30 Januar 2018

Sieben Vorschläge für eine Große Koalition, die den „neuen Aufbruch für Europa“ ernst meint

Die neue Große Koalition will die Europapolitik in den Mittelpunkt stellen. Aber dafür müsste sie inhaltlich konkreter werden.
Als die Unterhändler von CDU/CSU (EVP) und SPD (SPE) Mitte Januar die Ergebnisse ihrer Koalitionssondierungen vorlegten, stießen sie bei vielen Proeuropäern auf positive Reaktionen: Von Pulse of Europe bis zu den Jungen Europäischen Föderalisten, von Henrik Enderlein über Ulrike Guérot bis Christian Moos war die Zustimmung zu den europapolitischen Ankündigungen im Sondierungspapier groß. Und auch SPD-Chef Martin Schulz betonte auf dem umkämpften Parteitag am 21. Januar den „Paradigmenwechsel in der Europapolitik“, den seine Partei in den Sondierungen erreicht habe. Ein „Deutschland, das sich seiner Verantwortung für Europa bewusst ist und entschieden handelt“, sei für ihn ein entscheidendes Argument für die Beteiligung der SPD an einer Großen Koalition.

Von Gemeinplätzen durchtränkt

Wirft man einen genaueren Blick auf das Sondierungspapier (Wortlaut), findet sich für diesen Enthusiasmus allerdings nicht allzu viel Anlass. Gewiss, auf symbolischer Ebene setzten die GroKo-Verhandler deutliche Signale: Das Kapitel zur Europapolitik steht im Papier gleich an erster Stelle und verspricht nicht weniger als einen „neuen Aufbruch für Europa“. Danach folgen drei Seiten mit gemeinsamen Zielsetzungen – deutlich mehr als in dem europapolitisch dürren letzten Sondierungsstand der Jamaika-Verhandler im November.

Doch auch bei der Großen Koalition bleiben viele dieser europapolitischen Ankündigungen ausgesprochen vage. Das Sondierungspapier ist durchtränkt von Gemeinplätzen („Wir wollen Europa bürgernäher und transparenter machen“, „Wir wollen eine offene und faire Handelspolitik, die allen zugutekommt“) und rhetorischen Redundanzen („Europa muss ein Kontinent der Chancen sein, besonders für junge Menschen. Sie sind Europas Zukunft. Wir wollen, dass junge Menschen ihre Hoffnungen auf Europa setzen können“). Bei vielen Vorhaben bleibt unklar, mit welchen Mitteln sie erreicht werden sollen („Die demokratischen und rechtsstaatlichen Werte [der EU] müssen noch konsequenter als bisher […] durchgesetzt werden“).

Und einige Formulierungen im Sondierungspapier sind gar so verschwurbelt, dass sich ihre Tragweite nur schwer abschätzen lässt. Wenn die Verhandler die Weiterentwicklung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zu einem „parlamentarisch kontrollierten Europäischen Währungsfonds“ fordern, so könnte das durchaus bedeutend sein – nämlich dann, wenn die immensen Mittel des ESM künftig der Budgetkompetenz des Europäischen Parlaments unterstellt würden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die nationalen Parlamente gemeint sind, was gegenüber dem Status quo kein nennenswerter demokratischer Fortschritt wäre.

Bislang bleibt vieles konventionell

Wirklich auffällig an dem Sondierungspapier ist nur die unzweideutige Bereitschaft zu „höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt“. Die Verhandler von CDU/CSU und SPD versprechen damit eine konstruktive Haltung in den bald anstehenden Gesprächen zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU ab 2021. Gerade angesichts der Haushaltslücke, die durch den Austritt des bisherigen Nettozahlers Großbritannien entstehen wird, ist das sehr zu begrüßen.

Ansonsten aber sind die konkreten Vorhaben des Sondierungspapiers eher konventionell: Vollendung des digitalen Binnenmarkts, mehr europäische Investitionen nach Vorbild des Juncker-Plans, mehr Geld für Erasmus Plus, mehr „faire Mobilität“ (aber keine „missbräuchliche Zuwanderung in die Systeme der sozialen Sicherheit“), bessere Vergleichbarkeit von Bildungsstandards, eine „kohärente Afrika-Strategie“. Das mag man alles schön und gut finden – aber ein „Paradigmenwechsel“ der deutschen Europapolitik ist dahinter beim besten Willen nicht zu erkennen. Bei keinem einzigen der großen Themen, die die Debatte über eine EU-Reform in den letzten Jahren geprägt haben, schlägt das Sondierungspapier eine besonders fortschrittliche Linie ein. Vielen Fragen geht es vollständig aus dem Weg.

Was bringt der Koalitionsvertrag?

Allerdings: Noch handelt es sich ja nur um ein Sondierungspapier, und die Verhandlungen für den finalen Koalitionsvertrag haben gerade erst begonnen. Es besteht deshalb guter Grund zur Hoffnung, dass die Koalitionspartner einige vage Versprechen noch mit konkreten Inhalten füllen werden. Wie aber müssten diese Inhalte aussehen, damit die nächste deutsche Bundesregierung tatsächlich wieder an der Spitze der europapolitischen Debatte stünde?

Im Folgenden sollen hier sieben Vorschläge vorgestellt werden, die sich eine Koalition, die es mit dem „neuen Aufbruch für Europa“ ernst meint, zum Ziel setzen könnte. Diese Vorschläge sind zwar ambitioniert, aber nicht utopisch: Sie alle werden bereits von wichtigen anderen europapolitischen Akteuren unterstützt oder könnten von der Großen Koalition auch einseitig umgesetzt werden.

1. Bekenntnis zum Spitzenkandidaten-Verfahren

Bei der Europawahl 2014 stellten die europäischen Parteien erstmals Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten auf – ein demokratischer Fortschritt, der aber gegen starke Widerstände im Europäischen Rat erkämpft werden musste. Und auch später weigerten sich die nationalen Regierungen, sich eindeutig zu dem neuen Verfahren zu bekennen. Am Ergebnis wird das zwar nichts ändern: Die europäischen Parteien und das Europäische Parlament sind entschlossen und stark genug, um das Spitzenkandidaten-Verfahren auch bei der nächsten Europawahl 2019 durchzusetzen, wie der konservative Fraktionschef Manfred Weber (CSU/EVP) erst vor wenigen Tagen noch einmal unterstrichen hat. Aber der Unwillen der nationalen Regierungen sorgt für eine institutionelle Unsicherheit, die dem Europawahlkampf nicht gut tun kann.

Ein klares Bekenntnis zu den Spitzenkandidaten – eine öffentliche Erklärung, dass Deutschland im Europäischen Rat nur solche Kandidaten für die Kommissionspräsidentschaft unterstützen wird, die auch eine klare Aussicht auf eine Mehrheit im Europäischen Parlament haben – ist deshalb das Mindeste, was man von einer ernsthaft europafreundlichen Bundesregierung erwarten darf. Bedeutend wäre dieser Schritt vor allem als Signal an die Medien, die europäischen Spitzenkandidaten und ihren Wahlkampf 2019 von Anfang an wichtig zu nehmen.

2. Gesamteuropäische Listen

Europäische Spitzenkandidaten sind allerdings nur der erste Schritt: Einen echten Durchbruch für eine Europäisierung der Europawahl brächten gesamteuropäische Listen, deren wichtigste Vorteile ich hier und hier beschrieben habe. Konkrete Vorschläge dafür liegen bereits auf dem Tisch: Erst vor wenigen Tagen stimmte der Verfassungsausschuss des Europäischen Parlaments dafür, den Europäischen Rat zu einer entsprechenden Änderung des europäischen Direktwahlakts aufzufordern. Und auch zahlreiche nationale Regierungen – unter anderem Frankreich, Italien und Spanien – unterstützen diesen Ansatz.

Gewiss: Eine Umsetzung bis zur Europawahl 2019 ist inzwischen schon aus Zeitgründen eher unwahrscheinlich, umso mehr, als die vier Visegrád-Staaten (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei) gesamteuropäische Listen derzeit offen ablehnen. Doch die Debatte wird weitergehen – und wenn der Großen Koalition das „Europa der Demokratie“ so wichtig ist, wie es im Sondierungspapier heißt, sollte sie hier zusammen mit den anderen proeuropäischen Regierungen im Rat eine Führungsrolle übernehmen.

3. Abschaffung nationaler Vetorechte

Ein wichtiges Problem der Europäischen Union sind die nationalen Vetorechte, die es bei vielen europäischen Entscheidungen – zum Beispiel in der Außen-, Steuer- und Sozialpolitik, aber auch bei der Verabschiedung des mehrjährigen Finanzrahmens – bis heute gibt. Diese Vetorechte machen die EU nicht nur schwerfällig; der übermäßige Konsenszwang schadet auch der europäischen Demokratie.

Erfreulicherweise enthält der EU-Vertrag (vor allem durch die Brückenklausel in Art. 48 Abs. 7 EUV) die Möglichkeit, in Bereichen, in denen jetzt noch einstimmige Entscheidungen nötig sind, zu Mehrheitsverfahren überzugehen. Im Brok/Bresso-Bericht von 2017 forderte das Europäische Parlament den Europäischen Rat dazu auf, diesen überfälligen Schritt endlich zu tun. Passiert ist seitdem jedoch nichts: Viele nationalen Regierungen sind offenbar nicht dazu bereit, auf ihre Vetorechte zu verzichten. Die nächste Bundesregierung sollte hier deutlich machen, dass sie nicht zu den Blockierern zählt und zu einer Aktivierung der Brückenklausel bereit ist.

4. Europäische Steuern statt „nationaler Beiträge“

In dem Sondierungspapier erklären sich die GroKo-Verhandler dazu bereit, den deutschen Beitrag zum EU-Haushalt zu erhöhen. Auf eine andere Schlüsselfrage der europäischen Budgetverhandlungen gehen sie jedoch überhaupt nicht ein: nämlich den Vorschlag, bei der Finanzierung der EU künftig generell weniger auf „nationale Mitgliedsbeiträge“ und mehr auf europäische Unternehmens- und Ökosteuern zu setzen.

Die Hintergründe dieser Debatte habe ich hier ausführlicher beschrieben – kurz gefasst geht es darum, den EU-Einnahmen eine politische Steuerungswirkung zu geben und zugleich die Logik der nationalen Nettozahler/Nettoempfänger-Debatten zu durchbrechen. Grundsätzliche Überlegungen dazu hat eine Arbeitsgruppe um Mario Monti bereits Ende 2016 vorgelegt; vor wenigen Wochen nannte Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU/EVP) als spezifischen Vorschlag unter anderem eine europäische Plastiksteuer. Eine europafreundliche Bundesregierung sollte diese Entwicklung nachdrücklich unterstützen.

5. Automatische Stabilisatoren für die Eurozone

Wie die Eurokrise zeigte, krankt die europäische Währungsunion an ihrer Anfälligkeit für asymmetrische Schocks: Wenn in einem Teil der Eurozone die Konjunktur abstürzt, während sie in anderen Ländern stabil bleibt, kann das leicht zu einer desaströsen Spirale führen. Um das zu verhindern, sind finanzielle Transfers in die Krisenstaaten nötig – eine Erkenntnis, der auch die GroKo-Sondierer grundsätzlich Rechnung tragen, wenn sie „spezifische Haushaltsmittel für wirtschaftliche Stabilisierung […] in der Eurozone“ fordern.

Allerdings scheinen die Sondierer dabei bis jetzt nur diskretionäre Mittel im Blick zu haben – also einen Fonds, über dessen Verwendung die Eurogruppe in jeder Krise jeweils neu politisch entscheiden müsste. Dies ist aus zwei Gründen problematisch: Zum einen zeigt die Erfahrung, dass solche Entscheidungen in der Krise meist zu spät erfolgen, um optimal zu wirken. Und zum anderen besteht immer die Gefahr, dass sie politisch instrumentalisiert werden. Sinnvoller wäre deshalb die Einführung automatischer Stabilisatoren in der Eurozone – konjunkturabhängiger, zyklischer Finanztransfers zwischen den Mitgliedstaaten, die nach einem vorher festgeschriebenen Mechanismus ausgelöst werden.

Das beste Modell dafür wäre eine europäische Arbeitslosenversicherung, wie sie 2014 auch der damalige EU-Sozialkommissar László Andor (MSZP/SPE) ins Spiel brachte. Die deutsche Bundesregierung bügelte den Vorschlag damals jedoch brüsk ab. Erst vor einigen Monaten machte der italienische Finanzminister Pier Carlo Padoan (PD/SPE) nun einen neuen Vorstoß. Im Sinne eines „neuen Aufbruchs für Europa“ sollte die Große Koalition diese Chance nutzen und ihre bisherige Blockadehaltung korrigieren.

6. Europäische Einlagensicherung

Ein wichtiger Brandbeschleuniger in der Eurokrise war die Konkurrenz zwischen den nationalen Einlagensicherungssystemen für Banken: In den Panikwochen im September 2008 überboten sich die Mitgliedstaaten mit nationalen Anlegergarantien – mit dem Ergebnis einer Kapitalflucht aus dem schwächeren Irland in das stärkere Deutschland.

Die Europäische Kommission hat deshalb bereits 2015 einen Vorschlag für eine gesamteuropäische Einlagensicherung vorgelegt, der seitdem jedoch vor allem wegen des Widerstands der deutschen Bundesregierung im Ministerrat auf Eis liegt. Ende 2017 schwächte die Kommission ihren Vorschlag deshalb bereits ab. Die deutsche Bankenlobby (für die das derzeitige Ungleichgewicht zwischen den nationalen Einlagensicherungen natürlich auch ein Wettbewerbsvorteil ist) bleibt jedoch bei ihrem kategorischen Nein. Auch hier sollten die GroKo-Verhandler ihre nationalen Scheuklappen ablegen und im Koalitionsvertrag einen konstruktiveren Umgang mit dem Vorschlag der Kommission ankündigen.

7. Allgemeines Wahlrecht für Unionsbürger

Wer als Unionsbürger in einem anderen Mitgliedstaat lebt, darf dort an Europa- und Kommunalwahlen teilnehmen. Die Teilnahme an Landtags- und Bundestagswahlen ist den rund 4,3 Millionen nicht-deutschen EU-Bürgern in Deutschland jedoch verwehrt – ein demokratisch unbefriedigender Zustand, der nicht zuletzt die politische Integration der europäischen Gesellschaften erschwert.

Die beste Lösung für dieses Problem wäre natürlich eine EU-Vertragsreform, um die in Art. 20 AEUV verankerten Unionsbürgerrechte auf nationale und regionale Parlamentswahlen zu erweitern. Doch auch wenn eine solche Vertragsreform wegen des Widerstands anderer Regierungen kurzfristig nicht zu erreichen ist, könnte eine europafreundliche Große Koalition Unionsbürgern wenigstens in Deutschland das volle Wahlrecht zugestehen – gegebenenfalls auf Gegenseitigkeit in Form von bi- oder multilateralen Verträgen mit anderen Staaten.

Für eine solche Wahlrechtsreform wäre (nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1990) eine Grundgesetzänderung nötig, doch die dafür nötigen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat sollte die Große Koalition mit Unterstützung der europafreundlichen Oppositionsparteien durchaus erreichen können. Was könnte besser geeignet sein, um dem im Sondierungspapier geäußerten Wunsch nach einem „Europa der Demokratie“ mit einem „lebendigen Parlamentarismus auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene“ gerecht zu werden?

Schöne Worte sind nicht genug

Ist es sinnvoll, wenn sich die beiden großen Parteien der Mitte zu einer gemeinsamen Regierung zusammentun, oder verleihen sie damit nur den Populisten am Rand des politischen Spektrums Auftrieb? Wie ich hier vor einem Jahr geschrieben habe, kommt es wesentlich darauf an, was die Pro-Europäer aus ihrer Zusammenarbeit machen: Grundsätzlich bringt eine Große Koalition immer die Gefahr mit sich, dass die Unterschiede zwischen den Parteien verwischen, sodass die Populisten als einzige „echte Alternative“ auftreten können. Sie kann jedoch auch zum Erfolg werden – nämlich dann, wenn es ihr gelingt, die Funktionsweise des politischen Systems selbst zu verändern, sodass eine neue, demokratischere Europapolitik den Populisten ihr Protestpotenzial nimmt.

Wenn die Große Koalition es also ernst meint mit dem „neuen Aufbruch für Europa“, so ist ihr damit Erfolg zu wünschen. Doch schöne Worte und symbolische Gesten, wie das Sondierungspapier sie bietet, werden dafür nicht genügen. Der Koalitionsvertrag wird zeigen, ob CDU/CSU und SPD auch zu konkreten Maßnahmen für eine stärkere und demokratischere EU bereit sind.

Bild: © European Union 2012 EP / Pietro Naj-Oleari [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr.

1 Kommentar:

  1. Mein ergänzender Vorschlag 1a:

    Die Parteien sollten zu den Europawahlen 2019 nicht nur mit europäischen Spitzenkandidaten für die Kommissionspräsidentschaft antreten, sondern auch mit nationalen Spitzenkandidaten für die Besetzung der übrigen Kommission. Wahlen werden für die Menschen interessanter, wenn sie das Gefühl haben, dabei über das künftige Spitzenpersonal abstimmen zu können. Von daher wäre es nur logisch und konsequent, wenn bei den Europawahlen nicht nur personelle Alternativen für die Kommissionsspitze angeboten werden, sondern eben auch für die Besetzung der übrigen Kommission.Die in Deutschland gewählten Europaabgeordneten könnten dann mit Mehrheitsbeschluss der Bundesregierung eine Vorgabe machen, wer in Brüssel als künftiges Mitglied der Kommission aus Deutschland vorgeschlagen wird. Rechtlich stünde dem nichts im Wege; Artikel 17 (7) des EU-Vertrages schreibt lediglich vor, dass die Mitgliedstaaten Vorschläge für die Besetzung der Kommission machen. Wie die Vorschläge zustande kommen, ist Sache der Mitgliedstaaten und könnte für Deutschland in Berlin beschlossen werden. Voraussetzung wäre lediglich der politische Wille der maßgeblich Beteiligten. Das ist uns mit den Spitzenkandidaten für die EU-Kommissionspräsidentschaft vor Augen geführt worden. Die sind im EU-Vertrag mit keinem Wort erwähnt, und trotzdem hatten wir 2014 eine Situation, in der dem Europäischen Rat de facto die Hände gebunden waren, obwohl er laut EU-Vertrag das Vorschlagsrecht für den Kommissionpräsidenten hatte.Das könnte man doch auch mit Blick auf die Auswahl der Kommissare machen. Aus Respekt vor den Wählerinnen und Wählern, die zur Europawahl 2019 gehen, könnten sich die Parteien im Vorfeld darauf verständigen, dass beim Vorschlag für die künftige Kommissarin/den künftigen Kommissar das Ergebnis der Wahlen berücksichtigt wird. Dies könnte dann so konkretisiert werden, dass die Parteien vor der Wahl sagen, wen sie als künftige Kommissarin oder Kommissar im Auge haben. Nach der Wahl könnten dann die neu gewählten deutschen Europaabgeordneten zusammentreten und abstimmen. Rein rechtlich gesehen wäre das Abstimmungsergebnis natürlich nur eine Empfehlung, aber politisch eben bindend.Auch vor dem Hintergrund der angestrebten transnationalen Listen wäre der Vorschlag von Bedeutung. Indem man den auf den nationalen Listen gewählten Abgeordneten eine neue zusätzliche Rolle bei der Auswahl der Kommission zuweist, kann dem Vorwurf entgegengewirkt werden, dass die Europaabgeordneten auf den nationalen Listen bei Einführung transnationaler Listen nur noch Abgeordnete zweiter Klasse wären. Anders als bei den gegenwärtig als Innovation diskutierten transnationalen Listen bräuchten bei dem vorgeschlagenen Verfahren zur Benennung von nationalen Spitzenkandidaten auch nicht alle Mitgliedstaaten von Anfang an mitzumachen.

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