25 Februar 2016

Kerneuropa?

Steckt in der harten Schale der EU ein guter Kern?
Im Westen lassen sich die Briten eine Extrawurst nach der nächsten servieren. Im Norden sind die Skandinavier ebenfalls nur widerwillig dabei. Im Osten verweigern sich die Visegrád-Staaten einer solidarischen Lösung der Flüchtlingskrise – ganz abgesehen davon, dass in einigen von ihnen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit immer mehr unter Druck geraten. Und im Süden grassiert die Massenarbeitslosigkeit und die nationalen Regierungen, die in der Eurokrise den Kurs der europäischen Institutionen mitgetragen haben, verlieren eine Wahl nach der nächsten. Kein Wunder also, dass sich im Zentrum der EU, speziell in den beiden größten Mitgliedstaaten Deutschland und Frankreich, in letzter Zeit Frustration ausbreitet.

Gerade von Menschen, die es mit der europäischen Einigung gut meinen, hört man immer öfter, dass die Integration zu 28 offenbar so nicht funktionieren kann. Die EU scheint zu heterogen geworden zu sein, die Probleme und Zielvorstellungen der einzelnen Länder zu unterschiedlich, die Blockademöglichkeiten zu groß. Die Hoffnung auf eine baldige Wiederbelebung der Integrationsdynamik klingt zunehmend utopisch. Und zuletzt stellen viele Europafreunde – oft mit ehrlichem Bedauern – fest, dass die einzige Lösung offenbar in mehr „differenzierter Integration“ besteht: in der Herausbildung eines „Kerneuropas“, das auf dem Weg der Einigung voranschreitet, wenn nötig eben ohne die Länder der Peripherie.

Doch so populär die Rede von einem Kerneuropa gerade ist, so unklar sind im Einzelnen die Pläne dazu. Und blickt man genauer hin, so tun sich schnell eine ganze Reihe von Problemen auf, für die die Befürworter dieses Vorschlags meist keine allzu überzeugenden Antworten haben. Vor allem drei zentrale Fragen bleiben oft offen: Mit welchen Staaten, mit welchen Institutionen und mit welchem Zweck soll Kerneuropa vorangetrieben werden?

Mit welchen Staaten?

In Bezug auf die Wirtschaftspolitik ist die Grenzziehung einigermaßen klar: Kerneuropa, das ist die Eurozone. Damit die Währungsunion funktionieren kann, müssen ihre Mitgliedstaaten ihre Haushalts-, Sozial- und Konjunkturpolitik noch viel besser als bisher miteinander verknüpfen. Für die Nicht-Euro-Staaten ist das nicht in demselben Maße notwendig, und viele von ihnen sind dazu auch nicht bereit. Also muss sich die Eurozone weiter integrieren, während der Rest womöglich erst einmal zurückbleibt.

Allerdings: Wirtschaft ist nicht alles in der EU, und wenn es um innen- oder grenzpolitische Fragen geht, sind die Mitgliedstaaten der Währungsunion keineswegs alle naheliegende Kandidaten für ein harmonisch kooperierendes Kerneuropa. So gehören zur Eurozone beispielsweise Griechenland, das seine Außengrenze nicht effektiv unter Kontrolle hat und dessen Asylsystem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schon seit mehreren Jahren für erniedrigend und unmenschlich hält, die Slowakei, deren Regierung wie keine zweite eine europaweite Umverteilung von Flüchtlingen blockiert, oder Irland, das nicht einmal Mitglied im Schengen-Raum ist.

Mini-Schengen“ zu fünft?

Verschiedentlich kursieren deshalb in jüngster Zeit auch Ideen, das politische Kerneuropa noch enger zu fassen. So ist beispielsweise von einem „Mini-Schengen“ aus Deutschland, Österreich und den Benelux-Ländern die Rede; die italienische Regierung organisierte vor einigen Wochen ein Außenminister-Treffen der sechs EG-Gründungsstaaten; und der Spiegel-Online-Kolumnist Henrik Müller sprach jüngst von einem harten Kern um Frankreich, Deutschland und die Benelux-Länder“.

Diese kleineuropäischen Pläne irritieren jedoch aus mehreren Gründen. Zum einen ist für das europäische Einigungsprojekt die territoriale Reichweite eben doch nicht ganz gleichgültig: Ob ein überstaatlicher Raum ohne Binnengrenzen 26 Länder umfasst (wie Schengen heute) oder nur fünf, ist ein bedeutender Unterschied an persönlicher Freiheit für die reisenden Bürger.

Die Integrationsbremser sitzen nicht nur an der Peripherie

Zum anderen ließe der Rückzug auf einen solchen Miniatur-Kern Millionen Europäer außen vor, die große politische Hoffnungen auf das Integrationsprojekt gesetzt haben – etwa die Spanier, die in Umfragen regelmäßig zu den europafreundlichsten Unionsbürgern zählen, oder auch jene Polen, die in Demonstrationen gegen die derzeitige nationalkonservative Regierung immer wieder auch Europafahnen schwenken.

Und schließlich ist auch die Vorstellung naiv, dass die Integrationsbremser immer nur an der europäischen Peripherie säßen. Wenn es etwa darum geht, der Europäischen Union mehr finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, gehören die „Kernstaaten“ Deutschland und die Niederlande regelmäßig zu den wichtigsten Blockierern. Rechtlich hat kein Land einer weiteren Vergemeinschaftung zentraler Politikfelder so hohe Hürden entgegengestellt wie das deutsche Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil. Es waren Frankreich und die Niederlande, die 2005 den EU-Verfassungsvertrag in Referenden ablehnten. Und nirgendwo in Europa ist die Wahrscheinlichkeit, dass in drei Jahren nationalistische Rechtsaußen-Parteien an der Regierung beteiligt sind, so hoch wie in den Niederlanden und in Österreich.

Mit welchen Institutionen?

Auch mit welchen Institutionen Kerneuropa eigentlich ausgestattet sein soll und wie diese sich zu den existierenden Organen der EU verhalten würden, bleibt in der derzeitigen Diskussion meist unterbelichtet. Tatsächlich beinhaltet der EU-Vertrag mit der Verstärkten Zusammenarbeit schon heute ein Verfahren, mit dem eine Staatengruppe bei der Integration allein voranschreiten kann. Die EU-Organe (in der Regel Kommission, Europäisches Parlament und Ministerrat, wobei im Rat nur die Regierungen der beteiligten Staaten ein Stimmrecht haben) können dadurch Rechtsakte erlassen, die nur für diese Staatengruppe gelten, während die übrigen Länder für das entsprechende Politikfeld weiterhin nationale Gesetze anwenden.

Allerdings haben die Kerneuropa-Befürworter bei ihren Vorschlägen meist eher keine solche Verstärkte Zusammenarbeit im Sinn, sondern wollen stattdessen eigene kerneuropäische Institutionen schaffen. Dahinter steht eine grundsätzlich nachvollziehbare Überlegung: In einer Verstärkten Zusammenarbeit geben nur die beteiligten Staaten Macht an die EU-Organe ab; das Parlament und die Kommission werden jedoch von allen Europäern gewählt. Im Ergebnis können die Bürger der nicht beteiligten Staaten also über Angelegenheiten mitbestimmen, die sie selbst gar nicht direkt betreffen – was nicht nur demokratisch unschön ist, sondern auch ein machtpolitischer Nachteil für gerade jene Staaten wäre, die sich doch als Kerneuropa vom Rest emanzipieren wollen.

Parlamentarische Versammlung oder Euro-Kammer?

Wie aber könnten eigene kerneuropäische Institutionen aussehen? In Bezug auf die Eurozone läuft die politische Debatte dazu bereits seit einer ganzen Weile. Zur parlamentarischen Legitimation tauchen dabei vor allem zwei Vorschläge immer wieder auf: Man könnte eine neue parlamentarische Versammlung schaffen, in der Delegierte der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten vertreten sind. Oder man könnte innerhalb des Europäischen Parlaments eine spezielle „Eurokammer“ schaffen, die sich nur aus Abgeordneten zusammensetzt, die in den Euro-Ländern gewählt wurden.

Wie ich an anderer Stelle schon ausführlicher geschrieben habe, finde ich keinen dieser beiden Vorschläge allzu überzeugend. Parlamentarische Versammlungen haben noch niemals eine allzu große Legitimationswirkung entfaltet: Auch das Europäische Parlament, das in den 1950er Jahren zunächst als Parlamentarische Versammlung eingerichtet wurde, begann erst eine relevante Rolle zu spielen, seitdem es 1979 zum ersten Mal direkt gewählt wurde. Zudem gibt es schon heute eine interparlamentarische Konferenz der Mitgliedstaaten des Euro-Fiskalpakts. Dass diese den meisten Menschen völlig unbekannt ist, dürfte kein Zufall sein.

Der Vorschlag einer Eurokammer innerhalb des Europäischen Parlaments wiederum widerspricht der Idee, dass die Europaabgeordneten Vertreter aller Unionsbürger sind – und eben nicht nur die Interessen ihrer jeweiligen Herkunftsstaaten repräsentieren. Vor allem aber verträgt sich der Vorschlag nicht mit zwei anderen zentralen Vorhaben für die Demokratisierung der EU, nämlich mit der Einführung transnationaler Wahllisten und der Wahl der Europäischen Kommission direkt durch das Europäische Parlament.

Mehr Kerneuropa, weniger Demokratie?

Faktisch dürfte eine Institutionalisierung von Kerneuropa deshalb auf etwas ganz anderes hinauslaufen: nämlich schlicht auf eine Umgehung und Schwächung parlamentarischer Verfahren. Auch hierfür gibt es schon heute einige Beispiele. Der Europäische Stabilitätsmechanismus etwa sieht auf europäischer Ebene keinerlei parlamentarische Mitspracherechte vor, sondern setzt allein auf die Zusammenarbeit der nationalen Regierungen. Und in den Vorschlägen, die verschiedene nationale Regierungen vergangenen Sommer für die Weiterentwicklung der Währungsunion präsentierten, spielte die parlamentarische Demokratie bestenfalls eine Nebenrolle.

Wie es derzeit aussieht, wird mehr Kerneuropa mehr Intergouvernementalismus und damit weniger Demokratie bedeuten. Die einzige plausible Alternative dazu bestünde darin, die kerneuropäischen Institutionen von Grund auf bundesstaatlich-demokratisch zu gestalten. In der schon zitierten Kolumne von Henrik Müller heißt es etwa, die Kerneuropa-Länder sollten „sich zu einer echten Föderalgemeinschaft zusammenschweißen – mit allem, was dazu gehört: Parlament, Regierung, Währung, Armee“. Aber ist das auf absehbare Zeit ein realistisches Szenario? Ist es tatsächlich das, was die große Mehrheit der Kerneuropa-Fürsprecher im Sinn hat? Und würde Kerneuropa wirklich für so viele Dinge zuständig sein, dass sich ein solcher Aufwand lohnt?

Mit welchem Zweck?

Und hier ist das dritte Problem der derzeitigen Diskussion: Allzu häufig ist das Schlagwort „Kerneuropa“ nur als Reaktion zu hören, wenn wieder einmal die Briten oder die Osteuropäer nerven und man sich wünschte, dass diese ganze europäische Politik doch irgendwie ein kleines bisschen einfacher würde. Welche Maßnahmen man im Kerneuropa-Rahmen im Einzelnen durchführen möchte, welche Zuständigkeiten diese Zwischenebene konkret haben sollte oder in welcher Weise sie genau dazu beitragen könnte, die Europapolitik effizienter und demokratischer zu gestalten, wird dagegen nur selten erklärt.

Tatsächlich ist diese Unklarheit über den Zweck von Kerneuropa auch eine wesentliche Ursache für die Verwirrungen über seine territoriale und institutionelle Gestalt. Es macht eben einen Unterschied, ob man nur eine harmonischere Konjunkturpolitik für die Währungsunion will oder einen vollwertigen supranationalen Bundesstaat anstrebt. Beides wird auf Ebene der Gesamt-EU (wenigstens in absehbarer Zeit) kaum zu verwirklichen sein und erfordert deshalb irgendeine Form von differenzierter Integration. Doch die Frage, welche Staaten sich daran beteiligen könnten und welchen institutionellen Rahmen man ins Auge fasst, lässt sich erst dann beantworten, wenn man sich darüber im Klaren ist, worin das Vorhaben eigentlich genau besteht.

Also, liebe Kerneuropa-Vordenker: Arbeitet euch nicht an Großbritannien ab, sondern formuliert lieber eure eigene Vision für Europa – und erklärt uns, mit welchen Staaten, welchen Institutionen und welchem Zweck ihr sie verwirklichen wollt. Wenn diese Vision dann wirklich zu mehr Freiheit und Demokratie beitragen kann, so sei sie willkommen. Aber die konstitutionelle Zukunft des Kontinents ist zu wichtig für ein Kerneuropa, das nur aus Frustration geboren ist.

Bild: By abu a.k.a Andrzej Burak [Public domain], via Wikimedia Commons.

18 Februar 2016

Zur künftigen Rolle der europäischen Parteien

EVP, SPE, ALDE & Co.: Die europäischen Parteien (hier eine Übersicht) könnten der Schlüssel zu einer repräsentativen Demokratie auf europäischer Ebene sein, doch bislang hört man in der Öffentlichkeit nur selten von ihnen. Welche Rolle sollen sie in der EU in Zukunft spielen, und was ist nötig, um das zu erreichen? In einer Serie von Gastartikeln antworten hier Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wissenschaft auf diese Frage. Heute: Sir Graham Watson. (Zum Anfang der Serie.)

„Die Einrichtung voll ausgeprägter und reifer gesamteuropäischer Parteien ist wesentlich, um demokratische Standards im EU-Rahmen zu ermöglichen.“
Als jemand, der zwanzig Jahre lang in der europäischen Politik aktiv war, war ich immer davon überzeugt, dass die europäischen Parteien eine direktere Verbindung zwischen der Demokratie auf europäischer Ebene und den Bürgern der Union schaffen müssen. Hierin liegt das wichtigste Gegenmittel zu dem ewigen demokratischen Legitimitätsproblem der EU, das sich in solch besorgniserregenden Entwicklungen zeigt wie der seit der ersten Direktwahl 1979 stetig sinkenden Europawahlbeteiligung oder dem Aufstieg der Europaskepsis an beiden Rändern des politischen Spektrums überall auf dem Kontinent.

Politisches Vakuum

Der fehlende Bekanntheitsgrad und die begrenzten rechtlichen Möglichkeiten der Parteien auf EU-Ebene sind ein wesentlicher Grund dafür, dass die EU und ihre Institutionen im Lauf der letzten 36 Jahre öffentliche Unterstützung verloren haben. Angesichts des politischen Vakuums, das durch die Vernachlässigung der Parteipolitik im europäischen Rahmen entsteht, können nationale Politiker einspringen, um Lob für alle erfolgreichen Politiken der EU einzustreichen und für jedes Scheitern Brüssel die Schuld zu geben. Und wenn die EU den Bürgern nur als eine Schlacht zwischen den nationalen Interessen ihrer Mitgliedstaaten präsentiert wird, wird sie niemals jemanden inspirieren.

Wir brauchen voll ausgebildete und reife gesamteuropäische Parteien, die durch die Rechtsstruktur der EU mit genug Macht ausgestattet sind, um die nationalen Schwarzer-Peter-Spiele und die politische Apathie zu überwinden, die einen Teil der Durchschnittsbürger angesichts des Mangels an ausreichenden demokratischen Chancen befallen hat. Die europäischen Parteien müssen auf EU-Ebene in etwa dieselbe Rolle spielen, die Parteien bisher nur im nationalen Kontext eingenommen haben.

Überstaatliche Herausforderungen erfordern überstaatliche Demokratie

Seit dem 19. Jahrhundert galt immer der Nationalstaat als die angemessene Einheit politischen Regierens. Im traditionellen Kontext waren Parteien deshalb vor allem auf Ebene der Nationen tätig und bildeten dort den Transmissionsriemen zischen Bürgern und Staat. Ihre Rolle war und ist, den politischen Dialog in der Gesellschaft zu organisieren und zu strukturieren und durch das Angebot von Wahlmöglichkeiten die Demokratie zu pflegen, indem sie den Bürgern alternative Zukunftsvisionen aufzeigten.

Inzwischen haben wir erkannt, dass die Herausforderungen, die wir im 21. Jahrhundert zu bewältigen haben – geprägt durch die Globalisierung und die physischen Grenzen des Planeten –, von einem überstaatlichen Charakter sind, mit dem keine national Regierungsinstitution alleine effektiv umgehen kann. Infolgedessen gewinnt die Organisation politischer Aktivitäten auf regionaler und globaler Ebene schnell an Bedeutung als neue angemessene Einheit politischen Regierens. Diese wachsende Notwendigkeit, politische Antworten auf überstaatlicher Ebene zu finden, wirft jedoch ihrerseits drängende Fragen zur Entwicklung einer überstaatlichen Demokratie auf.

Die EU spielt eine Pionierrolle

Da die Europäische Union die weltweit am weitesten fortgeschrittene Institution supranationaler Zusammenarbeit ist, spielt sie eine Pionierrolle bei der Institutionalisierung jener demokratischen Prinzipien und Praktiken auf supranationaler Ebene, die wir aus dem nationalen Kontext kennen. Ihre institutionelle Architektur muss sich auf ein effizient funktionierendes demokratisches System stützen, in dem die Bürger voll eingebunden sind und ihren politischen Willen ausdrücken können. Hiervon hängt der Erfolg des gesamten europäischen Projekts ab.

Um diese direkte Verbindung zwischen den politischen Institutionen der EU und der öffentlichen Meinung ihrer Bürger zu schaffen, muss die überstaatliche Parteipolitik eine viel größere Rolle spielen. So wie die Rolle nationaler Parteien unverzichtbar für einen effektiv funktionierenden demokratischen Staat ist, ist die Einrichtung voll ausgeprägter und reifer gesamteuropäischer Parteien wesentlich, um im europäischen Rahmen die gleichen demokratischen Standards zu ermöglichen.

Reformen an interner Struktur und Rechtsrahmen der Parteien

Dieser Gedanke ist inzwischen auch in den EU-Verträgen anerkannt: „Politische Parteien auf europäischer Ebene tragen zur Herausbildung eines europäischen politischen Bewusstseins und zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger der Union bei.“ Damit die europäischen Parteien diese Aufgabe bei der Förderung einer europäischen Demokratie voll erfüllen können, ist jedoch eine Kombination interner und externer Änderungen notwendig – wichtige Reformen sowohl innerhalb der Parteistrukturen als auch außerhalb in der Rechtsarchitektur der Europäischen Union, die ihre Funktionsweise regelt. Ein Fortschritt in jedem dieser beiden Bereiche kann helfen, die Sichtbarkeit und politische Rolle der europäischen Parteien zu erhöhen und auch im anderen Bereich Änderungen anzuregen, wie dies auch in der Vergangenheit der Fall war.

Durch eine Ausweitung der parteipolitischen Koordination auf europäischer Ebene haben die Liberalen immer eine Pionierrolle gespielt, seitdem sie in der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl darauf beharrten, in einer gemeinsamen Fraktion statt in nationalen Delegationen zu sitzen. Die ALDE-Partei bleibt dieser wegweisenden Tradition bis heute treu, indem sie sowohl in ihren eigenen Reihen auf Reformen dringt als auch in den politischen Institutionen der EU auf eine Änderung des rechtlichen Rahmens.

Bessere Koordinierung zwischen Entscheidungsträgern

Eine der Formen, in denen wir uns als Partei weiter entwickeln können, ist eine bessere Koordinierung zwischen unseren führenden europäischen liberalen Entscheidungsträgern, die in den verschiedenen EU-Institutionen aktiv sind. Als ich Fraktionschef der Liberaldemokraten im Europäischen Parlament war, begann ich regelmäßige Treffen zwischen EU-Kommissaren der liberalen Familie und unseren führenden parlamentarischen Sprechern einzurichten. Ich nahm an den ersten Treffen teil, die die liberaldemokratischen Regierungschefs vor den Treffen des Europäischen Rates durchführten. Ich organisierte die erste der jährlichen Wochenendklausuren für Europas liberale Spitzenpolitiker. Seitdem haben wir einen weiten Weg zurückgelegt.

Inzwischen ist es regelmäßige Praxis der ALDE-Partei, die liberalen Regierungschefs, EU-Kommissare und den Chef unserer Fraktion vor jedem Gipfel des Europäischen Rates zu einem gemeinsamen Koordinierungstreffen zu versammeln. Zuletzt haben wir diese Praxis außerdem auch auf Ministerratstreffen ausgedehnt. Vergangenen Dezember veranstaltete die ALDE-Partei ihr erstes Vortreffen für den Rat für Verkehr und Telekommunikation, indem sie liberale nationale Minister, EU-Kommissare und Europaabgeordnete mit einschlägigem Tätigkeitsbereich um denselben Tisch versammelte, um ihre Positionen zu einer Reihe wichtiger politischer Fragen auf eine gemeinsame Linie zu bringen.

Diese Koordinationsforen zu bieten und regelmäßige Austauschkanäle zwischen europäischen liberalen Politikern zu schaffen ist wesentlich, um die liberale Parteienfamilie in der EU enger zusammenzuschließen und ihre Ziele und Visionen zu vereinheitlichen. Es bleibt eine entscheidende Aufgabe der ALDE-Partei, solche Verbindungen weiter zu vertiefen und zu institutionalisieren, gleichzeitig aber auch andere Innovationswege zu erforschen, mit denen wir weiter gelangen können als jede andere europäische Partei sich zu bewegen wagt.

Stimmrecht für Individualmitglieder

Ein solcher Weg war 2011 die Einführung einer einzigartigen Kategorie der Individualmitgliedschaft durch die ALDE-Partei, die es jedem EU-Bürger ermöglicht, der Partei beizutreten, ohne einer unserer Mitgliedsparteien auf nationaler Ebene angehören zu müssen. Im Lauf der letzten fünf Jahre haben wir dieses bahnbrechende Programm stark weiterentwickelt, indem wir eine eigene Koordinierungsstruktur mit einem Leitungskomitee geschaffen haben, das die Individualmitglieder enger in die tägliche Arbeit der Partei integriert.

Unsere Entschlossenheit, nach und nach mehr Protagonismus und Verantwortung auf sie zu übertragen, gipfelte auf dem letzten ALDE-Parteitag in Budapest, auf dem die Individualmitglieder ein Stimmrecht erhielten. Sie können nun über ihre eigenen Resolutionen abstimmen und diese einbringen. Dass die Individualmitglieder auf diese Weise mit unseren Mitgliedsparteien gleichgestellt werden, ist ein wichtiger Meilenstein in der Langfristvision der ALDE-Partei, von einem Netzwerk liberaler Parteien zu einer echten europäischen Partei zu werden.

Externe Anerkennung

Diese und andere parallele Bemühungen, die Vitalität der europäischen Parteien zu erhöhen, stimulierten auch mehr externe Anerkennung von Seiten verschiedener politischer Institutionen und Akteure. Nachdem der Kommissionspräsident sich zuvor nur mit den Vorsitzenden der Fraktionen im Europäischen Parlament getroffen hatte, führte der frühere Kommissionspräsident José Manuel Barroso (PSD/EVP) auf meine Initiative auch ein regelmäßiges halbjährliches Treffen mit den Chefs der europäischen Parteien ein. Präsident Jean-Claude Juncker (CSV/EVP) hat diese Tradition fortgesetzt.

Ein anderes Beispiel ist, dass vor fünf Jahren die Kommunistische Partei der Volksrepublik China ein chinesisch-europäisches Parteienforum eingerichtet hat. Dies legt nahe, dass die europäischen Parteien mehr und mehr Anerkennung finden, sogar außerhalb der Grenzen der EU. Solche Entwicklungen zeigen, wie viel Macht jede europäische Partei hat, um selbst politische Veränderungen in die richtige Richtung herbeizuführen.

Rechtliche und institutionelle Reformen

Es gibt sicher noch weitere Dinge gibt, die wir tun können, um unsere eigene Sichtbarkeit und Bedeutung im politischen Leben der EU zu erhöhen, und die ALDE-Partei ist entschlossen, alles zu tun, was in unserer Reichweite liegt. Dennoch gibt es gewisse rechtliche Grenzen, die uns durch das EU-Recht auferlegt werden und die unsere Möglichkeiten zur Weiterentwicklung einschränken. Deshalb ist es notwendig, auch auf mehr strukturelle Reformen bei den EU-Institutionen wie dem Parlament, der Kommission und dem Rat zu drängen.

Seitdem der Vertrag von Maastricht 1992 erstmals einen Verweis auf die europäischen Parteien gemacht hat, zeigen institutionelle Veränderungen in den EU-Verträgen die positive Tendenz, die parteipolitische Aktivität zu stärken. 2003 nahm die EU (in der Verordnung (EG) Nr. 2004/2003) ein europäisches Parteienstatut an, in dem definiert wird, was „politische Parteien auf europäischer Ebene“ sind und nach welchen Regeln sie finanziert werden. Doch auch wenn verschiedene Rechtsakte die Wichtigkeit der europäischen Parteien gesteigert haben, ist noch mehr vonnöten. Der volle erforderliche Rechtsrahmen, um eine direkte Verbindung zwischen den politischen Institutionen der EU und dem „Willen der Bürgerinnen und Bürger der Union“ zu schaffen, muss noch entwickelt werden.

Die nötige Änderung des Europawahlrechts

Ein zentraler Bestandteil dieser Aufgabe ist eine adäquate Reform des Europawahlrechts, das von aus dem Jahr 1976 stammt und heute schmerzlich veraltet ist. Europawahlen bestehen derzeit nicht aus einer Wahl zu einem Parlament, die gleichzeitig auf unserem ganzen Kontinent stattfinden, sondern aus 28 unterschiedlichen nationalen Wahlen, die sich über vier Tage in derselben Woche erstrecken.

Trotz der aufrichtigen Versuche der ALDE-Partei, in dieser Angelegenheit ehrgeizig voranzuschreiten, lag die Reform des Europawahlrechts in den europäischen Institutionen viele Jahre auf Eis, da es an einem einheitlichen politischen Willen mangelte. In jüngerer Zeit jedoch ist das Wahlreformthema wieder auf die Agenda zurückgekehrt. Am 5. Februar 2015 gab der Parlamentsausschuss für Konstitutionelle Fragen (AFCO) grünes Licht für die Erstellung eines Berichts zum Europawahlrecht und ernannte Danuta Hübner (PO/EVP) und Jo Leinen (SPD/SPE) zu Co-Berichterstattern. Ihr Bericht wurde im Oktober 2015 vom AFCO ans Plenum überwiesen und am 11. November 2015 erfolgreich vom Parlament angenommen.

Transnationale Wahllisten

In ihrem Bericht forderten die Co-Berichterstatter des AFCO eine Anzahl wichtiger Änderungen am Direktwahlakt von 1976. Dazu gehören eine bessere Sichtbarkeit der europäischen Parteien, indem ihre Namen und Logos auf den Stimmzetteln und Wahlplakaten erscheinen; die Einführung verpflichtender Sperrklauseln in allen Mitgliedstaaten mit nur einem Wahlkreis; ein gleichzeitiges Schließen der Wahllokale in allen Mitgliedstaaten; die Einführung einer gemeinsamen Frist für die Präsentation der nationalen Wahllisten und die Ernennung von Spitzenkandidaten; und die Harmonisierung des Wahlalters auf 16 Jahre. Es ist nun am Ministerrat, dem Parlamentsvorschlag zuzustimmen und seine eigene Entscheidung in der Sache zu treffen.

Unsere Meinung bei der ALDE-Partei ist, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen noch zu bescheiden sind. Dennoch begrüßen wir sie als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, während wir zugleich weiterhin auf weitergehende Reformen drängen. Um wirklich eine Demokratie auf EU-Ebene zu schaffen, ist es unserer Meinung nach notwendig, Europaabgeordnete teilweise über transnationale gesamteuropäische Listen zu wählen. Und obwohl das in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist, würde ich die Möglichkeit nicht ausschließen, dass es letztlich zu einer Vereinbarung im Rat kommt, einen kleinen Anteil der Abgeordneten in dieser Weise wählen zu lassen. Die Schaffung eines wirklich einheitlichen Wahlsystems mit teilweise supranationalen Merkmalen wie den transnationalen Listen ist essenziell, um die europäischen Parteien den Bürgern näher zu bringen. Die ALDE-Partei wird sich deshalb weiterhin für diese Reform einsetzen.

Sir Graham Watson war von 1994 bis 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments, von 2002 bis 2009 Vorsitzender der ALDE-Fraktion im Europäischen Parlament und von 2011 bis 2015 Präsident der ALDE-Partei.

Die Zukunft der europäischen Parteien

1: Serienauftakt
2: Europäische Parteien: Von der Radnabe zum Netzwerk ● Reinhard Bütikofer
3: Europäische Parteien: im Kommen oder im Niedergang? [DE / EN] ● Isabelle Hertner
4: Zur künftigen Rolle der europäischen Parteien [DE / EN] ● Sir Graham Watson
5: Die europäischen Parteien als Verteidiger des europäischen Gemeinwohls ● Joseph Daul
6: Cocktail-Party oder politische Partei? Zur Zukunft der gesamteuropäischen Parteien [DE / EN] ● Julie Cantalou
7: „Es ist naiv zu denken, dass die Parteispitzen allein die Debatte in Richtung mehr Europa lenken könnten“ [DE / FR] ● Gabriel Richard-Molard
8: Die europäischen Parteien und die Grenzen und Potenziale Europas [DE / ES] ● Mar Garcia Sanz
9: Europäische Parteien – reichlich untererforschte Rohdiamanten [DE / EN] ● Michael Kaeding und Niko Switek
10: Parteien derselben politischen Familie föderalisieren [DE / FR] ● Pierre Jouvenat

Übersetzung aus dem Englischen: Manuel Müller.
Bilder: European Parliament [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; Sir Graham Watson.

On the Future Role of Europarties

EPP, PES, ALDE and the others: The European parties (for a complete list see here) could be the key for a representative democracy on the European level, but up to now they are hardly present in the public debate. Which role should they play in the EU in future, and what is necessary to achieve this? In a series of guest articles, representatives from politics and science answer here to this question. Today: Sir Graham Watson. (To the start of the series.)

“The establishment of full-fledged and mature Pan-European parties is essential to facilitate democratic standards on the European political platform.”
As someone who has been active in European politics for twenty years, one of my convictions has always been that European political parties must provide a more direct link in connecting EU-level democracy with the Union’s citizens. This has to be seen as the number one antidote to the EU’s ever-haunting problem of democratic legitimacy, which manifests itself in such worrying tendencies as the steadily declining voter turnout ever since the first direct elections to the European Parliament in 1979, and in the rise of Euroscepticism across the continent on both ends of the political spectrum.

Political vacuum

The lack of widely-recognised parties at EU-level and the limited legal powers vested in them, is a substantial reason why the EU and its institutions have been losing public support over the past thirty-six years. Amidst the political vacuum created by the neglect of party politics on the European platform, what remains is for national leaders to jump in to claim credit for all the EUʼs successful policies and to blame Brussels for all its failures. And if the EU is presented to the citizen as nothing more than a battle of wills between its member states it will never inspire.

We require full-blown and mature Pan-European parties that are sufficiently empowered by the EU’s legal structure to move beyond the national blame games and political apathy on part of the average citizen facilitated by lack of sufficient democratic opportunity. Europarties have to fulfil the near same role on the European level that political parties have hitherto only done so in the national context.

Supranational challenges require supranational democracy

Ever since the 19th century, the nation state has been designated as the appropriate unit of political governance. Thus, in the traditional context, political parties have been predominantly active on the level of nations; forming the transmission belt between citizens and the state. Their role was, and still is, to organise and structure political dialogue in society, and to nourish democracy through the availability of choices; by offering alternative visions of the future to the electorate. 

As we have now recognised that the challenges we face in the 21th century –ushered in by globalisation and the physical limits of our planet– are of a supranational nature that no national government institution has the capacity to effectively respond to alone, the organisation of political activity on regional and global level is rapidly taking over as the new appropriate unit of political governance. However, this increasing predicament that concentrates political responses to the supranational level in turn raises burning questions about the development of supranational democracy.

The EU’s pioneering role

As the European Union is the most advanced institution of supranational cooperation in the world, it has a pioneering role in institutionalising those democratic principles and practises on the supranational level that we adhere to in a national context. Its institutional architecture has to be based on an efficiently functioning democratic system in which its citizens are fully engaged and can express their political will. The success of the whole European Project depends on this.

In order to create this direct link between the EU’s political institutions and the public opinion of its citizens, supranational party-politics has to play a much greater role. Just as how the role of national political parties is indispensable to an effectively functioning democratic state, the establishment of full-fledged and mature Pan-European parties is essential to facilitate the same democratic standards on the European political platform.

Reforms of internal party structures and of the legal architecture

This sentiment is now also recognised in the EU treaties: “Political parties at European level contribute to forming European political awareness and to expressing the will of citizens of the Union”. However, in order for europarties to be fully able to tend to their roles in fostering European democracy, a combination of internal and external changes is needed– crucial reforms both within their party structures, and outside in the legal architecture of the European Union that regulates their functioning. Development in either of these domains can help increasing the visibility and political role of europarties, and stimulate change in the other, as it has been the case historically.

In amplifying the role of party-political coordination on a European level, liberals have always played a pioneering role ever since they first insisted in the Common Assembly of the European Coal and Steel Community, that they would all sit together rather than in national delegations. The ALDE party continues to honour this trail-blazing tradition by pushing for reforms both within its own ranks, and in the EU’s political institutions to change the governing legal framework.

More coordination among decision-makers

One of the ways in which we as a party can continue to develop is to facilitate more coordination among our leading European liberal decision-makers active in the various institutions of the EU. When I was Leader of the Liberal Democrats in the European Parliament, I started regular meetings between European Commissioners from the Liberal family and our leading parliamentary spokespeople. I took part in the first meetings of the Liberal Democrat prime ministers before European Council meetings. I organised the first of the annual weekend retreats for Europeʼs Liberal leaders. We have come a long way then.

By today, it has been a regular practise for the ALDE party to host the liberal Prime Ministers, European Commissioners, and the leader of our Parliamentary group in Brussels for a joint coordination session before every Summit of the European Council. Moreover, we have recently extended this practise to Council configuration meetings as well. Last December, the ALDE party has hosted its first ever Transport and Telecommunications Pre-Council meeting, by getting liberal national Ministers, European Commissioners and Members of the European Parliament with the relevant portfolio around the same table to align their positions on a range of important policy issues.

The facilitation of these forums for coordination and the creation of regular channels of interaction between European liberal policy-makers play an essential role in tightening the liberal political family in the EU; unifying its goals and vision. It remains a crucial task of the ALDE party to further deepen and institutionalise such interlinkages, while continuing to explore other avenues of innovation with which we can move beyond where any other europarty dares to move.

Voting rights for individual members

One such avenue was when in 2011, the ALDE party has uniquely introduced the category of individual membership, which made it possible for any EU citizen to join the party without the prerequisite of belonging to one of our member parties on the national level. Over the course of the past five years, we continued to significantly develop this ground-breaking program – establishing its own coordinating structure, headed by a Steering Committee, that had integrated individual members more closely into the daily work of the party.

Our commitment to delegate progressively more and more roles and responsibilities to them culminated at our last ALDE Party Congress, held in Budapest, where individual members were granted voting rights. They are now able to vote on and submit their own statutory changes and resolutions. Bringing them to an equal footing with our member parties in this way is a significant milestone in the enduring vision of the ALDE party to transform from a network of liberal parties in to a fully-fledged European political party.

External recognition

This and other parallel efforts to increase the vitality of europarties is stimulating more external recognition from a range of political institutions and actors. On my initiative, former European Commission president, José Manuel Barroso (PSD/EPP) established a regular twice yearly meeting with the political leaders of europarties, while previously the President had met only with the leaders of the Parliamentary political groups. President Jean-Claude Juncker (CSV/EPP) has continued this tradition.

Another example is that five years ago the Communist Party of the Peopleʼs Republic of China moved to set up a China-EU Political Partiesʼ Forum. This suggests that europarties have increasingly become more and more recognised, even outside the border of the EU. Developments like these demonstrate the power that is in each Europarty’s hand to induce political change in the right direction.

Legal and institutional reforms

While there are certainly more things that we can do to increase our own visibility and significance in the political life of the EU –and the ALDE party is committed to make full use of whatever is within our reach– there are certain legal limitations imposed on us by EU law, which restrain the available scope of development. This is why it is necessary to also push for more structural reforms in the realm of the EU institutions, such as the Parliament, the Commission and the Council.

Institutional changes in the EU treaties show a positive tendency in empowering party-political activity, ever since the Maastricht Treaty first made a reference to europarties in 1992. In 2003 (in Regulation (EC) 2004/2003) the EU adopted a European political party statue by defining what a “political party at European level” is, and by setting out laws concerning their funding. And indeed while several successive legislations have provided for the growing importance of europarties, yet more is needed. The fully required legal architecture to deliver a direct link between the EU’s political institutions and the “political will of the citizens of the Union” is still in need of development.

Reforming the European electoral law

An integral element of this task is the proper reformation of the European Electoral Law, which, being adopted in 1976, is sorely outdated. Currently, European elections consist not of one election to one parliament held simultaneously across our continent, but of 28 different national elections spread over four days in the same week.

Despite the ALDE Party’s sincerest efforts to ambitiously move forward on the issue, reforming the European electoral law was on a standstill for many years in the EU institutions due to a lack of unified political will. Recently however, the issue of electoral reform has resurfaced on the agenda. On 5 February 2015, the Parliamentary Committee on Constitutional Affairs (AFCO) gave green light for the drafting of a report on the reform of the European Electoral Law, appointing Danuta Hübner (PO/EPP) and Jo Leinen (SPD/PES) as co-rapporteurs. Their report was tabled by AFCO for debate in plenary in October 2015 and was successfully adopted on 11 November 2015 by the Parliament.

Transnational lists

The AFCO co-rapporteurs in their report have called for a number of important changes to the 1976 Electoral Act, such as the enhancement of the visibility of European political parties by placing their names and logos on the ballot papers and posters in the election campaigns; introduction of obligatory threshold for the allocation of seats in single-constituency Member States; closing of polls in all Member States at the same time; introduction of a common deadline for the establishment of national lists and the nomination of lead candidates; and harmonising the voting age at 16 years. It will be now up to the Council to agree to the Parliament’s proposal and adopt its own decision on the matter.

Our opinion at the ALDE party is that the proposed measures are still too modest in scope, yet we nevertheless welcome it as an important step in the right direction, while continuing to push for more far-reaching reforms. We make the case that in order to truly create an EU-level democracy, we have to elect MEPs partially on a transnational list by a single constituency. And while this is unlikely any time soon, I would not exclude the possibility down the road of a Council agreement to elect a small percentage of MEPs in this way. The creation of a truly uniform electoral system, with partially supranational features such as a transnational list, is vital to bring European political parties closer to citizens. Thus the ALDE party will continue to strive towards this reform.

Sir Graham Watson was Member of the European Parliament from 1994 to 2014, leader of the ALDE Group in the European Parliament from 2002 to 2009 and president of the ALDE Party from 2011 to 2015. 


The Future of the European Parties

1: Serienauftakt [DE]
2: Europäische Parteien: Von der Radnabe zum Netzwerk [DE] ● Reinhard Bütikofer
3: Europarties: up and growing or in decline? [DE / EN] ● Isabelle Hertner
4: On the Future Role of Europarties [DE / EN] ● Sir Graham Watson
5: Die europäischen Parteien als Verteidiger des europäischen Gemeinwohls [DE] ● Joseph Daul
6: Cocktail party or political party? On the future of the Pan-European parties [DE / EN] ● Julie Cantalou
7: « Il est naïf de penser que seules les directions de partis peuvent faire évoluer le débat vers plus d’Europe » [DE / FR] ● Gabriel Richard-Molard
8: Los partidos europeos y los límites y potenciales de Europa [DE / ES] ● Mar Garcia Sanz
9: Europarties – plentiful under-researched diamonds in the rough [DE / EN] ● Michael Kaeding and Niko Switek
10: Fédéraliser les partis d’une même famille politique [DE / FR] ● Pierre Jouvenat

Pictures: European Parliament [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; Sir Graham Watson.

09 Februar 2016

Wenn am nächsten Sonntag Europawahl wäre (Februar 2016): Rechte weiter im Höhenflug, Sozialdemokraten auf neuem Tiefststand

Stand: 7.2.2016
Für die beiden größten Fraktionen im Europäischen Parlament, die christdemokratische EVP und die sozialdemokratische S&D, war das Jahr 2015 nicht gut ausgegangen: In der Dezember-Projektion stürzten sie beide auf ihren jeweils schlechtesten Umfragewert in dieser Wahlperiode ab, und auch gemeinsam kam die Große Koalition nur noch auf eine hauchdünne Mehrheit der Sitze im Parlament.

Acht Wochen später hat sich diese Situation nur geringfügig verändert. Die EVP muss zwar in ihrer wichtigsten Hochburg Deutschland weiterhin Verluste hinnehmen. In mehreren kleinen und mittelgroßen Ländern – unter anderem in Griechenland, Schweden und Kroatien – gewinnt sie jedoch auch hinzu, sodass unter dem Strich eine leichte Erholung steht (196 Sitze/+4). Erneut bleiben die Christdemokraten allerdings unter der symbolischen Schwelle von 200 Abgeordneten.

Noch schlechter sieht das Meinungsklima für die S&D aus, die gegenüber Dezember noch einmal in der Wählergunst verliert und auf einen neuen Tiefstwert von 183 Sitzen kommt (–2). In Polen würden die Sozialdemokraten nun sogar an der nationalen Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Streit um die Flüchtlingskrise

Beide großen Fraktionen leiden offenbar daran, dass es ihren nationalen Regierungsvertretern nicht gelingt, zu einer gemeinsamen Linie in der Flüchtlingskrise zu kommen: Nach dem jüngsten Eurobarometer von November 2015 liegt unter den politischen Hauptsorgen der Unionsbürger das Thema „Einwanderung“, das zuvor lange nur ein Nebenrolle gespielt hat, inzwischen zusammen mit der Arbeitslosigkeit auf dem ersten Platz.

Aber auch jene nationalen Regierungsparteien, die sich einer gemeinsamen europäischen Lösung am entschiedensten entgegenstellen, können davon nicht unbedingt profitieren. Die slowakische SMER (S&D) etwa, die mit ihrem Widerstand gegen eine europaweite Umverteilung von Flüchtlingen im nationalen Parlamentswahlkampf zu punkten versuchte, wird nach den letzten Umfragen wohl ihre absolute Mehrheit auf nationaler Ebene verlieren und käme jetzt auch im Europäischen Parlament auf ein Mandat weniger als in der Dezember-Projektion.

Liberale konsolidieren sich auf hohem Niveau

Der große Gewinner der Dezember-Projektion war die liberale Fraktion ALDE, die sprunghaft auf ihren mit Abstand besten Wert seit der Europawahl geklettert war. In den ersten Wochen des neuen Jahres geben die Liberalen wieder nach, konsolidieren sich aber auf hohem Niveau (82 Sitze/–5).

Vor allem die spanische Mitgliedspartei Ciudadanos blieb bei der nationalen Parlamentswahl Ende Dezember hinter den Erwartungen der Umfragen zurück. Die polnische Nowoczesna, die andere Überraschungspartei des letzten Jahres, kann dagegen noch einmal leicht zulegen und etabliert sich als wichtigste oppositionelle Kraft in Polen.

Rechtskonservative diskutieren über AfD-Ausschluss

Auch die nationalkonservative EKR-Fraktion kann leichte Gewinne verbuchen (70 Sitze/+2). Zurückzuführen ist dies fast ausschließlich auf den Höhenflug der deutschen AfD, die in der Flüchtlingskrise von der Schwäche der Christdemokraten profitiert. Allerdings scheinen die immer radikaleren AfD-Positionen inzwischen auch der EKR-Führung unangenehm zu werden. Nach den jüngsten Äußerungen von Parteichefin Frauke Petry und der Europaabgeordneten Beatrix von Storch zum Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge wurden zuletzt sogar Gerüchte über einen möglichen Fraktionsausschluss der AfD laut.

Ob es dazu kommt, ist allerdings fraglich. Zum einen gibt es in der EKR-Fraktion noch weitere rechtskonservative und rechtspopulistische Parteien, die kaum weniger radikale Positionen vertreten als die AfD – etwa die finnische PS oder die dänische DF. Und zum anderen zeigt der Umgang der EVP mit ihrer ungarischen Mitgliedspartei Fidesz und der S&D mit der slowakischen SMER, dass auch andere Fraktionen im Europäischen Parlament nur ungern auf erfolgreiche nationale Parteien verzichten, selbst wenn diese in zentralen Fragen deutlich rechts der Fraktionslinie stehen. Der europaweite Imageverlust, der aus der Zusammenarbeit mit Rechtsauslegern entsteht, scheint auch für die großen Fraktionen letztlich weniger schwer zu wiegen als die zusätzlichen Sitze, die diese Parteien ihnen zu bieten haben.

Wieder ein neues Rekordhoch für das rechte Lager

Nur geringe Veränderungen gibt es schließlich am rechten Rand des politischen Spektrums. Während die nationalpopulistische Fraktion EFDD leichte Verluste in Großbritannien hinnehmen muss (51 Sitze/–1), kann die Rechtsaußen-Fraktion ENF in Italien leicht dazugewinnen (55 Sitze/+2).

Insgesamt kommen die drei Rechtsfraktionen EKR, EFDD und ENF damit auf ein neues Rekordhoch von 176 Sitzen – 27 mehr als noch vor einem guten Jahr in der Projektion von Januar 2015. Seitdem hat das rechte Lager einen langsamen, aber ununterbrochenen Aufstieg erlebt, von dem mit der ENF ausgerechnet die Gruppierung mit den extremsten Ansichten am meisten profitieren konnte. Mit einem knappen Viertel der Parlamentssitze wäre das rechte Lager zwar weiterhin weit von einer Mehrheit entfernt. Klar ist aber auch: Noch nie zuvor in der Geschichte der Europäischen Union hatten Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit eine so gute Konjunktur wie heute.

Stagnation der Linken

Auf der linken Seite des politischen Spektrums herrscht hingegen Stagnation vor: Die Linksfraktion GUE/NGL verliert minimal und käme nun auf 51 Sitze (–1). Zwar schnitt der linke Hoffnungsträger, die spanische Podemos, bei der nationalen Parlamentswahl im Dezember etwas stärker ab als erwartet, was sich nun auch in verbesserten Umfragewerten niederschlägt. Die italienische SI und die griechische LAE würden nun jedoch jeweils wieder an der nationalen Sperrklausel scheitern, sodass die Fraktion insgesamt auf dem schwachen Niveau der letzten Monate verharrt.

Ebenfalls kaum Veränderung gibt es bei der grünen Fraktion G/EFA (34/+1). Für deren Mitgliedsparteien steht der Einzug ins Europäische Parlament gleich in mehreren Ländern auf der Kippe: Während die junge dänische Partei Alternativet nun erstmals Sitze gewinnen würde, wären die ungarischen und luxemburgischen Grünen derzeit nicht mehr im Parlament vertreten.

Neue Wahlbündnisse in Spanien

Dass die Grünen in der Projektion insgesamt leicht hinzugewinnen, liegt vor allem an einer neuen Berechnungsmethode in Bezug auf die beiden spanischen Parteien ICV und Compromís. Bei der letzten Europawahl 2014 hatten diese jeweils einen Sitz gewonnen: ICV auf einer gemeinsamen Liste mit der Linkspartei IU, Compromís auf der Liste „Primavera Europea“ zusammen mit anderen Kleinparteien. Nach den aktuellen Umfragen wäre keine dieser Listen noch stark genug, dass es für einen Sitz für ICV oder Compromís ausreichen würde, sodass die beiden Parteien in der Projektion seit einigen Monaten nicht mehr vorkamen.

Bei der spanischen Parlamentswahl im Dezember traten beide Parteien allerdings nicht mit ihren bisherigen Partnern, sondern jeweils in regionalen Wahlbündnissen mit Podemos an. Der Projektion liegt deshalb von nun an die Annahme einer gemeinsamen Liste von Podemos, ICV und Compromís zugrunde, über die auch die beiden kleinen grünen Parteien Sitze im Europäischen Parlament gewinnen könnten.

Welche Listengemeinschaften es bei der nächsten Europawahl 2019 in Spanien tatsächlich geben wird, ist natürlich noch offen. Im Einzelnen sind die Annahmen, auf denen die Projektion basiert, im Kleingedruckten unter der Tabelle aufgeschlüsselt.

Fraktionslose und sonstige Parteien

Wenig Neues gibt es schließlich bei den fraktionslosen Parteien, die in der Projektion sämtlich auf dieselben Werte kommen wie im Dezember (12 Sitze/±0). Und auch bei den „weiteren“ Parteien, die derzeit nicht im Parlament vertreten sind und keiner Fraktion eindeutig zugeordnet werden können, gibt es nur geringe Verschiebungen (17 Sitze/±0).

Die kroatische Partei Most, der bei der nationalen Parlamentswahl im November überraschend in die Position des Königsmachers zufiel, leidet unter der chaotischen Regierungsbildung und muss deutliche Einbußen hinnehmen. Die rechtspopulistische Ruch Kukiza in Polen hingegen kann wieder etwas zulegen. In Lettland könnte die zentristische LRA erstmals einen Sitz im Europäischen Parlament gewinnen.

Die Übersicht

Die folgende Tabelle schlüsselt die Projektion für die Sitzverteilung zwischen den Fraktionen im nächsten Europäischen Parlament nach nationalen Einzelparteien auf. Da es bis heute keine gesamteuropäischen Wahlumfragen gibt, basiert sie auf aggregierten nationalen Umfragen und Wahlergebnissen aus allen Mitgliedstaaten. Wie die Datengrundlage für die Länder im Einzelnen aussieht und nach welchen Kriterien die nationalen Parteien den europäischen Fraktionen zugeordnet wurden, ist im Kleingedruckten unter der Tabelle erläutert.


GUE/
NGL
G/EFA S&D ALDE EVP EKR EFDD ENF fʼlos Weitere
EP heute 52 50 190 70 216 75 45 38 15
Dez. 15 52* 33* 185* 87* 192* 68* 52 53 12 17
Feb. 16 51* 34* 183* 82* 196* 70* 51 55 12 17
DE 9 Linke
1 Tier
9 Grüne
1 Piraten
1 ödp
22 SPD 5 FDP
1 FW
33 Union 11 AfD
1 Familie


1 Partei
1 NPD
FR
2 EELV 18 PS 7 MD-UDI 23 LR

24 FN

GB 1 SF 3 Greens
4 SNP
17 Lab

21 Cons
1 UUP
25 UKIP
1 DUP
IT

26 PD
9 FI
1 SVP

21 M5S 12 LN
4 FdI


ES 11 Pod
2 IU
1 ERC
1 Comp
1 ICV
13 PSOE 8 Cʼs
1 CDC
16 PP




PL


13 .N 11 PO 21 PiS


6 Kʼ15
RO

14 PSD 2 ALDE 14 PNL
2 MP





NL 3 SP 2 GL 2 PvdA 3 D66
4 VVD
4 CDA 1 CU
7 PVV
EL 7 Syriza
1 Pasok
7 ND 1 ANEL

2 XA
2 KKE
1 EK
BE 1 PTB-PvdA 1 Groen
1 Ecolo
2 sp.a
3 PS
2 OpenVLD
2 MR
2 CD&V
1 cdH
1 CSP
4 N-VA
1 VB

PT 1 CDU
2 BE

9 PS
9 PSD-CDS




CZ 4 KSČM
6 ČSSD 7 ANO 1 TOP09
1 KDU-ČSL
2 ODS



HU

3 MSZP
1 DK

12 Fidesz


5 Jobbik
SE 2 V 1 MP 5 S 1 C
1 L
6 M
4 SD


AT
2 Grüne 4 SPÖ 1 Neos 5 ÖVP

6 FPÖ

BG

5 BSP 2 DPS 7 GERB
2 RB




1 PF
DK 1 FmEU 1 Å 4 S 3 V
1 LA

3 DF



FI 1 Vas 2 Vihr 3 SDP 3 Kesk 3 Kok 1 PS



SK

6 SMER
1 KDH
1 M-H
1 OĽ-NOVA
1 SaS

1 SNS
2 Sieť
IE 2 SF

3 FF 3 FG



3 Unabh.
HR

5 SDP
5 HDZ



1 Most
LT
1 LVŽS 4 LSDP 2 LRLS
1 DP
2 TS-LKD
1 TT


LV

3 Sask 2 ZZS 1 V 1 NA


1 LRA
SI 1 ZL
1 SD 2 SMC 3 SDS
1 NSi-SLS





EE

1 SDE 2 KE
1 RE





1 EVA
1 EKRE
CY 2 AKEL
1 DIKO 1 SP 2 DISY




LU

1 LSAP 1 DP 4 CSV




MT

3 PL
3 PN






Verlauf

GUE/
NGL
G/EFA S&D ALDE EVP EKR EFDD ENF fʼlos Weitere
07.02.20165134183821967051551217
14.12.20155233185871926852531217
17.10.20155133193752046651541212
21.08.20155635190742047047491115
30.06.201561341887320569 43471120
03.05.201560321938020562 4451159
10.03.201560311967721660 4349127
12.01.201565401907021259 4743178
18.11.201460421956921259 4743168
23.09.20145339196672236147401510
28.07.2014564719175215664440134
EP 01.07.14525019167221704837
15

Die Zeile „EP 01.07.14“ kennzeichnet die Sitzverteilung zum 1. Juli 2014, dem Zeitpunkt der Konstituierung des Europäischen Parlaments nach der Europawahl im Mai 2014. Die Spalte für die ENF-Fraktion gibt bis Mai 2015 die Werte der Europäischen Allianz für Freiheit (EAF) bzw. der Bewegung für ein Europa der Nationen und Freiheiten (BENF) und ihr nahestehender Parteien an, die bis zur Fraktionsgründung im Juni 2015 fraktionslos waren.

Die vollen Namen der Fraktionen und der nationalen Einzelparteien erscheinen als Mouseover-Text, wenn der Mauszeiger eine kurze Zeit regungslos auf der Bezeichnung in der Tabelle gehalten wird. Bei den weiteren Parteien ist zudem die ungefähre politische Ausrichtung angegeben, um ihre Bündnismöglichkeiten auf europäischer Ebene anzudeuten. Da die betreffenden Parteien allerdings oft erst vor kurzer Zeit gegründet wurden, befindet sich ihre Programmatik zum Teil noch im Fluss, sodass die Angabe lediglich zur groben Orientierung dienen kann.

Fraktionszuordnung
Für die Projektion werden Parteien, die bereits im Europäischen Parlament vertreten sind, jeweils ihrer derzeitigen Fraktion zugerechnet, es sei denn, sie haben ausdrücklich ihren Entschluss zu einem Fraktionswechsel nach der nächsten Wahl erklärt. Nationale Parteien, die derzeit nicht im Europäischen Parlament vertreten sind, aber einer europäischen Partei angehören oder ihr in der politischen Ausrichtung sehr nahe stehen, werden der Fraktion der entsprechenden europäischen Partei zugeordnet. In Fällen, bei denen sich die Mitglieder einer nationalen Liste nach der Wahl voraussichtlich auf mehrere Fraktionen aufteilen werden, wird jeweils die am plausibelsten scheinende Verteilung zugrundegelegt. Parteien, die nicht im Parlament vertreten sind und bei denen die Zuordnung zu einer bestimmten Fraktion unklar ist, werden als „Weitere Parteien“ eingeordnet. Diese Zuordnungen folgen zum Teil natürlich auch einer subjektiven Einschätzung der politischen Ausrichtung der Parteien. Jeder Leserin und jedem Leser sei es deshalb selbst überlassen, sie nach eigenen Kriterien zu korrigieren.

Für die Bildung einer eigenständigen Fraktion sind nach der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens sieben Mitgliedstaaten erforderlich. Mit einem Asterisk (*) gekennzeichnete Gruppierungen würden nach der Projektion diese Bedingungen erfüllen. Andere Gruppierungen müssten gegebenenfalls nach der Europawahl zusätzliche Abgeordnete (z. B. aus der Spalte Weitere“) für sich gewinnen, um sich als Fraktion konstituieren zu können.

Datengrundlage
Soweit verfügbar, wurde bei der Sitzberechnung für jedes Land jeweils die jüngste Umfrage zu den Wahlabsichten für das Europäische Parlament herangezogen. In Ländern, wo es keine spezifischen Europawahlumfragen gibt oder wo die letzte solche Umfrage mehr als ein Jahr zurückliegt, wurde stattdessen die jüngste verfügbare Umfrage für die Wahl zum nationalen Parlament verwendet. Wo mehr als eine Umfrage erschienen ist, wurde der Durchschnitt aller Umfragen aus den letzten zwei Wochen vor der jüngsten Umfrage berechnet. Für Mitgliedstaaten, für die sich überhaupt keine Umfragen finden lassen, wurde auf die Ergebnisse der letzten nationalen Parlaments- oder Europawahl zurückgegriffen.
In der Regel wurden die nationalen Umfragewerte der Parteien direkt auf die Gesamtzahl der Sitze des Landes umgerechnet. In Ländern, wo die Wahl in regionalen Wahlkreisen ohne Verhältnisausgleich erfolgt (Frankreich, Vereinigtes Königreich, Belgien, Irland), werden regionale Umfragedaten genutzt, soweit diese verfügbar sind. Wo dies nicht der Fall ist, wird die Sitzzahl für jeden Wahlkreis einzeln berechnet, dabei aber jeweils die nationalen Gesamt-Umfragewerte herangezogen. Nationale Sperrklauseln werden, soweit vorhanden, in der Projektion berücksichtigt.
In Belgien entsprechen die Wahlkreise bei der Europawahl den Sprachgemeinschaft, während Umfragen üblicherweise auf Ebene der Regionen durchgeführt werden. Für die Projektion wurden für die französischsprachige Gemeinschaft die Umfragedaten aus Wallonien, für die niederländischsprachige Gemeinschaft die Umfragedaten aus Flandern genutzt. Für die deutschsprachige Gemeinschaft wird das Ergebnis der letzten Europawahl herangezogen.
In Ländern, in denen es üblich ist, dass Parteien zu Wahlen in Listenverbindungen antreten, werden der Projektion jeweils die am plausibelsten erscheinenden Listenverbindungen zugrunde gelegt. Insbesondere werden für Spanien folgende Listenverbindungen angenommen: Podemos, Compromís und ICV (mit Compromís auf dem 3., ICV auf dem 6. Listenplatz); CDC und PNV (mit PNV auf dem 2. Listenplatz).
Da es in Deutschland bei der Europawahl keine Sperrklausel gibt, können Parteien bereits mit weniger als 1 Prozent der Stimmen einen Sitz im Europäischen Parlament gewinnen. Mangels zuverlässiger Umfragedaten wird für diese Kleinparteien in der Projektion jeweils das Ergebnis der letzten Europawahl herangezogen (je 1 Sitz für Tierschutzpartei, ödp, Piraten, FW, Familienpartei, PARTEI und NPD).
In Großbritannien haben wegen der Unterschiede im Wahlrecht einige Parteien nur bei Europawahlen echte Chancen, Mandate zu gewinnen. In Umfragen zu nationalen Wahlen schneiden diese Parteien deshalb strukturell deutlich schlechter ab als bei der Europawahl. Dies gilt vor allem für UKIP und Greens. Um dies zu kompensieren, wird in der Projektion für die Greens stets das Ergebnis der Europawahl herangezogen (3 Sitze). Für UKIP und LibDem werden die aktuellen Umfragewerte für nationale Wahlen verwendet, aber für die Projektion mit dem Faktor 3 (UKIP) bzw. 1,33 (LibDem) multipliziert.
In Italien können Minderheitenparteien durch eine Sonderregelung auch mit nur recht wenigen Stimmen ins Parlament einziehen. In der Projektion wird die Südtiroler Volkspartei deshalb jeweils mit dem Ergebnis der letzten Europawahl (1 Sitz) geführt.

Die folgende Übersicht führt die Datengrundlage für die Mitgliedstaaten im Einzelnen auf:
Deutschland: nationale Umfragen, 25.1.-6.2.2016, Quelle: Wikipedia.
Frankreich: nationale Regionalwahl-Umfragen, 23.11.-3.12.2015 (29.3.2015 für LR, MD-UDI), Quelle: Wikipedia.
Vereinigtes Königreich, England: nationale Umfragen, 24.1.-4.2.2016, Quelle: Wikipedia.
Vereinigtes Königreich, Wales: regionale Umfragen für die nationale Parlamentswahl, 4.12.2015, Quelle: Wikipedia.
Vereinigtes Königreich, Schottland: Regionalwahl-Umfragen, 12.-14.1.2016, Quelle: Wikipedia.
Vereinigtes Königreich, Nordirland: Ergebnisse der nationalen Parlamentswahl, 7.5.2015.
Italien: nationale Umfragen, 24.1.-4.2.2016, Quelle: Wikipedia.
Spanien: nationale Umfragen, 25.1.-4.2.2016 (15.-21.1.2016 für ERC, CDC, PNV), Quelle: Wikipedia.
Polen: nationale Umfragen, 27.1.-5.2.2016, Quelle: Wikipedia.
Rumänien: nationale Umfragen, 2.-6.12.2015, Quelle: Wikipedia.
Niederlande: nationale Umfragen, 26.1.-7.2.2016, Quelle: Wikipedia.
Griechenland: nationale Umfragen, 15.-21.1.2016, Quelle: Wikipedia.
Belgien, niederländischsprachige Gemeinschaft: regionale Umfragen (Flandern) für die nationale Parlamentswahl, 20.1.2016, Quelle: Wikipedia.
Belgien, französischsprachige Gemeinschaft: regionale Umfragen (Wallonien) für die nationale Parlamentswahl, 20.1.2016, Quelle: Wikipedia.
Belgien, deutschsprachige Gemeinschaft: Ergebnisse der Europawahl, 25.5.2014.
Portugal: nationale Umfragen, 20.1.2016, Quelle: Wikipedia.
Tschechien: nationale Umfragen, 13.-19.1.2016, Quelle: Wikipedia. 
Ungarn: nationale Umfragen, 17.-26.1.2016, Quelle: Wikipedia.
Schweden: nationale Umfragen, 21.1.-2.2.2016, Quelle: Wikipedia.
Österreich: nationale Umfragen, 25.1.-7.2.2016, Quelle: Wikipedia.
Bulgarien: nationale Umfragen, 13.7.2015, Quelle: News7.
Dänemark: nationale Umfragen, 19.-31.1.2016, Quelle: Berlinske Barometer.
Finnland: nationale Umfragen, 2.2.2016, Quelle: Wikipedia.
Slowakei: nationale Umfragen, 31.1.2016, Quelle: Wikipedia.
Irland: nationale Umfragen, 30.1.-6.2.2016, Quelle: Wikipedia.
Kroatien: nationale Umfragen, 25.1.-5.2.2016, Quelle: Wikipedia.
Litauen: nationale Umfragen, 22.1.2016, Quelle: Vilmorus.
Lettland: nationale Umfragen, Dezember 2015, Quelle: Latvian Facts.
Slowenien: nationale Umfragen, Dezember 2015/Januar 2016, Quelle: Episcenter, Ninamedia.
Estland: nationale Umfragen, Januar 2016, Quelle: Wikipedia.
Zypern: nationale Umfragen, 17.7.2015, Quelle: Wikipedia.
Luxemburg: nationale Umfragen, Januar 2016, Quelle: Electograph.
Malta: nationale Umfragen, 17.1.2016, Quelle: Malta Today.

Bilder: Eigene Grafiken.