine „Massenvernichtungswaffenfreie
Zone“ vorschlägt und die EL der israelischen Regierung vorwirft, gegenüber
Palästina eine „Kolonial- und Kriegspolitik“
zu betreiben. In Lateinamerika wollen EGP und EVP die regionalen
Integrationsprozesse unterstützen und die Beziehungen zwischen EU und Mercosur ausbauen – die EL hingegen
setzt eher auf die von Hugo Chávez gegründete Bolivarianische
Allianz und betont die „positive Rolle“, die Kuba als „Bezugspunkt für die
gesamte Region sowie für viele linke Aktivistinnen und Aktivisten in der ganzen
Welt“ spiele.
Bemerkenswert
einig sind sich Christdemokraten und Linke hingegen, was Nordzypern betrifft. Hier
fordert die EVP im Sinne einer „umfassenden Lösung der Zypernfrage auf
der Grundlage der Resolutionen des UN-Sicherheitsrats und Grundsätze der
Europäischen Union“ zunächst einmal
einen „Truppenabzug“ der Türkei. Und auch die EL hält die „Art
und Weise, in der das Regime von Erdogan […] die illegale Besetzung Zyperns
aufrechterhält“, für „ebenso wenig akzeptabel wie seine allgemeine Rolle
in der Region“.
Fazit
In der Außenpolitik
setzen die europäischen Parteien unterschiedliche Schwerpunkte: Während sich
die EVP intensiv mit der Stärkung der gemeinsamen Verteidigungspolitik
beschäftigt und die EGP mehrere Vorschläge zur weltweiten Abrüstung macht, steht
bei der EL vor allem der globale Kampf gegen den Kapitalismus im Vordergrund.
Auch in der Entwicklungs- und der Erweiterungspolitik zeigen sich gewisse Unterschiede
– ebenso wie beim Umgang mit dem transatlantischen Freihandelsabkommen, das vor
allem von der ALDE, aber auch der EVP unterstützt, von EGP und EL hingegen offen
abgelehnt wird. Keine klaren Gegensätze gibt es hingegen in Bezug auf Russland
und die Ukraine. Detaillierte Vorschläge dazu macht nur die EVP, doch die
jüngste Eskalation konnte natürlich auch deren Wahlprogramm (das Anfang März
verabschiedet wurde) nicht voraussehen.
Europawahlprogramme – Übersicht
1: Warum wir vor der Europawahl eher die europäischen als die nationalen Parteiprogramme lesen sollten
2: Wirtschaft, Steuern und Soziales
3: Umwelt, Klima, Energie
4: Außenpolitik, Erweiterung, TTIP
5: Freizügigkeit, Einwanderung, Grenzschutz
6: Demokratie, Vertragsreform, Europäischer Konvent
1: Warum wir vor der Europawahl eher die europäischen als die nationalen Parteiprogramme lesen sollten
2: Wirtschaft, Steuern und Soziales
3: Umwelt, Klima, Energie
4: Außenpolitik, Erweiterung, TTIP
5: Freizügigkeit, Einwanderung, Grenzschutz
6: Demokratie, Vertragsreform, Europäischer Konvent
Bilder: By European Parliament [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; by European Union Naval Force Somalia Operation Atalanta [CC BY-ND 2.0], via Flickr; by Viktor Kovalenko [CC BY-NC-SA 2.0], via Flickr.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Kommentare sind hier herzlich willkommen und werden nach der Sichtung freigeschaltet. Auch wenn anonyme Kommentare technisch möglich sind, ist es für eine offene Diskussion hilfreich, wenn Sie Ihre Beiträge mit Ihrem Namen kennzeichnen. Um einen interessanten Gedankenaustausch zu ermöglichen, sollten sich Kommentare außerdem unmittelbar auf den Artikel beziehen und möglichst auf dessen Argumentation eingehen. Bitte haben Sie Verständnis, dass Meinungsäußerungen ohne einen klaren inhaltlichen Bezug zum Artikel hier in der Regel nicht veröffentlicht werden.