08 März 2018

Deutschland und Frankreich: Gemeinsam in die Zukunft

Der deutsch-französische Motor ermöglichte viele wichtige Durchbrüche in der Entwicklung der EU, doch in den letzten Jahren scheint er etwas an Zugkraft verloren zu haben. Kann ein neuer Élysée-Vertrag die Partnerschaft wiederbeleben? In einer Serie von Gastartikeln antworten Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wissenschaft hier auf die Frage, welche Rolle die deutsch-französische Zusammenarbeit in der EU künftig spielen kann. Heute: Christophe Arend. (Zum Anfang der Serie.)

„Bundestag und Assemblée Nationale, die Herzkammern der deutsch-französischen Beziehungen, haben ihre Ideen für einen neuen Elysée-Vertrag schon vorgestellt.“
Die deutsch-französische Freundschaft ist ein historisches Geschenk. Seit Jahrzehnten arbeiten Deutschland und Frankreich als Partner und Freunde eng miteinander zusammen. Nach 55 Jahren ist es wichtig, diese Freundschaft für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen. Nicht nur für Deutschland und Frankreich, sondern auch für Europa und die Welt.

In diesem Jahr feiern wir den 55. Geburtstag des Elysée-Vertrages. Als Konrad Adenauer und Charles de Gaulle diesen Vertrag 1963 unterzeichneten, bewiesen sie politischen Pioniergeist. Die beiden Staatsmänner beendeten die Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich und legten den historischen Grundstein für die deutsch-französische Freundschaft. Bis heute stützen sich die deutsch-französischen Beziehungen auf die Grundpfeiler dieses Vertrages: eine enge bilaterale Zusammenarbeit, eine ausgeprägte zivilgesellschaftliche Dimension und konkrete gemeinsame Initiativen für Europa. Es sind diese Elemente, die diese Beziehung zu einer der engsten bilateralen Freundschaften der Welt werden ließen. Noch heute gilt daher das magische Rezept des Elysée-Vertrages.

Mit Blick auf eine europäische Einigung wusste man schon damals, dass diese ohne eine nachhaltige Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich unmöglich ist. Der Vertrag sah deshalb regelmäßige Regierungskonsultationen diesseits und jenseits des Rheins vor. Über die Jahre ist daraus eine enge politische Zusammenarbeit gewachsen. Stellvertretend für diese werden häufig die sogenannten „deutsch-französischen Paare“ genannt. Eine Vielzahl politischer Projekte und Kooperationen konnte so entstehen. Nicht nur in Deutschland und Frankreich.

Deutschland und Frankreich als Vermittler

Mit der fortschreitenden europäischen Integration, wurde auch die zweite Funktion der deutsch-französischen Beziehung immer deutlicher: als Vermittler. Bis heute gilt die Regel, dass ein europäischer Kompromiss immer dann am wahrscheinlichsten ist, wenn Paris und Berlin eine gemeinsame Position einnehmen. Deutschland und Frankreich gelten daher als Wegbereiter vieler europäischer Kompromisse und Projekte. Im Dienste Europas und in steter Zusammenarbeit mit ihren europäischen Partnern wurden unsere beiden Länder zu wichtigen Impulsgebern in der Europäischen Union.

Dass diese politische Zusammenarbeit auch außerhalb der EU zum Tragen kommt, wird immer wieder in internationalen Krisensituationen deutlich. Deutschland und Frankreich engagieren sich daher auch bilateral in vielen internationalen Organisationen. Nicht selten fungieren beide Länder auch hier als Vermittler, wie zum Beispiel bei der Lösung des Konflikts um die ukrainische Halbinsel Krim.

Eine Freundschaft nicht nur der Regierungen, sondern der Völker

Zu dieser politischen Zusammenarbeit gehört seit Beginn an eine starke zivilgesellschaftliche Dimension. Eine Vielzahl deutsch-französischer Organisationen verbindet die Bürgerinnen und Bürger. Zahlreiche Städtepartnerschaften, Schüleraustausche, Jugendbegegnungen etc. füllen die Freundschaft mit Leben. Seit 1963 sind die deutsch-französischen Beziehungen nicht nur eine Sache der Regierungen. Vielmehr handelt es sich um eine vollumfängliche Völkerfreundschaft. Schon Adenauer und de Gaulle hatten verstanden, dass es für eine nachhaltige Aussöhnung wichtig ist, auch die Bürger zu begeistern.

Diese Dimensionen bilden also den Rahmen unserer Beziehungen. Dass diese zu einem Erfolgsmodell der Geschichte wurden, liegt auch daran, dass sie stets mit konkreten Projekten verbunden wurden. Es ging dabei nie nur um die deutsch-französische Aussöhnung und die Sicherung des europäischen Friedens, sondern auch um ganz konkrete Initiativen. Nach dem Krieg war dies vor allem der wirtschaftliche Wiederaufbau und die Positionierung im Kontext des Ost-West-Konflikts. Mit der fortschreitenden europäischen Integration war es sodann wichtig, Europas Einigung den Weg zu ebnen und die wirtschaftliche Integration voranzutreiben. Seit einigen Jahren schon gehört auch immer wieder die Lösung internationaler und europäischer Krisen zur Tagesordnung der deutsch-französischen Freundschaft.

Herausforderungen der Zukunft

Diese drei Komponenten bilden das magische Rezept des Elysée-Vertrages. Es ist diese erfolgreiche Konstellation, die wir dem Pioniergeist der Gründungsväter unserer Freundschaft verdanken. Dieses historische Erbe unserer Freundschaft sollte uns stets bewusst sein.

Allerdings ist die Welt von heute nicht mehr die gleiche wie die im Jahre 1963. Beziehungen müssen daher immer zu weiterentwickelt und an die Herausforderungen der Zukunft angepasst werden. Der Deutsche Bundestag und die Assemblée Nationale haben hierzu am 22. Januar 2018 eine gemeinsame Resolution verabschiedet. Darin stellen wir als Parlamentarier unsere Vorstellungen für eine Weiterentwicklung unserer Beziehungen vor. Auch Emmanuel Macron hat seine europa- und deutschlandpolitischen Vorstellungen bereits vorgestellt. Der Ball liegt nun im Spielfeld der Regierungen, die noch im laufenden Jahr einen neuen Elysée-Vertrag ausarbeiten wollen.

Ein neuer Elysée-Vertrag: innovativ, progressiv und inklusiv

In einer Welt, die vermeintlich mehr denn je durch internationale Krisen und das Erwachen populistischer Strömungen geprägt ist, müssen wir unsere Beziehungen für die Zukunft wappnen. Auch für die europäische Integration im Zeitalter des Brexit und nationalistischer Gegenbewegungen wären frische Impulse wünschenswert. Deutschland und Frankreich müssen daher mehr denn je konkrete Projekte vereinbaren. Der bewährte Geist des Elysée-Vertrages und die Schlüsselfunktion der deutsch-französischen Freundschaft für den europäischen Frieden sind noch heute wichtig, sie reichen aber nicht mehr aus. Wir müssen den Bürgern wieder deutlich machen, worin der Mehrwert eines geeinten Europas in einer mehr und mehr fragmentierten, aber auch immer vernetzteren Welt liegt.

Bundestag und Assemblée Nationale, die Herzkammern der deutsch-französischen Beziehungen, haben ihre Ideen für einen neuen Vertrag schon vorgestellt. Am 22. Januar 2018 haben beide Parlamente eine gemeinsame Resolution verabschiedet. Diese Resolution übernimmt bewährte Praktiken und öffnet Wege für eine vertiefte Zusammenarbeit.

Konkrete neue Projekte

Ganz konkret soll zum Beispiel die Zusammenarbeit in den Grenzregionen vereinfacht werden. Die Eurodistrikte sollen mit eigenen Kompetenzen ausgestattet und die grenzüberschreitenden Kooperationen noch tiefergehend gestaltet werden können. Die deutsch-französischen Grenzräume könnten somit zu Laboren werden, in denen neue Formen der Zusammenarbeit ausprobiert werden könnten, um sie danach auf ganz Deutschland bzw. Frankreich und gegebenenfalls auch andere europäische Regionen auszuweiten.

Zudem wurden konkrete politische Projekte vereinbart. So sollen unsere beiden Länder in wirtschaftlichen Fragen noch enger zusammenarbeiten. Im Zeitalter von Digitalisierung und Big Data müssen Deutschland und Frankreich eine Vorreiterrolle einnehmen. Auf lange Sicht soll ein integrierter deutsch-französischer Wirtschaftsraum entstehen.

Auch in der schon weit entwickelten deutsch-französischen Kultur- und Jugendarbeit fordern wir als Parlamentarier Weiterentwicklungen. So soll ein deutsch-französischer Praktikantenstatus geschaffen werden, der Austausch in der beruflichen Bildung gestärkt und die Anzahl von Schülern, die die Sprache des Partnerlandes erlernen, erhöht werden. Außerdem sollen insgesamt zehn deutsche Kulturzentrum mithilfe von Kooperationen zwischen Institut Français und Goethe-Instituten geschaffen werden.

Europäische Initiativen

Neben diesen konkreten bilateralen Projekten, sieht die Resolution auch europäische und internationale Initiativen vor. In naher Zukunft soll zum Beispiel der durch die neu geschaffene Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) gewonnene Handlungsrahmen in der EU-Außenpolitik gemeinsam genutzt werden. Darüber hinaus haben wir vereinbart, dass Deutschland und Frankreich wichtige Impulse für eine europäische Digitalunion geben sollen und die EU zu einem weltweit führenden Akteur im Innovationsbereich werden soll. Auch die Wirtschafts- und Währungsunion soll vertieft werden und die Abstimmung in Fragen von Migration und Integration noch effizienter werden. Außerdem unterstützt die Resolution ausdrücklich die von Präsident Macron für das Jahr 2018 angekündigten consultations citoyennes. Auf dem internationalen Parkett fordern wir die Regierungen zu einer engen Zusammenarbeit im Klimaschutz auf. Generell sollen sich die Außenpolitiker beider Länder regelmäßiger austauschen.

Die gemeinsame Resolution von Bundestag und Assemblée Nationale ruft also zu einer Reihe von konkreten deutsch-französischen Projekten auf. Es handelt sich dabei einerseits um bilaterale Initiativen, aber auch um europäische Impulse und internationale Anliegen. Es ist nun an den Regierungen, diese Vorschläge in einem neuen Elysée-Vertrag festzuschreiben.

Die Parlamente als Herzkammern der Freundschaft

Dass diese maßgeblichen Vorschläge von den Parlamenten und nicht den Regierungen ausgingen, beweist einmal mehr den Grad der deutsch-französischen Freundschaft. In einer Zeit, in der in Berlin noch über eine neue Koalition verhandelt wurde, haben Bundestag und Assemblée Nationale ihre Arbeit gemacht und Vorschläge erarbeitet. Es wird daher wieder deutlich, dass die deutsch-französischen Beziehungen nicht nur eine Sache der Regierungen sind, sondern die gesamte Gesellschaft, und damit auch die Parlamente, umfassen. Die Parlamente sind die Herzkammern unserer Freundschaft.

Daher haben Bundestag und Assemblée Nationale neben der Resolution noch ein Parlamentsabkommen beschlossen. Zur konkreten Ausgestaltung wollen beide Parlamente eine Arbeitsgruppe aufstellen. Die grundlegenden Punkte wurden allerdings schon vereinbart.

So sollen die parlamentarischen Prozedere angeglichen und regelmäßig gemeinsame Sitzungen und Debatten durchgeführt werden. Die beiden Parlamente wollen die deutsch-französischen Beziehungen künftig noch intensiver begleiten und diskutieren. Beabsichtigt ist zudem die Benennung von Abgeordneten als mitwirkungsberechtigte Mitglieder, die an den Sitzungen des Europaausschusses des jeweils anderen Parlaments mit Sitz- und Rederecht teilnehmen können sollen.

Der Ball liegt nun bei den Regierungen

Auch zwischen Bundestag und Assemblée Nationale wurden also zahlreiche Projekte vereinbart. Die parlamentarische Stimme in den deutsch-französischen Beziehungen wird daher in Zukunft noch lauter und wegweisender sein. Als Parlamentarier haben wir viele Ideen für unsere Freundschaft.

Die Parlamente haben ihre Ideen für die Zukunft der deutsch-französischen Freundschaft also schon vorgestellt. Mit diesen Ideen und Impulsen können die deutsch-französischen Beziehungen für die Zukunft gewappnet werden. Die Parlamente werden sich dafür einsetzen, dass zeitnah ein neuer Freundschaftsvertrag ausgearbeitet wird. Dies liegt allerdings zunächst an den Regierungen in Paris und Berlin.

Auch in Zukunft ein Erfolgsmodell

Ich bin zuversichtlich, dass die deutsch-französische Freundschaft nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Zukunft ein Erfolgsmodell ist. Mit den Bürgern treiben wir konkrete bilaterale Projekte voran und geben wichtige Impulse für die europäische Integration.

Ich bin überzeugt davon, dass die Aufgaben der Zukunft zu groß und komplex sind, als dass sie ein Staat alleine lösen kann. Der Grad der politischen und gesellschaftlichen Verflechtung zwischen unseren Ländern ist heute schon historisch einmalig. Um die Zukunft aktiv gestalten zu können, muss diese in einigen Bereichen allerdings noch enger werden. Auch eine Stärkung der EU ist in vielen Politikbereichen unerlässlich. Wenn wir daran arbeiten, können wir gemeinsam optimistisch in die Zukunft blicken.

Christophe Arend (LREM) ist Vorsitzender der Deutsch-Französischen Freundschaftsgruppe in der Assemblée Nationale.


Bilder: Paris_Terrebonne [CC BY-ND 2.0], via Flickr; Antoine Lamielle (Own work) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons.

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