Am vergangenen Donnerstag
ist in Luxemburg das jüngste Urteil in der Angelegenheit Kadi
gefallen. Dabei handelt es sich ohne Zweifel um eine der interessantesten Rechtssachen überhaupt, die in den letzten Jahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verhandelt wurden.
Schon der Hintergrund des Falls erinnert an einen Hollywood-Thriller:
Unter anderem geht es dabei um Al-Qaida, die Taliban, den UN-Sicherheitsrat und um einen Mann, der eines Tages weltweit als Terrorist geächtet war,
ohne auch nur die Gründe dafür zu erfahren. Das Urteil selbst wiederum
dürfte nicht nur für die Rechtsordnung der EU, sondern auch für
die der Vereinten Nationen von bleibender Bedeutung sein.
Der Fall
Die
Vorgeschichte des Falls Kadi
geht bereits auf das Jahr 1998 zurück, als eine Gruppe Terroristen
um Osama bin Laden Bombenanschläge auf die US-amerikanischen
Botschaften in Kenia und Tansania verübte und sich anschließend
nach Afghanistan flüchtete, wo ihm die Taliban Zuflucht gewährten.
Nachdem die USA vergeblich seine Auslieferung gefordert hatten,
wandten sie sich an den UN-Sicherheitsrat. Im Oktober
1999 verabschiedete dieser einstimmig eine Resolution,
in der er alle Staaten verpflichtete, alle Finanzmittel im Besitz der
Taliban einzufrieren.
Wessen Vermögen damit genau gemeint war, sollte ein
„Sanktionsausschuss“ festlegen. Dieser setzte sich aus Vertretern all
jener Staaten zusammen, die auch dem Sicherheitsrat angehören. In nicht-öffentlichen Sitzungen erstellte er eine Liste von
Taliban-Mitgliedern, deren Konten alle UN-Mitgliedstaaten sperren mussten.
Nach
den Anschlägen vom 11. September 2001 weitete der Sicherheitsrat die Zuständigkeiten dieses
Sanktionsausschuss in einer neuen
Resolution noch einmal aus. Die Liste der Taliban-Mitglieder wurde um etliche Personen ergänzt,
die man verdächtigte, mit Al-Qaida zusammenzuarbeiten (ihre aktuelle
Fassung findet sich hier).
Und neben vielen anderen kam dabei auch der saudi-arabische Geschäftsmann
Yassin Kadi auf die Liste, der einen Teil seines Vermögens in der
Europäischen Union angelegt hatte.
Die EU selbst
hatte sich in der Anti-Terror-Politik eher auf eine
passiv-ausführende Rolle verlegt: In mehreren
Verordnungen
hatte der Ministerrat die einschlägigen UN-Resolutionen samt
„Terroristenliste“ in europäisches Recht umgesetzt; die
Kommission wurde beauftragt, die Liste zu aktualisieren, wann immer
der Sanktionsausschuss einen neuen Namen darauf setzte. Am
20. Oktober 2001 wurden deshalb durch eine
Durchführungsverordnung
sämtliche Finanzmittel von Yassin Kadi in der EU eingefroren. Zwei
Monate später erhob Kadi gegen diese Verordnung Klage vor dem
Europäischen Gerichtshof.
Individueller
Grundrechtsschutz oder Vorrang des UN-Rechts?
Dabei
zielte das Argument, mit dem Kadis Anwälte dem Rat und der
Kommission entgegentraten, in den Kern des europäischen
Rechtsstaatsverständnisses selbst: Denn offensichtlich war er in die
UN-Terroristenliste – und damit auch in die entsprechende
Verordnung der EU – ohne irgendeine Form von rechtlichen Verfahren
aufgenommen worden. Mit dem Einfrieren seines Vermögens war er
bestraft worden, ohne dass man vor einem Gericht seine Schuld
bewiesen hätte, ja sogar (da der Sanktionsausschuss für die
Aufnahme von Namen in die Liste keine spezifischen Gründe angeben musste) ohne dass ihm einzelne Tatvorwürfe bekannt gewesen wären. Die
entsprechenden Verordnungen verstießen daher, so Kadi, gegen sein Grundrecht
auf rechtliches Gehör und eine effektive gerichtliche Kontrolle.
Der
Rat widersprach dieser Position mit einem eher formellen, aber darum
kaum weniger gravierenden Argument: Er verwies darauf, dass die
Terroristenliste ja nicht von ihm selbst, sondern vom
UN-Sanktionsausschuss im Namen des UN-Sicherheitsrats beschlossen
worden war, und dass die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (und
damit auch alle Mitgliedstaaten der EU) gemäß Art. 25
UN-Charta
dazu verpflichtet sind, den Beschlüssen des Sicherheitsrates Folge
zu leisten. Da die UN-Resolutionen mit
der Terroristenliste zudem keinerlei Umsetzungsspielraum ließen,
könne die EU sie nur 1:1 übernehmen. Alles andere, so der Rat, würde gegen
das Völkerrecht verstoßen, zu dessen Einhaltung sich die EU verpflichtet habe.
Das
erste Kadi-Urteil
Für
die EU-Richter ergab sich damit ein Dilemma zwischen dem Respekt vor
der Rechtsordnung der Vereinten Nationen einerseits und der
Verteidigung der individuellen Grundrechte andererseits. In einer
ersten Entscheidung (Wortlaut)
gab das Europäische Gericht erster Instanz (EuG) 2005 zunächst dem
Ministerrat Recht: Für „die Frage, ob eine
Person oder eine Organisation eine Bedrohung für den Weltfrieden und
die internationale Sicherheit darstellt, wie auch die Frage, welche
Maßnahmen gegenüber den Betroffenen zu ergreifen sind, um dieser
Bedrohung zu begegnen“, sei allein der UN-Sicherheitsrat zuständig,
und es falle nicht in die Zuständigkeit des europäischen Gerichts,
„die Vereinbarkeit der fraglichen Resolutionen des Sicherheitsrats
selbst mit den durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten
Grundrechten [zu] prüfen“.
Dagegen jedoch legte Kadi
Rechtsmittel ein. Sein Fall kam deshalb vor den EuGH, der ihm 2008
schließlich Recht gab. In seinem Urteil (Wortlaut)
erklärte das höchste EU-Gericht, dass es eine „grundsätzlich
umfassende“ Grundrechtskontrolle aller EU-Rechtsakte gewährleisten
müsse, „und zwar auch in Bezug auf diejenigen Handlungen […],
[die] der Umsetzung von Resolutionen des Sicherheitsrats nach
Kapitel VII der UN-Charta dienen sollen“. Die umstrittene
Verordnung sei daher, wenigstens was Yassin Kadi betraf, für nichtig
zu erklären.
Ein europäisches
„Solange I“
Unter
Völker- und Europarechtlern sorgte dieses erste Kadi-Urteil des EuGH
für einige Aufmerksamkeit. Schickte sich der Gerichtshof hier zu
einer Art Rebellion gegen den UN-Sicherheitsrat an? Sollte
ausgerechnet die Europäische Union, Vorreiter bei der Entwicklung
einer supranationalen Verfassungsordnung, der Konstitutionalisierung
des Völkerrechts einen solchen Knüppel zwischen die Beine werfen?
Besonders
häufig aber wurde das Kadi-Urteil in dieser Debatte mit dem
„Solange-I-Beschluss“
(Wortlaut)
verglichen, mit dem das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
1974 Rechtsgeschichte schrieb. Damals ging es um einen weniger
spektakulären, in der Problematik jedoch ähnlich gelagerten Fall:
Ein deutsches Unternehmen hatte geklagt, dass eine EG-Verordnung
gegen bestimmte Grundrechte verstoße, die ihm nach dem deutschen
Grundgesetz zustünden. In einem Vorlageverfahren hatte der EuGH
daraufhin nur auf den Vorrang des Europarechts verwiesen: Die
Verordnung könne nicht einfach unter Verweis auf nationale
Grundrechte ignoriert werden, da sonst jeder Staat die Möglichkeit
hätte, EG-Beschlüsse im Alleingang zu sabotieren. Das BVerfG
widersprach dem jedoch: Auch wenn das Europarecht prinzipiell Vorrang
habe, könne es nicht einfach den deutschen Grundrechtsschutz
aushebeln. Das BVerfG werde daher auch weiterhin europäische
Rechtsakte einer Grundrechtskontrolle unterziehen, „solange“
(daher der Name des Urteils) die europäische Integration „nicht
so weit fortgeschritten ist, daß das Gemeinschaftsrecht auch einen
[…] Katalog von Grundrechten enthält, der dem Grundrechtskatalog
des Grundgesetzes adäquat ist“.
Mit
dem Kadi-Urteil
übertrug der EuGH 2008 offenbar das Prinzip, das das BVerfG 1974 für
das Verhältnis zwischen deutschem und europäischem Recht
aufgestellt hatte, auf das Verhältnis zwischen europäischem und
UN-Recht. Tatsächlich wurde dies in einem späteren Verfahren bis in
die Formulierungen hinein deutlich: Nachdem der EuGH die erste
Verordnung gegen Yassin Kadi für nichtig erklärt hatte, fertigte
die Kommission nämlich kurzerhand eine neue an, in der sie sein
Vermögen erneut einfrieren ließ (Wortlaut).
Kadi zog daraufhin erneut vor Gericht und erhielt diesmal schon in
erster Instanz Recht. In seinem Urteil (Wortlaut)
erklärte das EuG 2010 noch einmal, dass es auf eine Grundrechtskontrolle
nicht verzichten werde – und zwar „solange [!] die
vom [UN-]Sanktionsausschuss geschaffenen Überprüfungsverfahren
offenkundig nicht die Garantien eines wirksamen gerichtlichen
Rechtsschutzes bieten“.
Solange II:
Anerkennung für die Grundrechtssprechung des EuGH
Allerdings war das noch nicht das Ende der Geschichte. Schon 1974 wollte sich der EuGH nämlich nicht einfach damit abfinden, dass das deutsche
Bundesverfassungsgericht europäische Rechtsakte einer nationalen
Grundrechtskontrolle unterzog. In den folgenden Jahren begannen die europäischen Richter deshalb eine eigene Grundrechtssprechung zu entwickeln – nicht
auf Basis eines festen Katalogs (der kam erst 2009 mit der
EU-Grundrechtecharta), sondern anhand weitgehend selbst erfundener
Grundrechte, die sie aus den „gemeinsamen Verfassungstraditionen“
der Mitgliedstaaten ableiteten.
Damit
allerdings waren sie so überzeugend, dass das BVerfG 1986 in dem
berühmten „Solange-II-Beschluss“
(Wortlaut)
seine Entscheidung von 1974 revidierte. Es erklärte nun, dass es
künftig bei europäischen Rechtsakten auf eine eigene nationale
Grundrechtskontrolle verzichten werde, „solange die Europäischen
Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des [EuGH] einen
wirksamen Schutz der Grundrechte […] gewährleisten, der dem vom
Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im
wesentlichen gleichzuachten ist“. Wenigstens was Grundrechtsfragen
betrifft, sind die Konflikte zwischen europäischer und nationaler
Rechtsordnung seitdem weitgehend beigelegt. Die Beziehung zwischen
BVerfG und EuGH gilt heute offiziell als „Kooperationsverhältnis“,
und beide respektieren die Grundrechtssprechung des jeweils anderen
als im Wesentlichen gleichwertig mit ihrer eigenen.
Kadi II: Bietet ein
UN-Ombudsmann schon effektiven Rechtsschutz?
Der
Vergleich zwischen dem Kadi-Urteil und dem Solange-I-Beschluss ging
deshalb bei vielen Beobachtern mit der Hoffnung einher, dass auch der
EuGH einmal zu einer Art Solange II
gelangen würde: zu einem neuen Urteil, das – nach entsprechenden
Verbesserungen des Grundrechtsschutzes auf UN-Ebene – die
europäische und die globale Rechtsordnung wieder miteinander versöhnen würde.
Und tatsächlich reagierte der UN-Sicherheitsrat auf das Kadi-Urteil,
indem er den Schutz für Terrorverdächtige etwas verbesserte. Seit
2006 müssen Staaten, die einen Namen auf die Liste des
Sanktionsausschusses setzen wollen, dafür Gründe vorlegen. Seit
2009 werden diese Gründe teilweise veröffentlicht; außerdem
wurde das neue Amt eines Ombudsmanns
geschaffen, an den sich Menschen wenden können, die zu Unrecht auf
der Liste stehen. Der Ombudsmann erstellt dann einen Bericht und gibt
eine Empfehlung ab. Ob der Name wirklich von der Liste gestrichen
wird, entscheidet aber weiterhin allein der Sanktionsausschuss.
Ist
dies nun schon eine Garantie auf
rechtliches Gehör und effektive gerichtliche Kontrolle? Die
Europäische Kommission und der Ministerrat jedenfalls legten nach
dem EuG-Urteil im zweiten Kadi-Verfahren 2010 Rechtsmittel vor dem
EuGH ein und stützen sich dabei auf das Argument, dass die Vereinten
Nationen inzwischen mit dem Ombudsmann ja selbst eine Art
Rechtsschutz gegen Beschlüsse des Sanktionsausschusses böten. Auch
der Generalanwalt des EuGH, Yves Bot, schloss sich dieser Sichtweise an. In seinem Schlussantrag (Wortlaut)
betonte er das „gegenseitige Vertrauen“, das zwischen EU und UN
herrschen sollte, und verwies darauf, dass „die Achtung der
Grundrechte ein gemeinsamer Wert dieser beiden Organisationen“ sei.
Scheinbar gestärkt wurde diese Position noch dadurch, dass Yassin
Kadi selbst im Oktober 2012 nach einem Ombudsmann-Antrag vom
UN-Sanktionsausschuss aus der Terroristenliste gestrichen und sein
eingefrorenes Vermögen wieder freigegeben wurde. Würde der EuGH
also zurückrudern?
Er
tat es nicht. In dem Urteil von letztem Donnerstag, das den
Schlusspunkt unter das Kadi-II-Verfahren setzte (Wortlaut),
bekräftigte er nachdrücklich, dass „die auf Ebene der UNO
eingeführten Verfahren […] – trotz der daran […] vorgenommenen
Verbesserungen – der Person, deren Name in der [Terroristenliste]
aufgeführt ist, nicht die Gewähr eines effektiven gerichtlichen
Rechtsschutzes bieten“. Ein Ombudsmann könne eben kein Gericht
ersetzen. Und daher werde der EuGH auch künftig nicht auf eine
eigene europäische Grundrechtskontrolle von UN-Beschlüssen
verzichten.
Argument
für ein Weltverfassungsgericht
Anders
als mancher Freund der Vereinten Nationen hoffte, ist Kadi II
also
nicht zu einem europäischen Solange II
geworden.
Weiterhin erkennt der EuGH die UN-Rechtsordnung gewissermaßen nur
unter Vorbehalt an; weiterhin behält er sich vor, die Umsetzung von
völkerrechtlich verpflichtenden Resolutionen des UN-Sicherheitsrats
unter Verweis auf europäische Grundrechte zu verweigern. Aber was
bedeutet das nun für die Konstitutionalisierung des Völkerrechts,
von der sich so viele von uns eine bessere, gerechtere und
demokratischere Weltordnung erhoffen?
In
meinen Augen ist in dieser Sache
noch
nicht das letzte Wort gesprochen. Denn so sehr ich die Skepsis des
EuGH gegenüber dem UN-Sanktionsausschuss und seinem Ombudsmann
teile: Langfristig kann es nicht unser Ziel sein, die EU von einem
immer weiter ausgreifenden Völkerrecht abzuschotten. Vielmehr müssen
wir die Völkerrechtsordnung selbst demokratischer und
rechtsstaatlicher machen. Ein erster wichtiger Schritt auf diesem Weg wäre die Einrichtung eines
Weltverfassungsgerichts, das künftig das Handeln der
übrigen UN-Organe an einer neuen Grundrechtecharta messen könnte.
Ausgangspunkt für diese globale Charta könnten etwa die Allgemeine
Erklärung der Menschenrechte oder die beiden Internationalen
Pakte über bürgerliche
und politische sowie über wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte sein. Auf dieser Basis könnte das
Weltverfassungsgericht in Fällen wie dem von Yassin Kadi zu einem globalen Grundrechtsgaranten werden –
und zu einem wichtigen Gegengewicht für den UN-Sicherheitsrat, der
nach dem heutigen Völkerrecht nahezu unumschränkt schalten und
walten kann, ohne dabei auf die Rechte des Einzelnen Rücksicht zu
nehmen.
Natürlich
würde die Einrichtung eines Weltverfassungsgerichts eine Reform der
UN-Charta erfordern. Natürlich wird es Widerstände dagegen geben.
Und natürlich ist ein Erfolg nicht in den nächsten paar Jahren zu
erwarten. Trotzdem stünde es der EU gut an, dieses Ziel so bald wie
möglich auf die globale Agenda zu setzen. Denn wie es so treffend im
Kadi-II-Urteil heißt:
Eine solche gerichtliche Kontrolle ist unerlässlich, um einen gerechten Ausgleich zwischen der Erhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit und dem Schutz der Grundfreiheiten und -rechte der betroffenen Person, die gemeinsame Werte der UNO und der Union darstellen, zu gewährleisten.
Bild: Gwenaël Piaser [CC BY-NC-SA-2.0], via Flickr.
Vielen Dank für diese konzise Chronik der Kadi-Konstellation (über die ich in grauer Vorzeit im Freistaat Bayern meine Examenswahlfachklausur im Völker- und Europarecht geschrieben habe)- doch mit Verlaub, lieber Manuel, Deine Bildunterschrift macht mich Staunen: "Von außen sieht der EuGH in Luxemburg dem UN-Gebäude in New York zum Verwechseln ähnlich." Das meinst Du doch nicht ernst? Die Unterschiede sind offenkundig. Das UN-Gebäude am East River ist ein atemberaubender architektonischer Wurf - aber es trägt die Spuren seiner Entstehungszeit, ist fragil und in vieler Hinsicht nur bedingt brauchbar für das weltpolitische Alltagsgeschäft. Der EuGH ist keine Schönheit, aber robust und praktisch - eine solide Fabrik des Rechts. Es braucht kein Weltverfassungsgericht, sondern nationale und supranationale Gerichte, die auch als Gerichte der Völkerrechtsordnung agieren und ihre Verantwortung für Frieden, Sicherheit und den Schutz individueller Grundrechte und Grundfreiheiten wahrnehmen - ganz im Sinne eines demokratisch verankerten und dialogbereiten konstitutionellen Pluralismus.
AntwortenLöschenLiebe Alexandra, die Bildunterschrift ist natürlich mit Ironiezeichen zu verstehen - schon allein, weil der EuGH in Wahrheit ja mit zwei Türmen ausgestattet ist und die UNO nur mit einem (wie auch immer man das nun symbolisch deuten mag). Was allerdings die Alterserscheinungen betrifft, wurde das UN-Gebäude eben erst aufwendig renoviert... was zugegeben länger gedauert hat als erwartet, aber immerhin doch gezeigt hat, dass auch am East River Erneuerungen möglich sind.
LöschenAuf die Dauer denke ich schon, dass wir in einer konstitutionalisierten Weltordnung am Ende nicht ohne ein "Weltverfassungsgericht" auskommen werden. Das bedeutet keine Absage an Dialog und Pluralismus - nationale Gerichte wie das BVerfG (oder, was das betrifft, der EuGH) werden natürlich weiterhin eine zentrale Rolle bei der Interpretation des Völkerrechts und der Rechte des Einzelnen spielen. Aber ein ausschließlich dezentraler Grundrechtsschutz gegen UN-Rechtsakte trägt auch die Gefahr einer übermäßigen Fragmentierung in sich. Denn grundsätzlich ist es ja nur gut, wenn immer mehr Fragen von globaler Relevanz (die Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist nur ein Beispiel; Klima- und Umweltschutz, Migration oder soziale Standards könnten andere sein) auch in anspruchsvollen globalen Rechtsregimen geregelt werden, für die die UNO den institutionellen Rahmen bieten kann. Die Wirksamkeit solcher Regime wäre aber stark eingeschränkt, wenn jeder Staat sie unter Verweis auf seine nationale Grundrechtsordnung aushebeln könnte. Für den Aufbau von Vertrauen zwischen den beteiligten Staaten wäre es deshalb nur gut, den Grundrechtsschutz in diesen Bereichen weitgehend an ein zentrales UN-Gericht zu delegieren - ganz so, wie es für die demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung der EU zweifellos von Nutzen war, dass die Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichts nicht bei Solange I stehen geblieben ist.