Bei
der Bundestagswahl im kommenden September wählen die Deutschen nicht
nur ihre nationalen Abgeordneten, sondern auch ihre Vertreter in den
intergouvernementalen EU-Organen. Welche Alternativen stehen dabei
zur Auswahl? In einer Sommerserie vergleicht dieses Blog die
europapolitischen Vorschläge in den Wahlprogrammen der
Bundestagsparteien – CDU/CSU
(EVP), SPD
(SPE), FDP
(ALDE), Grüne
(EGP) und Linke
(EL). Als letzte Folge heute: die Zukunft der EU. (Zum
Anfang der Serie.)
Reform
der EU-Verträge
- „Mehr Europa“ ist schnell gesagt. Erfreulicherweise haben die meisten deutschen Parteien auch noch ein paar konkretere Reformvorschläge.
Wenn
über die weitere Entwicklung der Europäischen Union eines sicher
ist, dann dass die nächsten Jahre große Veränderungen bringen
werden. Die Eurokrise hat nicht nur zahlreiche Designfehler der
Währungsunion offengelegt, sondern auch verdeutlicht, wie schwer es
der EU mit ihrem heutigen Institutionengefüge fällt, im Ernstfall
gesellschaftliche Zustimmung für ihre Entscheidungen zu erzeugen.
Europa muss nicht nicht
nur handlungsfähiger, sondern auch demokratischer werden: Diese
Überzeugung scheint nicht nur in Brüssel, sondern auch in vielen
anderen europäischen Hauptstädten an Kraft zu gewinnen. Gut möglich, dass wir deshalb noch vor der Bundestagswahl
2017 die nächste große EU-Vertragsänderung nach Lissabon erleben
werden. Und natürlich käme der nächsten deutsche Bundesregierung dabei eine entscheidende Rolle zu. Was also sagen die deutschen Parteien
zu diesem Thema?
Im
Fall der CDU/CSU ist die Antwort auf diese Frage kurz: nichts. Im
Wahlprogramm der Kanzlerinnenpartei findet sich lediglich ein
einziger europapolitischer Vorschlag, der eine Vertragsreform
erforderlich machen würde; er lautet: „Wir halten an unserem
Ziel fest, die im Grundgesetz betonte Verantwortung vor Gott auch im
EU-Vertrag deutlich zu machen.“ Über darüber hinausgehende
Neuordnungen etwa im Kompetenzgefüge der EU möchte Angela Merkel gerne
„nach der Bundestagswahl“ diskutieren – also wenn der Wähler sein Kreuz bereits gesetzt hat.
Europäischer
Konvent
Alle
anderen Bundestagsparteien hingegen sprechen sich in ihren
Wahlprogrammen ausdrücklich für eine Vertragsreform aus. Als Weg
dafür fordern SPD, Grüne und FDP die Einberufung eines Europäischen
Konvents, an dem nach Art. 48
EU-Vertrag Vertreter des Europäischen Parlaments, der
Europäischen Kommission, der nationalen Regierungen und der
nationalen Parlamente beteiligt wären. Außerdem wollen die Grünen
auch „Vertreterinnen und Vertreter […] der Zivilgesellschaft und
SozialpartnerInnen“ mit einbinden, ohne genau zu erklären, wie das
rechtlich zu bewerkstelligen wäre. Die FDP wiederum behält sich
vor, auch andere Wege zu nutzen, falls „die Konventsmethode nicht
gangbar ist, weil einige wenige nicht wollen“: In diesem Fall soll
die Vertragsreform nach dem Vorbild des Fiskalpakts erfolgen, also
durch einen eigenen völkerrechtlichen Vertrag, der neben dem alten
EU-Vertrag existieren würde.
Über
die grundsätzliche Richtung der Vertragsreform sind sich die
Parteien weitgehend einig: Die Grünen wollen „mehr Demokratie“
und „Mitbestimmung der europäischen BürgerInnen auf allen
politischen Ebenen“, die SPD will die EU „demokratischer,
transparenter, gerechter
und effizienter“ machen, die Linke „eine
demokratische, soziale, ökologische und friedliche Europäische
Union“. Das anspruchsvollste Schlagwort gebraucht die FDP: Am Ende
der Vertragsreformen soll für sie „ein durch eine europaweite
Volksabstimmung legitimierter europäischer Bundesstaat stehen“.
Blickt man allerdings etwas genauer hin, so geben die Positionen der Parteien schnell ein deutlich differenziertes Bild.
Stärkung
des Europäischen Parlaments
Bei der Demokratisierung des institutionellen Gefüges setzen alle vier
Parteien auf eine Stärkung des Europäischen Parlaments. Die SPD
will das „Gewaltenteilungsmodell, das wir aus den nationalen
Staaten kennen, auch auf die europäische Ebene übertragen“. Dafür
soll die Europäische Kommission „zu einer Regierung ausgebaut
werden, die vom Europaparlament gewählt und kontrolliert wird und
ggf. abgesetzt werden kann“. Im Zuge einer „vollen
Parlamentarisierung der EU“ soll das Parlament künftig ein Recht
zur Gesetzesinitiative erhalten. Außerdem will die SPD eine
„parlamentarisch kontrollierte Wirtschaftsregierung“ der
Eurozone, für die „Europäisches Parlament und nationale
Parlamente weiter gestärkt werden“ sollen. Wie das im Einzelnen
aussehen soll, erklärt sie allerdings nicht.
Auch
die Grünen sprechen sich für eine weitere Parlamentarisierung aus,
was sich in dem Programm in der technisch formulierten Forderung
niederschlägt, der „Gemeinschaftsmethode
[…] grundsätzlich Vorrang vor intergouvernementalem
Handeln einzuräumen“. Im Einzelnen wollen auch sie dem Parlament
das Recht zur Wahl des Kommissionspräsidenten, das Recht zur
Gesetzesinitiative und ein „Mitspracherecht bei den
Krisenmechanismen und der Economic Governance“ geben. Außerdem
soll bei
der Bankenaufsicht eine „demokratische Rechenschaftspflicht der
EZB gegenüber dem Europaparlament“ sichergestellt werden.
Etwas
unspezifischer sind FDP und Linke. Die FDP will das
Europäische Parlament „zu einem Vollparlament mit
gleichberechtigtem Initiativrecht
in der Gesetzgebung“ machen, schreibt aber auch dem Ministerrat
eine „essentielle Rolle“ zu, „um
demokratische Kontrolle
und politischen Ausgleich […] im europäischen Mehrebenensystem zu
garantieren“. Die Linke wendet sich gegen die „immer
stärkere Ersetzung von Unionsrecht durch Vereinbarungen zwischen
EU-Organen und Mitgliedstaaten“ und will
die „Rechte des Europäischen Parlaments […] stärken“, geht
darauf aber nicht näher ein.
Reform
des Europawahlrechts
Wenn
das Europäische Parlament noch stärker ins Zentrum des
Institutionengefüges rücken soll, dann stellt sich natürlich auch
die Frage, wie es eigentlich gewählt wird. Viel diskutiert wird
dabei seit einigen Jahren die Forderung, dass die europäischen
Parteien bei der Europawahl künftig mit transnationalen Listen
antreten sollen – auch
in diesem Blog habe ich dazu bereits einiges geschrieben. In den
Wahlprogrammen von FDP und Grünen stößt dieser Vorschlag auf
Zustimmung.
Die
SPD hingegen stellt beim Europawahlrecht ein anderes Ziel in den
Vordergrund: Sie will die „Funktionsfähigkeit des Europäischen
Parlaments dadurch stärken, dass wir uns in Deutschland sowie in der
EU für Sperrklauseln bei der Europawahl einsetzen“. Auf nationaler
Ebene hat der Bundestag diese Forderung allerdings bereits vor
einigen Monaten mit
der umstrittenen Dreiprozenthürde umgesetzt.
Europaweite
Volksentscheide
Eine
der meistgepriesenen Reformen des Vertrags von Lissabon war die
Einführung der Europäischen Bürgerinitiative, durch die erstmals
direktdemokratische Elemente auf EU-Ebene eingeführt wurden.
Allerdings handelt es sich dabei lediglich um eine Art Volkspetition,
die so gut wie keine verbindlichen Folgen hat. Verschiedene
Beobachter, darunter auch ich
selbst, haben daher schon Zweifel geäußert, wie viel die
Bürgerinitiative letztlich tatsächlich bewirken kann.
Unter
den deutschen Parteien fordern die Linke und die Grünen, die direkte
Demokratie in der EU weiter auszubauen. Die Grünen wollen die
Europäische Bürgerinitiative „weiter
stärken und mittelfristig in Richtung eines europäischen
Volksentscheides entwickeln“; die Linke will „verbindliche
Volksbegehren und Volksentscheide [...], mit denen auch die
EU-Verträge geändert werden können“. Die übrigen Parteien
äußern sich nicht zu dem Thema.
Verstoß
von Mitgliedstaaten gegen Werte der Union
Ein
weiteres Problem, das in den letzten Jahren viel diskutiert wurde,
ist der Umgang der EU mit Regierungen ihrer Mitgliedstaaten, die
gegen die Grundwerte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
verstoßen. Die Verfassungskrisen in Ungarn
und Rumänien
verdeutlichten, wie machtlos die europäischen Institutionen hier
sind: Außer Art. 7
EU-Vertrag hält das Europarecht kaum
Sanktionsmöglichkeiten gegen solche Regierungen vor; Artikel 7
aber ist mit solch hohen Hürden versehen, dass er praktisch
irrelevant ist.
In
ihren Wahlprogrammen erklären sich Grüne und FDP mit dieser
Situation unzufrieden. Beide scheinen allerdings auch ein wenig
ratlos, wie ihr abzuhelfen wäre. So fordert die FDP nur allgemein,
„unterhalb dieser Schwelle des Artikels 7 […] einen
angemessenen Mechanismus [zu] schaffen, der es der Europäischen
Kommission erlaubt, die europäischen Grundwerte in den
Mitgliedstaaten zu verteidigen und nötigenfalls spürbare und
angemessene Sanktionen zu verhängen“. Kaum konkreter werden die
Grünen. Diese wollen, dass die Kommission „viel öfter die
bestehenden Möglichkeiten [nutzt]“, um europäische Geldzahlungen
an die betreffenden Regierungen zurückzuhalten. Außerdem soll
„diese Möglichkeit auf alle Teile des Unionshaushalts ausgedehnt
werden“. Nach einer allzu großen Neuerung klingt das nicht. Die
übrigen Parteien allerdings sagen zu dem Problem überhaupt nichts.
Europäische
Steuern
Das
Wort „Eigenmittelsystem“ klingt, als wäre es gerade dem
Bürokraten-Handbuch entsprungen. Doch was sich dahinter verbirgt,
ist nichts anderes als die Frage, wie die Ausgaben der Europäischen
Union künftig finanziert werden sollen. Derzeit erfolgt dies im
Wesentlichen durch Beiträge der Mitgliedstaaten, deren Höhe sich
jeweils am nationalen Bruttoinlandsprodukt orientiert, wobei
allerdings mehrere Nettozahler-Staaten (darunter neben Großbritannien
auch Deutschland) besondere Beitragsrabatte genießen. In den letzten
Jahren forderten die Kommission und das Europäische Parlament
wiederholt eine
Reform dieses Systems, bei der ein Großteil der nationalen Beiträge
durch eine eigene EU-Steuer ersetzt werden soll. Von mehreren
Mitgliedstaaten, insbesondere von der deutschen Bundesregierung,
wurde dies bislang allerdings strikt abgelehnt.
In
ihren Wahlprogrammen äußern sich nur Grüne und FDP zu dieser Frage
– mit diametral entgegengesetzten Positionen. Die Grünen stellen
sich dabei hinter die Forderung der Kommission und verlangen, dass
der „Eigenmittelanteil […] erheblich ausgeweitet und
die intransparenten Rabattregelungen abgeschafft werden“. Außerdem
soll die Finanztransaktionssteuer künftig direkt „in den
EU-Haushalt“ fließen. Die FDP hingegen will, dass „die
EU-Mitgliedstaaten die eigene Budgethoheit und die Verantwortung zu
sorgfältigem Haushalten auch in Zukunft behalten“, und lehnt eine
EU-Steuer deshalb rundheraus ab. Nimmt man das FDP-Programm als
Ganzes, führt dies zu dem bemerkenswerten Umstand, dass die
Liberalen einen europäischen Bundesstaat wünschen, der jedoch keine Möglichkeit haben soll, sich selbstständig zu finanzieren.
Weitere
institutionelle Forderungen
Auch
sonst sind Grüne und FDP die Parteien mit den meisten Wünschen zur
EU-Vertragsreform. Außer den genannten Vorschlägen wollen die
Grünen auch, dass EU-Bürger ein allgemeines
Wahlrecht an ihrem Wohnsitz erhalten, „und dies nicht nur für
Kommunalparlamente und das Europaparlament, sondern auch bei
regionalen und nationalen Wahlen, wenn sie seit fünf Jahren dort
leben“. Außerdem wollen die Grünen das Amt des Kommissars
für Wirtschaft und Währung aufwerten: Außer seinen bisherigen Zuständigkeiten soll er künftig auch „den Vorsitz der Eurogruppe und des ECOFIN
ausüben“ und „durch das Europäische Parlament individuell wähl- und abwählbar sein“.
Die
FDP wiederum fordert eine „Verkleinerung der Europäischen
Kommission“, durch die künftig nicht mehr jeder Mitgliedstaat
einen Kommissar stellen könnte. Außerdem will sie eine „zügige
Umsetzung des Beitrittsabkommens“ der EU zur Europäischen
Menschenrechtskonvention, das
derzeit verhandelt wird. Und schließlich möchte die FDP „die
Bundesbank im EZB-Rat stärken“, indem sie bei „außergewöhnlichen
Entscheidungen wie dem Aufkauf von Staatsanleihen“ ein Veto-Recht
erhalten soll – auch dies ein Vorschlag, über den ich in
diesem Blog bereits ausführlicher geschrieben habe.
Kerneuropa
Wenig
Informatives findet sich in den Wahlprogrammen zu der Frage, was die
Europäische Union tun soll, wenn sich einzelne Mitgliedstaaten (sprich:
Großbritannien) künftigen Integrationsschritten
verweigern. Die FDP möchte in diesem Fall, wie schon erwähnt,
Parallelverträge nach dem Vorbild des Fiskalpakts abschließen. Auch
die Grünen sehen die Notwendigkeit, notfalls „im Einzelfall
vorübergehend unterschiedliche Geschwindigkeiten der Integration zu
entwickeln“. Dabei müssten aber „die Institutionen und Regeln
des Gemeinschaftsrechts“ den „Rahmen der Zusammenarbeit“ bilden
– was vermutlich ein verklausulierter Hinweis auf das Instrument
der Verstärkten
Zusammenarbeit ist.
Die
CDU/CSU wiederum will „möglichst gemeinsam mit allen EU-Partnern
voranschreiten“, spricht sich aber zugleich für eine „starke
deutsch-französische Partnerschaft“ als „Motor“ der
europäischen Integration sowie für die „Zusammenarbeit von
Frankreich, Polen und Deutschland im Weimarer Dreieck“ aus.
Genaueres ist von ihr (wie auch von SPD und Linke) nicht zu erfahren.
Subsidiarität,
Renationalisierung von Kompetenzen
Ein
beliebtes Schlagwort in der europäischen Debatte ist das (auch in
Art. 5 EU-Vertrag
verankerte) „Subsidiaritätsprinzip“, demzufolge Kompetenzen
stets von der niedrigsten politischen Ebene ausgeübt werden sollen,
die dazu sinnvoll in der Lage ist. Fast alle deutschen Parteien
bekennen sich in ihren Programmen noch einmal ausdrücklich zu diesem
Grundsatz – allerdings ohne daraus besonders konkrete
Forderungen abzuleiten.
So
will die CDU/CSU explizit „kein zentralistisch organisiertes und
regiertes Europa“, sondern verlangt, dass „die Nationalstaaten
und die Regionen prägende Bestandteile eines Europas der Einheit in
Vielfalt“ bleiben. SPD und Grüne wollen unter Berufung auf das
Subsidiaritätsprinzip prüfen, „ob sich die Kompetenzverteilung
zwischen nationaler und europäischer Ebene bewährt hat“ (SPD),
und sind „grundsätzlich dafür, Kompetenzen auf untere Ebenen
zurückzugeben, wenn es sachlich sinnvoll erscheint“ (Grüne).
Welche Kompetenzen das sein könnten, verraten
sie allerdings nicht. Die FDP schließlich fordert ein neu zu
gründendes „europäisches Subsidiaritätsgericht, in
dem man auch Kompetenzverstöße rügen kann“. Wie sich dieses
Subsidiaritätsgericht zusammensetzen und worin es sich vom bereits
existierenden Europäischen Gerichtshof unterscheiden soll, bleibt
dabei jedoch offen.
EU-Erweiterung,
Beitritt der Türkei
- Im Großen und Ganzen sehen es die deutschen Parteien gern, wenn die hellblauen Flecken auf der Europakarte dunkelblau werden.
Wenn es um die Weiterentwicklung der EU geht, darf natürlich auch
die Frage nicht fehlen, welche Länder ihr denn künftig angehören
sollen. Außer Island, das die
Verhandlungen jüngst auf Eis gelegt hat, haben derzeit
Mazedonien, Montenegro, Serbien und die Türkei den Status
eines Beitrittskandidaten; Albanien, Bosnien und Herzegowina sowie Kosovo gelten offiziell als „potenzielle
Beitrittskandidaten“.
Bis
auf die Linke, die die Frage in ihrem Programm nicht thematisiert,
bekennen sich alle deutschen Bundestagsparteien grundsätzlich zu der
Beitrittsperspektive für die Staaten des Westbalkans, sobald diese
die Kopenhagener
Kriterien erfüllen. Die FDP fordert zudem, dass jedes dieser
Länder „vor einer Entscheidung über seine Aufnahme alle offenen
Streitfragen mit seinen Nachbarn abschließend lösen“ muss – was
in erster Linie auf Serbien
und Kosovo, aber auch auf Griechenland
und Mazedonien anspielen dürfte. Außerdem will die FDP auch der
Ukraine „langfristig […] eine Chance auf eine
Beitrittsperspektive“ geben, „wenn sie in den kommenden Jahren
konsequent auf einen Modernisierungskurs setzt und sich
kontinuierlich an EU-Standards heranarbeitet“.
Traditionell
umstritten ist hingegen der Beitritt der Türkei. SPD, Grüne und FDP
wollen hier dieselben Kriterien wie auf dem Westbalkan anlegen und
die Verhandlungen „mit dem klaren Ziel eines EU-Beitritts“ (SPD)
fortsetzen, auch wenn zuvor noch „Defizite, z.B. im Fall von
Pressefreiheit, Frauenrechten und Minderheitenschutz“ (Grüne)
behoben werden müssen. Die CDU/CSU hingegen ist nur für eine „enge
und besondere Zusammenarbeit“ und
lehnt eine Vollmitgliedschaft der Türkei ab, weil diese „die
Voraussetzungen für einen EU-Beitritt nicht erfüllt“ und die EU
„angesichts der Größe des Landes und seiner Wirtschaftsstruktur“
überfordert wäre. Bemerkenswerterweise spiegelt diese Begründung
allerdings nur die Kopenhagener Kriterien wider, zu denen sich auch
die übrigen Parteien bekennen. Insgesamt scheint sich die CDU/CSU in
dieser Frage inzwischen also nicht mehr ganz so grundsätzlich von
den übrigen Parteien abzugrenzen wie in der Vergangenheit.
Fazit
Wer
wissen will, wie das künftige institutionelle Gefüge der
Europäischen Union aussehen könnte, der braucht im
CDU/CSU-Wahlprogramm nicht nach Antworten suchen. Alle anderen
Parteien wollen eine Vertragsreform, um das Europäische
Parlament zu stärken und die EU an das Vorbild nationaler Demokratien
anzugleichen. Insbesondere soll nach dem Wunsch von SPD und
Grünen künftig das Parlament allein den Kommissionspräsidenten
wählen. FDP und Grüne fordern außerdem transnationale Listen bei
der Europawahl; Grüne und Linke wollen die Einführung europaweiter
Volksentscheide. Außerdem sind die Grünen für ein allgemeines
Unionsbürgerwahlrecht auch bei regionalen und nationalen Wahlen. Die
FDP wiederum will die Europäische Zentralbank reformieren, um der
deutschen Bundesbank ein Vetorecht zu verschaffen.
Uneinigkeit
besteht zwischen Grünen und FDP über die Art, wie der EU-Haushalt
künftig finanziert werden soll: Während die Grünen dafür eine
europäische Steuer einführen möchten, beharren die Liberalen
strikt auf einem System nationaler Mitgliedsbeiträge. In der
Erweiterungspolitik sind sich alle Parteien hingegen weitgehend
einig: Auch in der Frage des türkischen Beitritts zeigt die CDU/CSU
zwar weiterhin die meisten Vorbehalte, nähert sich aber den
Argumenten der übrigen Parteien an.
Die Bundestagswahl und Europa – Überblick:
1: Warum wir im nationalen Wahlkampf über Europa reden müssen
2: Haushaltskontrolle, Steuerharmonisierung, Kampf gegen Steuerflucht
3: Eurobonds, Schuldentilgungsfonds, Staateninsolvenz
4: Wachstum, Beschäftigung, Abbau wirtschaftlicher Ungleichgewichte
5: Soziale Mindeststandards, Mitbestimmung, öffentliche Daseinsvorsorge
6: Finanzmarktregulierung, Ratingagenturen, Bankenunion
7: Klimaziele, Emissionshandel, Energiewende
8: Agrarpolitik, Lebensmittelsicherheit, Umwelt
9: Netzpolitik, Datenschutz, Urheberrecht
10: Gemeinsame Außenpolitik, Rüstungskoordinierung, EU-Armee
11: Entwicklungspolitik, Transatlantische Freihandelszone, Beziehungen zu anderen Staaten
12: Migration, Schengen-Raum, Asylpolitik
13: EU-Konvent, Demokratie, Erweiterung
1: Warum wir im nationalen Wahlkampf über Europa reden müssen
2: Haushaltskontrolle, Steuerharmonisierung, Kampf gegen Steuerflucht
3: Eurobonds, Schuldentilgungsfonds, Staateninsolvenz
4: Wachstum, Beschäftigung, Abbau wirtschaftlicher Ungleichgewichte
5: Soziale Mindeststandards, Mitbestimmung, öffentliche Daseinsvorsorge
6: Finanzmarktregulierung, Ratingagenturen, Bankenunion
7: Klimaziele, Emissionshandel, Energiewende
8: Agrarpolitik, Lebensmittelsicherheit, Umwelt
9: Netzpolitik, Datenschutz, Urheberrecht
10: Gemeinsame Außenpolitik, Rüstungskoordinierung, EU-Armee
11: Entwicklungspolitik, Transatlantische Freihandelszone, Beziehungen zu anderen Staaten
12: Migration, Schengen-Raum, Asylpolitik
13: EU-Konvent, Demokratie, Erweiterung
Bild: By Rock Cohen [CC BY 2.0], via Flickr; European Parliament [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; Kolja21 (derivative work: Treehill) [Public domain], via Wikimedia Commons.
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