31 Januar 2022

Abschaffung nationaler Vetorechte: nicht nur mehr Handlungsfähigkeit, sondern auch mehr Demokratie

Die europäische Demokratie hat Reformbedarf, und an Ideen dafür mangelt es nicht. In loser Folge nimmt diese Serie institutionelle Reformvorschläge in den Blick. Was sollen sie erreichen, wie könnten sie umgesetzt werden – und sind sie wirklich die Mühe wert? Teil 5: Mehr Mehrheitsentscheide im Rat. (Zum Anfang der Serie.)
Nationale Vetorechte machen die EU nicht demokratischer – im Gegenteil.

Zu den institutionellen Reformen, die im Rahmen der EU-Zukunftskonferenz am stärksten diskutiert werden, gehört die Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat. Sowohl die europäischen Sozialdemokrat:innen als auch die europäischen Grünen sowie die deutsche CDU/CSU (EVP) bezeichneten die Abschaffung nationaler Vetorechte im Vorfeld der Konferenz als eine politische Priorität. Auch auf der digitalen Plattform wurde diese Forderung mehrfach erhoben (etwa hier, hier oder hier), ebenso wie im Abschlussbericht des Bürgerforums „Demokratie in Europa“ (Empfehlung Nr. 20). Das Europäische Parlament wiederum hat bereits 2017 im Brok/Bresso- und im Verhofstadt-Bericht zahlreiche Vorschläge gemacht, in welchen Bereichen Einstimimgkeitsregelungen abgeschafft werden sollten.

Lange Liste von Einstimmigkeitsbereichen

Diese Vorschläge folgen der langfristigen Entwicklungslogik der europäischen Integration. Seit den 1980er Jahren wurden in der EU Schritt für Schritt viele nationale Vetorechte abgeschafft und meist durch Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments ersetzt. Tatsächlich werden schon heute die meisten europäischen Beschlüsse nach dem Mehrheitsprinzip getroffen. Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren stimmt der Rat mit qualifizierter Mehrheit ab: Nötig für einen Beschluss ist die Zustimmung von mindestens 55% der Regierungen, die mindestens 65% der Bevölkerung vertreten.

Daneben gibt es jedoch noch eine lange Liste von Politikfeldern, in denen Beschlüsse nur möglich sind, wenn alle nationalen Regierungen zustimmen (oder sich wenigstens enthalten). Teilweise ist sogar noch eine Ratifikation durch die nationalen Parlamente notwendig. Zu diesen Einstimmigkeitsbereichen gehören – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Ausdruck von Misstrauen zwischen den Mitgliedstaaten

Diese Einstimmigkeitsregeln unterscheiden die EU von föderalen Systemen wie Deutschland oder den USA, in denen einzelne Gliedstaaten nicht einmal bei Verfassungsänderungen ein Vetorecht besitzen. Man kann sie als Ausdruck eines Rest-Misstrauens zwischen den EU-Regierungen verstehen: Sosehr sich die Mitgliedstaaten in anderen Bereichen füreinander geöffnet haben, gibt es doch einige Fragen, in denen keiner sich von den anderen überstimmen lassen will. Vor allem wenn es ums liebe Geld und um die Außenpolitik geht, nehmen die Mitgliedstaaten lieber in Kauf, dass es überhaupt keine gemeinsame Lösung gibt, als dass sie dabei in der Minderheit enden könnten.

Eine etwas freundlichere Deutung hat 2009 das Bundesverfassungsgericht in seinem Lissabon-Urteil gegeben. Ihm zufolge dient das Einstimmigkeitsprinzip vor allem dem Erhalt der nationalen Demokratie: Da das nationale Parlament seine Bedeutung verlöre, wenn es in wesentlichen Fragen europäisch überstimmt werden könnte, müsse es in zentralen Bereichen ein Vetorecht behalten.

Zielkonflikt zwischen Handlungsfähigkeit und Demokratie?

Intergouvernementalist:innen argumentieren deshalb gern mit einem scheinbaren Zielkonflikt zwischen europäischer Handlungsfähigkeit und Demokratie. Nach diesem Verständnis erschweren nationale Vetorechte zwar einerseits, dass die EU schnelle Beschlüsse fasst, verbessern andererseits aber auch ihre Legitimität. Unter dem Strich erscheinen sie deshalb als ein akzeptabler Preis, gerade in den „Kernbereichen staatlicher Souveränität“.

Aber kann dieses Argument wirklich überzeugen? Tatsächlich spricht vieles dafür, dass das Vetorecht nicht nur die Handlungsfähigkeit der EU vermindert, sondern auch ihre demokratische Qualität – und dass man, sofern man Bereiche überhaupt europäisch regeln will, dies grundsätzlich per Mehrheitsverfahren tun sollte.

Vetomacht ist nicht Gestaltungsmacht

Denn zunächst einmal ist festzuhalten, dass ein parlamentarisches Vetorecht etwas anderes ist als parlamentarische Gestaltungsmacht. Bei der nationalen Gesetzgebung haben nationale Parlamente selbst das Heft in der Hand und können über Ziele und Mittel entscheiden. Auf europäischer Ebene sind es hingegen die nationalen Regierungen, die untereinander Kompromisse aushandeln.

Selbst wenn die nationalen Parlamente dann noch darüber abstimmen dürfen, bleibt ihnen nur die Entscheidung zwischen Ja und Nein, zwischen Abnicken und Blockieren. Europäisierung führt auf nationaler Ebene deshalb immer zu einer Machtverschiebung vom Parlament zur Exekutive und damit zu einer Schwächung der parlamentarischen Demokratie. Ein nationales Vetorecht kann daran nur wenig ändern.

Das Einstimmigkeitsprinzip begünstigt Feiglingsspiele

Will man europäische Entscheidungen demokratisch legitimieren, dann geht das sinnvollerweise nur auf überstaatlicher Ebene – über die gemeinsamen Institutionen der EU. Hier aber behindert das Einstimmigkeitsprinzip die Demokratie eher, denn im Konfliktfall kollidiert die demokratische Legitimität jedes Mitgliedstaats mit der demokratischen Legitimität der übrigen Mitgliedstaaten.

Nationale Vetorechte begünstigen deshalb Verhandlungen im Stil eines chicken game, bei dem sich diejenige Seite durchsetzt, die es sich eher leisten kann, dass am Ende überhaupt kein gemeinsames Ergebnis steht. Das aber ist eher eine Frage der Macht als der Demokratie – und im Extremfall ermöglicht es, dass ein einzelner Mitgliedstaat eine Entscheidung verhindert, die im ganzen Rest der EU auf große Zustimmung stößt.

Differenzierte Integration ist nicht immer ein Ausweg

Wollen die übrigen Staaten dann doch voranschreiten, bleibt ihnen oft nur der Weg der „differenzierten Integration“ – sei es in Form einer verstärkten Zusammenarbeit oder durch Übereinkünfte außerhalb der EU-Verträge (wie den ESM-Vertrag oder den Fiskalpakt von 2012). Doch solche Koalitionen der Willigen haben ihren Preis, denn sie steigern die Komplexität und senken die Kohärenz der europäischen Politik.

Und es gibt genügend Politikbereiche, in denen sie überhaupt nicht möglich sind: Insbesondere in institutionellen Fragen (wie der Reform des Europawahlrechts oder der Zusammensetzung der Kommission) können die Mitgliedstaaten schon aus logischen Gründen nur als Einheit agieren. Auch bei „Artikel-7-Maßnahmen“ gegen nationale Regierungen, die gegen Rechtsstaatsprinzipien verstoßen, lassen sich nationale Vetos nicht umgehen. Ähnliches gilt für außenpolitische Sanktionen wie das Einfrieren von Vermögenswerten oder Reiseverbote, die durch Binnenmarkt und Schengen inzwischen nur noch europaweit einheitlich beschlossen werden können. Und auch in der Haushaltspolitik ist eine Differenzierung nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich.

Erhebliches Erpressungspotenzial

In all diesen Feldern kommt es deshalb immer wieder zu Situationen, in denen die Partikularinteressen einzelner nationaler Regierungen Vorrang gegenüber den Zielen aller anderen Mitgliedstaaten gewinnen. Und natürlich geht damit auch ein erhebliches Erpressungspotenzial für andere Entscheidungen einher.

So deutete etwa die griechische Regierung unter Alexis Tsipras (Syiza/EL) kurz nach ihrem Amtsantritt 2015 an, sie könnte EU-Sanktionen gegen Russland blockieren – was auch ohne einen expliziten Zusammenhang leicht als Warnsignal an die anderen EU-Staaten zu verstehen war, in der Eurokrise mehr Rücksicht auf Griechenland zu nehmen. Und als die ungarische und polnische Regierung unter Viktor Orbán (Fidesz/EVP) und Mateusz Morawiecki (PiS/EKR) 2020 ein Veto gegen das Corona-Wiederaufbauprogramm einlegten, wollten sie damit ganz offen Zugeständnisse beim Rechtsstaatsmechanismus erzwingen.

In Einstimmigkeitsbereichen tritt die EU auf der Stelle

Womöglich noch wichtiger als solche Machtspiele und Blockaden aber ist der chilling effect, den das Einstimmigkeitsprinzip für die betroffenen Politikfelder hat. In vielen Bereichen, in denen nationale Vetorechte gelten, tritt die EU auf der Stelle – aus Angst, dass die Verhandlungen darüber politisches Kapital aufzehren und am Ende doch scheitern würden.

So gab es schon seit über einem Jahrzehnt keine große Änderung der EU-Verträge mehr, obwohl nicht nur im Europäischen Parlament, sondern auch unter den nationalen Regierungen viele Akteure sich einig sind, dass Reformen dringend nötig wären. Die EU-Zukunftskonferenz und der neue Anlauf zu einer europäischen Wahlrechtsreform sind hier zwar positive Zeichen. Aber beide waren von Anfang an auch von Unkenrufen begleitet, und so zehrt die Debatte darüber, ob man überhaupt den Versuch einer Reform unternehmen sollte, schon viel von der Energie auf, die eigentlich in die Reformdebatte selbst fließen sollte.

Den Sozialstaat hat das Veto eher geschwächt als geschützt

Und auch bei der steuer- und sozialpolitischen Integration ist die EU immer wieder an einzelnen Mitgliedstaaten gescheitert, die ihr Vetorecht zur Verteidigung nationaler Partikularinteressen nutzen. Während die EU bei der Schaffung des Binnenmarkts (für den schon seit 1987 Mehrheitsverfahren gelten) große Fortschritte gemacht hat, ist sie sozialpolitisch immer schwach geblieben. Gleichzeitig haben durch den Binnenmarkt und die Währungsunion aber auch die Mitgliedstaaten viel von ihrem nationalen Handlungsspielraum eingebüßt.

Das Ergebnis dieser Entwicklung ist eine politische Asymmetrie, die gerade in der Eurokrise zu großen Akzeptanzproblemen der EU, aber auch vieler nationalen Regierungen geführt hat. Das Einstimmigkeitsprinzip entfaltet hier einen paradoxen Effekt: Der Sozialstaat, der als „Kernbereich der Souveränität“ durch das nationale Vetorecht geschützt werden sollte, wird in Wirklichkeit geschwächt, da es weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene zu Fortschritten kommt.

Demokratische Legitimität muss überstaatlich erzeugt werden

Insgesamt wird damit deutlich, dass das nationale Veto zwar auf formaler Ebene die nationale Souveränität schützt. Aber wie das Rodrik-Trilemma zeigt: Wenn Staaten so eng verflochten sind wie die Mitgliedsländer der EU, geht nationale Souveränität nicht mehr Hand in Hand mit Demokratie, sondern steht in Gegensatz zu ihr.

Will man die demokratische Qualität der EU verbessern, dann sind Vetorechte der nationalen Regierungen und Parlamente das falsche Instrument. Viel sinnvoller ist es, demokratische Legitimität für die EU gleich auf überstaatlicher Ebene zu erzeugen – vor allem mithilfe eines starken, gemeinsam gewählten Europäischen Parlaments.

Einstimmigkeit marginalisiert auch das Europäische Parlament

Gerade das Parlament ist aber der Akteur, der durch das Einstimmigkeitsprinzip am stärksten marginalisiert wird. Im ordentlichen EU-Gesetzgebungsverfahren besitzt es neben dem Rat als einzige Institution Vetomacht; die Verhandlungen zwischen ihnen finden deshalb ungefähr auf Augenhöhe statt. Im Einstimmigkeitsverfahren ist das Parlament hingegen bestenfalls einer von 28 Vetoplayern – und in der Regel nicht der wichtigste Flaschenhals. In Bereichen, in denen jede Regierung einen Beschluss blockieren kann, spielen die Wünsche der Abgeordneten deshalb nur eine sehr untergeordnete Rolle. Stattdessen kreisen die Verhandlungen vor allem um die Frage, welche Zugeständnisse an die widerwilligsten Mitgliedstaaten notwendig sind.

Die Auswirkungen dieser Dynamik lassen sich zum Beispiel alle sieben Jahre an der Debatte über den mehrjährigen Finanzrahmen ablesen, in der es statt um politische Prioritäten regelmäßig vor allem um nationale Nettobeiträge geht. Und auch in der Öffentlichkeit erhöhen Vetodrohungen den Nachrichtenwert – sodass der Fokus in der europapolitischen Berichterstattung oft weniger auf den Zielen der Mehrheit als auf den Vorbehalten der Bremser liegt.

Vetorechte laden zu Machtspielen ein – nicht zu Demokratie

Dass der Abbau nationaler Vetorechte nun zu einem Schlüsselthema der europäischen Reformdebatte wird, ist also auch aus demokratischer Sicht nur zu begrüßen. Es gibt Politikbereiche, die nur die einzelstaatliche Ebene betreffen und nicht durch die EU geregelt werden müssen. Hier sollten die Mitgliedstaaten in ihren Entscheidungen frei sein.

Wo es aber EU-weiter Regelungen bedarf, sollten diese grundsätzlich durch Mehrheitsentscheide getroffen werden. Politische Fragen auf europäischer Ebene beantworten zu wollen, dabei aber allen Mitgliedstaaten ein Vetorecht zu geben, ist hingegen eine Einladung zu Machtspielen, bei denen eine politisch starke Minderheit der Mehrheit ihren Kurs aufzwingt – und damit das genaue Gegenteil von dem, was Demokratie erreichen soll.



Bild: EU2017EE Estonian Presidency [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons.

22 Januar 2022

Reform des Europawahlrechts: Zwei Onlinediskussionen und ein Ausschussvotum

Update, 26. Januar 2022: Die für heute geplante AFCO-Abstimmung wurde noch einmal verschoben, und auch die Onlinediskussion heute Abend musste leider kurzfristig abgesagt werden. Aber beides wird hoffentlich bald nachgeholt!

Europaflagge mit Schriftzug VOTE
Gesamteuropäische Listen: Jetzt wird abgestimmt.

Jetzt gilt’s: Am kommenden Mittwoch, 26. Januar, wird der Ausschuss für konstitutionelle Fragen (AFCO) des Europäischen Parlaments über den Berichtsentwurf zur Wahlrechtsreform abstimmen. Ein zentrales Element dieser Reform sind gesamteuropäische Wahllisten – einer der wichtigsten Ansätze zur Stärkung der europäischen Parteien und damit zur Demokratisierung der EU. Auf diesem Blog war darüber bereits einiges zu lesen.

Und es wird spannend. Bereits im Februar 2018 ist bekanntlich ein Anlauf zu gesamteuropäischen Listen im Europäischen Parlament an der Ablehnung der Europäischen Volkspartei und der Rechtsfraktionen gescheitert. Auch das für diesen Mittwoch geplante Votum war eigentlich bereits für letzten Dezember geplant, wurde dann aber verschoben, da die großen Fraktionen des Parlaments sich nicht einig waren und mehr Zeit für das Aushandeln von Kompromissen benötigten. Immerhin: Ganz so weit auseinander wie vor vier Jahren liegen die Positionen diesmal nicht. Ein Überblick, wie die einzelnen Fraktionen die gesamteuropäischen Listen ausgestalten wollen, ist hier zu finden.

Wer aber wissen will, was die beteiligten Europaabgeordneten selbst dazu sagen, der bekommt nächste Woche gleich zwei Mal die Gelegenheit dazu – einmal auf Deutsch und einmal auf Englisch. Ich freue mich sehr, selbst auch dabei zu sein.

Montag, 24. Januar, 19 Uhr

Veranstaltungshinweis 24.1.2021, 19 Uhr

Am Montag, 24. Januar, um 19 Uhr, findet eine von der Europa-Union Deutschland organisierte Online-Podiumsdiskussion mit gleich vier deutschen Europaabgeordneten statt:

  • Sven Simon (CDU/EVP), Schattenberichterstatter der EVP-Fraktion zur Wahlrechtsreform 
  • Damian Boeselager (Volt), Schattenberichterstatter der Fraktion Grüne/EFA zur Wahlrechtsreform
  • Gaby Bischoff (SPD/SPE), stellvertretende Vorsitzende im AFCO-Ausschuss 
  • Svenja Hahn (FDP/ALDE), Europaabgeordnete der Fraktion Renew Europe 

Moderiert wird die Diskussion von Sophie Pornschlegel (European Policy Centre). Ich selbst werde am Anfang eine kurze thematische Einführung geben.

Alle Details und den Link zur Anmeldung gibt es hier.

Mittwoch, 26. Januar, 18 Uhr

Veranstaltungshinweis 26.1.2021, 18 Uhr

Am Mittwoch, 26. Januar, um 18 Uhr, organisieren die Union der Europäischen Föderalisten (UEF), das Brüsseler Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung sowie die Universität Passau eine gemeinsame Online-Podiumsdiskussion in englischer Sprache. Die Sprecher:innen werden die Ergebnisse der Abstimmung am Vormittag einordnen und darüber sprechen, wie es mit der Wahlrechtsreform und der europäischen Demokratie weitergeht:

  • Domènec Ruiz Devesa (PSOE/SPE), Berichterstatter des Europäischen Parlaments für die Wahlrechtsreform
  • Sandro Gozi (IV/RE), Präsident der UEF und Europaabgeordneter der Fraktion Renew Europe
  • Thu Nguyen, Policy Fellow für EU-Institutionen und Demokratie am Jacques Delors Centre in Berlin
  • Manuel Müller, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen

Moderieren wird Giulia Rossolillo von der Università di Pavia.

Alle Details und die Anmeldung sind hier zu finden.

Es wird also eine interessante Woche für alle Freund:innen des Europawahlrechts. Schauen Sie vorbei, es lohnt sich!


Wie man gesamteuropäische Listen ausgestalten könnte, um transnationale Wahlgleichheit zu schaffen, habe ich im Herbst in einem Policy Paper beschrieben. Es kann hier heruntergeladen werden.

Bild: Europaflagge mit Schriftzug VOTE: Marco Verch [CC BY 2.0], via Flickr (Original hier).

04 Januar 2022

Wenn am nächsten Sonntag Europawahl wäre (Januar 2022): EVP legt zu, Grüne verlieren, rechte Einheitsfraktion scheitert


Linke G/EFA S&D RE EVP EKR ID fʼlos Sonst.
EP heute3973145101177647036
Nov. 2150421449615575723635
Jan. 2251391429916573623440
dynamisch5343146105166102
6228
Basis-Szenario,
Stand: 4.1.2022.


Dynamisches Szenario,
Stand: 4.1.2022.

Das neue Jahr beginnt für die Europäische Volkspartei mit guten Nachrichten im Rennen um die Position als stärkste europäische Kraft: Nachdem die europäischen Sozialdemokrat:innen in der letzten Europawahl-Sitzprojektion von November 2021 erheblich Boden gut machen konnten, konnte sich die EVP zuletzt wieder deutlicher absetzen. In der aktuellen Projektion (die zum guten Teil auf Daten von Mitte Dezember 2021 basiert, da über die Feiertage in vielen Ländern keine neuen Umfragen durchgeführt wurden) liegen sie nun mit über zwanzig Sitzen vorn – der größte Vorsprung seit dem Sommer, aber noch immer deutlich weniger als während des größten Teils der vergangenen fünf Jahre.

Französische Umfragen

Dass die EVP zuletzt deutlich zulegen konnte, liegt insbesondere an neuen Umfragen aus Frankreich – aber auch an einer Umstellung in der Methodik dieser Sitzprojektion. Tatsächlich gibt es in Frankreich nämlich nur sehr selten Umfragen dazu, welche Partei die Bürger:innen wählen würden. Stattdessen fragen die Institute dort meist, welche Person die Wähler:innen als französische Präsident:in bevorzugen würden. Dies gilt umso mehr im aktuellen Wahlkampf vor der Präsidentschaftswahl im April.

In der Sitzprojektion wurden diese Präsidentschaftsumfragen bislang nicht berücksichtigt: Zum einen bedeutet die Zustimmung zu einer Person für ein nationales Amt nicht unbedingt, dass Wähler:innen auch bei der Europawahl diese Partei wählen würden. Zum anderen ist es prinzipiell möglich, dass eine Partei mit mehreren Präsidentschaftskandidat:innen antritt, was für die Sitzprojektion mit zusätzlichen methodischen Komplikationen einhergeht.

Andererseits spiegeln die Veränderungen in den Präsidentschaftsumfragen allerdings auch reale politische Stimmungswechsel wider. Aufgrund der seltenen Parteienumfragen wurden diese in der Sitzprojektion bislang meist erst mit großer Verspätung (und dann oft in Form eines plötzlichen Sprungs) sichtbar. Insgesamt erscheint es deshalb trotz der methodischen Probleme sinnvoller, für die Sitzprojektion auch die französischen Präsidentschaftswahlumfragen einzubeziehen und die Daten der Kandidat:innen ihren jeweiligen Parteien zuzuordnen – jedenfalls sofern keine aktuellen Umfragen zur Parteipräferenz der Wähler:innen vorliegen.

Deutliches Plus der EVP

In der aktuellen Projektion bringt das deutliche Zugewinne für die EVP-Mitgliedspartei LR, deren Kandidatin Valérie Pécresse nach ihrer Nominierung in den Umfragen stark zulegen konnte. Aber auch in anderen Mitgliedstaaten lief es für die EVP zuletzt gut: In Polen und Rumänien liegen kleinere Mitgliedsparteien der Fraktion nun wieder knapp über der nationalen Sperrklausel. In Portugal hat der PSD vor der nationalen Parlamentswahl Ende Januar deutlichen Rückenwind. Auch die deutsche CDU konnte sich nach der Wahl des neuen Parteivorsitzenden Friedrich Merz leicht verbessern, wenngleich sie weiterhin unter dem Ergebnis der Bundestagswahl im September bleibt.

In Belgien hingegen verloren die Christdemokrat:innen zuletzt, und auch die bulgarische Parlamentswahl im November verlief für die beiden nationalen EVP-Mitglieder GERB und DSB nicht zufriedenstellend. In der Summe aber kann die Fraktion im Vergleich zur November-Projektion ein deutliches Plus verzeichnen und käme nun auf 165 Sitze (+10).

Konsolidierung bei der S&D

Die sozialdemokratische S&D-Fraktion hingegen erfährt nach den Zugewinnen in der zweiten Jahreshälfte 2021 nun eher eine Phase der Konsolidierung. Auch hier macht sich der französische Wahlkampf bemerkbar, allerdings umgekehrt als bei der EVP: Mit den Werten der aktuellen Präsidentschaftsumfragen würden die französischen Sozialist:innen bei der Europawahl an der nationalen Sperrklausel scheitern und überhaupt keinen Sitz mehr gewinnen.

In anderen Ländern haben die Sozialdemokrat:innen hingegen weiterhin leichten Aufwind – etwa in Deutschland, Italien und Belgien, wo sie das Jahr 2021 jeweils als stärkste nationale Partei beendeten. Auchin Schweden verschaffte die neue Premierministerin Magdalena Andersson ihrer Partei ein Dreivierteljahr vor der nationalen Parlamentswahl einen kräftigen Umfrageschub. Insgesamt erreicht die S&D damit noch 142 Sitze (–2).

RE mit Verstärkung aus Polen

Der liberalen RE-Fraktion gelang im vergangenen November ein kleiner Coup: Im November trat die erfahrene polnische Europaabgeordnete Róża Thun (bisher PO/EVP) zur zentristischen Partei PL2050 über und schloss sich gleichzeitig der RE-Fraktion an. Thun ist damit die erste Europaabgeordnete der erst 2021 gegründeten, in den Umfragen aber sehr erfolgreichen PL2050. Die Partei erscheint damit ab jetzt auch im Basisszenario der Sitzprojektion als Mitglied der RE-Fraktion (bisher war das nur im dynamischen Szenario der Fall).

Ansonsten allerdings waren die letzten Wochen für die europäischen Liberalen eher durchwachsen. In Deutschland endete der kurze Höhenflug, den die FDP nach der Bundestagswahl erfahren hatte. In den Niederlanden stößt die Neuauflage der Regierung unter Mark Rutte (VVD), die kurz vor Weihnachten einen harten Corona-Lockdown verhängen musste, auf wenig Enthusiasmus. In Frankreich kämpft Emmanuel Macron (LREM) mit den Umfragen; dass er weiterhin klar den ersten Platz behaupten kann, verdankt er vor allem der Zersplitterung der rechten Opposition.

Insgesamt legt die RE-Fraktion deshalb nur wenig zu (99 Sitze/+3). Im dynamischen Szenario, in dem die Sitze von PL2050 schon bisher eingerechnet waren, verlieren die Liberalen sogar leicht.

Grüne weiter im Abwärtstrend

Auch für die europäischen Grünen sieht es gerade nicht gut aus. Die G/EFA-Fraktion kann ihren seit der Europawahl anhaltenden Abwärtstrend nicht stoppen und käme nun auf 39 Sitze (–3) – ihr schlechtester Wert seit Sommer 2018. Zuletzt erfuhren die Grünen in Frankreich und Finnland leichte Verluste; zudem würden sie in Schweden nun wieder knapp an der nationalen Sperrklausel scheitern.

In einigen Ländern gibt es allerdings auch erfreulichere Nachrichten für die G/EFA. So haben die österreichischen Grünen die Korruptionsaffäre ihres Koalitionspartners ÖVP (EVP) in den Umfragen unbeschadet überstanden. Und in Luxemburg würde nach einer Umfrage von November erstmals die Piratenpartei ins Europäische Parlament einziehen – womit die G/EFA nach der aktuellen Sitzprojektion die Fraktion mit der größten luxemburgischen Delegation wäre.

Bei der Linksfraktion im Europäischen Parlament gibt es in der Projektion wieder einmal kaum Veränderungen (51 Sitze/+1). Während die Linke in Frankreich und Spanien leicht zulegen können, sitzt die portugiesische BE vor der nationalen Parlamentswahl in einem Umfragetief.

Rechtsfraktionen mit Verlusten

Auf der rechten Seite des politischen Spektrums steht das französische RN um Marine Le Pen im nationalen Wahlkampf unter großem Druck. Zwar hat Le Pen nach den aktuellen Umfragen noch immer gute Chancen, als Zweitplatzierte in die Stichwahl um die Präsidentschaft einzuziehen. Sie erhielt zuletzt aber gleich von zwei Seiten Konkurrenz: nicht nur von Valérie Pécresse (LR/EVP), sondern auch von dem rechtsextremen Publizisten Éric Zemmour und seiner neu gegründeten Partei Reconquête.

Im Vergleich zum Sommer 2021 – der letzten französischen Umfrage, die in die Sitzprojektion einging – würde das RN deshalb fast die Hälfte seiner Stimmen verlieren. Obwohl es bei den übrigen Mitgliedsparteien der Rechtsaußenfraktion ID keine Veränderungen gibt, stürzt die Fraktion in der Sitzprojektion damit deutlich ab (62 Sitze/–10).

Zugleich erfährt auch die rechtskonservative EKR-Fraktion leichte Verluste (73 Sitze/–2). Hier erleiden unter anderem die polnische PiS sowie die schwedischen SD Einbußen. Hingegen würde das niederländische FvD nun wieder knapp ins Europäische Parlament einziehen, und auch die luxemburgische ADR könnte erstmals einen Sitz gewinnen.

Fraktionslose und sonstige Parteien

Kaum Veränderungen gibt es bei den fraktionslosen Parteien (34 Sitze/–2). Das italienische M5S sowie die griechische KKE müssen hier jeweils einen Sitz in der Projektion abgeben, was allerdings jeweils nur an kleinen Umfrageschwankungen liegt.

Unter den „sonstigen Parteien“, die derzeit nicht im Europäischen Parlament vertreten sind und keiner Fraktion eindeutig zugeordnet werden können, ragt vor allem Reconquête als erfolgreichster Newcomer heraus. Würde Reconquête die derzeitigen Umfragewerte Éric Zemmours bei der Europawahl 2024 umsetzen können, wäre sie aus dem Stand eine der stärksten nationalen Rechtsparteien im Europäischen Parlament – stärker als etwa die deutsche AfD (ID). Wirklich wahrscheinlich ist das allerdings nicht. Ebenso gut könnte es sein, dass Reconquête nach einer Niederlage Zemmours bei der Präsidentschaftswahl wieder vollständig von der Bildfläche verschwindet.

Darüber hinaus kann unter den sonstigen Parteien insbesondere auch das neu gegründete, liberal-proeuropäische bulgarische Parteienbündnis PP – Gewinner der nationalen Parlamentswahl im November – deutlich zulegen. Nicht mehr in dieser Spalte vertreten ist die polnische Partei PL2050, die nun eindeutig der RE zugeordnet werden kann. Dennoch kommen die sonstigen Parteien nun insgesamt auf 40 Sitze (+5), den höchsten Wert in der laufenden Wahlperiode.

Dynamisches Szenario: Keine rechte Einheitsfraktion

Gegenüber dem Basisszenario der Sitzprojektion geht das dynamische Szenario von stärkeren Annahmen aus. Zum einen ordnet es die „sonstigen Parteien“ der Fraktion zu, der diese plausiblerweise am nächsten stehen; zum anderen bezieht es auch mögliche künftige Fraktionswechsel einzelner nationaler Parteien mit ein. So rechnete das dynamische Szenario seit der Veröffentlichung eines gemeinsamen programmatischen Dokuments durch eine Gruppe europäischer Rechtsparteien im Juli 2021 mit der Bildung einer rechten Einheitsfraktion, die einen großen Teil der heutigen ID- und EKR-Mitglieder sowie die fraktionslose ungarische Fidesz vereinigt hätte.

Tatsächlich kam es im Spätherbst zu intensivierten Gesprächen zwischen den entsprechenden Parteien. Letztlich scheiterte der Plan einer gemeinsamen Fraktionsgründung jedoch – teils an inhaltlichen Gegensätzen (etwa im Verhältnis zur russischen Regierung), teils an innerstaatlichen Konkurrenzkämpfen vor allem zwischen den beiden italienischen Rechtsparteien Lega (ID) und FdI (EKR), teils an der polnischen PiS, die ihre derzeitige dominante Rolle innerhalb der EKR-Fraktion nicht mit den großen ID-Parteien Lega und RN teilen wollte.

EKR-Rekordwert im dynamischen Szenario

In der aktuellen Sitzprojektion geht auch das dynamische Szenario deshalb nicht mehr von einer rechten Einheitsfraktion aus, sondern wieder von zwei Fraktionen, die in etwa dem heutigen Zuschnitt entsprechen. Allerdings wird angenommen, dass sich die Fidesz letztlich der EKR anschließen wird. Auch die neue französische Partei Reconquête würde (falls sie 2024 tatsächlich ins Europäische Parlament einzieht) wohl nicht der Fraktion des RN beitreten wollen und deshalb eher Teil der EKR werden.

Insgesamt erreicht die EKR-Fraktion damit in der dynamischen Projektion einen Rekordwert von 102 Sitzen. Sie läge damit nahezu gleichauf mit der liberalen RE und deutlich vor der ID, die nach den gescheiterten Einheitsplänen auchim dynamischen Szenario wieder auf den fünften Platz zurückfällt.

Die Übersicht

Die folgende Tabelle schlüsselt die Sitzverteilung der Projektion nach nationalen Einzelparteien auf. Die Tabelle folgt dem Basisszenario, in dem nationale Parteien in der Regel jeweils ihrer aktuellen Fraktion (bzw. der Fraktion ihrer europäischen Dachpartei) zugeordnet sind und Parteien ohne klare Zuordnung als „sonstige Parteien“ ausgewiesen werden. Die Veränderungen im dynamischen Szenario gegenüber dem Basisszenario sind in der Tabelle durch farbige Schrift und durch einen Hinweis im Mouseover-Text gekennzeichnet.

Da es keine gesamteuropäischen Wahlumfragen gibt, basiert die Projektion auf aggregierten nationalen Umfragen und Wahlergebnissen aus allen Mitgliedstaaten. Wie die Datengrundlage für die Länder im Einzelnen aussieht, ist im Kleingedruckten unter den Tabellen erläutert. Mehr Informationen zu den europäischen Parteien und zu den Fraktionen im Europäischen Parlament gibt es hier.


Linke G/EFA S&D RE EVP EKR ID fʼlos Sonst.
EP heute3973145101177647036
Nov. 2150421449615575723635
Jan. 2251391429916573623440
dynamisch5343146105166102
6228

Linke G/EFA S&D RE EVP EKR ID fʼlos Sonst.
DE 5 Linke 15 Grüne
1 Piraten
1 ÖDP
1 Volt
25 SPD 10 FDP
2 FW
22 Union
1 Familie

10 AfD 2 Partei 1 Tier
FR 10 LFI 5 EELV
23 LREM 15 LR
14 RN
12 Rec
IT

19 PD
7 FI
1 SVP
18 FdI 17 Lega 14 M5S
ES 7 UP
1 Bildu
1 ERC 17 PSOE 2 Cʼs
1 PNV
16 PP 11 Vox
1 JxC 2 MP
PL

4 Lewica 7 PL2050
14 KO
3 KP
20 PiS

4 Konf
RO

15 PSD 4 USR-PLUS 7 PNL
1 PMP
1 UDMR
5 AUR


NL 2 SP
2 PvdD
1 GL
1 Volt
2 PvdA 7 VVD
4 D66
1 CDA
1 CU
1 SGP
1 FvD
1 JA21
4 PVV
1 BBB
EL 6 Syriza
3 KINAL
9 ND 1 EL
1 KKE 1 MeRA25
BE 3 PTB 1 Groen
1 Ecolo
2 Vooruit
3 PS
1 O-VLD
2 MR
1 CD&V
1 CSP
3 N-VA 3 VB

PT 1 BE
1 CDU

9 PS 1 IL 8 PSD
1 CH

CZ
2 Piráti
8 ANO 2 TOP09
3 STAN
4 ODS 2 SPD
HU

4 DK
2 MM 1 KDNP

12 Fidesz
2 Jobbik

SE 2 V
7 S 2 C 5 M
1 KD
4 SD


AT
3 Grüne 5 SPÖ 2 Neos 5 ÖVP
4 FPÖ

BG

2 BSP 2 DPS 4 GERB
1 DSB



5 PP
2 ITN
1 V
DK 1 Enhl. 1 SF 4 S 2 V
1 RV
3 K
1 DF
1 NB
FI 1 Vas 1 Vihreät 3 SDP 2 Kesk 4 Kok
3 PS

SK

2 Smer-SSD 1 PS 2 OĽANO
1 KDH
1 Spolu
2 SaS 1 SR 1 REP 3 Hlas-SD
IE 6 SF

4 FF 3 FG



HR

2 SDP
6 HDZ


2 Most
1 DP
1 Možemo
LT
2 LVŽS 4 LSDP 1 LRLS
2 TS-LKD

1 DP 1 LRP
LV

2 SDPS 1 AP!
1 ZZS
1 JV
1 JKP
1 NA

1 Prog
SI 1 Levica
2 SD 1 LMŠ 3 SDS-SLS
1 NSi




EE


2 RE
2 KE


2 EKRE
1 E200
CY 2 AKEL
1 EDEK
3 DISY



LU
1 Gréng
1 PPLU
1 LSAP 1 DP 1 CSV 1 ADR


MT

4 PL
2 PN




Verlauf (Basisszenario)


Linke G/EFA S&D RE EVP EKR ID fʼlos Sonst.
04.01.2022 51 39 142 99 165 73 62 34 40
08.11.2021 50 42 144 96 155 75 72 36 35
13.09.2021 54 42 141 98 160 70 75 33 32
21.07.2021 52 45 133 97 167 71 74 31 35
24.05.2021 50 50 125 95 167 74 73 33 38
29.03.2021 52 46 136 96 164 71 73 34 33
02.02.2021 52 45 135 94 184 70 71 21 33
09.12.2020 52 47 136 93 188 67 73 20 29
12.10.2020 51 49 127 96 193 67 71 21 30
14.08.2020 50 53 145 88 196 65 64 20 24
25.06.2020 48 55 143 91 203 64 63 20 18
26.04.2020 47 53 151 88 202 66 66 19 13
10.03.2020 51 58 138 88 188 67 82 21 12
09.01.2020 49 58 135 93 186 65 82 24 13
23.11.2019 48 57 138 99 181 62 82 22 16
23.09.2019 49 61 139 108 175 56 82 24 11
30.07.2019 47 64 138 108 180 57 82 22 7
Wahl 2019 40 68 148 97 187 62 76 27

Die Zeile „Wahl 2019“ kennzeichnet die Sitzverteilung zum 2. Juli 2019, dem Zeitpunkt der Konstituierung des Europäischen Parlaments nach der Europawahl im Mai 2019.
Angegeben sind jeweils die Werte im Basisszenario ohne das Vereinigte Königreich. Eine Übersicht der Werte mit dem Vereinigten Königreich für die Zeit bis Januar 2020 ist hier zu finden. Eine Übersicht älterer Projektionen aus der Wahlperiode 2014-2019 gibt es hier.

Die vollen Namen der Fraktionen und der nationalen Einzelparteien erscheinen als Mouseover-Text, wenn der Mauszeiger eine kurze Zeit regungslos auf der Bezeichnung in der Tabelle gehalten wird. Sofern eine Partei im dynamischen Szenario einer anderen Fraktion zugeordnet ist als im Basisszenario, ist dies ebenfalls im Mouseover-Text gekennzeichnet.

Fraktionszuordnung

Basisszenario: Für die Projektion werden Parteien, die bereits im Europäischen Parlament vertreten sind, jeweils ihrer derzeitigen Fraktion zugerechnet, es sei denn, sie haben ausdrücklich ihren Entschluss zu einem Fraktionswechsel nach der nächsten Europawahl erklärt. Nationale Parteien, die derzeit nicht im Europäischen Parlament vertreten sind, aber einer europäischen Partei angehören, werden der Fraktion der entsprechenden europäischen Partei zugeordnet. In Fällen, bei denen sich die Mitglieder einer nationalen Liste nach der Wahl voraussichtlich auf mehrere Fraktionen aufteilen werden, wird jeweils die am plausibelsten scheinende Verteilung zugrundegelegt. Parteien, bei denen die Zuordnung zu einer bestimmten Fraktion unklar ist, werden im Basisszenario als „Sonstige“ eingeordnet.

Für die Bildung einer eigenständigen Fraktion sind nach der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments mindestens 23 Abgeordnete aus mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten erforderlich. Mit einem Asterisk (*) gekennzeichnete Gruppierungen würden diese Bedingungen nach der Projektion derzeit nicht erfüllen. Sie müssten deshalb gegebenenfalls nach der Europawahl zusätzliche Abgeordnete für sich gewinnen, um sich als Fraktion konstituieren zu können.

Dynamisches Szenario: Im dynamischen Szenario werden alle „sonstigen“ Parteien einer schon bestehenden Fraktion (oder der Gruppe der Fraktionslosen) zugeordnet. Außerdem werden gegebenenfalls Fraktionsübertritte von bereits im Parlament vertretenen Parteien berücksichtigt, die politisch plausibel erscheinen, auch wenn sie noch nicht öffentlich angekündigt wurden. Um diese Veränderungen gegenüber dem Basisszenario deutlich zu machen, sind Parteien, die im dynamischen Szenario einer anderen Fraktion zugeordnet werden, in der Tabelle mit der Farbe dieser Fraktion gekennzeichnet; zudem erscheint der Name der möglichen künftigen Fraktion im Mouseover-Text. Die Zuordnungen im dynamischen Szenario basieren auf einer subjektiven Einschätzung der politischen Ausrichtung und Strategie der Parteien und können daher im Einzelnen recht unsicher sein. In der Gesamtschau kann das dynamische Szenario jedoch näher an der wirklichen Sitzverteilung nach der nächsten Europawahl liegen als das Basisszenario.

Datengrundlage

Soweit verfügbar, wird bei der Sitzberechnung für jedes Land jeweils die jüngste Umfrage zu den Wahlabsichten für das Europäische Parlament herangezogen. Wo mehr als eine Umfrage erschienen ist, wird der Durchschnitt aller Umfragen aus den letzten zwei Wochen vor der jüngsten Umfrage berechnet, wobei jedoch von jedem einzelnen Umfrageinstitut nur die jeweils letzte Umfrage berücksichtigt wird. Stichtag für die Berücksichtigung einer Umfrage ist, soweit bekannt, jeweils der letzte Tag der Durchführung, andernfalls der Tag der Veröffentlichung.
Für Länder, in denen es keine spezifischen Europawahlumfragen gibt oder die letzte solche Umfrage mehr als zwei Wochen zurückliegt, wird stattdessen die jüngste verfügbare Umfrage für die Wahl zum nationalen Parlament bzw. der Durchschnitt aller Umfragen für das nationale oder das Europäische Parlament aus den letzten zwei Wochen vor der jüngsten verfügbaren Umfrage verwendet. Für Länder, in denen es keine aktuellen Umfragen für Parlamentswahlen gibt, wird stattdessen gegebenenfalls auf Umfragen zu Präsidentschaftswahlen zurückgegriffen, wobei die Umfragewerte der Präsidentschaftskandidat:innen jeweils den Parteien der Kandidat:innen zugeordnet werden (dies kann insbesondere Frankreich betreffen). Für Mitgliedstaaten, für die sich überhaupt keine Umfragen finden lassen, wird auf die Ergebnisse der letzten nationalen Parlaments- oder Europawahl zurückgegriffen.
In der Regel werden die nationalen Umfragewerte der Parteien direkt auf die Gesamtzahl der Sitze des Landes umgerechnet. Für Länder, in denen die Wahl in regionalen Wahlkreisen ohne Verhältnisausgleich erfolgt (aktuell Belgien und Irland), werden regionale Umfragedaten genutzt, soweit diese verfügbar sind. Wo dies nicht der Fall ist, wird die Sitzzahl für jeden Wahlkreis einzeln berechnet, dabei aber jeweils die nationalen Gesamt-Umfragewerte herangezogen. Nationale Sperrklauseln werden, soweit vorhanden, in der Projektion berücksichtigt.
In Belgien entsprechen die Wahlkreise bei der Europawahl den Sprachgemeinschaft, während Umfragen üblicherweise auf Ebene der Regionen durchgeführt werden. Für die Projektion werden für die französischsprachige Gemeinschaft die Umfragedaten aus Wallonien, für die niederländischsprachige Gemeinschaft die Umfragedaten aus Flandern genutzt. Für die deutschsprachige Gemeinschaft wird das Ergebnis der letzten Europawahl herangezogen (1 Sitz für CSP).
In Ländern, in denen es üblich ist, dass mehrere Parteien als Wahlbündnis auf einer gemeinsamen Liste antreten, werden der Projektion plausibel erscheinende Listengemeinschaften zugrunde gelegt. Dies betrifft folgende Parteien: Spanien: Más País (1.-2. Listenplatz), Compromís (3.) und Equo (4.); ERC (1., 3.-4.), Bildu (2.) und BNG (5.); PNV (1.) und CC (2.); Niederlande: CU (1., 3.-4.) und SGP (2., 5.); Ungarn: Fidesz (1.-6., ab 8.) und KDNP (7.); Bulgarien: DSB (1.-2.) und ZD (3.); Slowakei: PS (1.) und Spolu (2.).
In Ungarn haben sich mit Blick auf die nationale Parlamentswahl 2022 fast alle Oppositionsparteien (DK, MSZP, MM, LMP, Jobbik) zu einem Wahlbündnis zusammengeschlossen, sodass einige nationale Umfragen nur noch einen gemeinsamen Wert für sie ausweisen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass dieses Wahlbündnis auch bei der nächsten Europawahl Bestand hat. Für die Sitzprojektion werden deshalb bevorzugt Umfragen berücksichtigt, die die Umfragewerte der Oppositionsparteien einzeln ausweisen. Bei Umfragen, die einen gemeinsamen Wert für das Oppositionsbündnis ausweisen, wird dieser Wert auf die einzelnen Parteien aufgeteilt, und zwar entsprechend dem Verhältnis der durchschnittlichen Umfragewerte der Parteien in den Umfragen, die diese einzeln ausweisen.
Da es in Deutschland bei der Europawahl keine Sperrklausel gibt, können Parteien bereits mit weniger als 1 Prozent der Stimmen einen Sitz im Europäischen Parlament gewinnen. Mangels zuverlässiger Umfragedaten wird für diese Kleinparteien in der Projektion in der Regel jeweils das Ergebnis der letzten Europawahl herangezogen (je 2 Sitze für PARTEI und FW, je 1 Sitz für Tierschutzpartei, ödp, Piraten, Volt und Familienpartei). Nur falls eine Kleinpartei in aktuellen Umfragen einen besseren Wert erreicht als bei der letzten Europawahl, wird stattdessen dieser Umfragewert herangezogen.
In Italien können Minderheitenparteien durch eine Sonderregelung auch mit nur recht wenigen Stimmen ins Parlament einziehen. In der Projektion wird die Südtiroler Volkspartei deshalb stets mit dem Ergebnis der letzten Europawahl (1 Sitz) geführt.

Die folgende Übersicht führt die Datengrundlage für die Mitgliedstaaten im Einzelnen auf. Die Daten beziehen sich auf den letzten Tag der Durchführung; falls dieser nicht bekannt ist, auf den Tag der Veröffentlichung der Umfragen:
Deutschland: nationale Umfragen, 21.12.2021-3.1.2022, Quelle: Wikipedia.
Frankreich: nationale Umfragen, 20.12.2021-3.1.2022, Quelle: Wikipedia.
Italien: nationale Umfragen, 16.-27.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Spanien: nationale Umfragen, 22.12.2021-2.1.2022, Quelle: Wikipedia.
Polen: nationale Umfragen, 17.-30.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Rumänien: nationale Umfragen, 17.12.2021, Quelle: Europe Elects.
Niederlande: nationale Umfragen, 21.-26.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Griechenland: nationale Umfragen, 14.-18.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Belgien, französischsprachige Gemeinschaft: regionale Umfragen (Wallonien) für die nationale Parlamentswahl, 8.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Belgien, niederländischsprachige Gemeinschaft: regionale Umfragen (Flandern) für die nationale Parlamentswahl, 8.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Belgien, deutschsprachige Gemeinschaft: Ergebnis der Europawahl, 26.5.2019.
Portugal: nationale Umfragen, 12.-20.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Tschechien: nationale Umfragen, 24.11.-2.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Ungarn: nationale Umfragen, 11.-23.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Schweden: nationale Umfragen, 5.-16.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Österreich: nationale Umfragen, 19.12.2021-3.1.2022, Quelle: Wikipedia.
Bulgarien: Ergebnis der nationalen Parlamentswahl, 4.11.2021.
Dänemark: nationale Umfragen, 8.-11.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Finnland: nationale Umfragen, 30.11.-10.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Slowakei: nationale Umfragen, 12.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Irland: nationale Umfragen, 8.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Kroatien: nationale Umfragen, 24.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Litauen: nationale Umfragen, 18.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Lettland: nationale Umfragen, Dezember 2021, Quelle: Wikipedia.
Slowenien: nationale Umfragen, 16.-27.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Estland: nationale Umfragen, 7.-20.12.2021, Quelle: Wikipedia.
Zypern: Ergebnis der nationalen Parlamentswahl, 30.5.2021.
Luxemburg: nationale Umfragen, 24.11.2021, Quelle: Europe Elects.
Malta: nationale Umfragen, 2.12.2021, Quelle: Wikipedia.

Bilder: Eigene Grafiken.