22 August 2012

Frisch erschienen: Konstitutionalisierung jenseits des Staates

Jetzt eine Tasse Tee und ein gutes Buch!
Heute einmal etwas Werbung in eigener Sache – gerade ist im Nomos-Verlag ein Sammelband erschienen, den ich zusammen mit Ingolf Pernice und Christopher Peters herausgegeben habe. Thema ist die Rolle internationaler Organisationen bei dem Prozess, den man als die Konstitutionalisierung des Völkerrechts bezeichnet: Während das Völkerrecht früher ein recht simples, rein zwischenstaatliches Recht war, das sich aus den etablierten diplomatischen Gepflogenheiten und den von Staaten geschlossenen Verträgen ergab, hat es sich seit einigen Jahrzehnten schrittweise in ein komplexes System verwandelt.

Zum einen hat sich eine Normenhierarchie herausgebildet: Über das herkömmliche Völkerrecht trat das sogenannte ius cogens, dem sich jeder Staat auch gegen seinen Willen unterwerfen muss. Zum anderen erweiterte sich die Zahl der Akteure und Foren: Internationale Politik und Recht ist nicht mehr nur eine Sache der Staaten, sondern immer mehr auch multinationaler Unternehmen, zivilgesellschaftlicher Verbände und eben internationaler Organisationen. Und schließlich entwickelt sich zunehmend ein Bewusstsein, dass der eigentliche Geltungsgrund jeder Rechtsordnung, ob nun national oder international, das Zusammenleben von Individuen ist – sodass sich auch das Völkerrecht nicht allein dadurch rechtfertigen lässt, dass es dem „Willen der souveränen Staaten“ entspricht, sondern es einer anderen, vom einzelnen Menschen abgeleiteten Legitimation bedarf.

Geschrieben wurden die Artikel des Sammelbands von Juristen, Philosophen und Sozialwissenschaftlern aus dem Graduiertenkolleg Verfassung jenseits des Staates der Humboldt-Universität zu Berlin. Von mir selbst ist auch ein Beitrag dabei, in dem ich die Frage aufwerfe, weshalb die Gründungsverträge internationaler Organisationen ein so viel geringeres gesellschaftliches Identifikationspotenzial besitzen als nationale Verfassungen – obwohl sie inzwischen wenigstens teilweise dieselben Funktionen erfüllen. Meine Antwort, so viel sei hier verraten, hat etwas mit politischen Verfahren und ihrer Wechselwirkung mit der Eigenlogik von Mediendebatten zu tun. Der Rest steht im Buch…

Wer also eine Staats- oder Universitätsbibliothek kennt, der er schon lange mal wieder ein Buch zur Anschaffung vorschlagen wollte: Hier ist der Link.

Inhaltsübersicht

Christopher Peters

Informelle Anpassungsmechanismen der Gründungsverträge Internationaler Organisationen und ihre Bedeutung für die Konstitutionalisierung des Völkerrechts

Stefan Raffeiner

Wege der Konstitutionalisierung im Völkerrecht: Vorrang der UN-Charta und ius cogens

Alexander Eisenfeld

„Durchgriff“ als Maßstab von Verfassung: Die innerstaatliche Wirkung des Rechts der internationalen Organisationen als Ausdruck politischer Selbstbestimmung

Wulf Loh

Konstitutionalisierung der Selbstbestimmung

Janina Sombetzki

Politische Mitverantwortung für den Prozess der Konstitutionalisierung: Öffentliche Erklärungsfähigkeit und Partizipation der politischen Akteure

Manuel Müller

Delegitimation durch Verfahren: Wie sich das Änderungsverfahren auf die öffentliche Wahrnehmung von nationalen Verfassungen und von Gründungsverträgen internationaler Organisationen auswirkt. Ein nachrichtenwertbasierter Ansatz

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