Nach
der Europawahl am 25. Mai haben sich die Fraktionen im Europäischen
Parlament wieder zusammengefunden: die christdemokratische EVP, die
sozialdemokratische S&D, die rechtskonservative ECR, die liberale
ALDE, die linke GUE/NGL, die grüne G/EFA und die
nationalpopulistische EFDD. Dabei wurde das Kräftegleichgewicht
zwischen, aber auch innerhalb der Fraktionen neu justiert.
In einer kurzen Serie werden hier die wichtigsten Veränderungen
vorgestellt: Wer gewinnt, wer verliert, und was bedeutet das für die
künftige politische Linie des Parlaments? Heute: der rechte Flügel.
- Der Wahlerfolg der Rechtsparteien war bei dieser Europawahl das Lieblingsthema der Medien. Ihr realer politischer Einfluss aber bleibt begrenzt.
Wenn
man in einigen Jahren an die Europawahl 2014 zurückdenken wird, dann
wird man sich wohl in erster Linie an die Spitzenkandidaten erinnern:
an die Online-Primary der Europäischen Grünen Partei als erste
wirklich grenzüberschreitende Abstimmung, an die TV-Duelle
zwischen Jean-Claude Juncker (CSV/EVP) und Martin Schulz (SPD/SPE)
und an den nervenzehrenden
Nachwahlkampf, in dem sich der Wahlsieger Juncker schließlich
auch gegenüber den widerstrebenden Regierungschef im Europäischen
Rat durchsetzte. All dies waren Neuheiten, die die demokratischen Verfahren in der Europäischen Union
wohl dauerhaft geändert haben und diesen Wahlen eine gewisse
historische Bedeutung verleihen.
In
den europäischen Medien jedoch beherrschte vor und unmittelbar nach
den Wahlen ein ganz anderes Thema die Schlagzeilen: nämlich die
Zugewinne der nationalkonservativen und rechtspopulistischen
Parteien. Bereits im Januar sprach der Europablogger Eric Bonse von einem
„Vormarsch der
Rechten“, nach der Wahl war im britischen Guardian
von einem „politischen
Erdbeben“ die Rede. Tatsächlich konnten die Parteien rechts
der christdemokratischen EVP bei der Europawahl insgesamt deutlich
zulegen. Von 113 von 766 Sitzen (14,8%) steigerten sie sich auf 166
von 751 (22,1%). Doch weitreichende Folgen auf die konkrete Politik
wird dieser Rechtsruck wohl nicht haben. Im Gegenteil: Trotz seiner
Wahlerfolge bleibt der rechte Flügel des Parlaments isoliert und in
sich zerstritten.
Vier
rechte Gruppierungen im Parlament
Will
man die Dynamik auf der rechten Seite des Europäischen Parlaments
verstehen, so ist es zunächst einmal wichtig, nicht pauschal von
einem nationalistisch-antieuropäischen Block auszugehen. Vielmehr
lassen sich vier Gruppierungen unterscheiden, die es auch in der vergangenen Wahlperiode schon gab. In steigender Radikalität
sind dies:
● erstens
die nationalkonservative Fraktion
der Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR),
in der die britischen Tories um David Cameron und die polnische
PiS um Jarosław
Kaczyński tonangebend sind,
● zweitens
die rechtspopulistische Fraktion Europa
der Freiheit und Demokratie (EFD),
die von der britischen UK Independence Party dominiert wird, deren
Parteichef Nigel Farage auch den Fraktionsvorsitz innehat,
● drittens
die fraktionslose, stramm rechte Europäische
Allianz für Freiheit (EAF),
in der der französische Front National um Marine Le Pen eine
Führungsrolle einnimmt,
● viertens
die ebenfalls fraktionslosen und nicht auf europäischer Ebene organisierten Parteien am äußersten rechten Rand, die teils offen antidemokratisch und oft
gewaltbereit auftreten.
Obwohl
die ideologischen Grenzen teils fließend sind und all diese
Gruppierungen in der ein oder anderen Weise europaskeptische,
nationalistische und „rechte“ Positionen vertreten, verstehen sie
einander als Konkurrenten und bemühen sich öffentlich um
Abgrenzung. Insbesondere wollen die gemäßigteren Gruppierungen
ungern mit den radikaleren in einen Topf geworfen werden – sodass
sich die ECR gegenüber ihrer Wählerschaft nachdrücklich von der
EFD, die EFD von der EAF und die EAF von den Rechtsextremen absetzt.
Wie aber ist es jeder einzelnen von ihnen bei der Europawahl
ergangen?
ECR:
Trotz Wahlverlusten erstmals drittstärkste Fraktion
- Syed Kamall (Cons./AECR) wird künftig die drittstärkste Fraktion im Europäischen Parlament anführen.
Geht
man allein nach der Abgeordnetenzahl am Tag der Konstituierung des
Parlaments, so kann die ECR ohne Zweifel mit ihren Ergebnissen
zufrieden sein: Mit 70 (statt bisher 57) Sitzen haben die
Nationalkonservativen die liberale ALDE (67 statt 83) überholt und
werden künftig nach Christ- und Sozialdemokraten die drittstärkste
Fraktion stellen – ein symbolischer Erfolg, der ihnen zuletzt bei
der Europawahl 1984 gelungen war.
Unmittelbar
nach der Wahl am 25. Mai war
dies allerdings noch nicht abzusehen. Vielmehr hatten die
bisherigen ECR-Parteien eher Verluste erlitten. Vor allem die beiden
größten Mitglieder büßten zahlreiche Sitze ein: Die britischen
Tories fielen von 25 auf 19, die tschechische ODS von neun auf zwei
Sitze zurück. Die kleineren Mitgliedsparteien aus Italien und Ungarn
schieden gleich ganz aus dem Parlament aus. Zugewinne machte hingegen
die polnische PiS, die nach mehreren Parteiaustritten im alten
Parlament zuletzt nur noch über sieben Mandate verfügte und nun mit
den Tories gleichziehen konnte (19 Sitze). Dennoch: Betrachtet man
nur die Parteien, die schon in der letzten Legislaturperiode der
ECR-Fraktion angehörten, so zählten die Nationalkonservativen eher
zu den Wahlverlierern.
Frenetischer
Expansionskurs
Dass
die ECR letztlich doch als Gewinner hervorging, liegt an einem
frenetischen Expansionskurs, den die Fraktion in den Wochen nach der
Wahl einschlug. Besser als jeder anderen Gruppierung gelang es ihr,
die Verluste an den Wahlurnen zu kompensieren, indem sie neue
Mitglieder auf ihre Seite zog. Dies betraf zum einen insgesamt 13
Abgeordnete der bulgarischen BBZ, der deutschen AfD und
Familienpartei, der griechischen ANEL und der slowakischen OĽaNO
und NOVA, die allesamt neu ins
Parlament eingezogen waren. Zum anderen profitierten die
Nationalkonservativen aber auch von Überläufern aus anderen
Fraktionen, insbesondere aus der rechtspopulistischen EFD, aus der
die dänische DF (4 Sitze), die finnischen PS (2 Sitze) und die
niederländische SGP (1 Sitz) zur ECR übertraten.
Die
Überholung der ALDE-Fraktion gelang schließlich Mitte Juni, fast
einen Monat nach der Wahl. Entscheidend für den Coup war die
flämisch-separatistische Partei N-VA, die zuvor der grünen Fraktion
G/EFA angehört hatte, dort aber schon seit einigen Monaten nur
noch wenig Freunde hatte. Nach deutlichen Zugewinnen bei der Wahl
(4 statt 1 Sitze) hatte die N-VA sich zunächst der ALDE angenähert
und war von dieser – trotz Gegenwehr der belgischen Liberalen –
sogar schon zur
Aufnahme zugelassen worden. Im letzten Moment überlegte sie es
sich jedoch anders und schloss
sich der ECR an, die dadurch die ALDE überholte.
Kurz
darauf folgte der N-VA auch noch der irische Abgeordnete Brian
Crowley. Dieser hatte bei der Europawahl als einziger Abgeordneter
der Partei Fianna Fáil sein Mandat verteidigen können. Doch während
die FF eigentlich der ALDE angehört, zog er die Mitgliedschaft in
der ECR-Fraktion vor. Ende Juni wurde er daraufhin aus
der FF ausgeschlossen – womit die irischen Liberalen nun keinen
einzigen Sitz mehr im Parlament haben, die ECR hingegen einen
unabhängigen Abgeordneten mehr.
Streit
um die AfD
Der
wichtigste und zugleich meistumstrittene Neuzugang der ECR-Fraktion
war jedoch die deutsche AfD, die bei der Europawahl erstmals antrat
und aus dem Stand sieben Mandate erzielte. Bereits vor der Wahl hatte
die AfD ihr
Interesse an einer Mitgliedschaft in der ECR bekundet, war dort
aber vor allem von Seiten der britischen Tories um David Cameron auf
eher zurückhaltende Reaktionen gestoßen. Grund dafür war
allerdings weniger die Ausrichtung der AfD selbst, sondern das
Verhältnis zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU/EVP): Da
Cameron für seine europapolitischen Pläne im Europäischen Rat
dringend
auf deren Unterstützung angewiesen ist, wollte er sie nicht
durch eine Annäherung an ihre innerdeutschen Konkurrenten
vergrätzen.
Unmittelbar
nach der Europawahl erklärte Cameron deshalb noch einmal persönlich,
dass
er einen Beitritt der AfD zur ECR nicht zulassen würde. Die
Fraktion hingegen machte deutlich, dass sie sich nicht allein als
Werkzeug des britischen Premierministers versteht – und entschied
sich in einer Abstimmung mit
knapper Mehrheit dafür, die AfD trotz Camerons Widerstand
aufzunehmen.
Rechtsruck
– und Isolierung?
Das
Signal, das von der Aufnahme der AfD, aber auch der früheren
EFD-Mitglieder ausging, war ein klarer Rechtsruck. Tatsächlich
ändert sich durch die Neuaufnahmen der ganze Charakter der Fraktion:
In der vergangenen Wahlperiode wurde diese durch ein Dreierbündnis
aus den britischen Tories, der tschechischen ODS und der polnischen
PiS dominiert: drei Parteien, die alle schon einmal auf nationaler
Ebene eine Regierung angeführt hatten (oder, im Fall der Tories,
noch immer anführen) und die trotz politischer Differenzen
um eine gewisse Anschlussfähigkeit zu den Christdemokraten und
Liberalen bemüht waren. In der vergangenen Wahlperiode fiel deshalb
etwa ein Sechstel der Beschlüsse des Europäischen Parlaments auf
Grundlage eines Mitte-Rechts-Bündnisses zwischen ECR, EVP und ALDE.
Hingegen
sind die neuen Mitglieder der ECR-Fraktion auf nationaler Ebene großteils politische Außenseiter, die sich durch scharfe
Kritik an den übrigen Parteien profilieren und ihre Stimmen oft
Protestwählern verdanken. Da sie auf absehbare Zeit ohnehin keine
Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung haben, treten sie populistischer und
kompromissloser auf. Die Folge davon sind einige ungewöhnliche
Gegensätze in der Fraktion: So wählte die ECR einerseits gerade den
Tory-Abgeordneten Syed
Kamall zu ihrem neuen Vorsitzenden, der – als erster
Fraktionschef im Europäischen Parlament überhaupt – muslimischer
Religion ist. Andererseits sind einige der skandinavischen Mitglieder
für
ihre islamfeindlichen Äußerungen bekannt, einer sogar wegen
Volksverhetzung vorbestraft. Auch wenn alle Beteiligten die
Unterschiede derzeit herunterspielen, könnten diese Kontraste
durchaus noch zu Konflikten in der Fraktion führen.
Vor
allem aber dürfte der Rechtsruck der ECR die Kooperation mit
Christdemokraten und Liberalen erschweren. Ohnehin haben EVP und ALDE
bei der Wahl jeweils deutlich verloren, sodass das
Mitte-Rechts-Bündnis insgesamt nur noch auf 358 der 751 Sitze im
Parlament kommt (47,7%, zuvor 414 von 766, 54,0%) und Schwierigkeiten
haben wird, eigene Mehrheiten zu bilden. Alles in allem zeichnet sich
deshalb ein Einflussverlust der ECR ab: Obwohl sie zur drittstärksten
Fraktion geworden sind, könnten die Rechtskonservativen im neuen
Parlament öfter als bisher alleine stehen.
EFDD:
UKIP siegt, verliert aber fast all ihre Partner
Bei
ihrer Rechtsexpansion ging es der ECR allerdings nicht nur darum, die
ALDE als drittstärkste Kraft im Parlament zu überholen. Als weiteres Ziel wollte sie offenbar auch verhindern, dass sich die EFD –
die von der britischen UKIP, einem wichtigen nationalen Konkurrenten
der Tories, dominiert wird – erneut als Fraktion konstituieren
würde. Nach der Geschäftsordnung des Parlaments sind für die
Bildung einer Fraktion nämlich mindestens
25 Abgeordnete aus sieben Mitgliedstaaten erforderlich. Und
während die UKIP das erste dieser Kriterien fast schon allein
erfüllte (sie wurde in Großbritannien zur stärksten Einzelpartei
und verfügt nun über 24 Mandate), schien es lange Zeit so, als ob
ihr schlicht die Partner abhanden kommen würden.
In
vielen Ländern waren die bisherigen EFD-Parteien nämlich bei der
Europawahl gescheitert: In Belgien, Bulgarien, Frankreich,
Griechenland, Polen und der Slowakei gelang es ihnen nicht, erneut
ins Parlament einzuziehen. Da zudem die dänischen, finnischen und
niederländischen Fraktionsmitglieder zur ECR und die italienische
Lega Nord zur EAF abwanderten, stand die UKIP plötzlich fast ganz
alleine da: Aus der alten Fraktion blieb ihr nur die litauische TT (2
Sitze) als Partner erhalten.
Beppe
Grillo und das italienische M5S
In
den Wochen nach der Europawahl machte sich Fraktionschef Nigel Farage
deshalb auf eine fast schon verzweifelte Suche nach neuen
Verbündeten. Entscheidende Unterstützung erhielt er von der italienischen Protestbewegung M5S um den ehemaligen Komiker Beppe
Grillo, die aus dem Stand auf 17 Mandate gekommen war – der größte Erfolg unter den Neuankömmlingen im Parlament. Welcher Fraktion
sich die „Grillini“ anschließen würden, war schon vor der Wahl
Gegenstand intensiver Spekulationen: Einerseits ähneln viele ihrer
politischen Forderungen, vor allem zu Umwelt- und Wirtschaftsthemen,
jenen der grünen oder der linken Fraktion. Andererseits zeigte sich
jedoch vor allem Grillo selbst wiederholt als scharfer Gegner der EU
und der europäischen Währungsunion und stellte sich damit in
Gegensatz zu den sehr europafreundlichen Grünen.
Dennoch
kam es innerhalb des M5S zu
einigen Verstimmungen, als Grillo recht bald nach der Wahl den
Schulterschluss mit Farage suchte. Auch eine von Grillo initiierte
Online-Mitgliederbefragung
über die künftige Fraktionszugehörigkeit half nur wenig, um
die Wogen zu glätten – denn obwohl zahlreiche Parteimitglieder
sich für eine Annäherung an die Grünen aussprachen, standen bei
der Abstimmung nur die Optionen eines Beitritts zur EFD oder zur ECR
sowie die Fraktionslosigkeit zur Verfügung. Letztlich setzte sich
die von Grillo favorisierte Option deutlich durch,
sodass sich die 17 Abgeordneten des M5S mit den 24 der UKIP
vereinten. Die Unzufriedenheit in der Partei aber blieb.
Als
Belohnung für ihren Beitritt erhielten die Grillini zunächst einmal
einige symbolische Zugeständnisse: So änderte die Fraktion auf
ihren Wunsch hin den Namen; aus Europa der Freiheit und der
Demokratie wird Europa der Freiheit und der direkten
Demokratie (EFDD). Des Weiteren
wird sich Nigel Farage künftig den Fraktionsvorsitz mit
dem M5S-Abgeordneten David Borrelli teilen. Vor allem aber wird
auch die politische Linie der Fraktion noch unklarer: Schon in der
vergangenen Wahlperiode war die EFD mit Abstand die
Fraktion mit dem geringsten inneren Zusammenhalt. Dass viele
M5S-Mitglieder sich eigentlich eher grünen und linken Positionen
nahe fühlen, dürfte die interne Heterogenität der EFDD noch weiter
steigern. Ein europaskeptischer Nationalpopulismus ist inzwischen
nahezu das einzige Element, das die Fraktion verbindet.
Gerettet
durch eine Überläuferin des FN
Die
Grillini allein hätten allerdings natürlich nicht genügt, um die
Fortexistenz der EFDD zu sichern. Als weitere Zugewinne konnte Farage
in den Wochen nach der Europawahl die rechtspopulistischen SD aus
Schweden, die rechtsliberalen Svobodní aus Tschechien sowie die
konservativ-ökologische ZZS aus Lettland verbuchen, die alle
erstmals ins Parlament eingezogen waren. Dennoch sah es noch Mitte
Juni so aus, als könnte die Bildung der Fraktion zuletzt scheitern,
da sich nur sechs statt der notwendigen sieben Parteien
zusammengefunden hatten.
Die
Rettung brachte schließlich im letzten Moment eine französische
Abgeordnete des Front National: Joelle
Bergeron hatte sich
kurz vor der Europawahl für
ein allgemeines Ausländerwahlrecht bei Kommunalwahlen ausgesprochen,
was natürlich in krassem Gegensatz zu dem nationalistischen Programm
des FN stand. Als die Parteispitze sie daraufhin aufforderte, auf ihr
Mandat zu verzichten, reagierte Bergeron zwei Tage nach der Wahl mit
dem Austritt aus dem FN. Mitte Juni schließlich schloss
sie sich der EFDD an, die dadurch das nötige Quorum erreichte.
Insgesamt umfasst die Fraktion damit 48 Sitze statt der bisherigen
31, womit sie (zusammen mit der linken GUE/NGL) numerisch der größte
Gewinner der Europawahl ist.
EFDD bleibt Außenseiter
im Parlament
Durch
die Konstituierung als Fraktion wird die EFDD also auch künftig
Anspruch
auf finanzielle Unterstützung aus EU-Geldern haben und ein
Mitglied in der einflussreichen „Konferenz
der Präsidenten“ stellen, die unter anderem die Tagesordnung
der Parlamentssitzungen bestimmt. Trotzdem wird der politische
Einfluss der Nationalpopulisten wohl noch kleiner bleiben als jener
der ECR. Vor allem die Fraktionen der Christdemokraten,
Sozialdemokraten und Liberalen sind sich einig, die EFDD im
parlamentarischen Alltag nach Möglichkeit auszugrenzen.
Dies
zeigte sich in der vergangenen Woche bereits die Besetzung der
Ausschüsse
des Parlaments: Traditionell ist es üblich, dass jede Fraktion
in mindestens einem Ausschuss den Vorsitz führt. Bei der EFDD aber
wichen die Mehrheitsparteien von diesem Prinzip ab und verweigerten
ihr den Vorsitz im Petitionsausschuss, auf den sie sich beworben
hatte. Dabei half es auch nichts, dass selbst die Grünen gegen diese Ungleichbehandlung der Nationalpopulisten
protestierten: Die EFDD, so viel ist klar, wird auch künftig ein
Außenseiter im Europäischen Parlament bleiben.
EAF
scheitert bei der Partnersuche
- Marine Le Pen (FN/EAF) legte zwar in Frankreich kräftig zu, scheiterte aber mit ihrem Ziel einer eigenen Fraktion.
Noch
weiter im Abseits steht freilich die EAF – jenes Bündnis zwischen
dem französischen FN, der österreichischen FPÖ, der
niederländischen PVV, dem flämischen VB und der italienischen Lega
Nord, das vor der Europawahl wohl
die meiste mediale Aufmerksamkeit erhalten hatte. Tatsächlich
konnte vor allem der FN am 25. Mai enorm zulegen. Die Partei von
Marine Le Pen wurde in Frankreich stärkste Kraft und steigerte die Zahl ihrer Mandate (ohne Joelle Bergeron) von 3 auf 23; keine andere Einzelpartei im Parlament gewann so stark hinzu. Und auch die
übrigen Verbündeten verbesserten sich zusammen immerhin von 8 auf 14 Sitze.
Letztlich
aber scheiterte Marine Le Pen dort, wo Nigel Farage erfolgreich war:
bei der Suche nach neuen Partnern, um das nötige Quorum zur Konstituierung als Fraktion zu erreichen. Während
Farage eine Zusammenarbeit mit der EAF mehrfach ausgeschlossen hatte,
lehnte Le Pen ihrerseits eine Kooperation mit den Parteien der
äußersten Rechten ab. Nach der Wahl kam es deshalb zu einem Wettlauf
zwischen EFDD und
EAF um die neu ins Parlament eingezogenen rechtspopulistischen Parteien.
Doch unter denen wollte sich lediglich die polnische KNP (4 Sitze) dem Bündnis um Le
Pen anschließen, sodass die EAF letztlich nur auf sechs der
nötigen sieben Mitgliedsparteien kam.
Ganz
ausgeschlossen bleibt eine künftige EAF-Fraktion zwar nicht: Auch
nach Beginn der Wahlperiode ist es noch möglich, eine neue Fraktion
zu bilden, wenn die Bedingungen der Geschäftsordnung dann erfüllt
sind. Ein einziger Überläufer, etwa aus der EFDD-Fraktion, würde
also genügen. Einstweilen aber bleibt die EAF auf die Hinterbänke
des Parlaments verbannt, und ob sie dort als einheitlicher Block
auftreten wird, scheint derzeit eher fraglich. In der Vergangenheit
jedenfalls zeigte sie bei
Abstimmungen nur selten eine gemeinsame Linie. Und auch ein
heftiger
Konflikt zwischen dem PVV-Chef Geert Wilders und dem KNP-Vorsitzenden
Janusz Korwin-Mikke deutet darauf hin, dass die Rechtsallianz
schon jetzt wieder am Zerfallen ist.
Mehr
Fraktionslose als je zuvor
Durch
das Scheitern der EAF werden künftig 52 der 751 Europaabgeordneten
(6,9%) fraktionslos sein – was sowohl in absoluten Zahlen als auch
nach dem prozentualen Anteil mehr sind als je zuvor. Rechnet man die
EAF allerdings heraus, so ist die Zahl der „sonstigen“
Fraktionslosen bei der Europawahl eher zurückgegangen: Statt auf 22
kommen sie nur noch auf 11 Sitze.
Wie
schon erwähnt, handelt es sich bei diesen „Sonstigen“ zum einen
um die äußerste Rechte, die wegen ihrer Radikalität selbst für
das Bündnis um Marine Le Pen nicht als Kooperationspartner in Frage
kommt. Die Zahl dieser rechtsextremen Abgeordneten blieb bei der
Europawahl weitgehend konstant, auch wenn sich ihre Herkunftsländer
weitgehend wandelten: Kamen sie bisher aus Ungarn (Jobbik, 3 Sitze),
Rumänien (PRM, 2), Großbritannien (BNP, 2) und Bulgarien (Ataka,
1), werden künftig rechtsextreme Parteien aus Ungarn (Jobbik, 3),
Griechenland (XA, 3) und Deutschland (NPD, 1) im Parlament vertreten
sein.
Daneben
gibt es nur noch vier weitere Abgeordnete, die ebenfalls keiner
Fraktion angehören: zwei der linksextremen griechischen KKE (die die
linke GUE/NGL-Fraktion nach
der Wahl türenknallend verlassen hat), einer der nordirischen
DUP (die programmatisch der ECR nahesteht, auf nationaler Ebene aber
im Nordirland-Konflikt einen radikaler pro-protestantischen Kurs
verfolgt als die Tories) sowie einer der deutschen Satirepartei PARTEI (die nach Erklärungen ihres Chefs Martin Sonneborn eine
eigene
„Fraktion der Irren und Verhaltensauffälligen“ bilden wollte,
damit aber offenbar gescheitert ist).
Kaum
Interesse an konstruktiver Mitarbeit
Zusammengefasst:
Der rechte Flügel im Europäischen Parlament hat durch die
Europawahl an Sitzen dazugewonnen – ob auch sein politischer
Einfluss gestiegen ist, scheint eher fraglich. Vielmehr dürfte das
Zusammenrücken von Christ- und Sozialdemokraten dazu führen, dass
die Nationalkonservativen künftig noch weniger als bisher an der
Mehrheitsfindung beteiligt werden.
Ob
die konstruktive Mitarbeit im Europäischen Parlament das wichtigste
Ziel der Rechtspopulisten und Europaskeptiker ist, darf allerdings
ohnehin bezweifelt werden. Schon in der letzten Wahlperiode waren die
ECR-, EFD- und fraktionslosen Abgeordneten deutlich
seltener im Plenum anwesend als ihre Kollegen. Und wenn sie doch
kamen, nutzten vor allem die Populisten um Nigel Farage und Marine Le Pen das Parlament oft nur als Bühne, um vor einem
nationalen Publikum zu punkten. Wie die Ergebnisse der Europawahl zeigen, ist diese Strategie bisher hervorragend aufgegangen. Ob sie auch in der nächsten Wahlperiode
trägt, bleibt abzuwarten.
Fraktionen
im neuen Europäischen Parlament – Übersicht
1: EVP und S&D
1: EVP und S&D
3:
ECR, EFDD und Fraktionslose
Eine
Gesamtübersicht, wie sich die Sitze im neu gewählten Parlament auf
die Fraktionen und nationalen Einzelparteien aufteilen, findet sich
hier.
Bilder: By (Mick Baker)rooster [CC BY-ND 2.0], via Flickr; by European Parliament [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; by Caruso Pinguin [CC BY-NC 2.0], via Flickr; by European Parliament [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; by Blandine Le Cain [CC BY 2.0], via Flickr.
Die AfD hat doch ausdrücklich gesagt, dass sie nicht mit Rechtspopulisten zu kooperieren und genau das tun sie jetzt: Dänische Volkspartei, Basisfinnen, ANEL.
AntwortenLöschenWiedereinmal eine weitere Lüge der AfD. Das meiste von dem was sie AfD erzählt sind Lügen und deren Wähler glauben das denen einfach.
Ja, sie hat ausdrücklich gesagt, dass sie nicht zur EFD will, sondern zur ECR, der ja schließlich auch die britische Regierungspartei angehört, das hat sie gemacht. Wenn sie nun wegen 7 (!) Abgeordneten der dänischen Volkspartei, Basisfinnen und ANEL die ECR wieder verlassen hätte, würde sie sich zum einen selbst nicht besser verhalten als etwa ein Herr Kauder, der sagt er spricht einfach nicht mehr mit der AfD und zum anderen würden viele Leute (und wahrscheinlich auch Sie) monieren, der AfD geht es gar nicht um Politik, ihre MdEPs wollen nur als Fraktionslose Fundamentalopposition machen und das Geld kassieren. Mit welcher Entscheidung wären Sie also zufrieden oder einverstanden gewesen? Es gibt auch Fidesz und Forca Italia in der EVP, sollte da jetzt auch keiner mehr mitmachen?
LöschenNiemand der EVP-Fraktion hat gesagt, dass man nicht mehr mit Fidesz und Forza Italia wird. Die AfD hat aber gesagt, dass nicht mit Parteien wie der Ukip zusammenarbeiten möchten. Die Dänische Volkspartei, die Basisfinnen und die ANEL sind Parteien wie die Ukip. Also hat die AfD gelogen. Ist doch ganz einfach. Allerdings finde ich, dass Fidesz und Forza Italia eher in die ECR gehören. Ich hätte es schon gerne gesehen wenn diese 2 Parteien aus der EVP rausgeflogen wären. Die AfD müsste also fraktionslos sein. Fraktionslosigkeit bedeutet doch keine Fundamentalopposition. Und Regierungsparteien sind nicht immer seriöse Parteien. z.B Norwegen. Auf jeden Fall ist die ECR keine Mitte-rechts Fraktion mehr, sondern eine Rechtsfraktion, trotzdem keine rechtsextreme wie EFDD oder EAF. (PS: Wenn man im Wahlomat genau wie die AfD antwortet und mit anderen ländern vergleicht hat sie in Großbritannien am meisten Übereinstimmung mit der Ukip und nicht mit den Tories, kann jeder selbst ausprobieren.
LöschenAfD sagt: Wir sind nicht rechts, mit der Ukip wollen wir nichts zu tun haben.
LöschenUkip sagt: Wir sind nicht rechts, mit dem Front National wollen wir nichts zu tun haben.
Front National sagt: Wir sind nicht rechts, mit Jobbik und co. wollen wir nichts zu tun haben.
Die DF, PS und ANEL sind längst nicht die einzigen Rechtspopulisten in der ECR, da gibts noch die polnische Recht und Gerechtigkeit, die Bulgarien ohne Zensur und die lettische TB, damit sind ungefähr die Hälfte dieser Fraktion Rechtspopulisten. Wenn Großbritannien aus der EU austritt ist die Fraktion dann eine reine rechtspopulistische Fraktion. Dänische Volkspartei und co. sind nur die radikalen Rechtspopulisten der Fraktion.
LöschenDer Aufstieg der UKIP und des Front National hat erstaunlich viele Parallelen mit dem Aufstieg der NSDAP. Es gab eine Krise, rasanter Aufstieg einer Partei die alle für die Erlöser hielten, nur wenige sich der Gefahr bewusst sind. Erst im Nachhinein hat man die Folgen gesehen. Deutschland hat das schon hinter sich und aus der Geschichte gelernt. Müssen den jetzt Frankreich und UK denn auch total vor die Hunde gehen, bevor sie merken was sie da angerichtet haben?
AntwortenLöschenDen Vergleich habe ich auch schon gezogen: "Die aktuelle Zusammensetzung des Europäischen Parlamentes erinnert ein wenig an den Reichstag der Weimarer Republik zum Ende der 20er Jahre."
LöschenAllerdings sollte man diesen Vergleich nicht überstrapazieren. Die Akzeptanz der EU ist bei weitem höher als die Akzeptanz der Weimarer Republik und Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind heute viel stärker im Bewusstsein der Bürger verankert als in Deutschland vor 100 Jahren.
Dennoch sehe ich das Anwachsen der Extreme mit Sorgen und noch mehr, dass nicht wenige Politik-Experten und Politiker beschwichtigen und mögliche Gefahren kleinreden.