04 Juli 2014

Die Fraktionen im neuen Europäischen Parlament (2): ALDE, Grüne/EFA und GUE/NGL

Nach der Europawahl am 25. Mai haben sich die Fraktionen im Europäischen Parlament wieder zusammengefunden: die christdemokratische EVP, die sozialdemokratische S&D, die rechtskonservative ECR, die liberale ALDE, die linke GUE/NGL, die grüne G/EFA und die nationalpopulistische EFDD. Dabei wurde das Kräftegleichgewicht zwischen, aber auch innerhalb der Fraktionen neu justiert. In einer kurzen Serie werden hier die wichtigsten Veränderungen vorgestellt: Wer gewinnt, wer verliert, und was bedeutet das für die künftige politische Linie des Parlaments? Heute: das Mitte-Links-Bündnis.
Das rot-rot-gelb-grüne Bündnis kann seinen Sitzanteil im Parlament ungefähr halten – allerdings mit einer leichten Verschiebung nach links.

Ein Bündnis, das von den Liberalen über Sozialdemokraten und Grüne bis zu den Linken reicht: Was in Deutschland nach einer etwas skurrilen Regenbogen-Kombination klingen würde, war im Europäischen Parlament in den vergangenen Jahren immer wieder Realität. Rund ein Sechstel aller Beschlüsse des Parlaments wurden auf Grundlage einer Einigung zwischen ALDE, S&D, G/EFA und GUE/NGL getroffen – ebenso viele wie von dem Mitte-Rechts-Bündnis aus ALDE, EVP und ECR.

Interessanterweise verfügte diese Mitte-Links-Allianz schon vor der Europawahl nur über 371 von 766 Sitzen. Für eine Mehrheit im Parlament war sie deshalb auf die Unterstützung von fraktionslosen Abgeordneten oder Abweichlern aus anderen Fraktionen angewiesen (und sei es nur, dass diese sich nicht an der Abstimmung beteiligten – generell war die Anwesenheit auf der linken Seite des Parlaments etwas höher als auf der rechten). Durch die Wahl hat sich daran nichts geändert: Mitte-Links kommt nun auf 360 von 751 Sitzen. Lediglich innerhalb des Bündnisses haben sich die Gleichgewichte etwas verschoben.

Dezimierung der ALDE

Guy Verhofstadt (Open-VLD/ALDE) wird künftig eine deutlich kleinere Fraktion anführen als bisher.
Die liberale ALDE gehört zu den größten Verlierern der Europawahl. Bislang war sie nicht nur nach Christ- und Sozialdemokraten die drittstärkste Fraktion im Parlament; auch als Vertreterin der politischen Mitte nahm sie eine wichtige Schlüsselrolle ein, da sie als einzige Gruppierung mit EVP und S&D gleichermaßen zusammenarbeiten konnte und deshalb entscheidend für die Bildung „alternativer“ Mehrheiten jenseits der Großen Koalition war.

Die Europawahl führte jedoch zu einer starken Dezimierung der Liberalen, die von 83 auf 67 Mandate abstürzten und zum ersten Mal seit 1989 von der nationalkonservativen ECR-Fraktion (70 Sitze) als drittstärkste Kraft im Parlament abgelöst wurden. Vor allem einige der größten ALDE-Mitgliedsparteien erlitten massive Verluste: Die deutsche FDP fiel von zwölf auf drei Sitze, die britischen LibDem von zwölf auf einen; die italienische IdV, die 2009 noch sieben Mandate holte und (nach verschiedenen Parteiaustritten) zuletzt noch mit vier Abgeordneten in der Fraktion vertreten war, scheiterte vollständig. Hinzu kamen einige prominente Fraktionsaustritte: So konnte sich der rumänische PNL zwar von 5 auf 6 Sitze verbessern – doch seine Abgeordneten werden künftig nicht mehr der ALDE, sondern der EVP-Fraktion angehören.

Außerdem wird wegen der starken Einbußen auch der Christdemokraten und wegen des Rechtsrucks der ECR (dazu demnächst mehr) die Mitte-Rechts-Mehrheit künftig nur noch schwer zu bilden sein, womit auch die Schlüsselstellung in der Mitte des Parlaments an Bedeutung verliert. Insgesamt könnte die ALDE damit noch über ihre rein numerische Schwächung hinaus auch politisches Gewicht einbüßen.

Überraschende Neuzugänge

Um diese Verluste zu kompensieren, bemühte sich die ALDE in den letzten Wochen darum, sich um neu gewählte oder bislang fraktionslose Mitgliedsparteien zu erweitern. In einigen Fällen war dies recht naheliegend: etwa bei den österreichischen Neos, eine klassisch-liberale Partei, die erstmals ins Parlament einzog. Andere, etwa derjenige der spanischen Parteien UPyD und Ciudadanos, erwiesen sich als schwieriger: Zwar stehen beide den Liberalen politisch nahe; auf nationaler Ebene sind sie jedoch scharfe Gegner des katalanischen und baskischen Separatismus, dessen wichtigste Exponenten (CDC und PNV) ebenfalls in der ALDE-Fraktion organisiert sind. Erst nach umständlichen Verhandlungen kam es schließlich zu einem Kompromiss, nach dem sich die ALDE in den nächsten Jahren einfach überhaupt nicht zu dem spanischen Territorialstreit äußern wird.

Andere Neuzugänge, die die ALDE in dem verlorenen Rennen um den dritten Platz erlaubte, waren noch ungewöhnlicher: etwa die populistische ANO aus Tschechien (die sich immerhin als Antikorruptions- und Steuersenkungspartei präsentiert), die slowenische Rentnerpartei DeSUS oder die konservativ-europaskeptische Umweltschutzpartei MPT aus Portugal, von der kaum programmatische Gemeinsamkeiten mit den Liberalen zu erkennen sind. Insgesamt wird ALDE dadurch eine sehr bunte Fraktion: Mit 32 Einzelparteien aus 22 Ländern hat sie nur zwei Einzelparteien weniger als die sozialdemokratische S&D – die immerhin mehr als doppelt so viele Abgeordnete stellt und in allen Mitgliedstaaten vertreten ist.

Vor allem in kleinen Ländern stark

Zu dieser Buntheit trägt auch die regionale Verteilung der Abgeordneten bei. Besonders in einigen nordeuropäischen Ländern hat die ALDE, die dort vor allem agrarische Interessen repräsentiert, den Charakter einer großen Volkspartei, aber auch in den Niederlanden und Belgien schneiden die Liberalen meist sehr gut ab. Besonders stark ist die ALDE traditionell in den kleinen Mitgliedstaaten: Während sie bisher insgesamt 83 von 766 Abgeordneten (10,8%) stellte, waren es in den Staaten mit mehr als 15 Millionen Einwohnern nur 47 von 483 (9,7%), in Ländern mit weniger als fünf Millionen Einwohnern hingegen 13 von 77 (16,9%).

Diese Tendenz verstärkt sich durch die Wahl noch weiter. Während sich die Verluste der ALDE auf wenige große Mitgliedstaaten konzentrieren, konnte sie in Ländern, in denen sie schon zuvor besonders stark war, ihre Ergebnisse in der Regel halten oder noch verbessern; in Belgien, Estland, Finnland, Litauen und den Niederlanden wurden die Liberalen stärkste Kraft. Insgesamt ist in keiner anderen Fraktion der Unterschied zwischen großen und kleinen Ländern so deutlich. Bei insgesamt 67 von 751 Sitzen (8,9%) beträgt die Quote in Staaten mit über 15 Millionen Einwohnern nun 28 von 479 (5,8%), in Staaten mit unter fünf Millionen 11 von 73 (15,1%).

Keine klare Führungspartei

Ein Nebeneffekt dieser Entwicklung ist auch, dass nun keine nationale Einzelpartei mehr eine klare Führungsrolle in der ALDE einnehmen wird. Bislang waren die deutsche FDP und die britischen LibDem mit jeweils zwölf Abgeordneten die mit Abstand stärksten Einzelparteien in der Fraktion, doch nach ihren Wahlniederlagen dürften beide künftig jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Stattdessen steht nun die französische „Alternative“ (ein Bündnis des eher linksliberalen MoDem und der eher liberalkonservativen UDI) mit sieben Abgeordneten auf dem ersten Platz, gefolgt von mehreren Parteien – der spanischen UPyD, den niederländischen D66, der tschechischen ANO und der bulgarischen DPS – mit jeweils vier Sitzen.

Weiter verkompliziert wird die Konstellation dadurch, dass die „Alternative“ gar nicht der liberalen Europapartei ALDE angehört, sondern der Europäischen Demokratischen Partei (EDP), die seit 2004 mit der ALDE eine Fraktionsgemeinschaft bildet. Nachdem die EDP zunächst noch 29 von 101 Sitzen der gemeinsamen Fraktion gestellt hatte, ging ihr Einfluss später deutlich zurück – vor allem weil sich ihre italienische Mitgliedspartei La Margherita 2007 auflöste und im sozialdemokratischen Partito Democratico aufging. In der neuen Fraktion umfasst die EDP nur noch zehn Abgeordnete: außer den sieben der „Alternative“ noch je einen der deutschen Freien Wähler und des baskischen PNV sowie die irische Abgeordnete Marian Harkin. Wie sich die neue starke Rolle der „Alternative“ auf das künftige Verhältnis zwischen EDP und ALDE auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Angesichts all dieser Unwägbarkeiten ist es wohl nicht ganz überraschend, dass sich die Liberalen in der Frage des künftigen Fraktionsvorsitzenden für die einfachste Lösung entschieden: Das Amt verbleibt bei Guy Verhofstadt (Open-VLD/ALDE), der es schon seit 2009 ausübt und bei der Europawahl – übrigens nicht zuletzt dank tatkräftiger Unterstützung aus Frankreich – auch der gemeinsame Spitzenkandidat von ALDE und EDP war. Nicht zuletzt an ihm wird es also liegen, der bunten liberalen Fraktion in den nächsten Jahren eine gemeinsame Form und Richtung zu geben.

Grüne bleiben deutsch geprägt, aber erweitern ihre Basis

Mit Daniel Cohn-Bendit (EELV/EGP) verliert die grüne Fraktion ihr wohl bekanntestes Mitglied.
Weniger Umstellungen als bei den Liberalen gab es bei der Fraktion der Grünen/EFA. Auch diese erlitt bei der Europawahl leichte Verluste (50 statt 57 Sitze) und ist zudem die einzige Fraktion, die in keinem einzigen Mitgliedstaat stärkste Kraft wurde. Am deutlichsten waren die Einbußen dabei in Frankreich, wo die EELV von 14 auf 6 Mandate zurückfiel. Damit bilden die deutschen Grünen nun mit deutlichem Vorsprung die größte nationale Einzeldelegation – obwohl auch sie leicht verloren (11 statt 14 Sitze) und nun nur noch ein Fünftel statt einem Viertel der Mandate in der Fraktion stellen. Abgesehen von der europaskeptischen EFDD (wo jedes zweite Mitglied der britischen UKIP angehört) sind die Grünen damit diejenige Fraktion, die am stärksten von einer einzelnen nationalen Partei geprägt wird.

Außer in Deutschland erzielen die Grünen traditionell auch in den kleineren Ländern Nord- und Westeuropas recht gute Ergebnisse, die sie bei dieser Wahl weitgehend halten konnten. In Südeuropa hingegen schnitten sie wie schon in der Vergangenheit sehr schwach ab: Waren die italienischen, maltesischen und zyprischen Grünen schon zuvor nicht im Parlament vertreten, so verloren die portugiesischen und griechischen ihren jeweils einzigen Sitz. Nur in Spanien konnte die Fraktion leicht hinzugewinnen (4 statt 2 Mandate).

Wichtiger dürfte für die Grünen allerdings die Verbesserung in Osteuropa sein, wo sie lange fast gar nicht vertreten waren. Nachdem die Fraktion bisher nur zwei Abgeordnete aus ehemals kommunistischen Staaten umfasste (je einen aus Estland und Lettland), so konnte sie nun zusätzlich je einen Sitz in Kroatien, Litauen und Tschechien sowie zwei in Ungarn dazugewinnen. Insgesamt konnten die Grünen ihre Basis damit etwas verbreitern: Die Fraktion umfasst nun Abgeordnete aus 18 (statt zuvor 15) verschiedenen Ländern, die 26 (statt 22) nationalen Einzelparteien angehören.

Auch die Grünen werden bunter

Wie bei den Liberalen geht diese Erweiterung um neue Mitglieder freilich mit einer größeren Heterogenität einher. Wie schon am Namen erkennbar, beruht auch die Fraktion Grüne/EFA auf einem Bündnis zweier Europaparteien: nämlich der Europäischen Grünen Partei (EGP) sowie der Europäischen Freien Allianz (EFA), die – meist linksgerichtete und proeuropäische – Regionalparteien umfasst. Hinzu kommen einige „unabhängige“ Abgeordnete, die wie die EFA eine eigene Untergruppe in der Fraktion bilden.

Durch die Europawahl ist der Anteil dieser Nicht-EGP-Mitglieder in der Fraktion leicht angestiegen: Bislang gehörten sieben Abgeordnete der EFA und drei den „Unabhängigen“ an, künftig werden es weiterhin sieben EFA-Mitglieder (je zwei der katalanischen ERC und der schottischen SNP, je eines der walisischen PC, des valencianischen CpV und der lettischen PCTVL) sowie fünf Unabhängige (je einer der deutschen ÖDP und Piraten, der ungarischen PM, der slowenischen Verjamem sowie ein parteiloser Abgeordneter aus Estland) sein.

Dass diese Buntheit die politische Linie der Fraktion verwischen könnte, ist allerdings nicht unbedingt zu erwarten. Schon in der vergangenen Wahlperiode war die G/EFA trotz ihrer Untergruppen die Fraktion mit dem größten inneren Zusammenhalt. Und jene EFA-Mitgliedspartei, mit der es in den letzten Jahren die meisten Konflikte gab – die eher konservative und europaskeptische N-VA aus Flandern – hat die Fraktion nun verlassen, um sich der nationalkonservativen ECR anzuschließen.

Die Spitzenkandidaten verschwinden erst einmal wieder

Neuer Fraktionschef ist Philippe Lamberts (Ecolo/EGP).
In der Frage des Fraktionsvorsitzes schließlich – der bei den Grünen traditionell zwischen einer Frau und einem Mann aufgeteilt wird – setzt die G/EFA auf eine Art behutsame Erneuerung. Nachdem Daniel Cohn-Bendit (EELV/EGP), der dieses Amt seit 2002 ausübte, nicht mehr zur Europawahl angetreten war, tritt Philippe Lamberts (Ecolo/EGP) seine Nachfolge an.

Die weibliche Fraktionschefin hingegen bleibt wie schon seit 2009 Rebecca Harms (Grüne/EGP). Erst ab der Hälfte der Wahlperiode soll sie voraussichtlich von Ska Keller (Grüne/EGP) abgelöst werden, die bei der Europawahl als Spitzenkandidatin der europäischen Grünen angetreten war und nun vorerst stellvertretende Fraktionsvorsitzende wurde. Der andere Spitzenkandidat, José Bové (EELV/EGP), wird hingegen überhaupt keine wichtige Funktion einnehmen, sondern lediglich (wie schon bisher) dem Agrarausschuss des Parlaments angehören. Der große Aufwand, den die Grünen für die Auswahl ihrer Spitzenkandidaten betrieben hatten, spielte bei der Postenvergabe offensichtlich kaum noch eine Rolle.

Starke Zugewinne der Linken – aber fast nur in Euro-Krisenstaaten

Die Linksfraktion GUE/NGL schließlich konnte als einzige Gruppierung auf der politischen Linken bei der Europawahl hinzugewinnen. Das aber nicht zu knapp: Umfasste die Fraktion vor der Wahl noch 35 von 766 Sitzen (4,6%), so sind es nun 52 von 751 (6,9%). Für die Linken ist dies das beste Ergebnis seit der Europawahl 1989 – auch wenn es recht weit entfernt von jenen der Achtzigerjahre ist, als die kommunistische Fraktion teilweise auf über 10 Prozent aller Mandate kam.

Wie bei den Grünen zeigen sich auch bei der GUE/NGL starke regionale Unterschiede: In den ehemals kommunistisch beherrschten östlichen Ländern, die der EU seit 2004 beitraten, ist die Fraktion fast überhaupt nicht vertreten und verlor bei der Europawahl sogar noch weiter. So musste sie in Kroatien und Lettland ihr jeweils einziges Mandat abgeben, in Tschechien fiel sie von 4 auf 3 Sitze zurück.

Große Zugewinne machte die Linke hingegen in jenen Mitgliedstaaten, die am stärksten von der Eurokrise betroffen waren und wo sie sich als Alternative zu der vorherrschenden Sparpolitik präsentieren konnte. Betrachtet man allein die Krisenländer (Griechenland, Italien, Irland, Portugal, Spanien und Zypern), so stieg der Anteil der GUE/NGL von 11 von 189 Sitzen (5,8%) auf 30 von 186 (16,1%) an. Im Einzelnen gewann sie in Spanien zehn, in Griechenland, Irland und Italien je drei Mandate hinzu. Außerhalb der Krisenstaaten konnte sie sich hingegen nur in den Niederlanden und in Finnland um je einen Sitz verbessern.

Die Rolle der Europäischen Linkspartei

Dank der Eurokrise zählte die Fraktion von Gabi Zimmer (Linke/EL) zu den großen Gewinnern der Europawahl.
Insgesamt ist Spanien damit das am stärksten vertretene Land in der Fraktion. Allerdings teilen sich die Sitze dort auf mehrere Parteien auf: Neben der postkommunistischen IU (5 statt 1 Sitze) sind nun auch die neu gegründete, der Indignados-Bewegung nahestehende Podemos (5 Sitze) sowie die baskische radikal-separatistische Bildu (1 Sitz) in der Fraktion vertreten. Weitere Neuzugänge sind die erstmals ins Parlament eingezogenen Tierschutzparteien aus Deutschland und den Niederlanden sowie das italienische Parteienbündnis „LʼAltra Europa“, das eigens zur Europawahl gegründet wurde und zu deren Abgeordneten auch die Publizistin Barbara Spinelli zählt, deren 1986 verstorbener Vater Altiero Spinelli bis heute eine Leitfigur für die Föderalisten im Europäischen Parlament ist.

Wie die Liberalen und die EGP verliert auch die Europäische Linkspartei (EL) durch diese vielen Neuzugänge in ihrer eigenen Fraktion an numerischem Gewicht: Gehörten bislang noch 23 von 35 (65,7%) GUE/NGL-Abgeordnete der Europäischen Linkspartei an, so sind es künftig nur noch 29 von 52 (55,8%). Ob dies auch zu einem geringeren realen Einfluss führen wird, darf allerdings bezweifelt werden. Die stärkste Einzelpartei in der Fraktion bleibt jedenfalls die deutsche Linke (7 statt 8 Sitze), die auch in der EL tonangebend ist, gefolgt von der ebenfalls in der EL organisierten griechischen Syriza, die sich von einem auf sechs Mandate verbessert.

Diese Dominanz der Europäischen Linkspartei nahmen übrigens auch die zwei Abgeordneten der griechischen altkommunistischen Partei KKE zum Anlass, um die Fraktion nach der Europawahl in einem spektakulären Abgang zu verlassen. In einer langen Erklärung warf die KKE den übrigen GUE/NGL-Mitgliedern und speziell den deutschen Linken vor, sie würden zu eng mit Grünen und Sozialdemokraten zusammenarbeiten und den „Kampf der Völker gegen die imperialistische EU“ nicht genügend unterstützen. Obwohl dahinter vermutlich vor allem der Versuch steht, sich auf nationaler Ebene von der Syriza abzugrenzen (die die KKE als Referenzpartei des linken Spektrums weit überholt hat), dürfte es auch ein Zeichen dafür sein, dass die GUE/NGL auch künftig keine reine Fundamentalopposition betreiben will.

Fraktion mit der höchsten Frauenquote

Nichts Neues gibt es schließlich beim Fraktionsvorsitz der GUE/NGL, der wie schon in den letzten Jahren von Gabi Zimmer (Linke/EL) ausgeübt wird. Alexis Tsipras (Syriza/EL) hingegen war zwar Spitzenkandidat der Europäischen Linkspartei für das Amt des Kommissionspräsidenten. Er stand jedoch nicht auf der Wahlliste für das Europäische Parlament und konnte dort deshalb natürlich auch kein Mandat gewinnen. Die GUE/NGL ist damit die einzige Fraktion, die von einer Frau alleine geführt wird – so wie sie übrigens auch unter ihren Mitgliedern mit einer Quote von genau 50% den höchsten Frauenanteil hat.

Zusammengefasst ist das Mitte-Links-Bündnis im Europäischen Parlament durch die Europawahl nicht kleiner, aber bunter und linker geworden. Während die ALDE verliert, kann die GUE/NGL deutlich dazugewinnen und dürfte sich zum Sprachrohr der Krisenverlierer in Südeuropa entwickeln. Sämtliche Fraktionen haben Neuzugänge zu verzeichnen, die sich teils mehr, teils weniger schlüssig in ihre bisherige politische Linie einfügen. Vor allem aber scheint es in allen Fraktionen weiterhin ein Interesse daran zu geben, auch künftig nach gemeinsamen Positionen zu suchen, um wenigstens ab und zu eine Alternative zu der großen Koalition aus EVP und S&D bilden zu können.

Fraktionen im neuen Europäischen Parlament – Übersicht
2: ALDE, Grüne/EFA und GUE/NGL

Eine Gesamtübersicht, wie sich die Sitze im neu gewählten Parlament auf die Fraktionen und nationalen Einzelparteien aufteilen, findet sich hier.

Bilder: Eigene Grafik; by Martin Kraft - Own work / MartinKraft.com [CC BY-SA 3.0-de], via Wikimedia Commons; by European Parliament [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; by European Parliament [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; by DIE LINKE. in Europa [CC BY-NC 2.0], via Flickr.

10 Kommentare:

  1. Was mich ein bisschen stört, ist dass sich die Linksliberalen alle auf ALDE, S+D und G/EFA aufteilen. Sie sollten lieber eine eigene Europapartei und Fraktion gründen. Das wäre rein rechnerisch sogar möglich. ( Wenn man Parteien wie ANO, Verjammen, die Scottish National Party, die Piraten und Unabhängige Kandidaten wie I. Tarand aus Estland mit einbezieht.

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  2. Wieso sitzt Barbara Spinelli in der Linksfraktion? Sind das nicht Antiföderalisten?

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    1. Am besten sollte man das wohl als ein Zeichen dafür nehmen, wie "bunt" auch die GUE/NGL ist; eine explizit antiföderalistische Position vertritt sie jedenfalls nicht. Vielmehr gibt es unter den europäischen Linken schon lange einen ungelösten Konflikt zwischen Verteidigern des nationalen Wohlfahrtsstaat, die die Marktöffnung durch die europäische Integration vor allem als Bedrohung nationaler sozialpolitischer Errungenschaften sehen, und "Internationalisten", die vor allem überstaatliche Solidarität im Blick haben. Wenn sich Barbara Spinelli (wie übrigens schon ihr Vater) der Linksfraktion angeschlossen hat, dann wohl, weil sie dieser zweiten Gruppe zugehört.

      Ein ausführlicherer Überblick über die institutionenpolitischen Forderungen der europäischen Parteien (einschließlich der Europäischen Linken) findet sich hier.

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    2. Als Föderalist würde mir es wohl nicht gefallen mit einer Partei wie der "Volksbewegung gegen die EU" zu sitzen. Wenn Barbara Spinelli der Spinelli Gruppe beitritt ist sie dort wahrscheinlich die einzige GUE-NGL-Abgeordnete.

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    3. Ich sehe gerade, dass der EUobserver vor einigen Wochen einen eigenen Artikel zu Barbara Spinelli und die Motive für ihre Mitgliedschaft in der GUE/NGL hatte - siehe hier.

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  3. Die Patido da Terra hat durchaus inhaltliche Gemeinsamkeiten mit einigen ALDE Parteien, vorallem mit den bäuerlichen Zentrumsparteien aus Skandinavien.

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  4. Kleiner Hinweis, was die Ergebnistabelle der Europawahl betrifft: Der gewählte Fianna Fail Abgeordnete, der jetzt in der ECR sitzt, ist jetzt Unabhängiger Abgeordneter. Die Fianna Fail gehört immernoch der ALDE-Partei an und hat nun keinen Sitz im EP mehr, außerdem sind die Verhandlungen von EAF und KNP gescheitert, weshalb KNP in die Kategorie f'los rechtsextrem gehört.

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    1. Danke für den Hinweis zur FF, ich habe das korrigiert. Was den KNP betrifft, werde ich sie in der EAF-Kolumne belassen (die, wie auch in der Legende steht, nicht nur EAF-Mitglieder sondern auch nahestehende Parteien umfasst). Der KNP ist jedenfalls keine ganz so klare Außenseiter-Partei wie Jobbik, XA oder NPD. Falls die EAF im Lauf der Wahlperiode z.B. durch Überläufer von UKIP oder einer anderen rechtskonservativen/rechtspopulistischen Partei doch noch eine Fraktion bilden kann, scheint es mir (trotz der ablehnenden Äußerungen von Geert Wilders) nicht ausgeschlossen, dass sie sich miteinander zusammentun. Aber das ist natürlich nur eine subjektive Einschätzung.

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  5. Wer ist linker ? S+D oder G/EFA?

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