Nach
der Europawahl am 25. Mai haben sich die Fraktionen im Europäischen
Parlament wieder zusammengefunden: die christdemokratische EVP, die
sozialdemokratische S&D, die rechtskonservative ECR, die liberale
ALDE, die linke GUE/NGL, die grüne G/EFA und die
nationalpopulistische EFDD. Dabei wurde das Kräftegleichgewicht
zwischen, aber auch innerhalb der Fraktionen neu justiert.
In einer kurzen Serie werden hier die wichtigsten Veränderungen
vorgestellt: Wer gewinnt, wer verliert, und was bedeutet das für die
künftige politische Linie des Parlaments? Heute: das Mitte-Links-Bündnis.
- Das rot-rot-gelb-grüne Bündnis kann seinen Sitzanteil im Parlament ungefähr halten – allerdings mit einer leichten Verschiebung nach links.
Ein
Bündnis, das von den Liberalen über Sozialdemokraten und Grüne bis
zu den Linken reicht: Was in Deutschland nach einer etwas skurrilen
Regenbogen-Kombination klingen würde, war im Europäischen Parlament
in den vergangenen Jahren immer wieder Realität. Rund ein
Sechstel aller Beschlüsse des Parlaments wurden auf Grundlage
einer Einigung zwischen ALDE, S&D, G/EFA und GUE/NGL getroffen –
ebenso viele wie von dem Mitte-Rechts-Bündnis aus ALDE, EVP und ECR.
Interessanterweise
verfügte diese Mitte-Links-Allianz schon vor der Europawahl nur über
371 von 766 Sitzen. Für eine Mehrheit im Parlament war sie deshalb
auf die Unterstützung von fraktionslosen Abgeordneten oder
Abweichlern aus anderen Fraktionen angewiesen (und sei es nur, dass
diese sich nicht an der Abstimmung beteiligten – generell war die
Anwesenheit auf
der linken Seite des Parlaments etwas höher als auf der rechten).
Durch die Wahl hat sich daran nichts geändert: Mitte-Links kommt nun
auf 360 von 751 Sitzen. Lediglich innerhalb des Bündnisses haben
sich die Gleichgewichte etwas verschoben.
Dezimierung
der ALDE
Die
liberale ALDE gehört zu den größten Verlierern der Europawahl.
Bislang war sie nicht nur nach Christ- und Sozialdemokraten die
drittstärkste Fraktion im Parlament; auch als Vertreterin der
politischen Mitte nahm sie eine wichtige Schlüsselrolle ein, da sie
als einzige Gruppierung mit EVP und S&D gleichermaßen
zusammenarbeiten konnte und deshalb entscheidend für die Bildung
„alternativer“ Mehrheiten jenseits der Großen Koalition war.
Die
Europawahl führte jedoch zu einer starken Dezimierung der Liberalen,
die von 83 auf 67 Mandate abstürzten und zum ersten Mal seit 1989
von der nationalkonservativen ECR-Fraktion (70 Sitze) als
drittstärkste Kraft im Parlament abgelöst wurden. Vor allem einige
der größten ALDE-Mitgliedsparteien erlitten massive Verluste: Die
deutsche FDP fiel von zwölf auf drei Sitze, die britischen LibDem
von zwölf auf einen; die italienische IdV, die 2009 noch sieben
Mandate holte und (nach verschiedenen Parteiaustritten) zuletzt noch
mit vier Abgeordneten in der Fraktion vertreten war, scheiterte
vollständig. Hinzu kamen einige prominente Fraktionsaustritte: So
konnte sich der rumänische PNL zwar von 5 auf 6 Sitze verbessern –
doch seine Abgeordneten werden künftig nicht mehr der ALDE, sondern
der EVP-Fraktion angehören.
Außerdem
wird wegen der starken
Einbußen auch der Christdemokraten und wegen des Rechtsrucks der
ECR (dazu demnächst mehr) die Mitte-Rechts-Mehrheit künftig nur
noch schwer zu bilden sein, womit auch die Schlüsselstellung in der
Mitte des Parlaments an Bedeutung verliert. Insgesamt könnte die
ALDE damit noch über ihre rein numerische Schwächung hinaus auch
politisches Gewicht einbüßen.
Überraschende
Neuzugänge
Um
diese Verluste zu kompensieren, bemühte sich die ALDE in den letzten
Wochen darum, sich um neu gewählte oder bislang fraktionslose
Mitgliedsparteien zu erweitern. In einigen Fällen war dies recht
naheliegend: etwa bei den österreichischen Neos, eine
klassisch-liberale Partei, die erstmals ins Parlament einzog. Andere,
etwa derjenige der spanischen Parteien UPyD und Ciudadanos, erwiesen
sich als schwieriger: Zwar stehen beide den Liberalen politisch nahe;
auf nationaler Ebene sind sie jedoch scharfe Gegner des katalanischen
und baskischen Separatismus, dessen wichtigste Exponenten (CDC und
PNV) ebenfalls in der ALDE-Fraktion organisiert sind. Erst nach
umständlichen Verhandlungen kam es schließlich zu einem Kompromiss,
nach dem sich die ALDE in den nächsten Jahren einfach überhaupt
nicht zu dem spanischen Territorialstreit äußern wird.
Andere
Neuzugänge, die die ALDE in dem verlorenen Rennen um den dritten
Platz erlaubte, waren noch ungewöhnlicher: etwa die populistische
ANO aus Tschechien (die sich immerhin als Antikorruptions- und
Steuersenkungspartei präsentiert), die slowenische Rentnerpartei
DeSUS oder die konservativ-europaskeptische Umweltschutzpartei MPT
aus Portugal, von der kaum programmatische Gemeinsamkeiten mit den
Liberalen zu erkennen sind. Insgesamt wird ALDE dadurch eine sehr
bunte Fraktion: Mit 32 Einzelparteien aus 22 Ländern hat sie nur
zwei Einzelparteien weniger als die sozialdemokratische S&D –
die immerhin mehr als doppelt so viele Abgeordnete stellt und in
allen Mitgliedstaaten vertreten ist.
Vor
allem in kleinen Ländern stark
Zu
dieser Buntheit trägt auch die regionale Verteilung der Abgeordneten
bei. Besonders in einigen nordeuropäischen Ländern hat die ALDE,
die dort vor allem agrarische Interessen repräsentiert, den
Charakter einer großen Volkspartei, aber auch in den Niederlanden
und Belgien schneiden die Liberalen meist sehr gut ab. Besonders
stark ist die ALDE traditionell in den kleinen Mitgliedstaaten:
Während sie bisher insgesamt 83 von 766 Abgeordneten (10,8%)
stellte, waren es in den Staaten mit mehr als 15 Millionen Einwohnern
nur 47 von 483 (9,7%), in Ländern mit weniger als fünf Millionen
Einwohnern hingegen 13 von 77 (16,9%).
Diese
Tendenz verstärkt sich durch die Wahl noch weiter. Während sich die
Verluste der ALDE auf wenige große Mitgliedstaaten konzentrieren,
konnte sie in Ländern, in denen sie schon zuvor besonders stark war,
ihre Ergebnisse in der Regel halten oder noch verbessern; in Belgien,
Estland, Finnland, Litauen und den Niederlanden wurden die Liberalen
stärkste Kraft. Insgesamt ist in keiner anderen Fraktion der
Unterschied zwischen großen und kleinen Ländern so deutlich. Bei
insgesamt 67 von 751 Sitzen (8,9%) beträgt die Quote in Staaten mit
über 15 Millionen Einwohnern nun 28 von 479 (5,8%), in Staaten mit
unter fünf Millionen 11 von 73 (15,1%).
Keine
klare Führungspartei
Ein
Nebeneffekt dieser Entwicklung ist auch, dass nun keine nationale
Einzelpartei mehr eine klare Führungsrolle in der ALDE einnehmen
wird. Bislang waren die deutsche FDP und die britischen LibDem mit
jeweils zwölf Abgeordneten die mit Abstand stärksten Einzelparteien
in der Fraktion, doch nach ihren Wahlniederlagen dürften beide
künftig jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.
Stattdessen steht nun die französische „Alternative“ (ein
Bündnis des eher linksliberalen MoDem und der eher
liberalkonservativen UDI) mit sieben Abgeordneten auf dem ersten
Platz, gefolgt von mehreren Parteien – der spanischen UPyD, den
niederländischen D66, der tschechischen ANO und der bulgarischen DPS
– mit jeweils vier Sitzen.
Weiter
verkompliziert wird die Konstellation dadurch, dass die „Alternative“
gar nicht der liberalen Europapartei
ALDE angehört, sondern der Europäischen
Demokratischen Partei (EDP), die seit 2004 mit der ALDE eine
Fraktionsgemeinschaft bildet. Nachdem die EDP zunächst noch 29 von
101 Sitzen der gemeinsamen Fraktion gestellt hatte, ging ihr Einfluss
später deutlich zurück – vor allem weil sich ihre italienische
Mitgliedspartei La Margherita 2007 auflöste und im
sozialdemokratischen Partito Democratico aufging. In der neuen
Fraktion umfasst die EDP nur noch zehn Abgeordnete: außer den sieben der
„Alternative“ noch je einen der deutschen Freien Wähler und des
baskischen PNV sowie die irische Abgeordnete Marian Harkin. Wie sich
die neue starke Rolle der „Alternative“ auf das künftige
Verhältnis zwischen EDP und ALDE auswirken wird, bleibt abzuwarten.
Angesichts
all dieser Unwägbarkeiten ist es wohl nicht ganz überraschend, dass
sich die Liberalen in der Frage des künftigen Fraktionsvorsitzenden
für die einfachste Lösung entschieden: Das Amt verbleibt bei Guy
Verhofstadt (Open-VLD/ALDE), der es schon seit 2009 ausübt und bei
der Europawahl – übrigens nicht
zuletzt dank tatkräftiger Unterstützung aus Frankreich – auch
der gemeinsame Spitzenkandidat von ALDE und EDP war. Nicht zuletzt an
ihm wird es also liegen, der bunten liberalen Fraktion in den
nächsten Jahren eine gemeinsame Form und Richtung zu geben.
Grüne bleiben deutsch geprägt, aber erweitern ihre Basis
Weniger
Umstellungen als bei den Liberalen gab es bei der Fraktion der
Grünen/EFA. Auch diese erlitt bei der Europawahl leichte Verluste
(50 statt 57 Sitze) und ist zudem die einzige Fraktion, die in keinem
einzigen Mitgliedstaat stärkste Kraft wurde. Am deutlichsten waren
die Einbußen dabei in Frankreich, wo die EELV von 14 auf 6 Mandate
zurückfiel. Damit bilden die deutschen Grünen nun mit deutlichem
Vorsprung die größte nationale Einzeldelegation – obwohl auch sie
leicht verloren (11 statt 14 Sitze) und nun nur noch ein Fünftel
statt einem Viertel der Mandate in der Fraktion stellen. Abgesehen
von der europaskeptischen EFDD (wo jedes zweite Mitglied der
britischen UKIP angehört) sind die Grünen damit diejenige Fraktion,
die am stärksten von einer einzelnen nationalen Partei geprägt
wird.
Außer
in Deutschland erzielen die Grünen traditionell auch in den
kleineren Ländern Nord- und Westeuropas recht gute Ergebnisse, die
sie bei dieser Wahl weitgehend halten konnten. In Südeuropa hingegen
schnitten sie wie schon in der Vergangenheit sehr schwach ab: Waren
die italienischen, maltesischen und zyprischen Grünen schon zuvor
nicht im Parlament vertreten, so verloren die portugiesischen und
griechischen ihren jeweils einzigen Sitz. Nur in Spanien konnte die
Fraktion leicht hinzugewinnen (4 statt 2 Mandate).
Wichtiger
dürfte für die Grünen allerdings die Verbesserung in Osteuropa
sein, wo sie lange fast gar nicht vertreten waren. Nachdem
die Fraktion bisher nur zwei Abgeordnete aus ehemals
kommunistischen Staaten umfasste (je einen aus Estland und Lettland),
so konnte sie nun zusätzlich je einen Sitz in Kroatien, Litauen und
Tschechien sowie zwei in Ungarn dazugewinnen. Insgesamt konnten die
Grünen ihre Basis damit etwas verbreitern: Die Fraktion umfasst nun
Abgeordnete aus 18 (statt zuvor 15) verschiedenen Ländern, die 26
(statt 22) nationalen Einzelparteien angehören.
Auch
die Grünen werden bunter
Wie
bei den Liberalen geht diese Erweiterung um neue Mitglieder freilich
mit einer größeren Heterogenität einher. Wie schon am Namen
erkennbar, beruht auch die Fraktion Grüne/EFA auf einem Bündnis
zweier Europaparteien: nämlich der Europäischen
Grünen Partei (EGP) sowie der Europäischen
Freien Allianz (EFA), die – meist linksgerichtete und
proeuropäische – Regionalparteien umfasst. Hinzu kommen einige
„unabhängige“ Abgeordnete, die wie die EFA eine eigene
Untergruppe in der Fraktion bilden.
Durch
die Europawahl ist der Anteil dieser Nicht-EGP-Mitglieder in der
Fraktion leicht angestiegen: Bislang gehörten sieben Abgeordnete der
EFA und drei den „Unabhängigen“ an, künftig werden es weiterhin
sieben EFA-Mitglieder (je zwei der katalanischen ERC und der
schottischen SNP, je eines der walisischen PC, des valencianischen
CpV und der lettischen PCTVL) sowie fünf Unabhängige (je einer der
deutschen ÖDP und Piraten, der ungarischen PM, der slowenischen
Verjamem sowie ein parteiloser Abgeordneter aus Estland) sein.
Dass
diese Buntheit die politische Linie der Fraktion verwischen könnte,
ist allerdings nicht unbedingt zu erwarten. Schon in der vergangenen
Wahlperiode war die G/EFA trotz ihrer Untergruppen die Fraktion mit
dem größten
inneren Zusammenhalt. Und jene EFA-Mitgliedspartei, mit der es in
den letzten Jahren die
meisten Konflikte gab – die eher konservative und
europaskeptische N-VA aus Flandern – hat die Fraktion nun
verlassen, um sich der nationalkonservativen ECR anzuschließen.
Die
Spitzenkandidaten verschwinden erst einmal wieder
In
der Frage des Fraktionsvorsitzes schließlich – der bei den Grünen
traditionell zwischen einer Frau und einem Mann aufgeteilt wird –
setzt die G/EFA auf eine Art behutsame Erneuerung. Nachdem Daniel
Cohn-Bendit (EELV/EGP), der dieses Amt seit 2002 ausübte, nicht mehr
zur Europawahl angetreten war, tritt Philippe Lamberts (Ecolo/EGP)
seine Nachfolge an.
Die
weibliche Fraktionschefin hingegen bleibt
wie schon seit 2009 Rebecca Harms (Grüne/EGP). Erst ab der
Hälfte der Wahlperiode soll sie voraussichtlich von Ska Keller
(Grüne/EGP) abgelöst werden, die bei der Europawahl als
Spitzenkandidatin der europäischen Grünen angetreten war und nun
vorerst stellvertretende Fraktionsvorsitzende wurde. Der andere
Spitzenkandidat, José Bové (EELV/EGP), wird hingegen überhaupt
keine wichtige Funktion einnehmen, sondern lediglich (wie schon
bisher) dem
Agrarausschuss des Parlaments angehören. Der große Aufwand, den
die Grünen für
die Auswahl ihrer Spitzenkandidaten betrieben hatten, spielte bei
der Postenvergabe offensichtlich kaum noch eine Rolle.
Starke
Zugewinne der Linken – aber fast nur in Euro-Krisenstaaten
Die
Linksfraktion GUE/NGL schließlich konnte als einzige Gruppierung auf
der politischen Linken bei der Europawahl hinzugewinnen. Das aber
nicht zu knapp: Umfasste die Fraktion vor der Wahl noch 35 von 766
Sitzen (4,6%), so sind es nun 52 von 751 (6,9%). Für die Linken ist
dies das beste Ergebnis seit der Europawahl 1989 – auch wenn es
recht weit entfernt von jenen der Achtzigerjahre ist, als die
kommunistische Fraktion teilweise auf über 10 Prozent aller Mandate
kam.
Wie
bei den Grünen zeigen sich auch bei der GUE/NGL starke regionale
Unterschiede: In den ehemals kommunistisch beherrschten östlichen
Ländern, die der EU seit 2004 beitraten, ist die Fraktion fast
überhaupt nicht vertreten und verlor bei der Europawahl sogar noch
weiter. So musste sie in Kroatien und Lettland ihr jeweils einziges
Mandat abgeben, in Tschechien fiel sie von 4 auf 3 Sitze zurück.
Große
Zugewinne machte die Linke hingegen in jenen Mitgliedstaaten, die am
stärksten von der Eurokrise betroffen waren und wo sie sich als
Alternative zu der vorherrschenden Sparpolitik präsentieren konnte.
Betrachtet man allein die Krisenländer (Griechenland, Italien,
Irland, Portugal, Spanien und Zypern), so stieg der Anteil der
GUE/NGL von 11 von 189 Sitzen (5,8%) auf 30 von 186 (16,1%) an. Im
Einzelnen gewann sie in Spanien zehn, in Griechenland, Irland und
Italien je drei Mandate hinzu. Außerhalb der Krisenstaaten konnte
sie sich hingegen nur in den Niederlanden und in Finnland um je einen
Sitz verbessern.
Die
Rolle der Europäischen Linkspartei
- Dank der Eurokrise zählte die Fraktion von Gabi Zimmer (Linke/EL) zu den großen Gewinnern der Europawahl.
Insgesamt
ist Spanien damit das am stärksten vertretene Land in der Fraktion.
Allerdings teilen sich die Sitze dort auf mehrere Parteien auf: Neben
der postkommunistischen IU (5 statt 1 Sitze) sind nun auch die neu
gegründete, der Indignados-Bewegung
nahestehende Podemos (5 Sitze) sowie die baskische
radikal-separatistische Bildu (1 Sitz) in der Fraktion vertreten.
Weitere Neuzugänge sind die erstmals ins Parlament eingezogenen
Tierschutzparteien aus Deutschland und den Niederlanden sowie das
italienische Parteienbündnis „LʼAltra
Europa“, das eigens zur Europawahl gegründet wurde und zu deren
Abgeordneten auch die Publizistin Barbara Spinelli zählt, deren 1986
verstorbener Vater Altiero Spinelli bis heute eine
Leitfigur für die Föderalisten im Europäischen Parlament ist.
Wie
die Liberalen und die EGP verliert auch die Europäische Linkspartei
(EL) durch diese vielen Neuzugänge in ihrer eigenen Fraktion an
numerischem Gewicht: Gehörten bislang noch 23 von 35 (65,7%)
GUE/NGL-Abgeordnete der Europäischen Linkspartei an, so sind es
künftig nur noch 29 von 52 (55,8%). Ob dies auch zu einem geringeren
realen Einfluss führen wird, darf allerdings bezweifelt werden. Die
stärkste Einzelpartei in der Fraktion bleibt jedenfalls die deutsche
Linke (7 statt 8 Sitze), die auch in der EL tonangebend ist, gefolgt
von der ebenfalls in der EL organisierten griechischen Syriza, die
sich von einem auf sechs Mandate verbessert.
Diese
Dominanz der Europäischen Linkspartei nahmen übrigens auch die zwei
Abgeordneten der griechischen altkommunistischen Partei KKE zum
Anlass, um die Fraktion nach der Europawahl in einem spektakulären
Abgang zu verlassen. In einer langen
Erklärung warf die KKE den übrigen GUE/NGL-Mitgliedern und
speziell den deutschen Linken vor, sie würden zu eng mit Grünen und
Sozialdemokraten zusammenarbeiten und den „Kampf der Völker gegen
die imperialistische EU“ nicht genügend unterstützen. Obwohl
dahinter vermutlich vor allem der Versuch steht, sich auf nationaler
Ebene von der Syriza abzugrenzen (die die KKE als Referenzpartei des
linken Spektrums weit überholt hat), dürfte es auch ein Zeichen
dafür sein, dass die GUE/NGL auch künftig keine reine
Fundamentalopposition betreiben will.
Fraktion
mit der höchsten Frauenquote
Nichts
Neues gibt es schließlich beim Fraktionsvorsitz der GUE/NGL, der wie
schon in den letzten Jahren von Gabi Zimmer (Linke/EL) ausgeübt
wird. Alexis Tsipras (Syriza/EL) hingegen war zwar Spitzenkandidat
der Europäischen Linkspartei für das Amt des
Kommissionspräsidenten. Er stand jedoch nicht auf der Wahlliste für
das Europäische Parlament und konnte dort deshalb natürlich auch
kein Mandat gewinnen. Die GUE/NGL ist damit die einzige Fraktion, die
von einer Frau alleine geführt wird – so wie sie übrigens auch
unter ihren Mitgliedern mit einer Quote von genau 50% den höchsten Frauenanteil hat.
Zusammengefasst
ist das Mitte-Links-Bündnis im Europäischen Parlament durch die
Europawahl nicht kleiner, aber bunter und linker geworden. Während
die ALDE verliert, kann die GUE/NGL deutlich dazugewinnen und dürfte
sich zum Sprachrohr der Krisenverlierer in Südeuropa entwickeln.
Sämtliche Fraktionen haben Neuzugänge zu verzeichnen, die sich
teils mehr, teils weniger schlüssig in ihre bisherige politische
Linie einfügen. Vor allem aber scheint es in allen Fraktionen
weiterhin ein Interesse daran zu geben, auch künftig nach
gemeinsamen Positionen zu suchen, um wenigstens ab und zu eine
Alternative zu der großen Koalition aus EVP und S&D bilden zu
können.
Fraktionen
im neuen Europäischen Parlament – Übersicht
1: EVP und S&D
1: EVP und S&D
2:
ALDE, Grüne/EFA und GUE/NGL
Eine
Gesamtübersicht, wie sich die Sitze im neu gewählten Parlament auf
die Fraktionen und nationalen Einzelparteien aufteilen, findet sich
hier.
Bilder: Eigene Grafik; by Martin Kraft - Own work / MartinKraft.com [CC BY-SA 3.0-de], via Wikimedia Commons; by European Parliament [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; by European Parliament [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; by DIE LINKE. in Europa [CC BY-NC 2.0], via Flickr.
Was mich ein bisschen stört, ist dass sich die Linksliberalen alle auf ALDE, S+D und G/EFA aufteilen. Sie sollten lieber eine eigene Europapartei und Fraktion gründen. Das wäre rein rechnerisch sogar möglich. ( Wenn man Parteien wie ANO, Verjammen, die Scottish National Party, die Piraten und Unabhängige Kandidaten wie I. Tarand aus Estland mit einbezieht.
AntwortenLöschenANO ist Linksliberal?
LöschenWieso sitzt Barbara Spinelli in der Linksfraktion? Sind das nicht Antiföderalisten?
AntwortenLöschenAm besten sollte man das wohl als ein Zeichen dafür nehmen, wie "bunt" auch die GUE/NGL ist; eine explizit antiföderalistische Position vertritt sie jedenfalls nicht. Vielmehr gibt es unter den europäischen Linken schon lange einen ungelösten Konflikt zwischen Verteidigern des nationalen Wohlfahrtsstaat, die die Marktöffnung durch die europäische Integration vor allem als Bedrohung nationaler sozialpolitischer Errungenschaften sehen, und "Internationalisten", die vor allem überstaatliche Solidarität im Blick haben. Wenn sich Barbara Spinelli (wie übrigens schon ihr Vater) der Linksfraktion angeschlossen hat, dann wohl, weil sie dieser zweiten Gruppe zugehört.
LöschenEin ausführlicherer Überblick über die institutionenpolitischen Forderungen der europäischen Parteien (einschließlich der Europäischen Linken) findet sich hier.
Als Föderalist würde mir es wohl nicht gefallen mit einer Partei wie der "Volksbewegung gegen die EU" zu sitzen. Wenn Barbara Spinelli der Spinelli Gruppe beitritt ist sie dort wahrscheinlich die einzige GUE-NGL-Abgeordnete.
LöschenIch sehe gerade, dass der EUobserver vor einigen Wochen einen eigenen Artikel zu Barbara Spinelli und die Motive für ihre Mitgliedschaft in der GUE/NGL hatte - siehe hier.
LöschenDie Patido da Terra hat durchaus inhaltliche Gemeinsamkeiten mit einigen ALDE Parteien, vorallem mit den bäuerlichen Zentrumsparteien aus Skandinavien.
AntwortenLöschenKleiner Hinweis, was die Ergebnistabelle der Europawahl betrifft: Der gewählte Fianna Fail Abgeordnete, der jetzt in der ECR sitzt, ist jetzt Unabhängiger Abgeordneter. Die Fianna Fail gehört immernoch der ALDE-Partei an und hat nun keinen Sitz im EP mehr, außerdem sind die Verhandlungen von EAF und KNP gescheitert, weshalb KNP in die Kategorie f'los rechtsextrem gehört.
AntwortenLöschenDanke für den Hinweis zur FF, ich habe das korrigiert. Was den KNP betrifft, werde ich sie in der EAF-Kolumne belassen (die, wie auch in der Legende steht, nicht nur EAF-Mitglieder sondern auch nahestehende Parteien umfasst). Der KNP ist jedenfalls keine ganz so klare Außenseiter-Partei wie Jobbik, XA oder NPD. Falls die EAF im Lauf der Wahlperiode z.B. durch Überläufer von UKIP oder einer anderen rechtskonservativen/rechtspopulistischen Partei doch noch eine Fraktion bilden kann, scheint es mir (trotz der ablehnenden Äußerungen von Geert Wilders) nicht ausgeschlossen, dass sie sich miteinander zusammentun. Aber das ist natürlich nur eine subjektive Einschätzung.
LöschenWer ist linker ? S+D oder G/EFA?
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